4.
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Intsblatt der freien und Hansestadt Lübeck 61. Jahraan Nachrichten für das hherzogtum Tauenburg, die
Leiblatt: Gesetze und Verordnungsblatt . gang nd Fürstentümer Ratzeburg, Lũbeck und das angren⸗
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Drud und Verlag: Gebrüder Borchers G.m. b. S. in Lübed. — Geschöftsstelle Adreß Baus (Köniaftr. 46). Ferniprecher 2000 u. 2001.
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Erstes Blatt. Hierzu 2. Blatt.
— EE— — — — ——j,— —„c—ce2 4 — XVYVYR EEDk —
Umfang der heutigen Rummet 72.
nichtamtlicher Teil.
Die russischen Hochschulunruhen.
Auslandsbrief von einem alten russischen Studenten).
Petersburg, 17. Febr.
Geht man die Newa entlang vom Winterpalais zur
Nikolaibrücke, so erblict man auf dem anderen Ufer ein
chmales, rotes Haus. Nur vier Fenster zählt die Front.
davor stehen einige alte entlaubte Linden. Die rote Farbe
es Hauses verkündet seinen Besitzer, nämlich alle roten Häuser
n Petersburg gehören dem Staate. Diese schmale Wand
st die Petersburger Universität; ihre Hauptfront wendet
ie einer Seitenstraße zu. Steht man in dieser Straße, so
ieht man zweireihig je 120 Fenster, von einem Adler über—
chattet, darüber die Inschrift „Die Kaiserliche St. Petersburger
Iniversität“. Das Haus gehört zu den ältesten in Peters—
zurg. Der erste russische Kaiser hat es noch erbauen lassen,
um seine zwölf Kollegien — die vor 200 Jahren die Stelle
der heutigen Ministerien einnahmen — in ihm unterbringen
u können. Ein architektonischer Stil jedoch fehlt dem roten
vHebäude. Nüchtern und kahl ist es von außen ebenso wie im
Innern.
Sehr viel Elend hat dieses rote Haus erlebt, sehr viele
ind unglücklich in ihm geworden und nur wenige Glüdliche
at es entlassen. „Nenne einen einzigen Ort mir nur, wo Ruß—
ands Sohn noch nicht gestöhnt. ..“ Dieses Volkslied muß
ns Positive umgewandelt die Petersburger Universität mit
in erster Stelle nennen, wenn es gilt, die Leidensorte der
ufsischen Jugend aufzuzählen....
Nicht etwa, weil die Universität keine Bedeutung für die
Wissenschaft gehabt hätte oder heute nicht mehr besäße. Nein,
zie Petersburger Universität darf sich ruhig unter die ersten
ruropas zählen. wenn es gilt, ihren wissenschaftlichen Wert
achzuweisen. Wer da lernen will, der kann es im roten Hause
genugsam tun. Aber die Freiheit, die Lust dazy, die fehlt,
ind wer sie mitbringt, als lebensfroher Jüngling, der verliert
ie im ersten Semester, und wird grau und mürbe von dem alles
rdrückenden Zwang, der „von oben her“ auf das rote Haus
ind alle, die in ihm wohnen, herabkommt.
Seit drei Wochen bald sind wieder „Unruhen“ ausge—
prochen, Unruhen, so geht es durch die Stadt, so liest mans
in jeder Zeitung, und jeder kennt das Bild, das Elend, das
ich hinter diesem Worte verbirgt. Nach dem Grunde der
Unruhen zu suchen, verlohnt sich heute nicht mehr; denn
ängst schon haben die ersten Ursachen neue Folgen und diese
viederum neue Gründe und wiederum schwerere Folgen ge—
eitigt, so daß niemand mehr aus noch ein weiß. Die Studenten
treiken . .., so begann der Strauß, und weil sie streilten,
ariff sie die Polizei an und verhaftete ein halbes Tausend
sungernder Gesellen, die zu sechs in einem Zimmer wohnen,
einen Mantel zusammen besitzen und doch getrieben von ebr—
A
GGroße Ausgabe) Mittwoch, den 22. Februar 191.
lichster Wissensgier alles tägliche Elend zu überwinden luchen,
nur um die Universität besuchen zu können. Gewiß, nicht nur
aus reiner Liebe zur Wissenschaft, häufiger, viel häufiger wohl,
um die geistigen Kampfmittel für sich zu er—
ringen, durch die dann später das geknechtete
russlische Volkbefreit werden soll. Man kennt nun
siese Gesellen, die kaum, nachdem sie das Staatsexamen be—
tanden, oder auch schon vorher in die Dörfer ziehen und dort
»em aufhorchenden Bauern von Gleichheit der Rechte, von
arischem Despotismus usw. erzählen.
Solche Kämpfer sind jedoch gern bereit, sich selbst als
iegespreis einzusetzen, wenn nur durch ihr Leiden der Sieg er⸗
ungen werden kann. Sie streiken nicht ungern, wenn sie da—
urch der verhaßten Regierung Schaden zufügen können, sei
s auch nur im geringsten Maße. Und die Regierung kommt
hnen dabei ahnungslos entgegen. Denn die Maßnahmen, die
etzt von ihr zur Unterdrückung der Unruhen ergriffen worden
ind, vergrößern nur die allgemeine Unzufriedenheit in er—⸗
hreckender Weise. Die Professoren werden gezwungen, vor
iner lärmenden Menge Vorlesungen zu halten, Stinkbomben
m eigentlichsten Sinne des Wortes fliegen durch die Kollegien—
äume, deren entrinnende Gase niemand zu ertragen vermag,
ie Polizei hält Korridore und Katheder besetzt... das ist heute
nser Universitätsleben....
Der Militäretat in der Budgetkommisfion.
W. Verlin, 21. Febr. Die Verhandlungen über das Tempel—
oferfeld beginnen morgen, daher wurden die zu dieser Frage
ingegangenen Petitionen zurückgestelt. In der Beratung des
silitäretats wird fortgefahren. Die Nationalliberalen
abenden Antragauf Streichungfolgender Stellen
estellt, wobei natürlich entsprechende Folgerungen bei weiteren
tatlapiteln gezogen werden sollen: Zwei Armee-Inspekteure,
ie Gouverneure von Berlin, Köln, Nainz und Ulm, sowie die
tdommandanten von Altona, Breslau, Karlsruhe, Magdeburg
ind Spandau, nebst den zugehörigen Generalstabsoffizieren und
ldiutanten. Von fortschrittlicher Seite wird beantragt,
iese Liste auf den Gouverneur von Glogau auszudehnen. Be—
ründet wurde der Antrag der Nationalliberalen mit der Rück
cht auf die notwendige Sparsaenkeit. Der Kriegsminister wen—
et sich entschieden gegen den Antrag. Durch diese Streichungen
»ürden vitale Interessen des Seeres geschädigt. Die Stellen
er Armee-Inspekteure, Gouverneuce und Kommandanten seien
ꝛeder im Krieg noch im Frieden entbehrlich. Der Minister
ing näher cquf die Tätigkeit der einzelnen im Kriege und im
rieden ein und weist zum Vergleich auf die Verhältnisse im
anzösischen Heere hin, wo die Notwendigkeit derartiger Stellen
1mweit höherem Maße als bei uns anerkannt worden sei. Ein
zertreter des Zentrums bezeichnet den Antrag der National⸗
iberalen als ein Wahlmanöver. Auch von konserbativer Seite
ird der Antrag bekämpft. Fin Nationalliberaler protestiert
atschieden gegen die Bemerkung des Zentrumsredners. Der
Untragsteller verweist darauf, daß verschiedene Stellen
leicher Art ohne Schädigung der Armee im Laufe der Zeit
gestrichen worden seien. Man n üsse sparen. wo es irgend mög⸗
Theater, Kunst und Wissenschaft.
Das neue Kal. Opernhaus in Berlin, das auf dem Platze
es Neuen Kgl. Opernhauses (Kroll) errichtet werden soll
ind dessen Pläne, wie berichtet, der Kaiser Sonntag eingehend
zesichtigt hat, soll in Parkett, vier Rängen und Amphitheater
ür 2500 Zuschauer Platz bieten. Der Orchesterraum soll 120
Musiler aufnehmen können und die Hofloge 80 Sitzoplätze er⸗
zalten. Besonders groß sind die Räume sür den Kgl. Hof ge—
alten. Auch das Bühnenhaus, für das eine Breite von
32m, eine Tiefe von 60 m und eine Bühnenöff—
rung von 13,5 mvorgeschrieben ist, hat in allen Entwürfen
ine zufriedenstellende Bearbeitung gefunden. Das gleiche gilt
yon den Ankleideräumen der Künstler, des Balletts und des
Lhors, für die grohe Ansprüche gestellt wurden. Nach der
Wuerallee zu ist ein umsangreiches Magazin⸗ und Betriebs—
jebäude proijektiert. Die Baukosten sind, ohne die neuen
ßrunderwerbskosten, die sich auf 3101000 Mubelausen, auf
2 Millionen Muveranschlagt, doch scheint es, als ob nicht
alle vorliegenden (7) Entwürfe sich innerhalb der Grenzen
dieses Voranschlages halten.
Von den Berliner Bühnen. Das Friedrich-Wilhelm⸗
tädtische Schauspielhaus, dessen derzeitiger Direktor
Waldemar Runge mit Ablauf der Spielzeit von der Leitung
urücktritt, wird wahrscheinlich wieder wie früher als O pe—
ettentheater erstehen. Dagegen wird die Komische Oper
ehr wahrscheinlich kein Operettentheater werden, da die Käuser,
»ie Hamburger Direktoren Bendiner und Philipp, dazu keine
donzession erhalten werden. Die Komische Oper müßle dann
zuss neue auf die Direktorensuche gehen. — Die derzeitige
direktion der Komischen Oper Direktor Eugen Gura)
nat sich bereit erklärt, Frl. Emmy Destinn für drei Gastspiele
insangs Mai für 15 000 Mizu verpflichten, und es besteht
Aussicht, daß dieses Auftreten zustande kommt; dies hängt
zavon ab, ob es der Künstlerin gelingt, den Anfang ihres
ond oner Gastspiels an der Convent Garden⸗Oper, das sie
Mitte Mai beginnen muß. um einiae Tage zu vershleben. —
Aktademische Statisten im „Faust“. Ebenso wie bei
ven Aufsührungen der „Räuber“, der „Braut von Messina“
ind des „König Oedipus“ wird auch bei der Neueinstudterung
es zweiten Teiles von Goethes „Faust“, die voraussichtlich
ereits ir den ersten Tagen des März im Berliner Dieut⸗
chen Theater in Szene geht, eine große Anzahl von Akade—
nilern als Statisten mitwirken. Etwa zweihundert Stu—
enten beteiligen sich bereits an den Arrangierproben. Die
kademischen Statisten wirken in der Hauptsache beim Masken—
est im ersten Aufzug und in den Krieasszenen im vierten Alt
nit.
Am Basler Stadttheater fand Donnerstag, den
6. Febr. die schweizerische Erstaufführung des „Rosen—⸗
avaliers“ von Richard Strauß statt. Die vom Direktor
Melitz Efrüher Direktor des Viktoriatheaters in Lübech,
ind dem Kapellmeister Becker vorbereilele Darstellung erwarb
ich einen vollen Erfolg, der für die ausgezeichnete
zesamtleistung der Künstler und des Orchesters nicht un—
serdient war. — Nach Basel werden nun auch Zürich und
Bern in ihren Stadttheatern den „Rosenkavalier“ zu hören
ekommen.
8 Vom Kieler Stadttheater. Gelegentlich der Theater⸗
»orlage in der Stadtverordnetenversammlung in Kiel
im Freitag, dem 17. Febr. in welcher bekanntlich der
zeichluß über diese Vorlage nicht zustande gekommen ist,
rachte Stadtverordneter Möller u. a. die Mitteilung, daß
ei den Ausgaben, die auf 576,000 Muveranschlagt seien,
icht gespart werden könne, daß aber die Einnahmen auf
64 000 Meuveranschlagt, wesentlich hinter diesem Anschlag
vurüchbbleiben würden, da in der Spielzeit 1909/10 nur
26000 M, also 38 000 Miuweniger als berechnet, ein⸗
segangen seien, und daß die Einnahmen der Spielzeit
910/11 noch bedeutend schlechter als die der Spielzeit
c909/10 seien. Bis zum 15. Febr. dieses Jahres beziffere
ich die Mindereinnahme abermals außf 24000 M.
hegenüber, der Einnahme von 1909/10 unter Zugrunde—
aung veẽ bisbheriagen Besuchs der Spielzeit 1910/11 würd⸗
Morgen⸗Blatt Nr. 96.
1
vι
lich sei. Ein Vertreter der Sozialdemokratie dolgert die
Entbehrlichkeit der Armeeinspekteurstellen daraus, daß sie zu—
meist mit Prinzen besetzt seie. Der Kriegsminister legt
Verwahrung ein gegen solche Mindereinschätzung von Angehörigen
regierender Häuser und verweist auf die Ereignisse von 1871.
Zu einer Abstimmung' kam es noch nicht. Die Ver—
handrungen werden fortgesetzt.
Inland und Ausland.
Deutfches Roesch.
W. Offizielle Broschüre über die Reichsfinanzreform. Im
Herrenhaus wurde von Grafen Mirbach-Sorquit;
ten ein Antrag eingebracht, die Staatsregierung zu ersuchen,
in geeigneten, insbesondere kleineren Organen eine offizielle ge⸗
neinverständliche Darstel ung des Inhalts der
Reichssfinanzreform von 1909 zu geben, sowie der durch
die Steuersätze bedingten Preiserhöhungen im Gebiet der Kon—
umsteuern.
W. Aus dem prouß scheun Abgeordneenhaus. Die Bud⸗
kommission des Abgeordnetenhauses erledigte
den Etat des Finanzministeriums, wobei sie die Be—
schlußkfassung über die 185 125 Vfür die Vorarbeiten und Grund—
erwerbskosten für den geplanten Neubau des Königl. Opern⸗
jauses aussetzte. — Der Minister stellte eine Gesetzes vor—
agegegen Serienlose noch für diese Tagung in
Aussicht, ferner einen Finanzbericht ähnlich dem von Miquel
erstatteten, sowie ein Gesetz, das die Sparkassen ver—
pflichtet, einen Teil des Reservefonds in Kon—
—dD18anzulegen.
Frankreich.
W. Tas Ministerium des Auswärtieen über den ruisech
chinesischen 3wichenfall. Paris, 21. Febr. Petit Parisien
chreibt in einer sichtlich vom Ministerium des Auswärligen an—
seregten Mitteilung, der russischschinesische Zwist flöße umso
veniger Besorgnis ein, als Japan der chinesischen Reglerung
z»en Rat erteilte, nicht auf einer Politik zu verharren, die
den Frieden in Asien gefährden könnte.
W. Franzöfische Offiriere mit Aeroplanen in Sengam⸗
zien. Paris, 21. Febr. Demnächst gehen mehrere Offiziere,
zie das Fliegerpatent erlangten, mit vier Aeroplanen nach
dakar (Senegambien) ab, wo sie zunächst kleine Flüge über
Tünen und Hauptstraßen unternehmen. Größere Flüge werden
ꝛxit dann stattfinden, wenn die Windverhältnisse und das Ver—⸗
halten der Motore in jenen Gegenden genau studiert sind. Die
Militärflieger der afrikanischen Kolonien wer—
den hauptsächlich die Aufgabe haben, einen Postdienst
mit großer Geschwindigkeit zu ermöglichen, ge—
qebenenfalls auch den Aratdienst zu beschleunigen
Spanien.
W. Besteuerung ausländ schr Weripapiere. Madrid,
21. Febr. Die Gazeta de Madrid veröffentlicht ein Dekret,
das die Ausführungsbesftimmungen zu dem Gesetz über
—DDD—
Art trifft
A
mnan überhaupt für beide Theater (Stadt- und Kleines
Theater) nur auf 505 000 Mufkommen; das seien 59 000 M
veniger als der Voranschlag für 1911/12. Der Zuschuß sür die
Stadt, der auf 87000 Munach der neuen Vorlage berechnet
ei, würde sich dadurch auf 140 900 bis 150 000 Miaerhöhen, ohne
»aß die Verzinsung der Baukosten usw. in diesem Zuschuß
inbegriffen wäre. — (Der Zuschuß für 1910/11 war auf
118 000 Meuveranschlagt. Die Redaktion). — Stadtverord—⸗
ieter Adler (Soz.) gab bekannt, daß sich die höchste
kinnahme während einer Spielzeit einschließlich der Abonne—
nents auf 478 900 Miim Stadttheater belaufen könne, wenn
das Theater jeden Abend ausverkauft wäre. Dazu käme
die Subvention des Kaisers mit 15000 M. — Da vier
erschiedene Preisgattungen vorhanden seien, so könnte das
ztadttheater nur bei ersten Preisen 2200 Mucausschl. 500
M für Abonnements) erbringen, bei mittleren Presen 1750
Müstatt 2100 M, bei kleinen Preisen 1000 Mistatt 1241
M, während die Schälervorstellungen bares Geld kosteten.
Ddie Gesamtausgaben beider Theater betrügen 697715 M,
zazu käme noch das Gehalt des Direktors mit 15000 M.
dem ständen 606 000 Maäals Höchsteinnahme aus beiden The—
atern gegenüber, — vorausgesetzt, daß die Theater Abend
ür Abend besetzt seien.
Künstlernacht ichten. Wegen Disserenzen mit der Wiesbadener
Intendantur hat der Hosopernsänger Braun um seine sofortige
centlassung. Braun wurde für die Hofoper in Wien ver⸗
flichtet. — Anna Kras feiert am 5. Mai das Jubiläum
hrer fünfzigjährigen Zugehörigkeit zum Burgtheater. —
das hervorragendste Mitglied des Schauspielerensembles des
dandestheaters in Prag, der Komiker Gustav Löweée
»erlähßt nach falt dreißigjähriger Wirksamkeit 5. Jahre alt
mis gesundheitlichen Gründen das Institut und wird sich
ins Privatleben zurücziehen. Aus Anlaß seines Scheidens
werden dem Künstler vom Teutichen Theaterverein und
der gegenwärtigen Direktion viele Ehrungen dargebracht,
— Lisßa Hasse wurde als Altistin an das Stadt⸗-Theater
muu Köniasberga i. Pr. ah Herbst 1911 verpflichtet.
—