Deutscher Keichstag.
127. Sitzung.
Berlin, den 14. Februar
Am Bundesratstische: v. Tirpitz.
Die Spezial-Diskussion des
Marineetats
wird fortgesetzt und die Beratung des ersten Titles der ordent⸗
sichen Aussnaben der Position Staatssekretär in Verbindung mit
den damm verbundenen Zulagen-Positionen und den dadurch
gestellten Anträgen wiederaufgenommen.
Abg. Dr. Semler (natsib): Eämtliche Redner haben gestern
uich den Unglücksfall des Unterseebootes „U 830 erwähnt.
Das Andenken der beiden Offiziere und des Rudergastes, die ihr
Leben dabei gelassen haben, hat bereits im, Reichstage gebührende
khrung gefunden. Ich, richte die Aufmerksamkeit auf die
Rinterbliebenen, derselben, ich nehme an, daß man das
Unglück als Schiffbruch ansehen und, die Hinterbliebenen ent⸗
prechend schadlos halten wird. Stolz sein können wir auf die
Mannhaftiakeit, mit der die Geretteten sich während der Kata⸗—
trophe benommen haben; in ihrem Verhalten ldam das vollste
bertrauen in den Kommaundeur zum Ausdruck; die Stimmung
vas bis zum Schluß aut. Ein ausführlicher Bericht eines der
Geretteten ist nur von einem Teil der deutschen Presse übernom—
men worden (Redner verliest diesen Bericht). Die Mannes—
zucht dieser Mannschaftsteht axoß da. Ich lege Wert
arauf, das ausazusprechen, mit einer gewissen Tendenz, freilich mit
iner Tendenz, die entgegengesetzt ist derjenigen, die der Abg.
Sedebour verfolgte, als er hier versuchte, die beliebte Person des
Prinzen Heinrich schulmeisterlich zu behandeln. Was für die Ge⸗
retteten ailt, gilt auch für die Retter. Gelernt werden muß na⸗
türlich aus einem solchen Unglück: Versorgung der Akkumulatoren,
handlichere Verteilung der Kali-Patronen, Versicherung der Ver⸗
ichlüsse usw. Alle diese Punkte zu beachten, hat ja auch die
Marineverwaltung in Aussicht gestellt. Wir sind langsamer auf
dem Gebiete des Unterseebootswesens vorgegangen als andere
Länder, wir halten uns vor allem auch deshalb zurück, weil ein
unbedingt sicherer Petroleummotor noch nicht existiert. Oh und
wieweit die Nationalliberalen glauben, daß die Wähler im Lande
nit ihrem Verhalten einverstanden sind, diese Frage ist für unsere
Haltung zum Budget und speziell zur, Marine gänzlich gleich—
gültig. Unsere Flotte soll defensiv sein, berufen zum Schutze
unserer Küsten; aber die Frage des Herrn Ledebour, ob man auch
gegebenen Falls mit unserer Marine offensiv sein soll, wird keine
der die Flotte stützenden Parteien verneinen können. Eine Flotte
aber azu haben, die auf fremdem Gebiete eine Invasion ausführen
kaun, dieser Gedanke liegt uns ganz fern. Die Zweifel der Herren
von der äußersten Linken in dieser Beziehung sind ganz haltlos.
Schon zwei Tage vor dem Untergange des Unterseebootes haben
wir, nicht Sie (zu den Sozialdemokraten), haben Herr Struve
ind ich zuerst Bedenken gegen die Streichuna der Heizerzu—
agen vorgetragen. Wir standen aber unter dem Druck unserer
rigenen früheren Entschliefzungen; außerdem begeaneten wir dem
obsoluten Widerspruch des Schatzsekretärs, dessen feste Haltung
ch auch gar nicht etwa tadeln oder kritifieren will. Schließlich
fanden wir Entgegenkommen beim Staatssekretär des Reichs
marineants, sodaß wir weniaftens die Hälfte der Zulagen mit
οο A wiedereinstellen konnten. Die Streichung von 700 000 4
Zulagen bei den höheren Jahrgängen wird von diesen sehr schwer
empfunden; hier stehen wir aber eben vor einer dira necessitas,
enn der Etat soll doch balanzieren. Was die Werftorganisationen
zetrifft, so ist es unsere Pflicht, die Mißstände in einzelnen
Werften hier zur Sprache zu bringen. Von Uebertreibungen
gaben wir uns ferngehalten. Wie leicht kann dem einen oder
anderen Beamten eine größere Schuld zugeschrieben werden, als
es sich nachher als begaründet herausstelit. Gefreut hat es mich,
dasßz ein Kreuzer nach, Amerika geschickt worden ist; das
wird den Interessen der Industrie dienen. In Wilhelms—
haven besteht zur Zeit eine gewisse Wohnungsnot für
drei⸗ bis vierzimmerige Wohnungen, für größere Wohnungen
ist der Bedarf durch private Bautätigkeit hinreichend gedeckt. Diese
Mißstände sind durch die Verlegung des Nordseegeschwaders nach
Wilhelmshaven entstanden. Vielleicht ließe sich dort ein Bau⸗
verein aründen. Ich habe schon früher darum gebeten, Liefe—
rungenauch den Detaillisten zukommen au lassen. Ich
möchte diese Bitte wiederholen. Der Abg. Ledebour hat sich ge⸗
wundert, daß der Reichskanzler an einer Beratung wie dieser
nicht teilnehme. Wir hätten auch gewünscht, daß der Reichskanzler
bei der neuen Militärvorlage erschiene. Aber hier, wo es sich nur
um die Durchführung des Flottengesetzes und um keine politischen
Konstellationen handelt, weiß ich wirklich nicht, wozu die An⸗
wesenheit des Kanzlers notwendian sein sollte. (Beifall bei den
Nationalliberalen.)
Abg. Schrader (Fortschr. Vp.): Unsere Marine hat sich aus
kleinen Anfängen zu einer bemerkenswerten Höhe entwickelt. Der
Marineverwaltung ist es ja leicht geworden, in den letzten zwölf
FJahren ihre Arbeiten zu bewältigen, weil ihr reichliche Mittel
zur Verfügung standen. Wir haben eine Mannsschaft, dexen
Tüchtügkeit und Pflichttreue über alle ßBweifel
»rhaben ist. Ich bin ganz mit dem Vorredner einverstanden,
aß wir auch für die Hinterbliebenen der beim Unaglück des
Anterseebootes „U 3* nicht nur mit Worten eintreten, sondern
auch mit Taten für sie sorgen müssen. (Beifall rechts.)
Ansuerkennen ist, daß die Marineverwaltung sich außerordentlicher
Sparsamkeit befleißigt. Allerdings bin ich nicht der Meinung,
daß die Ausgaben für die Marine in dem Maße sich vermindern
werden, wie es gestern behauptet worden ist. Es werden immer
nene Anforderungen kommen, entsprechend den Fortschritten der
Technik. Die Ersatzbauten werden ja auch nach immer größerem
Typ gebaut. Die Geldverpflegung, die Indiensthaltung usw.
zrfordern ebenfalls immer größere Ausgaben. An eine größere
Entlastung ist also in der gZukunftkaum zu denken.
Wohin nun die gesteigerten —— in England, Frankreich,
Desterreich usw. führen werden, wissen wir nicht. Vielleicht er—
jalten wir später eine Antwort des Reichskanzlers über die An—
regung Englands in der Abrüstungsfrage. Eng—-
land ist neuerdings mit dem Bau großer Kriegsschiffe weiter ge—
gangen urd zwar auf Drängen hin. Leider hat sich unsere Diplo—
matie sehr dunkel ausgesprochen, und so konnte in England ein
xewisser Verdacht gegen Deutschland entstehen. Es kam dann die
Invasionsfurcht in England, es entstand eine ganze Literatur dar⸗
über und die Sache wurde von der Opposition ausgenutzt. Jetzt
sat man sich in England überzeugt, daß au dieser ganzen Sache
ein wahres Wort ist. Niemand denkt in Deutschland daran, in
England einzufallen. Die englische Regierung hat sich überzeugt,
daß wir kein Schiff mehr und schneller bauen, als es das Flotten⸗
gefetz erheischt. Dieses ist durchaus nicht darauf berechnef, einen
Angriff auf England zu machen. Unsere — so nur defensiv,
nicht offensiv sein, sie hat keinen andern Zweck, als der Verteidi—
gung des Landes zu dienen. Der Handel wächst und hreitet sich
im wesentlichen durch eigene Tätigkeit aus; er wird von der Flotte
nicht geschaffen. Nachdem der Flottenbauplan jetzt im wesentlichen
zur Durchführung gelangt ist, kommen wir in eine Zeit verhältnis⸗
mäßiger Ruhe, die zweckmäßig mit den inzwischen da und dort
aotwendig gewordenen Nachbesserungen auszufüllen ist. Dazu ge—
hört vor allem auch der Werftbetrieb, dessen Modernisierung im—
merhin noch geraume Zeit erfordern wird, weil wir es, besonders
in seiner mehr kaufmannischen Gestaltung, immer noch erst mit
Ansätzen zu tun haben. Die Vorteile der privaten Verwaltung
lassen sich auch nicht einfach auf die militärischen Verhältnisse über—
tragen, sondern müssen ihnen erst angepaßt werden. Ich hoffe,
daß dabei auch die Anrequngen meines Freundes Struve auf wohl⸗
wollende Aufnahme und Berücksichtigimg stoßen werden. Die
Besoldungsfrage für die ire anten wird
leider durch das bei uns durch alle Verwaltungen sich ziehende
System der Militäranwärter sehr kompliziert. Ich möchte doch
meinerseits koustatieren. daß bei der vorjährigen Resolution wegen
der Herabsetzung der Zulagen niemand an die Heizerzulagen ge—
dacht hat; die 400 000 Mark, die jetzt dem Heizerpersonal entzogen
werden sollen, werden nicht deswegen abgesest, weil sie abgesetzt
verden müssen, sondern weil die 400000 Mark aus anderen Etats⸗
iteln nicht zu beschaffen waren. Die Heizerzulage muß nach
meiner Veinung unverkürzt bewilligt werden; hier darf es
jeitens der Verwaltung kein Unannehmbar geben. (Lebhafte Zu⸗
stimmung links.)
Staatsselretr des Reichsmarineamt v. Tirpitz: Ich kann den
Vorschlag des Abg. Dr. Semler, in Wilhelmshaven einen
Naununerein au gründen me miisttlier⸗ und Eliner- Mohnmigen nur
lebha rühen. Es find damit in Kiel gute Ersahrungen gemacht
e ich würde mich sreuen, wenn das gleiche auch in Wil
elmishaven durchgeführt würde. Auf den Wunsch des Abg. Dr
Zenilet, die Lieferung für die Schiffe und Werften auf eine größere
Zahl von Firmen zu verteilen, möchte ich gerne eingehen; wir be⸗
mühen uns auch in dieser Richtung. Aber natürlich in dabei das
veld auch eine Rolle, und wir können nicht an Deta läste n gehen,
venn wir einen Preis bezahlen müssen, der zu hoch ist, das wuͤrde
mmöglich sein. Der Abg. Schrader hat gesagt, daß es der Marine⸗
»erwaltung leicht gewesen wäre, die Arbeiten zu bewältigen, die tat—
sächlich in den 12. Jahren bei dem Flottenausbau bewältigt worden
ind, weil sie reichliche Mittel zu Verfügung gehabt hätte. 7* habe
niemals geleugnet, weder in der Kommission, noch hier im Plenum,
daß wir die Entwicklung der Marine den Mitteln verdanken, die der
Reichstag gewährt hat. Es bleibt aber doch Tatsache, daß wir
ür,die bewilligten Mittelauch eine große Kampf—
eisstung, geschaffen haben, eine agrößere, als in an—
deren Länder'n mit großen Mitteln geleistet worden ist. Ich
habe aber nicht damit sagen wollen, daß es eine ganz besondere
lugheit der Marineverwaltung war. Den wesentlichen Grund, füͤr
die erzielten Erfolge erblicke ich darin, daß wir ein Gesetzz gehabt
haben, auf Grund dessen wir im vorgus kalkulieren und so wirklich
in großen Zügen kaufmännisch wirtschaften konnlsen. Dann hat der
Abg. Schrader gesagt, das Gesetz von 1800 entspräche nicht mehr den
eutigen gesetzlichen Regelungen. Das ist doch nicht ganz zu—
reffend. Ich habe schon gestern Gelegenheit gehabt zu bemerken,
oaß unser Flottengesetz das Ergebnis jahrelanger geistiger und prak—
ischer Arbeit ist, die geleistet wurde, ehe das seh eiw Form be⸗
lam. Diese Arbeit beruhte auf Untersuchungen, die uns Klarheit
darüber schusen, aus weschen Einheiten eine einheitliche Kampf
organisation bestehen müsse. Das Resultat war das Flottengeseß
Venn später größere Mittel erforderlich gewesen sind, als seinerzeit
irsprünglich angenommen war, so tragen nicht wir die Schuld daran,
unicht wir haben die Dreadnoughts zu er st gebaut, wir sind nur dem
Zorgange des Auslands gefolgt. Die Vermehrung der Zahl unserer
Leubauten ist ja gerade durch die uns aufgezwüngene
Dreadnought-Politit erfolgt. Die Dregdnought-Rolitik
»es Auslands hat die Schiffe, die vor dem ersten Tyypschiff dieser
dlasse gebaut sind, in ihrem Wert herabgesetzt. Dann hat der Abg.
Schrader auch nicht erwähnt oder ist flüchtig darüber hinweg—
egangen, daß die Beschleunigung unseres Bautempos doch vom
dause bewilligt ist, und zwar unter Zugrundelegung der Geldbedarfs-
iachweisung, die wir errechnet hatten. Die Errechnung solcher Millel
st immer schwierig. Sie werden verstehen, und es ist ganz mensch⸗
ich, daß die Verwaltung meist eine innere Neigung hat, die gefordet⸗
en Mittel zur Ausführung einer bestimmten Aufgabe moͤglichst klein
u halten. Herr Schrader hat schon erwähnt, daß die Technit in ge—
vissem Sinne unser Feind ist, indem sie es bewirkt, daß permanent
zeue Aufgaben an uns herantreten. Trotzdem haben wir von den
Anleihen weniger in Anspruch genommen, als unser vom Hause ge⸗
nehmigter Anschlag forderte. Das hätte der Abg. Schrader, wenn er
zanz gerecht gewesen wäre, immer auch erwähnen müssen. Wenn eine
so große Verwaltimg eine so große Aufgabe zu loöfen hat, wenn sie
gezwungen ist, rasch vorzugehen, so ist es doch richtig, daß sie ihre
danze Kraft und Sparsamkeit konzentriert auf aroße Dinge und nicht
auf die Bagatellen. (Sehr richtigl) Nur der kann das Große übersehen
der nicht in die Kleinigkeiten hineinfteigt, in das alle Eisen
Nun hbat der Abag. Schrader mit Recht gefaat, die Marine komme
jetzt in die Periode, wo an vielen Stellen noch gebeffert werden
müsse. Das ist durchaus zutreffend Wir häben jeht nach—
zubefssexrn, das ist nur die Konsequenz der Politik, die wir ge—
trieben haben und treiben mußten. Ich habe gesagt. daß man, um
eine Flotte zu schaffen, eine Generation braucht. Man kann nicht
o wie bei der Armee gelegentlich der Freiheitskriege oder des fran—
ösischen Krieges ein Heer, eine Flotte aus dem Boden stampfen.
diese Notwendigkeit der Nachbesserung trifft nicht nur zu für die
rontbetriebe, sondern auch auf den Betrieb der Werften.
ich habe nie verkannt, daß dieser Betrieb nicht noch verbesfert
verden könnte, aber ich glaube behaupten zu können, daß wir den
hetrieb der Wersten seit 10 Jahren von'Jghrzu Jahrge—
»essert haben, und daß er setzt bei den Bedingungen, die wir
jaben innehalten müssen, gaut geworden ist. Wenn einzelne Herren
des, Reichstages sich persönlich davon überzeugt haben. so kann ich
mich darüber, nur freuen. Ein solcherBetrieb, wie die Herren ihn ge—
ehen haben, laßt sich nicht in einem Jahr als Ergebnis der Werft-
ebatte schaffen. Dazu sist ein Jahrzehnterfordersich.
Der Betrieb der Werften ist nicht eunfach. wie behqupiet wurde, ein
Fabrikationsbetrieb Die eigeniliche „Fäbrikativn“ tritt auf den
Verften ganz zurück; sie sind in erfier Linie Mobilmachungsan-
talten in materieller Beziehung und Reparaturwerkstätten. Die
rabrikation und Produktion auf den Staatswerften haben wir zu
uunsten der Privatbetriebe auf das alleräußerste eingeschränkt und
verden uns bemühen, es noch weiter zu tun. Wir betreiben sie nur
nsoweit, als es unumgänglich nötig ist um einen Ausgleich zu
zaben. da wir in gewissen Sinne Saisonarbeit betreiben müssen.
ẽs ist also ein sehr aroßer Unterschied zwischen einer Pribatanstalt
und einer Kaiserlichen Werft. Im übrigen werde ich den Vor—
ch Laa. des Abg. Struve guf Renderuna der Werftorga—
Risationg einer sehrseingehenden Prüfung unterziehen.
der Ahg. Schrader hat dann von Englanmd gesprochen und ist auf
das politische Geblet übergegangen. Es ist nun nicht meine Sache,
hym dorthin azu solgen. Ich habe schon gestern ausdrücklich auf die
hegründung des Flottengesetzes verwiesen und auf das was
amit zusammenhängt. Das, was dort gedruckt zu
inden ist, steht fest, ist öffentlich und eine Tatsache.
luf diesen Standpunkt werde ich mich auch heute stellen. Ich kann
as Wort des Abg. Schrader nur voll unterschreiben: Es ist ein
ganz wunderlicher Irrtum in England gewesen, daß wir den
lusbau unserer Flolte über das Flottengesetz und seine Regelun⸗
en hinaus — hätten. Das ist auch hier seinerzeit
ffentlich vom Für sten Bülow und von mir deutlich gesagt
orden, Wie wäre auch eine Beschleunigung möglich, wenn das
»aus nicht seine Zustimmung dazu gegeben hätte. Wir hätten i
einen Pfennig Geld dafür gehabt. Schon aus diesem Grun
väre eine solche heimliche Beschleunigung ganz unmöglich gewesen.
Ddie Herren werden verstehen, daß es — — uns sehr merkwürdig
erührt hat, daß solche Vermutungen überhaupt auftauchen konn⸗
xen. Nicht unerwähnt soll bleiben, daß es an amtlicher Aufklärung
in dieser Beziehung durch uns nicht gefehlt hat, weder vor dem
Auftauchen dieser Beschleunigungsgerüchte und Behauptungen
— —
den, ob er, als er von der Verhetzung in der Presse sprach, dies
auf unseve Presse bezog. Wenn man vorurteilsfrei liest, was
insere Presse über unsere Beziehungen zu England in den leyten
Jahren geschrieben hat, mit ganz wenigen, mit verschwindenden
Ausnahmen, dann muß ich die Haltung unserer
Presse vollanerkennen. Sie ist in jeder Beziehung ge⸗
cade in diesem Punkte sehr zu rückh altend gewesen. (Sehr
richtig!) Sie ist in jeder Beziehung vorsichtig gewesen und
hat das Gegenteil getan von Regen Ich lann
das um so mehr aussprechen, weil ich seinerzeit die vielfachen Aus—
wüchse bedauert habe, die in den Zeitungen zur Zeit des Buren⸗
krieges, guch in unserer Presse, erschienen sind. Aber in diesem
Falle, seit den letzten Jahren, wo überhaupt Mißverständnisse in
der Presse und der öffentlichen Meinung zwi pen Deutsch⸗
and und England entstanden sind. t sich unsere
Krese meines Erachtens muster h.aft verhalten. Dex Abg.
chrader hat weiter gemeint, daß meine Bemerkungen über die
oeizerzulagen nicht ganz klar gewesen seien. Wenn er in unpar⸗
teiischer Weise meine — vom gestrigen Tage nachliest,
o wird er nicht mehr im Zogte sein, daß ich ganz dt gesagt
habe, wie wir zu dieser Sache gekommen sind. Natürlich haben
wir unter einem gewaltigen Druck gestanden. Das hindert uns
aber nicht, auszusprechen, daß die Zulagen der Heizer,
wie sie sich jebt detaltengere chsnd. winde den gac
pon Herzen gern mehr gönnen, aber im Vergleich mit den Matro⸗
sen sind die jetzigen Zulagen gexecht. Dann möchte ich noch eins
erklääͤren. Der Abg. Schrader hat gesagt, das Geld für die volle
Peizerzulage müsse doch beschafft werden; ob es der Reichsschatz
ekretär beschaffen lann, entzieht sich meiner Beurkeilung. Aber
—A daß die abgesetzte Summe durch Kürzungen
des Reichsmarineetats nicht beschafft werden kann, im Gegenkeil,
nir ist es schon, bitter schwer geworden, den dies—
ährigen Etat vorzulegen, wie er ist. Ich Habe Im
sestern bereits gesagt, daß wir bei einzelnen Etatspositionen schon
veiter gegangen sind, als wir hätten gehen dürfen. Wir sind aber
och noch immer in solchen Grenzen geblieben, daß ich den Etat
jerantworten und für die große Entwicklung der Marine ein—
tehen kaun, und das tue Den Schlußsatz des Abg. Schrader
»aA UnFere FIAe cht 2 G0—— —
jebaut ist und gebaut werden dürse, unterschreibe ich voll. Ich
Jabe gestern ganz präzise gesagt, der Gedanke, der im Flottengaseß
um Rusdruck gekommen ist, die raison d'éêtre unserer Flotte ist die
daß sir nicht überlegen ist, also nicht aagressiv sein kann. (Leb⸗
hafter Beifall.)
Aba. Noske (Soz.); Die Flottenlasten treffen das deutsche
Volk bei seiner Verschuldung, nur um so schwerer. Immerhin
teht Deutschland damit an dritter Stelle unter den Nationen, e⸗
sommt eben auf die Leistungsfähigkeit der Länder an. Unsere
Werften bauen gut, aber sie haben keine größeren Aufträge von
ruswärts, sie können nach Vollendung unseres Flottenplans leicht
hue Arbeit sein. In Enaland denkt kein Mensch an einen Krieg
mit uns, es hätte auch niemals Vorteil davon. Es ist uns nicht
erfreulich, über die politischen Zustände Deutschlands absprechend
zu reden. Aber gerade Deutschland hat sich der Abrüstung
zuerst und am stärksten widersetzt. Es muß mit Eugland zu
iner Verständigung darüber gelangen. Unsere Leüte
uf „U. 3“ verdienen alles Lob, aber vielleicht hätte man auch die
rei Mann im Turm retten können. In Kiel wurde vergangenen
Sommer ein Marinerekrut im Beisein seiner Kameraden zu Tode
semartert. (Hört! hört! links.) Seinem Vater wurde aber mit—
eleilt, daß er an einem Unfall gestorben sei. (Hört! hört! bei den
zoz. Dem) Der Kampf gegen die Schmiergelder ist ohne Er—
ola geblieben. Es muß klargestellt werden, ob die Marinerund⸗
chau ein amtliches Blatt ist oder nicht. Wir stellen ganz ent⸗
schieden in Abrede, daß der Stgatssekretär die Heizerzulage unter
dem Druck des Reichstags gestrichen hat. Dem Staatssekretär
nuß in dieser Sache alle Fähigkeit abhanden gekommen sein, sich
nn die Seele des gemeineli Mannes hineinzudenken. Die Ver—⸗
oflegung auf, den Kriegsschiffen scheint zu wünschen übrig zu
assen, weshalb will man sonst einzelnen Kategorien eine Extra⸗
zerpflegung zubilligen? Eine solche Sparsamkeit ist nicht emp⸗
ehlenswert, man sollte dem Drängen des Reichstaas folgen und
eine allgemeine Erhöhung der Mannichafts-
lböhne vornehmen.
Staatssekretär v. Tirvitz: Daß der Abg. Noske den Fall einer
schweren Mißhandlung gegen einen Heizer in Verbindung brin—
zen würde mit der Heizerzulage, um daraus Agitationskapital zu
chlagen, war im voraus zu exwarten. Die Verhandlungen über
Rie in Fragesstehende Mißhandlunag haben in voller
Deffentlichkeit ftattgefunden. Ich will nicht von einer Entschuldi⸗
ung sprechen, aber vielleicht kann es eine Exklärung für das
Verbrechen des Unteroffiziers sein, daß er verkannt hat, daß es
ich nicht, wie er annahm, um eine Ohnmacht handelte. Immer⸗
zin bleibt es ein ganz schweres Verbrechen und seiner ganzen Art
nach eine Niederträchtigkeit von Seiten dieses Unteroffiziers. Das
möchte ich doch dem Abg. Noske sagen: Gegen Niederträchtigkeit
und Scheußlichkeit wehren wir uns selbst und brauchen seine
dilfe sicher nicht. (Lebhaftes Bravo und lebh. Unruhe bei den
Soz). Das erste Kriegssgericht hat den Unteroffizier mit 7— Jahren
Zuchthaus bestraft, (Hört! Hört!) wahrhaftig eine schwere Strafe,
und der Gerichtsherr — daraus sehen Sie, wie das Offizierkorps
diefen Fall aufgefaßt hat — hat diese Strafe nicht für genügend
rachtet und hat ein höheres Krieasgericht einberufen. In zweiter
Inftang ist der Unteroffizier mit 10 Jahren Kuchthaus verurteilt.
Hortu Hörtih Ich glaube also, daß dieses Verbrechen, das über⸗
vorrommen kann, seine strenge Sühne gefunden hat. Die
Frage, ob eine Schuld an diesem Vorkommnis der Beaufsichtigung
üzumessen ist, ist noch nicht genügend geklärt. Der Stationschef
jat eben telegraphiert, daß das Ermittelungsverfahren gegen die
Iufficht führenden Vorgesetzten noch nicht abgeschlossen sei. Ee
ijt also ein Gerichtsverfahren eingeleitet, so wie es sich gehört,
ind es ist in dieser Angelegenheit alles geschehen, was geschehen
onnte. Damit scheidet der Fall aus der Frage der Heizerzulagen
rus. Der Abg. Noske hat ferner gesagt, es würden Schmier—⸗
Jelder an die Beamten gezahlt, und hat es so dargestellt, als
ob das ein allgemeiner Usus sei. Es liegt allerdings ein Fal
por gegen einen Bottelier bezw. mehrere Botteliers, der gericht⸗
ich bebandelt worden ist. Es ist richtig, daß ein Bottelier Gelder
ingenommen hat, ich bin aber augenblicklich nicht über die Höhe
er Summe vrientiert. Es ist auch in diesem Falle eine schwere
Strafe verhängt worden. Wir haben uns aber damit nicht be—
anügt, sondern haben auch das ganze Prinzip der Botteliers,
velches ja auch eine alte Ueberlieferung gewesen ist, geändert.
Wir haben den Kantinenverkauf den Botteliers überhaupt ge⸗—
ommen, und diese dürfen mit den Lieferanten nicht mehr direkt
erkehren. In Zukunft besorat dies lediglich die Verpflegungs⸗
ommission. Der Spezialfall hat also nicht nur seine direkte Sühne
n der Verson gefunden, sondern es ist auch die Ursache beseitigt
vorden. Was die Marine-Rundischau anbetrifft, so ist es
ichtig, daß sie von einem Beamten des Reichs—
narineamts redigiert wird, und zwar insoweit es sich
darum handelt, daß militärische Geheimnisse nicht veröffentlicht
verden. Es ist immer eine gewisse Schwierigkeit für ein Fach⸗
jlatt vorhanden, dasienige zu trennen, was allgemein wissens⸗
vert ist, und was wir für uns behalten müssen. In diesem Zwang
iegt die Notwendigkeit, einen Beamten des dieichsmarineamts
nit der Redaktion zu beauftragen. Im übrigen ist dieser Heit⸗
chrift aber freieste Hand gelassen. Wenn wir sachwissenschaftliche
ind politische Aufsätze veröffentlichen und unser Offizierkorps an⸗
zegen wollen, nachzudenken, wenn wir dieienigen Herren be—⸗
riedigen wollen, die für maritime Dinge Interesse haben, so bleibt
ins nichts übrig als die Gewährung, eines Zuschusses. Wenn
ieser fsortgenommen würde, so müßte die Marine-Rundschau ein—
zehen, und ich glaube, das würde nicht der Wunsch des Reichs⸗
ages und der vielen Freunde der Marine-Rundschau sein. Daun
zat der Abg. Noske es so dargestellt, als wäre den Offi⸗
eren bei den Kulageabstrichen gar nichts genommen.
Ich will nur zum Gegenbeweis einige Zahlen herausgreifen. Der
Heschwaderchef in den heimischen Gewässern hat 4000 4, der Ge—
chwaderchef im Ausland 85800.4 verloren, von den Bezügen, die die
znhaber dieser Stellung von jeher bekommen haben. Wie man dem
egenüber bebaupten kann, daß nur an den Heizern gespart worden
väre, ist mir unverständlich. Weiter hat der Abg. Noske behaupiet,
»er Staatssekretär hätte gesaat. er brauche sich nicht mit Kleinig-
eiten zu besassen. Wenn man den Sinn meiner Worte so verdrehen
vill, wie der Herr Abgeordnete es tut, dann bin ich überhaupt nicht
imstande hier etwas zu sagen. Aber ich glaube, das Haus hat
nich richtig verssanden. (GBeifall.) Ich habe ausdrücklich erklärt,
nie ist mir während meiner ganzen Dienstzeit ein Schritt so schwer
—
peziell derienigen der Heizer. Sie haben daraus entnommen, und
ch habe es bestätigt, daß es sich für mich hier nicht um eine „Kleinig-
eit“ gehandelt hat, sondern um den schwersten Entschlu pr den
ch während meiner Dienstzeit überhaupt habe fassen
nüssen. Dann hat der Abgeordnete wenigstens dem Sinne nach ge⸗
agt, die Offiziere soraten nur für sich selbst. Ich muß gegen dicse
gehauptung auf das energischste protestieren. Nennen Sie mir doch
einen Fall, wo, wenn Gefahr im, Verzug ist, der Offizier nicht
nmerster Linie eingetreten wäre. Solange die Marine existiert,
var das der Fall, und das gehört sich auch so. Deshalb ist die Be⸗
nerkung des Abarordneten Noste durchaus deplaciert. Weiter hat
»er Abgeordnete gesaat, ich hätte in der Budaetkommission erklärt,
ch würde mir die Sache noch überlegen, ob es sich mit den Heizern
nicht anders arrangieren ließe, mit andern Worten, ich hätte kalte
Füße gekriegt bet dieser Angelegenheit. Worum handelte es sich
denn, als wir darüber sprachen? Damals handelte es sich um Er—
öhung einer Extraverpflegung über diejenige der Matrosen
hingus. Ob das durchführbar und richtia war, darüber war. die
Ansicht zweifelhaft. Ich habe bei der Gelegenheit auch ausgesprochen,
es habe mir bei der ganzen Vorlage die Hoffnung vorgeschwebt, daß
nan den Heigzern vielleicht auf andere Weise helfen könne. Ich habe
die Art und Weise, wie ich den Heizern einen Ausaleich für den
Verlust schaffen wollte, in der Kommission näher besprochen. Nur
darauf bezogen sich meine Worte. Das, was der Abg. Noske sagt,
dreht die Sa he vollständig um. Er tut außerdem so, als ob die
Heizer nach den jetzigen Voxschlägen nicht immer noch ein höheres
Finkommen hätten als die Matrosen. Sie haben, wie ich bereits
zestern klar leate, 27, A monatlich, während die Matrosen nur 19,50
Mark haben. Es bleibt also immer noch ein erheblicher Unter—
schied in der Entlohnung, den ich für meine Person den Heizern
von Herzen Jönne. Dann hat der sozialdemokratische Abgeordnete
esagt, wir xigen die Unzufriedenheit in unser eigenes Personal.
Wer bemüht sich denn. die Unzufriedenheit in unser Personal hinein—
utragen, ich oder die Herren da? (zu den Sogzialdemokraten. Leh—
zafter Beifall, große Unruhe bei den Sozialdemokraten.) Auf die
Wahrheit kommt es au und die ist gestern und heute hier von mir
resagt worden. Im übrigen brauchen die Herren sich nicht zu be—
urnhigen. Wenn von der zuständigen Stelle aus einmal befohlen
i⸗e QAulagenfrage gexregelt werden soll. so hört die Unzu—