Full text: Lübeckische Anzeigen 1911 (1911)

edendeit von selbst auf. Lebb. Beifall: andauernde Unruhe 
inte. prösident Schulz zeilt mit, daß über den sozialdemokroti⸗ 
chen Antrag auf Wiederberstellung der Heizerzulagen morgen 
amenllich abgestimmt werden wird. 
Abg. Dr. Weber lnatlib.!: Gerade, dahß der Marineminister 
richt sachliche, sondern persönliche Abstriche gemacht hat, mit denen 
rch persönlichen Unannehmlichkeiten aussehte, sollte von uns an— 
rtannt werden. Wir, begrüßen es, daß ein Kreuzer nach Süd- 
merita gesandt ist. Dem Handel diem man dadurch dun 
zngiand hat auf diese Weise große Ersolge erzielt; uns hat es lange 
efchll. Die Mißhandlung des Heizers verurteilen wir auch: ist 
ber scharfe Remedur eingetreten, dann scheidet der Fall aus der 
Hebatte aus. Gegen das Schmiergelderunwesen werden die schärf- 
len Maßregeln ergriffen. Das —8 enwesen 9 allgemein revi⸗ 
ert worden; den Heizern dürfte 9 andere Weise ein besseres 
equivalent dschafen werden, wenn ihnen an Kleidung oder Kost 
Horteile, gegeben, werden anstelle der 10, Pfg.Zulage. Man hat uns 
Zorwürfe gemacht, weil wir auf Feahhee nach Kiel gesabrcu 
ind, um die Betriebe zu besichtigen. Die Vorwürfe sind unberech— 
igt, die Auslagen an Ort und Stelle müssen uns erletzt werden, die 
Zogialdemofraten hätten auch, einmal von diesem Recht der Be— 
schtigung Gebrauch machen müssen. Der, Vorwärts darf nicht, von 
aufmännischer Führung dieser Betriebe sprechen, da er eine kauf- 
nännische Geschäftsgebaren augenscheinlich nicht versteht. Die 
Iffiziere und Verwaltungsjuristen, an der Spitze dieser Unter- 
iehmen tun das ihre; sie ohne weiteres abzusetzen, geht nicht wohl 
in Durch die kaufmännische Buchführung, die nicht mit unserem 
Zudgetjahr dehn wird allerdings das Budgetrecht des Reichs- 
ages etwas verschoben. Man wird aber auch damit zurechtkommen; 
ine Robbilanz, die ich in Wilhelmshaven einsah, war ganz sinn— 
ind zweckgemätz. Es läßt sich machen, daß, der, Verwaltungs- 
irekior von Monat zu Monat die Bestände feststellt; dieser muß 
iber eine vollkommen gefestigte und dominierende Feunn haben, 
vie ein kaufmännischer Direktor, der disponieren mußz. Allerdings 
nuß er wie dieser, jederzeit beseitigt werden können, eb er zum 
-„chaden des Reiches arbeitet. Diese Frage muß erledigt werden, 
oeun. kaufmännischer Betrieb tätsächlich durchgeführt, wird. 
Dergroße Schaden ist aber der Rechnungshoftin 
Porsdam. Seine Monita haben geradezu schauerliche Zu— 
tände geschaffen, die zum Himmel schrelen. 2,00 M Mehrausgaben 
machen auf diese Weise aber 49 A Unkosten. Von Kiel werden 
pro Jahr 24000 Kilo Papier zum Abrechnungshof in Potsdam 
geschickt. (Heiterkeit.) Das kostet uns Millionen an Arbeit und 
Kosten. Da müssen wir Aenderungen durchsetzen. GBravo! So 
tann nicht weitergewirtschaftet werden. Die Prüfung darf nicht 
anur eine formelle sein, sondern vielmehr eine materielle. Andere 
Kessorts würden wohl kaum so entgegenkommend sein für unsere 
Forderungen, wir erkennen dies deshalb bei der Marine dankbar 
in. Den Werftverwaltungen muß ein bestimmtes übertragbares 
Quantum an Mitteln überwiesen werden, mit dem sie zu wirt— 
— haben. In den Werftbetrieben fieht es besser aus, als 
zielfach angenammen wird. (Zuruf von den Sozialdemokraten.) 
Ich bin über Ihre kurzen Besuche auf der Werft unterrichtet, 
herx Severing! Mit zweistündiger Stipppvisite beim Oberwerft⸗ 
direktor ist es nicht getan, dazu gehören mindestens 4 Tage Arbeit. 
Die Verkaufsstellen für die Arbeiter dürfen sich nicht zu vllgemei⸗ 
nen, großen Warenhäusern auswachsen, darunter leidet der 
Mittelstand. (Bravo!) 
Stattssekretär v. Tirvpitz: So lange die Verkaufsstellen auf 
der Werft waren, hatten wir sie in der Hand, nachdem sie aber 
ezwungenexmaßen herausgelegt sind, ist dies nicht mehr der 
Um Reichsgelder handelt es s da es sich jetzt um 
rivatbetriebe von Konsumwereinen handelt. Ueberdies haben 
iur die Arbeiter das Benutzungsrecht aufgrund ihrer Ausweis⸗— 
arten. 
Abg. Herzog (Wirtsch. Vog.): Die Buchführung unsexrer 
taatlichen Betriebe mag nicht immer, ganz zweckmäßig sein, gber 
vir können doch sagen, daß ein gesunder laufmännischer Geist 
n ihre Verwaltung allmählich eingezegen ist. Auf die Klagen 
h)es Mittelstandes, die in unseren Marinestädten vielfach laut 
eworden nn Ie 8 Staatssekretär recht achten und ihnen 
jach Möglichkeit abhelfen. 
————— ehnrt eeer, Vp):3, Bei der Rede Erz⸗ 
zergers mußte ich uͤnwillkürlich mit Fritz Reuter denken: Kor, 
vie hast Du Dir verändert! (Sehr guth, Diesmal sieht Herr 
ärzberger alles mit, weitgehendem Optimismus an; Frankreich 
igt sich zwar geneigt, unser Flottengesetz nachzuahmen, nicht 
ber England. Äbzuweisen ist die Anregung des Flottenvereins, 
nit dem Ausbau der Herthaklasse schneller vorzugehen. Ag⸗ 
—A 
as auch bald in England eingesehen. Daß die Heizerzulagen 
gestrichen find, ist bedauerlich. Ein Vergleich der Heizer mit an⸗ 
jeren Matrosen ist nicht angängig, ihr Dienst ist weit gesund⸗ 
jeitsgefährlicher als der anderer Kaiehorien. Die Verpflegung 
zraucht nicht besser zu sein, sie ist sehr qut. Wir beantragen 
ie Wiederherftellung der Zulagen und der Staats⸗ 
ekretär sollte dem folgen, das ist besser, als wenn er durch Be— 
ehl die Unzufriedenheit aus der Welt schafft. (Sehr gut!) Der 
Verftverwaltung einen Fonds für mehrere Jahre zu überweisen, 
st nicht angängig, das wäre eine neue Beschneidung des Budget— 
echts des Reichstags. Bei den Rettungsarbeiten des U 3 ist 
lles Menschenmögliche geschehen, niemand ist für den bedauer⸗ 
ichen Tod der 3. Helden im Turm des Bootes verantwortlich zu 
nachen. Prinz Heinrich hat in seiner letzten Rede 
edenfalls lediglich seine Privatansicht geäußert, wir 
eilen seine Ansicht über den gegenwärtigen inneren Feind nicht. 
dem Kaiser sind wir für seine Erklärung in Muͤrwik dank— 
zar, namentlich hinsichtlich de Bekämpfung des Alko⸗ 
yoltonfsums. Zur Förderung des kaufmännischen Geistes 
in der Marine sollte die Laufbahn der Zahlmeister fortentwickelt 
verden, wie den Ingenieuren mehr dienstliche Befuanisse einge— 
äumt werden sollten. Geifall.) 
Abg. Werner (Reformp.): Das Flottengesetz hat sich durch⸗ 
aus bewährt. An den aggressiven Charalter unserer Flotte denkt 
riemand, auch in England. In, der Rede des Prinzen 
deinrich, die sicherlich nicht für die Oeffentlichkeit bestimmt 
var, ist nichts Bedenkliches enthalten. Auch ein Prinz 
nuß das Recht haben, frei seine Meinung zu äußern. 
Abg. Erzberger (Ztr.): Meine gestrigen Bemerkungen sind 
n keinem Punkte widerlegt worden. Ich lediglich die gute 
Wirkung des von uns geschaffenen Flottengesetzes konstatiert und 
daß mit diesen Mitteln gut gewirtschaftet worden ist. Das kann 
getrvst anerkannt werden. Die absolut negierende Haltung der 
Zozialdemokraten wird in ihren eigenen Reihen nicht verstanden. 
das Volk hat ein Interesse daran, daß die Matrosen a aute 
Schiffe gestellt werden. Der Zuschuß für die Marinerundschau ist 
ꝛinstweilen noch nötig. Das Budgetrecht des Reichsstags würde 
zurch das neue Etatssystem gefördert werden, da duͤrch Prüfung 
der Gewinn- und Verluüstrecsmung eine genauere Nachvrüfung er— 
möglicht wird 
Abg. Struve (Fortschr. Vp.): Durch den Alloholkonsumrück⸗ 
jang sind die Kasinos vielfach genötigt, dem Weinhandel Konkur⸗ 
enz zu machen. Das ist perwerich Die Kapitulantenzulage halten 
wir für gut. Dann soll aber auch für die Decoffiziere besser gesorgt 
werden. Die Ausbildung unserer Offlziere namentlich in der tech— 
aischen Handhabung der Schiffe muß auf jede Weise desret 
werden. Auf das Schießen ist der höchste Wert zu legen. Der dagt 
Dr. Webers ist sehr dankenswert, aber die kaufmännische Buch— 
ührung hat bisher das Schreibwerk nur vermehrt. 
die Untersuchungen, ob Angestellte mit Abgeordneten verkehren, 
nüssen aufhören. Das früher auch vom Abgeordneten Erzberger 
angegriffene Zulagewesen besteht noch weiter und ebenfalls bedeutet 
der diesjährige Abstrich für die Offiziere nicht viel. Aber der scharfe 
dritiker Erzberger hat für die Mannschaften kein Wort gehabt, deren 
Zzulagen viel geringer und kaum abstrichfähig sind. Das niuß anders 
emacht werden. 
Staagatssekretär v. Tirpitz: Ich bin nicht berechtigt, über die 
ütigkeit des Rechnungshofes zu eer und sie einer Kri⸗ 
ir zu unterziehen. Dr. Leonhart überschätzt die Macht des Reichs⸗ 
Narineamts, wenn er glaubt, es könne aus eigener Kraft die ganzen 
nechnungsverhältnisse umgestalten. Was die Broschüre des Vize⸗ 
idmirals Ahlefeld betrifft, so möchte ich auf die persönlichen Fragen, 
ie dabei zu berühren sind, nicht näher eingehen Es ist ja daruͤber 
enng in die Presse gekommen. Daß man in der Marine nicht reich 
verden kann, werden alle diejenigen — die noch kein Haus 
esizen. Was die Fischer anbetrifft, so haben die Admiralde üderall 
en Befehl gegeben, die Betriebe der Fischer soweit wie möglich zu 
chonen. Gewiß werden wir, wenn wir etwas weiteres tum können, 
in der Richtung fortfahren. Die Bestellung der Extraanzüge 
beim Bekleibungssamt das damse agrnichts nn bäßen nädlie 
us dem Grunde erfolgt, weil gewisse Haͤndler in Kiel den Leuten 
as Fell zu sehr über die Ohren zogen und durch zu weitgehende 
dreditgewährung den Mannschften das Zeug aufgeschwatzt haben 
»as Konmando ist mit der teee —A 
erbindung getreten, um die reellen — nicht zu schädigen. Daß 
e Offizierkasinos an Private geliefert haben, 78 ich nicht 
enn ein solcher Fall mir genannt wied, werde ich ihm nachgehen 
»em WVorschlag Dr. Struves, für die Offiziere ei, 
ehaltsstufensystem einzurichten, kann ich nur dustimmen. 
zir stehen mit dem Reichsschatzamt bereits wegen dieser 
rage in Verhandlungen, die aber noch nicht zum Abschluß 
ekommen sind. Ich habe mich bestrebt, die höheren Stellen für die 
ngenieure durch Umwandlung in niedrigere zu vermehren. Aber 
as war im letzten Jahr, nicht möglich, weil es an der Finanzlage 
heiterte. Den Versuch, bei allen großen Schiffen Staatsingemeure 
n die Spitze zu setzen, habe ich zweimal gemacht und werde ihn, 
enn die finangziellen Verhältnisse günstiger liegen, wiederholen. Den 
ingenieuren Strafgewalt an Bord zu geben, verstößt gegen ein altes 
nilitärisches Prinzip unserer Marine. Auf den Schiffen hat im all— 
emeinen nur der Kommandant wirkliche Strafgewalt und es erscheiat 
icht angängig, daß wir anderen Personen noch Strafgewalt geben. 
enn wir würden dadurch Stagten, im Staate schaffen. Außer dem 
ommandanten hat der erste Offizier eine geringe Strasgewalt im 
llgemeinen nur bei Verstößen gegen die Schiffsordnung. Was unsere 
chiffsingenieure und die Leitung der Schiffsmaschinen betrifft, so 
ann ich dem Abgeordneten Strube nur vollständig daxin bei⸗ 
lichten. daß fich in der Beschränkung der Meister zelgt. Die Be— 
chränkung unserer Schiffsingeneure liegt in der Leitung der Schiffs- 
naschine. Sodann geht der Staatssekretär auf die Zu stände in 
delgoland, ein und sagt; Die Zulagen auf Helgoland sind nicht 
u hbch.ußer dem sinb sie Lrhebuch herebgese adgerem 
varnisonaufenthalt werden die Leute dorl döfig, sie müssen auch mal 
nach domburg fahren können. Hinsichtlich der Bordzulagen ist der 
Abgeordnete Strube aus einem Saulus ein Paulus geworden. 
Abg. Struve (Fortschr Vp.) Ich habe von meiner diede nichts 
urüdzunehmen. Mit Ausnahme der Matrosen und Aerzte be— 
mnmen die Angehörigen der Marine Bordzuiagen. Wenn man den 
Ffizieren auf Heigoland Zulagen gewährt dann darf man sie den 
eizern auch nicht nehmen“ Ift man von der Technit der Marine 
ngenienre so überzeugt, dann soll man ihnen auch entgegenkommen 
ind den Heizern die Zulagen gewähren. 
Staatssekretär v. Tirpiz: Als Ingenieure brauchen wir keine 
Schiffskonstrukteure. sondern Offiziere, die dafür sorgen. daß unsere 
Shiffsmaschinen absolut sicher sunttionieren Der Abzug an Bord— 
ulagen trifft glle Offiziere ohne Unterschied gleichmäßig mit 50 pZt. 
Damit schließt die Debatie 
In persönlichen Bemerkungen ftellt der Abg. Noskeé fest daß 
tr leineswegs die einseitige Abrüstung Deutschlands verlangt habe. 
Der Protest des Staatssekvetars gegen seine erste Rede sei unan⸗ 
zebracht gewesen. 
Darguf wird die Abstimmung und die Weiterberatumg auf Mitt⸗ 
voch 1 Uhr vertagt. Außerdem Jufiizetat 
Schluß 78 Uhr. 
— — — J 
Preubischer Landtag. 
Abgeordnetenhaus. 
(26. Sitzung.) 
— Berlin, den 14. Febrnar. 
Am Ministertisch; v. Dallwitz. 
Präsident v. Kröcher eröffnet die Sitzung um 11 Uhr 15 Mi⸗ 
nuten. 
Erster Gegenstand der Tagesordnung ist die dritte Beratung 
des Gesetzentwurfs, betr. Verbesserung der 
Wohnungsverhältnifse von Staatsarbeitern ⸗ 
ind gering besoldeten Staatsbeamten. 
Nach kurzen Bemexkungen der Abg. Dr. Flesch (Fortichrittl. 
ba) und Dr. König (Zentr.) wird der Gesehentwurf unverän⸗ 
ert angenommen. 
Hierauf wird die zweite Beratung des n 
Etats des Ministeriums des Innern 
eim Titel Ministergehalt fortgesetzt. J 
Abg. v. Bieberstein (kons.): Die gestrigen Bemerkungen des 
Ibg. Hirsch über schikanßdse Anwendung des Vereinsgefehes ge— 
jen die Sozialdemokraten entbehrten der Begründung. Was 
eine unkontrollierbaren Beschuldigungen gegen die 
erliner Polizei betrifft, so ist der Ehrenschild der Ber—⸗ 
ner Polizei rein, auch wenn der Abg. Hirsch hier tagelang das 
egenteil in seinen Reden beweisen wollte. (Geifall rechts) 
er Abg. Lehmann hat das Verhalten der Land rähte kritisiert. 
on nationalliberalen Agitatoren wird aber vielfach derart gegen 
ie Landräte gehetzt, daß man das nicht anders als schamlos be⸗ 
eichnen kann, (ehr richtig! rechts, lebhafter Widerspruch bei 
en Nationalliberalen.) Eine derartige Agitation liegt. giden, 
alls nicht im nationglen Interesse. Ich kann es auch nicht als 
andwirtschaftsfreundlich bezeichnen, wenn vonseiten der Vatio⸗ 
alliberalen ein Gegensatz d rii Groß- und Kleinarundhesin 
onstruiert wird. Beifall rechts. 
Minister des Innern v. Dallwitz: Was die politische 
zetätigungder Beamten Letrisfft, so müssen die Beamten, 
olange sie das Recht haben, zu Mitgliedern des Abgeordneten⸗ 
auses und des Reichstags gewählt zu werden, auch das Recht 
aben, ihre Wahlangelegenheiten zu besorgen. Der Abg. Hirsch 
at eine Reihe von unkontrollierbaren Beschuldigungen gegen die 
Zerliner Polizei erhoben. Ich habe meine Stellungnahme in 
ieser Frage bereits eingehend begründet und habe meinen 
rüheren Darlegungen in dieser Richtung nichts hinzuzufügen. 
die Bemerkungen des Vorredners über ungesetzliche Anwendung 
es Vereins⸗ und Versammlungsrechts sind nicht gerechtfertigt. 
ver Vorxredner hat sich auch beschwert darüher, daß sich Beamte 
in den Sitzungen des Ostmarkenvereins beteiligen. Die deutschen 
dlemente befinden sich aber in der Provinz Posen im Stande der 
bwehr; deshalh müssen die Behörden und Beamten in der 
örderung der Ostmarkenpolitik unterstützt werden, die die Ziele 
erfolgt, die ehemals polnischen Landesteile kulturell zu heben 
ind mit dem Deutschtum zu assimilieren, und den polnischen Agi⸗ 
atoren klar zu machen, daß ihre großpolnischen Hoffnungen 
raãume sind, die nie erfüllt werden. An, eine Aenderung unserer 
)stmarkenpolitik ist so lange nicht zu denken, solange die voinisch- 
adikalen Kreise nicht davon ablaffen, die Deutschen wirtschaftlich 
ind gesellschaftlich zu ächten und ihre deutsch-feindlichen Bestre— 
ungen prabktisch zu betätigen, (Lebhafter Beifall rechts.) 
Abg. v. Kardorff freikons.): Vex Avg v. — der heute ver⸗ 
indert ist, hier zu erscheinen, wird dem Äbg. assel auf seine schar⸗ 
en Angriffe gegen ihn, bei der exsten Gelegenheit, antworten. Die 
lagen des polnischen Redners über die Unterdrückung der Posen 
ad unbegründet. Nicht, die Polen werden unterdrückt, sondern die 
deutschen dort, wo sie in der Minderheit sind. Wir halten die 
IAstmaxrkenpolitik für I und werden die Regierung dabe 
achdrücklich unterstützen. (eifall rechts.) 
Abs. Marx (Zentr.); Die preußische Poale puoitit hat 
eine Erfolge ienn. deshalb wäre es das beste, den Weg dieser 
bolitik zu verlassen. Die Polizei muß die Ne ain zur Förde⸗ 
ung der öffentlichen Sittlichkeit verschärfen. Wenn man die Fint 
on Schmußund Unfittlichkeitinden — 
ieht, o kann man sich der Befürchtung nicht erwehren, daß unfer 
zolfehewußtsein dadurch vergiftet wird. Wir verlangen vor allem 
hnugder Jugend, und wenn die Iae hier eingreift, so er⸗ 
ülinnsie eine hohe ibeale Aufgabe. Ich bitte V den Minister, 
vbb nicht die veralteten Bestimmungen über die Prostitution 
iner grundlegenden Aenderung unlerzogen werden müfsen. Auch 
ie Bestrebungen zux dun des Mädchenhandels bedürfen 
iner, Unterstützung deen Ein großer Unfug wird mit 
en Antikonzeplionsanzeigen in allen möglichen Blättern getrieben. 
Pegen einen raruge Unfug g die Polizei mit den schärfiten 
Hitteln vorgehen. Beifall im Zentrum)J. 
Abg, Schiffer natlib.): Herr v. Bieberstein hat unsere 
Agitation sgegen die Koönservativen is scha m⸗ 
o 8 bezeichnet. Das tut ein Mann, dessen Partei Flugblaͤtter 
ersendet, die an Gehäͤssigkeit gegen uns nichts zu wünschen 
hrig lassen, Ich muß es auch als Unehrlichkeit vezeichnen, wenn 
vir als e eee hingestellt werden. Wir verlan⸗ 
en, daß die Landräte fich auf den, Boden des Rechts ftellen. Ich 
pundere mich, daß der Minister kein Wort der Mißbilligung 
arüber fiudet, daß die Londrate z8. hcd der Einficht⸗ 
abme in die Möählerlisten den Boden des Rerchte bhäufia verläasten 
dieser Pehtzverletng muß ein dtiegel vorgeschoben werden, 
dir wollen, daß alles beseitigt wird, was die Staatsautorität 
chwächt und was den Feinden der Autorität Anlaß zu Angrisfen 
zibt. (Beifall bei den Nationalliberalen.) 
Abg. v. Heydebrand (kons.): Die Rede, des Abg. Lohmann 
atte keinen versöhnlichen Eharakter, seine Kritik war nicht sach— 
—— und gerecht. Dasselbe gilt von der heutigen Rede des Abg. 
-chiffer. Seit anderthalb Jahren regen die natzongal⸗ 
eralen Agitaloren das Volt gquf, mit der Be⸗ 
hauptung, die Mehrheit, der Sie (zu den Natl.) ganzugehören 
nicht fähig waren, ESehr gut! rechts, großer Läxm bei den Na⸗ 
onalliberalen) habe einen Raubzug auf die Taschen der Arbeiter 
internommen, sie habe aus Eigennutz das arme Volk ausnutzen 
vollen. Derartige Behauptungen schlagen der Wahrheit direkt 
ins Gesicht. Die Agitatoren, die das gesagt haben, unterscheiden 
ich nicht sehr von sozialdemokratischen Agitatoren. Sehr richtia! 
echiz große Unruhe bei, den Nationalliheralen.) Sie gehenhei 
en Wahlen vielfach mit den Sozialdemokraten zusammen. Wir 
rauen Ihnen nicht ganz bezüglich Ihrer Landwirtschaftsfreund⸗ 
ichkeit. Sie machen die Landwirte untereinander uneinig. Die 
zrucht Ihrer Suünden ist das Anwaggen der Sozialdemokratie. 
Lebhafler Beifall rechts, stürmischer Widerspruch bei den Natio⸗ 
nalliberalen.) 
Abg. Gronswski (Zentr.): Wie weit die Sozialdemokraten in 
hrer Verhetzung gehen, beweist ein Artikel der Arbeiterzeitung 
Dorlmund, in dem gesagt wurde, die Arbeiter sollten nicht 
her ruhen, als bis sie 10 i2 ooo A im Jahr verdienen. (Zurus 
e8 NAbe. Hoffmann Präsident v Kröcher: Wenn Sie 
wischenrufe machen wollen, so tun Sie es von Ihrem Platz 
uis! Abg. Hoffmann zum Vräsidenten: Wenden Sie sich 
och an diejensgen, die vorn stehen! Präsident v. Kröcher ruft 
en Abg. Hoffmann zur Ordnung.) Die Nationalliberalen unter⸗ 
heiden sich in ihrer Bekampfung des Zentrums nicht viel von 
en Soziaidemotraten. Die bürgerlichen Parteien sollten sich 
irch die verhebende Taktit der Sozialdemokraten nicht von der 
ZRrchführung gesunder sozialer Reformen zurückhalten lassen. 
Zuruf des Äbg. Hofsmann.) Von Ihnen, Herxr Holtmann, 
ann man höchftens Roheiten lernen. EAba. Hoffmann, ruft: 
anerhörth Die christlichen Arbeiter lehnen es ab, dem Volk un⸗ 
erfüllbare Hoffnungen zu machen; (Abg. Liebknecht: Phan⸗ 
afie H Ich glaube, meiner Phantasie kann man einem orientali⸗ 
schen Ursprung nicht nachweisen. (Große Heiterkeit. Abg. 
ebrnecht ruft: KTafsfe! (Präsident v. Kröcher: Ich rufe 
den Abg. Liebknecht zur Ordnung und fordere ihn auf, solche Aus— 
rücke zu gebrauchen, wie sie im Hause üblich sind. Zuruf des 
bg, Liebtnecht. Präfident v. Kröcher ruft den Aba. 
Aebknecht zum zweiten Mal zur Ordnung.) Der Parteivorstand 
der deutschen Sozialdemokratie hat zu einer Zeit, als wir uns. in 
iner wirtschaftlichen Krise befanden, die spanischen Revolutionäre 
hurch eine erhebliche Geidsumme unterstützt. Sie haben in ihrer 
ganzen Handlungsweise kein Pflichtgefüͤhl gegenüber dem Staat 
und dem Vaterland. Wir werden bei den nächsten Wablen schon 
afür sorgen, daß die sozialdemokratischen Bäume nicht in den 
dimmel wachsen. (Lebbafter Beifall im Kentrum) 
Ferauf wird die Weiterberatung auf heute abend 758 Uhr 
zertagt. 
Schluß gegen 8 Uhr. 
Abendsitzung. 
Am Ministertisch:; Kommissare. — 
Die allgemeine Besprechung über den 
Etat des Ministeriums des Innern 
wird beim Titel Ministergehalt fortgesetzt. 
Abg. v. Trampczynski (Pole); Der Wobhlstand der Polen ist 
nicht das Verdlenst. der Regierung, sondern beruht auf der Tüchtia- 
* der polnischen Bevölkerung tcohß der lortgesekten Schikanen der 
egierung 
Abg. Schifferer (natlib): Mit Rücksicht guf die Geschäftslage 
es Hauses verzichte ich, auf die emperamentvollen Bemerkungen des 
Aba. v. Heydebrand einzugehen. Eine Friedensrede zu halten, war 
nicht die Ablicht Schiffers jondern Dr, Lohmanns. Nachdem nun 
egen jenen sehr heftige Angriffe gerichtet worden sind, war mein 
ee Schiffer im Recht, energisch vorzugehen. Abg. v. Hende⸗ 
drand hat uns Aararfeindlichkeit vorgeworfen wogen der 
haltung des Hansabundes. Es, hat aber eine Heit gegeben, wo 
eine aroße Anzahl nicht der schlechtesten Konserpativen es abgelehnt 
at, dem Bunde der Landwirte anzugehören. Ebensowenig wie die 
onservativen sich mit dem Bunde der Landwirte identifizieren, 
bensowenig kann mansdie Natinalliberalen mit 
em Hansabund identifizieren. Dem Ministerpräsidenten 
ankt man sein Auftreten zum Schutze des Deutschtums 
egen die Dänen. Eine Unterdrückungspolitik gegen dänische 
Zprache und Sitte, lieat den Deutschen, die zum Teil selbst dänisch 
prechen, durchaus fern. Der Minister ist vielmehr dem Bestreben, 
Nordschleswig wieder mit Dänemark zu vereinen, entgegengetreten. 
Die Daͤnen im Abgeordnetenhause brauchen nur zu erklären, daß sie 
dieses Bestreben draußen amnsey wollen, dann wird sich ein Aus- 
weg leicht finden lassen. GBeifall.) 
Auf Antrag der Abgeordneten v. Zedlitz (freikons.) und 
Tampee (natlib) wird die Diskussion geschlossen. 
(Großer Lärm bei den Soaialdemokraien. Ruse: Unerhört! 
Vemeinheit!) 
Abg. Liebknecht (Soz.) erklärt zur Geschäftsordnung: Niemand 
yon uns hat eine Ahnung gehabt, daß eine neue Sitzung aw 
eraumt werden würde, um gleich nach der Rede des Abg. Schifferer 
die Diskussion zu schließen. Ich war von meiner Fraktion beauf 
ragt, die Bemerlungen des Abg. Gronowski zurückzuweisen. die id 
ils eine Entstellung, eine infame demagogische Lüge bezeichnen muß 
(GGroßer Lärm der lang »2dauert im ganaze7 
3ause.) 
Liebtnecht (fortfahrend); Es wäre mir ein leichtes, an Herrn 
ronowski eine moralische Züchtigung vorzunehmen. (Entrüstuͤngs⸗ 
ufe, große Bewegung; Vizepräsident Dr. Porsch: Ich muß Sie 
ringend ersuchen, sich zu mäßigen und jetzt lediglich zur Geschäfts- 
rdnung zu sprechen.), Liebknecht (fortfahrend): Das Verfahren, 
em Angegriffenen die Möglichkeit der Verteidigung zu nehmen, muß 
ch vor dem Lande als das bezeichnen was es ist als ein feiges, ehr- 
oses und unanständiges. (Lärm. Rufe: Zur Ordnungl) 
den Soz.): Es ist unerhört, daß es mir durch den 
xcluß der Diskussion unmöglich gemacht ist, auf die Verdächtigimgen 
neiner Partei seltens des Herrn Gronowski zu antworten. Ich 
oürde nachgewiesen haben, daß seine Darlegungen auf Unwahrheit 
ind bei einem Punkle auf bewußter Unwahrheit beruhen. (Larm 
m Zentr. und rechts. Rufe: Zur Ordnung!) Im übrigen legen 
vir Gewicht darauf, diesem Minister das Gehalt nicht zu bewilligen. 
ind beantragen über den Titel befondere Abstimmung. (Gelächier.) 
Abg. Dr. Beil (Zentt.): Wuͤrde die Tiskusfion micht geschlossen 
ein, so hätte ich dem Abgeordneten Liebknecht die vassende Ant 
wori dhn pegthent Ni- 
,Folgt eine lange Reihe persönlicher Bemerkungen zwischen 
»en Abgs. Dr. Hes und Gronowski (beide gen 
inerseitz und den sozialdemokratischen Abgeordneten andererieiis 
der — 9 of 3 n (Soz.) zur Ordnun g 
err vird, als er die heutigen Darlegunge ⸗ 
— — d g gungen des Abg. Gronowski 
hließlich wird der Titel 1 Minister je Joa 
bemglratischen Stimmen hewilliot —— 
B Doo 
Titel Unterstgatssekretär 
ucht Abg. Dr. Liebknecht Soz.) auf das allgemeine politi— 
che Verhalten des Unterstaatssekrelärs und des HMinifter ums 
ibernaupt rinzugehen und wird vom Vizepräsidenten Porsch da— 
dei dreimalzur Sache gerufen. Schließlich wird 
dem Abg. Liebknecht gegen die Sümmen der Sozinldemokraten, 
dr Freisinnigen und eines Teiles der Nationalsiberalen dasð 
Wortentzogen. 
Der Titel wird bewilligt. 
ut Beim Titel Oberverwaltungsgericht 
20 
Abg. Bell (FJentr.) der Tätigkeit dieses Gerichts volle Aner⸗ 
ennung. 
Abg. Liebknecht n Wir können in dieses Lob nicht ein⸗ 
timmen. Die Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts sind 
Asag reaktionärer als die der ordentlichen Gerichte, und wenn 
Anmal eine seiner Entscheidungen freiheitlicher ist, dann kehrt sich 
oer Minister nicht daran. 
Der Titel wird bewilligt und die Weiterberatung vun 
O Uhr anf morgen 11 Ubr Sornuttags berin
	        
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