Schreiben des Staatsfekretars. Indessen bringt der
heilige Stuhl solche Nachsicht lediglich den Professoren von
Breslau entgegen. Die Fakultät Münster steht nach wie vor
bei der Kurie in höchtster Ungnade
Zur ftaatsbürgerlichen Erziehung.
Die Lösung der Frage der staatsbürgerlichen Erziehung
nildet die ernste Besorgnis aller staatserhaltenden Parteien.
Mit Recht verlangt man. daß der zur Anteilnahme an dem
zffentlichen Leben neigende Bürger systematisch in die ein—
„elnen Gebiete der Gesetzgebung und Selbstverwaltung einge—⸗
ührt werde, damit er den Zusammenhang der Dinge im
Staatsleben begreifen und es auch verstehen lerne, wie sich Ur⸗
sache und Wirkung bedingt in der Staats- und Kommunal-⸗
perwaltung, auf allen Gebieten des wirtschaftlichen Verkehrs,
des Erwerbslebens und des gewaltigen kulturellen Strebens
der Nation. Um das Verständnis dieser Fragen dem Bürger
u vermitteln, sind schon von einzelnen Personen sogenannte
„Bürger⸗- oder Staatskunden“ verfaßt worden, die jedoch den
zrohen Fehler der Einseitigkeit haben und den großen Stoff,
den ein einzelner nicht beherrschen kann, zu trocken behandeln.
Nun macht die Nordd. Allgem. Ztg. in einem Artikeln, Volks⸗
bildung und Erziehung zum Staatsbürger“ auf ein Werk, das
siie eine „Spezial-Enzyklopädie für die Größe
Deutschlands“ nennt, aufmerksam, welches zweckent⸗
prechend für die staatsbürgerlich Erziehung unseres
Volkes sei. In dem von ihr empfohlenen Werke, das unter
dem Titel „Deutschland als Weltmacht“, im Verlage
der „Kameradschaft“, Berlin W. 35, erschien, hätten 58 be⸗
ufene Fachmänner die Entwicklung jedes Kulturzweiges unseres
Vaterlandes erschöpfend behandelt, sodaß jeder, der sich über
die tatsächlichen Verhältnisse auf den einzelnen Verwaltungs⸗
gebieten im Reich orientieren wolle, in dem Werke ,Deutsch-
and als Weltmacht“ den kompetentesten Wegweiser
habe. Eine ganze Reihe von Regierungen hat dies Werk
zur Einführung empfohlen und viele deutsche Fürsten haben
es zu Geschenkzwecken ankaufen lassen. Lehrervereinigungen,
zer Verein zur Bekämpfung der Schmutzliteratur usw. treten
illgemein für die Einführung dieses Werkes ein.
Inland und Ausland.
Deutsches Rach.
Der König von Württemberg. Im Befinden des Königs
zon Württemberg ist, wie aus Cap Martin gemeldet wird, eine
rfreuliche Besserung eingetreten. Deshalb hat sich der König
entschlossen, seinen Aufenthalt noch bis zur eriten Hälfte des
März auszudehnen.
Granzöfische Zeitungen und vertrauliche Erllürungen über
die Friedenspräsenzstärle des Heeres. Der Vorsitzende Frei—
err v. Gamp gab gestern in der Budgetkommission vor dem
Eintritt in dsie Tagesordnung folgende Erklärung ab: Die
Hlitteilung der französischen Zeitung Matin über den Inhalt
er vertraulichen Erklärungen, die der Staatssekretär des Aus⸗
värtigen Amtes in der Budgetkommission bei Beratung des
Besetzes über die Friedenspräsenzstärke des deutschen Heeres ge—
nacht hat, gab einigen deutschen Seitungen Veranlassung, gegen
zie Budgetkommission bezw. einzelne ihrer Mitglieder den Vor—
vurf des Vertrauensbruches zu ccheben. Dieser Vorwurf findet
ladurch seine Widerlegung, dan, wie hiermit festzustellen ich
nich für verpflichtet halte, die Angaben des Matin in allen
vesentichen Punkten unrichtig snd..
In der Kommissfion des Reickstages für das Schiffahrts⸗
abgabengcset trat Minister Breitbenbach der Behauptung
entgegen, daß fiskalische Interessen für die Re⸗
gierung maßgebend seien. Die Gebühren kämen ausschließlich
der Verbesserung der Fahrstraßen zugute. Er trat auch der Be⸗
zauptung entgegen, daß es sich nicht um eine Interpretation, son⸗
rern um eine Aenderung der Verfassung handle. Der Bundes⸗
at habe mit großer Mehrheit die Vorlage gutgeheißen. Von
inem Druck seitens Preubens könne nicht die Rede sein. So lange
ie Frage der Schiffahrtsabgaben nicht geregelt sei, könne nach
Vieinung des Preußzischen Landtages der Allgemeinheit nicht
ugemutet werden, weiterhin große Lasten zu tragen. Von einer
Besichtigungsreise soll gegenwärtig abgesehen werden.
Der Berliner Prosessorenstreit scheint bedauerlicher weise
rieder aufleben zu sollen. Nach der am Sonnabend von Prof.
Sering im Preußischen Landesöknomie-Kollegium abgegebenen
Erklärung wird Professor Ludwig Bernhard der B. 3. am
Mittag zufolge eine Gegenerklärung veröffentlichen. Weiterhin
hatte die Frankfurter Zeitung rom Sonnabend berichtet, daß
angeblich festgestellt sei, Professor Bernhard hätte entgegen seiner
feierlichen Versicherung gewisse Mitteilungen über den Berliner
Professorenstreit an Berliner Zeitungen gegeben. Demgegenüber
enklärt Professor Bernhard: „Diese Behauptung ist unrichtig.
Zu der ganzen Affäre werde ich in einigen Tagen eine ausführ⸗
iche zifentliche Erklärung abgeben. Es bedarf hierzu noch einer
Feststellung, sonst wäre die Erklärung schon heute an die Zeitun—
ren geaggfngen“
Frankreich.
Anfftand der Wadai⸗Leute. Der Kolonialminister erhielt eine
Meldung, nach der am 13. November 1810, vier Tage nach
dem Kampfe bei Dridjele in der Nähe von Sagnassi ein
veiteres Scharmützel zwischen der aus 100 Senegalschützen be—
tehenden Truppe des Hauptmanns Vaure und den Wadai—
Leuten stattgefunden habe. Letztere hätten weitere 100 Mann
verloren und seien in die Flucht geschlagen. Die Franzosen
hätten keinerlei Verluste.
Neue Veröffenilichung des Matin über die Dreufus⸗Affüne.
Der Miatin veröffentlicht heute die zwischen dem ehemaligen
Ministerpräsidenten Waldeck-Rousseau und dem derzeitigen
Kriegsminister Gallifet ausgetauschten Noten während des
Dreyfus⸗Prozesses in Rennes. Die dortige Aussage des frühe⸗
ren Kriegsministers Mercier, in der auch der Deutsche Kaiser
erwähnt wurde, gab Gallifet Anlaß zu folgendem Schreiben
in Waldeck-Kousseau: Eben verließ mich der deutsche Bot⸗
chafter Graf Münster. Er sagte mir, daß Kaiser Wilhelm
von Mercier keine Notiz nimmt, und daß der Botschafter
auch keinen Auftrag erhalten hat, mit dem Minister des
Aeußern, Delcasso, über dieses Thema zu sprechen. Gleich—
zeitig erklärt Gallifet, daß er eine Form gefunden habe,
um die in den sogenannten Geheimakten das Ausland betreffen⸗
den Schriftstücke nicht zum Anlaß von Komplikationen werden
zu lassen.
Balkanstaaten.
Zur Reise des serbischen Königs nach Italen. Das Amts⸗
blatt veröffentlicht einen Erlaß des Königs, wonach während
des Aufenthalts des Königs außer Landes die Königsgewalt
don dem Kronprinzen ausgeübt wird.
König Peter reiste in Begleitung des Ministers des
ern zum Besuch des italienischen Königspaares nach
Rom ab.
Skupsdhtina. Präsident Nikolitsch teilte dem Halse die
Reise des Königs nach Rom mit; er sagte, die Skupschtina
önne nicht umhin, Italien anlähßlich des 50. Jahrestages
einer Einigung und Unabhängigkeit die aufrichtigste Huldi,
jung darzubringen. Die Skupschtina nahm die Erklirung
nit dem lebhaftesten Beifall an.
Die Bagbadbahnfrage. Die Pforte hat beschlossen, sich
dber den Bau der Bagdad⸗Bahn bis Bagdad mit Deutsch—
sand allein zu verständigen. Ueber die Verlängerung bis
um Persischen Golf soll zunächst mit Deutschland ein Meinungs⸗
rustausch erfolgen und auf Grund dessen dann mit Eng⸗
and und Frankreich in Verhandlungen eingetreten werden.
der rürkische Botschafter in London habe beim dor—⸗
igen Auswärtigen Amt Schritte getan, um eine freundliche
RKundgebung der englischen Regierung zu erlangen
Amerila.
Der Sandelskongreß. Der Sprecher des nächsten Kon—
fresses, Champ Clark, sprach vor dem Handelskongreß fär
ie Reziprozität mit allen Ländern. Präsident Taft erklärte
veiter, die Förderung kommerzieller Beziehungen müsse not⸗
ßendig engere politische und soziale Beziehungen zwischen
»en Nationen herbeiführen. Staatssekretär Knox hob die
solle hervor, welche das amerikanische Kapital bei der Er⸗
chliegung von Hilfsquellen ganz Amerikas spielen sollte.
Die Inbetriebnahme des Panamakanals 19132 Der lei—
ende Ingenieur bei den Arbeiten am Panamalanal erklärt,
aß die Arbeiten so gesördert werden, daß die Inbetrieb—⸗
ahme des Kanals auf jeden Fall im September 1913 (67)
eschehen kann. Die Gesamtkosten werden in einem Bericht
in die Kanalkommission des Kongresses mit 1800 Millionen
yrancs angegeben. Eine Gebühr von einem Dollar für die
Tonne würde nach Ansicht des leitenden Ingenieurs genügen,
im der mexikanischen Bahn über den Isthmus von Tehuan—
epec erfolgreiche Konkurrenz bieten zu können. Selbst mit
en t ranskolonialen nordamerikanischen Eisenbahnen würde der
danal bei einer solchen Grundgebühr noch in Wettbewerb
treten können.
Nicaragua vor neuen Wirren? Auf dem Grundstück, auf
em sich das Präsidentschaftsgebäude in Manaqua befindet,
reigneten sich eine Reihe Explosionen in dem eben⸗
'alls dort gelegenen Munitionsschuppen. Die Explosionen dauer⸗
en über zwei Stunden. Der Präsident und seine Fa—
nilie befinden sich imn amerikanischen Konsulat. Es
st das Krieasrecht protlamiert worden,
Heer und Flotte.
W. Berlin, 14. Febr. Reichspostdampfer „Zieten“ ist
mit dem Transport der von „Planet“ abgelösten Besatzung
muf der Seimreise am 18. Febr. in Southampton eingetroffen
ind setzte am 13. Febr. die Reise nach Antwerpen fort.
‚Victoria Luise“ ist am 13. Febr. in Vigo eingetroffen und
etzt am 1. März die Reise nach Kiel fort. „Augsburg“
st am 13. Febr. von Kiel nach Wilhelmshaven gegangen. Die
3. Halbflottille ist am 13. Febr. von Apenrade in See ge—
zangen. Poststation sür „Hansa“ vom 4. bis 13. März
kcernförde, dann Kiel. für „Victoria Luise“ vom 25. Febr.
ib Kiel, für den Ablösungsdampfer „Neckar“ vom 18. März ab
Bremerhaven.
Neuefe Nachrichten und Telegramme.
Der Anleihebedarf des Reiches.
UWt. Bexlin, 14. Febr. Die Nordd. Allg. ZBig. gibt
nit Rücksicht auf die Unklarheiten, die in der Presse her—⸗
orgetreten sind einen Ueberblick über den Anleihebedarf des
keiches. Das Anleihe-Soll betrug 1906 277,2 Millionen M,
907 253,9 Millionen M, 1908 260,9 Millionen M, 1909 723,7
Millionen M, 1810 171,8 Millionen Meund 1811 Etats.
mtwurf) 97,7 Millionen M. Es springt in die Augen, wie
ür 1910 und 1911 das Anleihesoll zurüchkgegangen
st, größtenteils dadurch, daß nach den maßgebenden Gesetzes⸗
orschriften 35, 4 Millionen für 1910 und 89,6 Millionen für
.911 aus den ordentlichen Reichseinnahmen zu entnehmen
ind zur Verminderung des Anleihebedarfs zu verwenden war.
Diese Verwertung lausender Mittel für die Verbesserung des
iußerordentlichen Etats ist ein sichtbares Zeichen für die all—⸗
nähliche Erstarkung der Finanzen. Die dem ordent⸗
ichen Etat entnommenen Beträge sollen nach Paragraph 2 des
ktatsgesetzentwurses 1911 entweder zur mechanischen Abschrei—
bung vom Anleihesoll, oder zum Ansaufe ausgegebener Schuld—
zerschreibungen verwendet werden. Damit wird der Grund⸗
sedanke der Reichsschuldenordnung zur Geltung gebracht, da⸗
zingehend, daß das Reich befsähigt ist, als Käufer seiner
ilten Schuldenbestände auf dem Markte aufzutreten und so
bas Andenken unserer Anleihen zu heben. Soweit tatsächlich
iltere Schuldverschreibungen gekauft werden, steigt das neue
Anleihesoll. Natürlich wird dadurch nicht der Schuldenbestand
des Reiches erhöht. Die Besserung der Reichssinanzlage kommt
uch beim Schatzanweisungsfonds fortschreitend zum Ausdruck.
Während dieser Anfang 1009 die höchste Belastung mit 639
Millionen Mark erreichte, wird er zurzeit mit 70 bis 100
Millionen in Anspruch genommen, obwohl bedeutende Anleihe—
este darauf ruhen.
— —
W. Brüsfet, 14. Febr. Das belgische Königaspaar
ist heute vormittag nach Genuag abgereist. Der König
tritt am 24. Febr. die Rückreise an.
W. London, 14. Febr. Wie hier verlautet, wird sich
taiser Wilhelm bei der Krönungsfeier im Juni d.
J. durch den Kronprinzen vertreten lassen.
W. Tomstk, 14. Febr. Die Hörer der Universität be—
chlossen, bis zum Serbst zu streiken.
Wa. Kalkutta, 14. Febr. Der Kronprinz besuchte
„estern das Museum und begab sich jetzt nach Sunderbunds.
Dder Direktor der deutsch-asiatischen Bank veröffentlichte einen
eutschen Artikel in der Wochenschrift Englistman, in dem er
»en Bürgern für die Gastfreundlichkeit dankt, die sie bei
vem Besuch des Kronprinzen zeigten. Tie Deutschen in Kal—
Atta beschlossen, aus Erkenntlichkeit für den Empfang des
tronprinzen und der deutschen Seeleute, für das alliährliche
Rennen einen Pokal als Preis zu stiften.
W. Kap Haitien, 14. Febr. Hier ist die Meldung einge⸗
troffen, daß die Rävolutionäre die Stadt Qua—
raminth niedergebrannt haben.
Wit. Petersburg, 14. Febr. In der ganzen Krim herrscht
ungewöhnlichheftiger Schneefall. Der Schnee liegt
o hoch, daß viele Dörfer vom Verkehr abgeschnitten sind.
Biele Schafherden erfrieren. Obstbäume und Zäune werden
bon den Einwohnern als Heizung verwendet. Die Kohlen⸗
lager im Donestgebiet können den Bedarf nicht decken.
Deutscher Reichstag
W. Berlin, 14. Februar
Am Bundesratstisch: Staatsiekretär v. Tirpitz.
Die zweite Beratung des Marineetats wird beim K
pitel: Gehalt des Staatssekretärs fortgesetzt.
Abg. Dr. Semler (natlib.: Kür die Hinterbliebenen d
Toten von „U 3 sollte auch in serner Zukunft gesorgt —
Das Verhalten der Ueberlebenden, ihre Manneszucht und Um—
sicht verdienen alles Lob. Das sielle ich gegenüber den schul
meisterlichen Ausführungen des Abgeordneten Ledebour aus.
drücklich fest. Gleiches Lob gebührt auch den Rettern. Dah
Verbesserungen geschaffen werden mössen, die solchen Fällen in
Zukunst begegnen, ist selbstvwerständlich. Wir wollen den Aus
zau der Marine, soweit sie defensiven Zwecen dient. Innerhalh
vieser Grenzen muß sie aber auch offensiv auftreten können. In
bürgerlichen Parteien sind zuerst die Bedenken gegen die Streichung
der Heizerzulagen aufgetaucht, die doch lediglich unter dem Drue
rüherer Beschlüsse des Hauses vorgenommen worden waren
Die kaufmännische Ausbildung der Werftbeamten und Offi
iere sollte gefördert werden. In Wilhelmshapen ist nicht ge—
rügend für kleine Wohnungen gesorgt. In solchen Hafenstädter
ollte auch der kleine Kaufmann zu Lieferungen herangezogel
werden. Die Amwesenheit des Reichskanzlers bei dieser Be—
tatung, die sich lediglich auf die Ausführung des Flottengesetze
beschränkt, können wir nicht sur notwendig halten.
Abg. Schrader (Fortschr. Bp.): Ich schließe mich der un
eingeschränkten Anerkennung der Pflichttreue unserer Marine
nsbesondere der Mannschaft, an. Bei dem Unfall des Unter—
eebootes „U 30 hat auch die gerettete Mannschaft eine Pflicht—
crreue gezeigt, die nicht nur mit Worten anerkannt werden sollte.
Die Ausgaben auf Grund des Fiottengesetzes sind wesentlich
mößer geworden, als anfangs beabsichtigt war; denn die Schiffe
wurden immer größer und immer größer gebaut und die tech—
nischen Fortschritte mußten mitgemacht werden. Wären die tat⸗
sächtichen Ausgaben für das Flottengesetz zu übersehen gewesen,
o hätte sich wohl kaum eine Mehrheit dafür finden lassen. Auch
uns wäre die Anwesenheit des Reichskanzlers erwünscht gewesen,
vielleicht sehen wir ihn bei seinem eigenen Etat bei uns. An eine
aggressive Tätigkeit der Flotte denken wir nicht. Insbesondere
st eine Invasion in England eine Unmöglichkeit, an die kein
Mensch in Deutschland denkt. Unser Flottengesetz ist auch gar
nicht geeignet, diieses angebliche Ziel zu erreichen. Der Welt—⸗
handel wird nicht durch die Flotte gefördert, er breitet sich von
selber aus und kann durch die Schiffe nur in gewissem Sinne ge⸗
chützt werden. Daß der Werftbetrieb nicht mit einem Schlage
eformiert werden kann, ist selbstoꝛrständlich. Der kaufmänni—
che Geist, wie er für jeden Fabrikbetrieb notwendig ist, kann
ich nur aillmählich einbürgern, zumal bei den Werftbetrieben
jesonders schwierige militärische Rügsichten zu nehmen sind. Re
ormbedürftig ist auch das amtliche Bureauwesen. An Stellt
ber vieien Kanzlisten, die sich nu- dem Militäranwärterstande
rekrutieren, liehe sich die Arbeit mit Hilfe weniger Schreib—
naschinen mindestens ebenso gut bewältigen. Daß aber an der
heizerzulage gespart wird, halten wir für ganz verkehrt.
Staatssekretär v. Tirpitz: Dem Vorschlage, in Wilhelms⸗
haven ebenfalls einen Bauverein zu aründen für kleine und mitt⸗
jere Wohnungen werde ich gern nachgehen, zumal wir in Kiel
gute Erfahrungen damit gemacht haben. Detaillisten können
wir zu den Lieferungen nur heranziehen, wenn wir nicht zu
zohe Preise zu zahlen haben. Ich habe niemals geleugnet, dah
wir die Entwickelung der Marine den Mitteln verdanken, die uns
der Reichstag gewährt. Verhältnismäßig ist aber sehr viel da—⸗
nit geleistet worden. Wir haben damit eine Kampfleistung ge—
chaffen. Wenn schließlich fur das Xlottengesetz größere Mittel
rsorderlich gewesen sind, tragen wir nicht die Schuld, sondern
nie englische Dreadnought-Politik, der wir folgen mußten. Die
rũheren Schiffe sind ganz uwerhältnismäßig wertlos geworden.
Wir mußten uns dazu einer neuen Technik anpassen. Dabei
zaben wir weniger verbraucht, als zunächst veranschlagt war
der Staatssekretär muß die großen Gesichtspunkte beobachten,
iber die Nase über Wasser behalten. Eine Armee läßt sich
aus dem Boden stampfen, eine Flotte braucht aber Jahrzehnt«
ür ihre Entwickelung. Auch der kaufmännische Werftbetrieb
äßt sich nur allmählich schaffen. So wie wir ihn jetzt haben,
st er durchaus gut. Die Werften durfen nicht als reine Fa⸗
zrikbetriebe eingeschätzt werden, ihr hauptsächlicher Charakter ist
ꝛine Mobilmachungsanstalt, und zwar für Neubauten und Re—
zaraturen. Mit Privwatbetrieben ist die Kaiserliche Werft nicht
ohne weiteres zu vergleichen. Solche Veränderungen in der
Werftorganisation werden sorgfältig geprüft werden. Unser Ver⸗
jältnis zu England berührt das politische Gebiet. Man hat dort
ie Ansicht, dah unsere Flotte über das Flottengesetz hinaus
sebaut wird. Das ist aber gar nicht möglich ohne die Zu⸗
limmung des Hauses. Wie derartige Behauptungen in Eng—
and auftauchen konnten, ist nicht verständlich. Wir haben un—⸗
ererseits es an Aufklärung nicht fehlen lassen. Unsere Presst
jat in diesem Falle nicht gehetzt. Während des Burenkrieges
nögen Auswüchse vorgekommen seia. Seitdem aber, wo über—
zjaupt die Mißverständnisse erst begonnen haben, hat sie sich
nusierhaft verhalten. Die Zulagen der Heizer sind, so wie sie
sind, gerecht gegenüber dlen Matrosen. Aus dem Marineeta!
können wir das nötige Geld nicht serauswirtschaften, wir haber
nur für die Entwidelung der Marine zu sorgen. Unsere Flott
ist nicht aggressiv und soll es nicht sein; nach ihrer Anlage, weil
sie anderen Flotten nicht überlegen ist, kann sie es auch nicht
ein. GBravo!)
Abg. Nosle (Soz.): Unsere Werften bauen gut, aber
cie haben keine größeren Aufträge von auswärts. In Eng⸗
and denkt kein Mensch an einen Krieg mit uns. Es hätte
ruch niemals Vorteil davon. Es ist uns nicht erfreulich
über die politischen Zustände Deutschlands besprechend zu reden,
aber gerade Deutschland hat sich der Abrüstung zuerst und am
tärksten widersetzt. Es muß mit England zu einer Verstän—
digung darüber gelangen. In Kiel wurde im vergangenen
Sommer ein Marinerekrut im Beisein von Kameraden zu
Tode gemartert. (Hört! Hört! links. Seinem Vater wurde
iber mitgeteilt, daß er an einem Unfall gestorben sei. Gört!
hört! bei den Sozialdemokraten) Wir stellen ganz ent—⸗
chieden in Abrede, daß der Staatssekretär die Heizerzulage
unter dem Druck des Reichstages gestrichen hat. Man sollté
eine Erhöhung der Mannschaftslöhne vornehmen.
Staatssekretär v. Tirpitz: Es nimmt mich nicht wunder,
daß Noske die Mißhandlung eines Heizers in Verbindung
zrachte mit der Heizerzulage. Der Fall bleibt ein schweres
VBerbrechen, eine Niedertracht und Scheußlichkeit eines Unter⸗
ffiziers. Dagegen wissen wir uns aber selbst zu sichern.
Die Hilse der Sozialdemokratie brauchen wir nicht dazu. (Rul
bei den Soz.: Unerhört!“ Der Unterofsfizier ist in erster
Instanz zu 7 Jahren Zuchthaus und von dem höheren Kriegs-
gericht zu 10 Jahren Zuchthaus verurteilt. (Hört! Hört!