Full text: Lübeckische Anzeigen 1911 (1911)

Deutscher Reichstag. 
Berlin, den 16. Februar. 
Am Zundesrazuisch: Tirpitz,. Dr. Lisco. 
na des 
die Verahms Marine· Etats 
vird fortgesetzt und zunächst die namentliche Abst im munng über 
vie zu den ordentlichen Ausgaben für Materalien-Beschaffung von 
den Sozialdemokraten eingebrachte Resolution vorgenommen, wo⸗ 
nach die Marineverwaltung hre Lieferungen nur an solche Firmen 
»ergeben soll, welche den Verpflichtungen der Arbeiter⸗Schutzgesetz- 
gebung nachkommen, die auf den Abschluß von Tarifverträgen hin— 
virken und wonach die Marineverwaltung bei Festsetzung oder Neu— 
erdnung von Arbeitsbedinaungen dieArbeiterausschüsse zuziehen loll. 
Die Resolution gelangt mit 240 gegen 101 Stimmen zur An— 
nahme. Dafür stimmen die gesanite Linke, die Polen, das — 
mit isgen Ausnahmen, die Wirtschaftliche Vereinigung und die 
Deutsche Reformpartei. 
Auf Antrag des Abg. Giesberts (8. werden nach kurzer 
Veschäftsordnunasdebatte auch die beiden während der gestrigen 
Distussion zu den außerordentlichen Ausgaben für „Schiffsbauten“ 
ringebrachten Resolutionen Giesberts-Behrens (W. V.) die 
siich auf dieselbe Materie beziehen, sofort zur Abstimmung gebracht. 
Die Resolutionen lauten: 
I. den Herrn Reichslanzler zu ersuchen, die Marinever⸗ 
valtung anzuweisen. in ihren Betrieben die Arbeiteraus- 
schüsse so auszubauen, daß 
1) den Arbeitern die im Arbeitkammergesetzentwurf vorge— 
eer Wohltaten im Sinne der Kailerlichen Erlasse zu Teil 
verden; 
2 den Arbeiterausschüssen bei Gestaltung der Lohn- und Ar⸗ 
ꝛeitsbedingungen eine geeignete Mitwirkung ermöglicht wird. 
11. den Herrn Reichskanzler zu ersuchen, bei Vergebungen von 
Arbeiten und Lieferungen für die Marineverwaltung nur solche 
Firmen zu berücksichtigen, in deren Betrieben die Lohn- und 
Arbeitsbebiengungen entweder durch Tarifverträge ge— 
egelt sind oder nicht hinter den am Ort des Betriebes für die 
betreffende Art der Arbeit geltenden Tarifverträgen zurückbleiben.“ 
Beide Resolutionen werden angenommen, die erste gegen 
»ie Stimmen der Deutschkonservativen und der Reichspartei, die 
ie eaen die Stimmen dieser beiden Parteien und der National- 
iberalen. 
Darauf wird die gestern vertaate Debatte über die ordentlichen 
Ausgaben für 
Inftandkhaltung der Flotte und Werkten 
ortgesetzt. 
Staatsselretär v. Tirpitz gibt die bereits im Abendblatt mitge— 
erlte Antwort des Konteradmirals Lans auf die gestrige Anfrage 
des Abg. Dr. Weber belannt. 
Abg. Dr. Struve (f. V.): Ich freue mich, daß der Staatssekretär 
oeben die Darstellungen des Leipziger Tageblatts berichtigt hat. 
Die von mir aestern erwähnte Reiseordauung datiert von 1802 
Deit einem kaufmännischen Geist allein ist es in der Marine 
richt getan. Die Firma Krupp beschwert sich, daß jetzt erhöhte An⸗ 
vorderungen bezüglich der Ausfertigung von Rechnungen an sie ge⸗ 
tellt werden. Der Oberwerftdirektor in Kiel hat jeßt einen Aisi- 
tenten, an diesen müssen nach einem Tagesbefehl des Oberwerft- 
irektors Meldungen gemacht werden, und er hat einen vollständigen 
Finblick in die technischen Betriebe. — das den Intenfio⸗ 
ien des Staatssekretärs? Der Oberwerfidireltor hat in seiner 
daisergeburtstags-Rede betont, daß er auf das Vertrauen der ihm 
Iutergebenen angewiesen sei. Wie stimmt damim sein weiterer Tages- 
befehl. daß nicht der kechnische Direktor, jondern er über die Reifen 
er Techniker zu bestimmen bat? Dies ist ein ungerechtfertigtes 
Vißtrauen gegen die Techniker. Der Staatssekretär hai den Kor— 
ettenkapitän Isenthal in Schutz genommen und bestritten, 
atz dieser die Worte „was scheren mich Nenschenleben“ gebraucht 
jat. Es bleibt bestehen, daß zwei Männer bereit waren, unter Eid 
wuszusagen, daß sie diese Worte gehört haben. KRuch auf Herrn 
Weber hat Herr Isenthal einen quten Eindruck gemacht. Von ande- 
cer Seite wird aber behauptet. Herr Isenthal dabe die ihm Unler⸗ 
jebenen schlecht behandelt, so daß einige von ihnen sich haben ver⸗ 
etzen lassen. In der Behandlung der Arbeiter hat er iedenfalls 
eine glückliche Hand gezeigt. Die Arbeiter in Wilhelmshaven sind 
enhige und besonnene Leute, und es ifst fast unverständlich, 
veshalb Herr Isenthal mit ihnen nicht hat auskommen können 
die Werftverwaltung in Wilhelmshaven hat sich 
zurch ihr radikales Vorgehen um das Vertrauen der Arbeiter 
ebracht. Es mag dem Staatssekretär unangenehm sein, aber es 
st Tatsache, daß der Oberwerftdirektor tatsaͤchlich von den Ar⸗ 
eitern in einem Schreiben ein Vertrauensvotum verlangt hat. 
die Arbeiter haben sich auch bereit erklärt, der Verwaltung ihr 
bertrauen auszusprechen, wenn die Sache gerichtlich geklärt 
vürde. Daß ein Staatsbetrieb um das Vertrauen der Arbeiter⸗ 
chaft bittet, ist ganz neu. Der Staatssekretär hat die Demon⸗ 
tration der Arbeiter abzuschwächen gesucht. Tatsache ist, daß von 
00 Arbeitern, die die gestern erwähnte Versammlung besucht 
hzaben, nur 7 für das Vertrauensvotum gestimmt haben. Daß 
der Arbeitersekretär des Metallarbeiterverbandes mit Bierseideln 
bedroht worden sei, wird bestritten. Ich verstehe nicht, warum 
der Oberwerftdirektor sich ohne weiteres auf den Standpunkt des 
sapitäns Isenthal gestellt und, den Arbeitern keinen Glauben ge⸗ 
chenkt hat. Wenn eine Arbeiterschaft so einstimmig ihre Miß⸗ 
hilligung gegen einen Vorgesetzten ausspricht, so muß doch etwas 
in der Sache sein. Der Oberwerftdireltor hat es vorgezogen, 
nit seinem Kollegen und den Verwaltungsjuristen die Sache zu 
vesprechen mit dem Resultat, daß eine Anzahl der Arbeiter straf⸗ 
»ersetzt wurde. Späterhin wurden diese zum Teil zurückgenom⸗ 
nen. Und nun verlangt der Oberwerftdireitor von den technischen 
deitern, von den höheren Beamten des Torpedo⸗-Ressorts, die den 
Ddingen bisher lediglich zugesehen hatten, daß sie gegen den 
gesselschmied klagbar werden sollten wegen seiner Aeußerung, daß 
diese technischen Beamten innerlich auf Seite der Arbeiter stän— 
den. Das spricht doch auch dafür, daß jene Aeußerung doch ge⸗ 
sallen ist. Es hat auch keiner diefer Beamten geklagt. Es han⸗ 
delt sich hier nicht um Sozialismus, sondern es ist der Kampf des 
— 
gene Autorität auf der andern Seite. Der Staatssekretär wird 
hoffentlich nach diesem „glänzenden“ Ausgang niemals mehr zu—⸗ 
geben, daß solche Vorgaͤnge sich wiederholen. Die Militärs 
önnen sich eben nicht in die Seele, in das Denken freier 
Arbeiter Hineinversetzen, und das ist der Ursprung dieser be⸗ 
zauerlichen Vorgänge. Bei der Reorganisation des 
Werftbetriebes, wie sie versprochen worden ist, muß so 
erfahren werden, daß nicht mehr ein junger Offizier Herr der 
Arbeiter ist. Wir ersuchen den Staatssekretär, diese Reorgani⸗ 
ation so energisch wie möglich zu bekreiben, damit auch die 
Werften endlich nach dem Wunsch der Kaiserlichen Erlasse von 
890 Musteranftalten werden. Weip links.) 
Staatssekretär v. Tirpitz: Der Abg. Strüve hat mit großer 
rebhaftigkeit im Sinne des Abg. Severing gesprochen. Er hat 
unächst darüber geklagt, daß der Assistent des Oberwerftdirektors 
nich von den Ressortdirektoren Misteilungen zu erhalten habe. 
Das ist ganz richtig, denn es muß eben eine zweite Persönlichteit 
uf der Werft sein, die über alles orjentiert ist. Er ist ja der even⸗ 
uelle Stellvertreter des Oberwerftdireltors. Der Assistent hat 
m übrigen keine Entscheidung, steht in keinerlei VorgesegtenVer⸗ 
zältnis zu den Ressortdirektoren, er steht ihnen vollständig gleich 
ind soll nur orientiert sein. Dasselbe due ich auch. —— RKeichs⸗ 
narineamt gibt es ganz ähnliche Einrichtungen. Dr. Struve hat 
dann bemängelt, daß der Oberwerftdirektor sich vorbe⸗ 
alten hat, die Reisen und namentlich die Verlängerung der Reisen 
der technischen Beamten zu bestimmen. Dasselbe habe ich im 
Reichsmarineamt getan. Stehen wir denn nicht allgemein unter 
»em Druch, daß wir die Reisekosten möglichst hexabmindern 
ollenꝰ Wer soll denn das tunꝰ? Der Direktor eines Ressorts hat 
ein besonderes Interesse daran, wohl aber der Chef der Behörde, 
der mit seiner Anschlagssumme auskommen muß. GSehr richtig!) 
Ich finde also diese Anordnung des Oberwerstdixektors in Kiel 
durchaus richtig. Davon, daß wir die Arbeiter an der Koalition 
erhindern wollten, habe ich kein Wort agt Ich habe nur ge— 
agt, daß wir uns bestreben müßten, die Masorisierung der 
Arbeiter durch den sozialdemokratischen Metallarbeiterverband 
zu verhindern. Diese Verhinderung der Majorisierung wird auch 
weiter unser Bestreben sein, ich glaube auch, daß wir darin noch 
weitere Erfolge haben werden. Dann hat der Abg. Dr. Struve 
wieder den Fali Isendahl angeführt, von seinem Stand- 
nft und dem dogß Ra Soornn écrlurach danon dafs 2moä 
Manuner zum Eid beveit gewesen wären. Davon ist mir nichts be⸗ 
annt; das war auch nach Lege der Sache ganz unmöglich, denn 
s war meines Wissens kein zweiter Mann in der NRähe. Dann 
at der Abg. Struve den Vorgang zwischen den Arbeiter-Aus 
chüssen und dem Oberwerftdivektor in Wilhelmshaven eine o 
ndere Deutung gegeben, als es den Tatsachen entspricht. Je 
„abe mich über die ganze Angelegenheit schon gestern des längeren 
usgelaffen. Der Ärbeiter-Ausschuß ist an den Oberwerftdirettor 
vrangetreten, der Arbeiter⸗-Ausschüß hat erklärt, die Arbeiter 
alten unrecht getan, der Arbeiter-Ausschuß hat gesagt, sie hätten 
ich überzeugt, daß auch die Motive für die Resolutionen nicht 
ichtig waren. Dementspryechend ist eine Versammlung einberufen. 
der Arbeiter-Ausschutß hat, den Vorschlag gemacht, dieser Ver⸗ 
mmlung folgendes als Resolution zu unlerbreiten: „Die heute 
ersammelten Arbeiter erklaͤren nach den Ausführungen des Re— 
erenten a) daß der von ihnen bheschrittene Weg nicht der richtige 
und ein der Arbeitsordnung widersprechender war; b) daß sie in 
dem Glauben, daß die Voraussetzungen zu den Resolutionen vom 
J. und 198. Oktober richtig feien, denselben zugestimmt bätten; e) daß 
ie aber nach den Mittenlungen des Arbeiter-Ausschusses erkennen, 
aß die beiden Resolutionen vom 9. und 19. Oltober nicht aufrecht 
erhalten werden können, und sie nehmen dieselben daher mit Be— 
dauern zuxück.“ (Hort, hört! Zuruf des Abg. Dr. Struve.) Der 
Oberwerftdirektor hat dann ertlärt, wenn die Mehrzahl der Ar⸗ 
eiter diese Erklärung billige, so möchten fie es unter sich ab— 
machen. Er werde ess dann von ihrem Verhalten und dem, was 
abei herauskomme, abhängig machen, ob er die Rücknahme der 
bersetzung⸗Verfügung bei dem Staatssekretär befürworten solle. 
Er hat es getan in der Absicht, die Einrichtung des Arbeiteraus— 
chufses zu heben. Dieser hatte soviel Fühlung mit den Arbeitern, 
aß man glaubte, er gäbe der Stimmung der Arbeiterschaft Aus⸗ 
rück. Ich habe ausdrücklich erklärt, daß ich mir meine Entschei⸗ 
ung in jeder Beziehung vorbehalten müßte von dem Ergebnis 
iner derartigen Versammlung. Danach habe ich gehandelt. Für 
ins lag die Sache einfach so, daß wir an sich gar nichts zu tun 
rauchten, die Beleidigung war gefallen, die Strafe erfolgt, und 
amit war die Sache erledigt. Der Abg. Struve hat dann ferner 
ls Expert und als Kenner der Verhältnisse von Kiel aus dagegen 
vlemifiert, daß an der Spitze der Werft nur Oifiziere 
ehen; davon ift schon sehr viel gesprochen worden. Ich möchte 
uch nur daran erinnern, daß an der Spitze der Werften bei 
imtlichen Marinen der Welt Offiziere stehen, und daß die Werft 
in Inslitut ist, das in erster Linie für die Mobilmachung be⸗ 
immt ist, in zweiter Linie zum Zusammenfassen aller Kräfte für 
ie Reparaturen nach erfolgter Schlacht. Da bleibt die mili— 
ärische Frage immer das Wichtigste. Wir werden immer 
n erster Linie als Zweck der Werften den Krieg und die Kriegs⸗ 
erhältnisse im Auge haben müssen; darauf müssen wir die 
OIrganisation unserer Werften zuschneiden. (Sehr richtigh) An 
zer Spitze einzelner Ressorts stehen ja Techniker, wie Herr Struve 
vünscht. Die Herren aller übrigen Parteien, die sich etwas ein⸗ 
sehender und nicht einseitig mit der Frage beschäftigt haben, sind 
neiner Ansicht über diese Frage beigetreten. Ich möchte es dem 
»ause überlassen, ob es richtig ist, wenn Herr Struve sagt, daß 
ie Seeoffiziere weiter nichts können, als rechts⸗ und linksum 
ommandieren. (Heiterkeit.) Nun hat der Abg. Struve von dem 
zeuen Raufmännischen System gesprochen. Der Abg. Dr. 
Weber, ein Kenner solcher Dinge, hat gestern im voraus sein Ur⸗ 
eil abgegeben. Ich möchte mir mein Urteil noch vorbehalten 
zch bezweifle, daß die Herren, die auf der Werst gewesen sind, 
en Eindruck gehabt haben, es find zu junge Herren da beschäftigt 
Mir ist ein junger Mann in der Mitte der dreißiger oder vier 
ziger Jahre lieber, als ein alter Herr von 60 oder 70 Jahren 
Ddie Zulagen an die Oberwerft-Direktoren, die der Abg. Struve 
vieder bemaͤngelt hat, haben wir ja gerade aus dem Grunde ge— 
währt, um die Stellen der Oberwerft-Direktoren zu stabilieren. 
Ich würde sogar, um die Stabilierung durchzuhalten, noch weiter 
jehen. Wenn ich einen Qualitäts-Offizier habe, und ihm die 
ganze höhere Front-Karriere nehme, dann muß ich ihn entschä⸗ 
digen, sonst kann ich ihn auf dem Posten nicht halten. Es war 
hisher nicht möglich, bei einer so rapiden Entwickelung, wie wir 
ie gehabt haben, bei dem permanent notwendigen Wechseln, die 
Auswahl immer so zu treffen, daß sie den Bedürfnissen der Werft 
entsorach. Bei der weiteren Entwickelung wird es besser werden 
Vir haben ja die besten Erfahrungen gemacht. Alle Herren, um 
e es sich jetzt handelt, haben spezielle Vorbereitung bekommen, 
esonders die Werft-Direttoren. Sbeziell der Oberwerft-Direktor 
n Kiel, über den der Abg. Struve Bescheid wissen müßte, hat eine 
ßorbereitung von etwa einem Jahr gehabt. Much die Assistenten⸗ 
telle ist eine Art Vorbereitung für die künftige eventuelle Ver⸗ 
vendung als Oberwerft-Direktor. Mit dem Wunsche des Abg. 
dr. Struve, daß wir die Wersten mit Persönlichkeiten besetzen 
ollen, die ihrer Stellung voll gewachsen sind, kaun ich meine volle 
lebereinstimmung ausdrücken. (GBeifall.) 
Abg. Schirmer (Ztr): Die Unterstützungskasge, der 
Verftarbeiter sollte zur Penstonskasse ausgebaut werden. Bei der 
blehnenden Haltung der Regierungen gegen die Einbeziehung der 
ztaatsarbeiter in die Arbeitsktammern ist daran zu er— 
inern, daß die Arbeitskammern vom Kaiser gewünscht wurden, dem 
roßen Förderer gerade der Marine. Die Marineverwaltung sollte 
iesen Wunsch ihres höchsten Herrn erfüllen helfen und nicht gar 
hm entgegenireten. Das Koalitions- und Petltionsrecht muß auch 
en Technilern gewährt werden. Das Reichsmatineamt hätte sich 
lichts vergeben, wenn es den Eingaben der Techniker-Verbände 
ntgegengekommen wäre und sie geprüft hätte. Sie süddeutschen Ge— 
verbetreibenden müssen bei der Vergebung von Arbeiten und Liefe— 
ungen für die Marine berücksichtigt werden. (Veifall.) 
Abg. Severing (Sozdem.): Den anerkennenden Worten des 
3Itaatssekretaärs und des Abg. Weber über den Nieler Torpedo— 
Hirektor, Isendal können wir nicht zustimmen, ebensowenig wie 
enen über die dortigen Arbeiterverhältnisse. Die Behandlung der 
Irbeiter ift heimtückisch und hinterhältig. (Glocke.) 
ꝑp * Vizepräsident Schulk: Eine derartige Aeußerung ist nicht 
ulässig. 
Geh. Admiralitätsrat Harms: Die Löhne an den Staatsbe⸗ 
rieben sind höher als auf den Privatwerften. Außerdem sind sie 
erhältnismäßig stärker gestiegen als die Lebensmittelpreise 
Die Position wird bewilligt. 
Kap. 60. Tit. 8Sa Exsatzbeschaffung von Betriebsfahr⸗ 
eugen der Werfien, und 9, —— der Schiffe 
erden zusammenberaten; die dafür ausgeworfenen Mittel können 
zuf Antrag des Abg. Irhr. v. Thünefelb 3Rtr) gegenseitig 
errechnet werden. 
Abg, Severing (Soz.): Ich habe bei dem Kieler Oberwerst⸗ 
ireltor keine Stippvisite gemacht, auch habe ich mir die Verhält⸗ 
uisse dort nicht tagelang, sondern ganze Wochen an Ort und Stelle 
migesehen, und zwar auf meine, nicht gir Reichskosten. Die 
Narineverwaltung hat die letzten Jahre aus dem Vollen geschöpft 
ind Millionen verwirtschaftet, ohne ihre sechnischen Einrichtun⸗ 
zen auf die Höhe zu hringen. Die allzu lauge Arbeitszeit 
uuf den Werften muß verkürzt werden. Die sozialpolitischen 
kinrichtungen lassen ebenfalls zu wünschen übrig. Ein Anlaß— 
ur Zufriedenheit mit der Marineverwaltung ist nicht vorhanden 
totwendig ist vielmehr scharfe Kritik, damit der Verwaltung da 
Bewissen geschärft werde. Darin stimmen uns weit⸗ hüroerlich 
kreise bei. (Beifall b. d. Soz.) 
Absg. Dr. Weber Mmatl.): Ich bin dem Staatssekretär dank⸗ 
ar für seine Auskunft über die Meldung des Leipziger Tage⸗ 
latts, die damit erledigt ist. Wir haben, die Werft-Ein-— 
ichtungen eingehend studiert und haben sie besser kennen 
elernt, „als man, e6s als Arbeiter in einem einzelnen Ressort 
ann. Ueberdies sind wir nicht vom Staatssekretär eingeladen 
orden, wir haben uns vielmehr bei ihm zu Gast gebeten. Die 
echnischen Stellen, sind olhrig in den Händen voll aus⸗ 
ebildeter Ingenieure und nicht von Offizieren. (Sehr richtig!) 
An die Spitze der Werftlelstung gehört neben dem Offiziet 
and Ingenieur ein tüchtiger Kaufmann. Wir haben festgeftellt, 
aß die hygienischen Einrichtungen in den Werftwerk— 
tätten weit besser sind als in den allermeisten Privatbetrieben 
daß auch die sonstigen Arbeitsbedingungen nicht so schlecht sind, 
eweist das große Angebot von Arbeitskräften. Die Ausführun—⸗ 
jen des Abg. Severing paßten mit ihren vielen Kleinlichleiten in 
ine Volksversammlung, nicht aber in den auf böhereni Niveau 
tehenden Reichstag. BHeiterkeit.) Mit vollem Recht erkennen 
vir die Tätigkeit des Staatssekretärs an; warum soll das Parla⸗ 
nent nicht auch einmal „Danke schön“ sagen und den tüchtigen 
deitern Anerkennung zollen. (Lebh. Beifall.) 
Aba. Severing (Soz.): Mit keiner Silbe habe ich die In⸗ 
nrmationgreise der Hor Meohor Gerberoor unß M b- 
rittelt. (Widerspruch.) Herr Dr. Weber hat davon an 
Lachen.) Den Vorwurf, daß ich mich einseitig een 
nuß ich zurückweisen. . Von den kaufmännischen Dingen versten 
ch nicht soviel, aber die Arbeitsverhältnisse und dechmschen En 
richtimgen kann ich mindestens ebenso gut beurteilen, wie n, 
übrigen Herren. Hat es denn nicht einen RKieler Werft 
pro zeß gegehen? So tadellos dürsten die Verhältnisse nich 
sein, ein dialektisches Kunststück vermag dies nicht regzuwischen 
xEs handelt sich nicht, wie Dr. Weber sagte, um die Besfeitigung 
von 5 Kilo Bronze oder Alteisen, es muß vielmehr festgesteln 
verden, wie mit den Mitteln der Steuerzahler gewirtfchatte 
vird, und wenn es sich um 20 Pfennig handelte. Ich habe mich 
icht zu Gast geladen, ich wollte nicht abgewiesen werden; des 
zals habe ich mich nach und nach informiert Herrn Weber ist eine 
denntnis der technischen Verhältnisse der Werften nicht zuzuer— 
ennen, seine kaufmännischen Kenntnisse und seine Veee in 
Shren! Oftmals ist vorgekommen, daß die Werften keine Ar— 
deiter finden konnten. Im wesentlichen sind die Arbeitsbedingun— 
en auf den Reichswerften nicht besser als auf den Privatwerften. 
eore lassen die Versorgung-GEinvichtungen zu wünscher 
ibrig. 
Abg. Erzberger (Ztr.): Positive Vorschläge haben die 
Zozialdemokraten trotz der vielen schönen Reden nicht gemacht 
Lebh. Sehr richtig!) Wir haben für unsere Information ausbe— 
ningen, daß wir auf, eigene Kosten reisen und daß sämtliche 
epräfentations-Verpflichtungen wegfallen würden. Eine 
zritik unserer Informationsreise steht dem Reichstag 
— 
um Teil tatsächlich nicht der Rede wert. Jedenfalls ist es mil 
dem Verkauf von Altmaterial besser geworden. Die Organi— 
ation mit der Stellung der Techniker ist im ganzen zweck⸗ 
näßig, einzelne Ressorts arbeiten, wie ich selbst gesehen habe, 
jerädezu musterhaft und besser als irgend ein Privatbetrieb, den 
ch kenne. Wo es fehlt, hat die Sozialdemokratie es an An— 
tegnugen und Initiative fehlen lassen. Wenn Sie wie bisher 
ceine Antraäge stellen, können Sie (zu den Soz.⸗Dem.) den Be⸗ 
schlüssen des Hauses keinen Nachdruck verleihen. (Bravol i. Ztr.) 
Damit schließt die Debatte und nach persönlichen Bemerkun— 
den des Abg. Severina (Soz.) wurden die verbundenen 
Bositionen bewilligt. 
Me folaenden Kapitel werden nach unerbeblicher Debatte be⸗ 
willigt. 
Bei Kap. 64 ,Verschiedene Ausgaben bemerkt 
Abg. Ahlhorn f. I; Die Verhaufsstellen an den Werf⸗ 
en, die man hier Wohlfahrts-Einrichtungen nennt, erfüllen ihren 
zweck nicht, sie sind offene Läden, die dem Mittelstand Konkurrenz 
iachen und daher durchaus nicht wihltätig wirken. Dabei sind 
zie Lieferungen dieser eeie nicht einwandfrei, diesem Unfug 
nuß ein Ende gemacht werden. (Bravo links.) 
Staatssekretär v. Tirpitz: Wir haben dem Wohlfjahrtsverein 
die Räume der Werft gekündigt. Da er seitdem Miete zahlt, muß 
er natürlich mehr verdienen. Wir geben ihm keine staatlichen, Gel- 
und haben infolgedessen keinen Einfluß auf seine Geschäfts- 
ührung. 
Abg. Dr. Semler snatl.): Diese Vereine dürften die bestehen- 
den Privatgeschäfte nicht unterbieten. 
Siaatsfekretär v. Tirpitz: Mit dieser Anregung bin ich durch- 
aus einverstanden und bin auch danach verfahren. 
Abg. Ahlhorn fr. Vp.): Die Antwort,tdes Staatssekretärs kann 
aach perschiedenen Richtungen nicht befriedigen. 
Geh. Admirglitätsrat Harms: Die Verwältung hat keinen Ein— 
luß auf die Konsumvereine. Zu Militärtarifen werden 
eren Waren nicht befördert. 
Abg. Bebel (Sozdem.): Wenn die Marineverwaltung für die 
Zache deine Gelder gibt, soll sie sich um diese Vereine auch nicht 
vekümmern, Sie bekommen dann ohne Grund einen offiziellen 
Anstrich. Die Liberalen haben früher in solchen Dingen anders 
Jedacht, heute vertreten sie den rückständigsten Standpunkt des 
Tleinbetriebes. Senr richtigh b. d. Sozdem. Unruhe links, Die 
Marineverwaltung soll sich nicht in Dinge mischen, die sie gar 
nichts angehen. GBravol b. d. Sozdem. 
Abg. Ahlhorn 6 Vpyg: Wir sind für Konsumvereine, aber nicht 
für staatliche. Mi inche haben hier tatsächlich vorgelegen. 
Bei den Ausgaben für den Betrieb des Werfstkranken- 
hauses in Wilhelmshaven bemerkt 
Staatssekretär v. Ardiß auf eine Anregung des Abg. Dr. 
Leonhar't sfr. V.), daß die Frage des Lazaretts in NYoko⸗- 
dama in der Kommission eingehend verhandelt worden sei; die 
dommission sei sich darüber einig gewesen, daß diese Angelegen⸗ 
nicht im Plenum behandelt werden sollte, sondern nur in der 
ommission. . 
Der Rest des Ordinariums wird bewilligt. 
An den „Einmaligen Ausgaben“ hat, die Kommission 
eine Pe von Abstrichen vorgenommen. Sie hat u. a. vorge⸗ 
chlagen, die Forderung von 120 000 A zum Bau von Wohnhäusern 
ür derheiratele⸗ Unteroffiziere in Cuxhaven, erste Rate, zu streichen 
ind dafür den Reichskanzler zu ersuchen, im Interesse der Sparsam- 
teit neue Voehen e den Baun von genügenden Unter- 
offizier-Wohnungen festzustellen. — 
VDas Haus beschließt demgemäß. 7 
Zum weiteren Ausbau der Marineschule in Mürwi 
verden 0000 A gesordert. 
Abg. Ledebour (Soz.) fragt den Staatssekretär, wieweit die 
achfoxschungen, gediehen seien, die der Staatssekretär in der 
ommission darüber versprochen habe, inwieweit die Fisscherei 
gienurger Föhrde durch den Ausbau der Marineschule ge⸗ 
igt sei. 
Abg. Strubve weist darauf hin, wie hohe Mittel für die Aus⸗ 
ildung des Untexoffizier-Ersatzes ausgegeben werden. 
Er fühlt sich dadurch ermutigt, in der dritten Lesung den Antrag 
* 53 — die Zulage für die Seizer in vollem Umsfang wieder⸗ 
erzustellen. 
Staatssekretär v. Tirpitz: Die Beschwerde der Fischeri 
der Flensburger Föhrde hegt augenblicklich bei der Behörde. Ich 
muß zunächst erst die Entscheidung der Behörde abwarten, bevor 
ch über die Sache ein Urteil abgeben kann. Ich werde dann. 
venn die Sache an mich gelangt, zweifellos zu dieser Frage eint 
vohlwollende Stellung einnehmen. Wie man den Leuten au⸗ 
Billigkeitsrücksichten helfen kann, kann natürlich nur von Fall zu 
Fall entschieden werden. Ich kann das nicht ohne weiteres über⸗ 
ehen, ich kann nur versichern, daß ich die ganze Frage mit dem 
zrößten Wohlwollen behandeln werde. Die Admirale haben be⸗ 
reits aus sich selbst den Befehl gegeben. den Fischern nach Möq⸗ 
ichkeit zu helfen. 
Abg. Ledebour: Die Behörde, von der der Staatssekretän 
gesprochen hat, ist die Stadtverwaltung von Flensburg. Ist 
nzwischen von dieser eine Entscheidung nicht getroffen? 
Bei Tit. 144 ,Bau eines Diten e, für die ober⸗ 
sten Masinebehorben einschließlich crãte⸗Ausstattung, zweite 
Rate 450 000 AM? bittet 
Abg. Pauli-Portsdam (dk.), die Submissions-Ord⸗e 
nung so zu gestalten, daß auch die kleinen und mittleren Hand⸗ 
verker beteiligt werden und die den ganzen Bau in General⸗ 
Enterprise zu vergeben. Nach den Verdingungsbestimmungen, 
ie der eee herausgeneben habe, solle eine Vergebung 
in General⸗Enterprise nur in lsnahniefallen gestattet sein. Die 
Broßbetriebe gingen ihrerseits mit Ausschreitungen vor, und die 
dandwerker haͤtten oft erfahren müssen, wie rigoros diese Firmen 
eien. Die Verträge, die sie mit den Unter-Unternehmern mach⸗ 
en, leien mit Blut geschrieben. Es gäbe Baufirmen in Berlin, 
zie von den Lieferanten 12 bis 3 pBt. Nachlaß verlangten, sodaß 
ie von dieser Ersparnis ihre ganzen Bureaukosten usw. decken 
önnten. Hier wolle man die Ausnahme zur Regel machen. Er 
richte an die Marineverwaltung die dringende Bitte, einzelne 
leine Unternehmer heranzuziehen, damit das Handwerk sehe, 
aß die Marineverwaltung ein Herz für dasselbe habe. 
Der Rest der einmaligen Ausgaben wird geneh— 
migt, die Einnahmen werden ohne Debatte erlediagt 
Es folgen die Petitionen. 
Abg. Noske begründet einen sozialdemokratischen Antrag, der 
aiusichtlich verschiedener Petitignen eine andere Beschluß— 
assung wünscht. Nachdem Abg. Dr. Struve den sozialdenokra⸗ 
ischen Antrag teilweise befürwortet hat, wird entsprechend dem 
ozialdemokratischen Antrage und entgegen dem auf ebergang 
zuur Tagesordnung lautenden Kommissionsbeschluß die Petition 
es Bundes der technischrindustriellen Beamten in Berlin sowie 
ie des deutschen Technikter-Verbandes in Berlin als Material 
em Reichskanzler überwiesen, dagegen bleibt es hinsichtlich der 
etitinn dee Rundes der feirniich induftriessen Reomten auf Gin
	        
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