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Amtsblatt der freien und hansestadt Lübeck 61. Jahraan Nachrichten für das herzogtum Tauenburg, die
beiblatt: Gesetz und Verordnungsblatt . ———— ts — gürstentümer Ratzeburg. Lubec und das angren
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Ausgab⸗
*GGroße Ansgabe)
Montag, den 13. Februar 1911.
Abend⸗Blatt Nr. 80.
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Die diäten der Parlamentarier
sind in den parlamentarischen Körperschaften der verschiedenen
Länder sehr verschieden. Die höchsten Einkünfte haben die
imerikanischen Senatoren, nämlich jährlich 30000 M. Ein
rranzösischer Deputierter bezieht nach der letzten Diäten⸗
erhöhung jetzt ein, Jahresgehalt von 15 000 Fr. und ist
iach vierjähriger Ausübung seines Mandats pensionsbe—
zechtigt. Ungarn bewilligt eine Jahresentschädigung von
1000 M, Deutschlands Anwesenheitsgelder ergeben für den
leißtigen Reichstagsabgeordneten 3000 M; Belgien zahlt
bensoviel. Oesterreich bewilligt Anwesenheitsgelder in Höhe
von 17 Mutäglich. Tagegelder gewähren auch Rußland
21 M, Rumänien 20 M, Schweiz 16 M, Norwegen 13 M,
Serbien 12 M, Dänemark 11 M. In Italien und Spanien
erhalten die Abgeordneten weder Gehalt noch Anwesenheits-
gelder.
Ueber die in den einzelnen deutschen Bundesstaaten
gezahlten Landtagsdiäten gibt das eben erschienene „Hand⸗
huch für liberale Politik“ GGerlin 1911) eine übersichtliche
Zusammenstellung. Danach gewährt das Herrenhaus freie
Fisenbahnfahrt zwischen Wohnort und Berlin während der
Session, keine Diäten; das Abgeordnetenhaus freie Eisen-—
bahnfahrt wie beim Herrenhaus, 135 MDiaäten während
»er Session, auch bei Selbstvertagung. Bayern 3600 M
jür jede ordentliche Session, Sachsen 3000 Muund sreie
kisenbahnfahrt; Württemberg 15 Meund 5 M Ueboer—
nachtungszuschlag, Freifahrt; Baden 3000 M; Sessen 9
ind 3 M und Freifahrt. In den übrigen deutschen
Bundesstaaten bestehen überall Reiseentschädigungen und
Dicten, die bei Abwesenheit gekürzt werden. Ihre Sätze
sind (die Summe für die am Orte wohnenden Mitglieder
eingeklammert): Sachsen-Weimar 12 (10); Oldenburg 10
18); Braunschweig 10 (5); Meiningen 9 (450): Alten⸗
burg 12 (6); Koburg⸗Gotha 10 (6); Anhalt 12; Schwarz
urg-⸗Sondershausen 12 (6); Rudolstadt 9; Waldeck 9;
Reuß ä. L. 7,50 (6); Reuß j. L. 10 (6); Schaumburg⸗
Lippe 6; Lippe 9; Lübeck (ländliche Vertreter) 8; Bremen
und Hamburg ohne Diäten; Elsaß-Lothringen 20 M.
Inland und Ausland.
Deutsches Roich.
Das Staatsangehörigkeitsgesetz beim Kalser. Wie einige
Blätter mitteilen, liegt der Gesetzentwurf über den Erwerb
und Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit gegenwärtig
dem Kaiser zur Unterschrift vor. Sobald diese vollzogen
ist, wird der Entwurf dem Bundesrat zugehen, was demnach
in nächster Zeit zu erwarten ist. Es ist beabsichtigt, dem
Reichstage noch in dieser Session die entsprechende Vor—⸗
lage zugehen zu lassen.
Amuu
Erstes Blatt. hierzu 2. Blatt.
———-—.———————..——— ——————— — X&ßEAsÆ —
Amfang der heutigen Nummer 8 Seiten.
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nichtamtlicher Teil.
Laienrichter.
(Von unserem juristischen Mitarbeiter.) J
Lübeck, 13. Febr.
Der Reichstag hat den kombinierten Antrag des Zen⸗
trums und der liberalen Parteien, nach welchem für die
Berufungskammer neben zwei gelehrten Richtern
auch drei Schöffen hinzugezogen werden sollen, in
namentlicher Abstimmung mit 175 gegen 142 Stimmen
angenommen. Bei der Debatte über diese Frage ist ein
sehr wichtiger Punkt fast gar nicht berücksichtigt worden.
Wenn die größere Beteiligung der Laien an der Rechtsprechung
in Zukunft in jeder Weise segensreich wirken soll, so muß
in erster Linie die in allen Kreisen der Bevölkerung bekannt⸗
lich so sehr verbreitete Rechtsfremdheit mit allen Mitteln
bekämpft werden. Wir wissen ja alle, daß man selbst bei
vielen, sonst durchaus gebildeten Leuten eine geradezu ver—
blüffende Unkenntnis in den elementarsten Dingen des Rechts—
lebens findet. Auch so mancher Akademiker ist zwar mit den
Rechtsinstitutionen der alten Griechen und Römer genau ver⸗
traut, steht aber den entsprechenden Einrichtungen unseres
Vaterlandes mit kindlicher Ahnungslosigkeit gegenüber. Es
hietze ja Eulen nach Athen tragen, wenn man sich über die
Unwissenheit so vieler Staatsbürger auf diesem Gebiete noch
veiter äußern wollte.
Bei dieser ganzen Sachlage gibt es, um die Rechtspflege
zei noch stärkerer Heranziehung der Laien vor Schaden zu
bewahren, nur ein probates Mittel: die weitestgehende Ver—
breitung von Rechtskenntnissen. Hier wird nun von privater
Seite schon vieles Gute gewirkt; Vereine und Verbände be—
nühen sich, durch Vorträge und Schriften die juristischen
tenntnisse ihrer Mitglieder zu fördern. Auch betätigt sich
zie Presse hier fortwährend durch instruktive Artikel in
obenswertester Weise. Aber das sind nur alles Notbehelfe,
zie unter keinen Umständen ausreichen, um den herrschenden
debelstand zu beseitigen.
In erster Linie muß schon bei der Ausbildung
der heranwachsenden Jugend in den Volks- und
Mittelschulen die Kenntnis in den elementarsten
Fragen des Rechtslebens berücdsichtigt werden.
Dieser öffentliche Rechtsunterricht wird im Laufe der Zeit
dazu beitragen, ein besser ausgebildetes Material von Schöffen
und Geschworenen zu liefern. Ist erst einmal diese Auf⸗
tlärungsarbeit durchgeführt und der rationellen Verbreitung
—
von Nechtskenntnis in allen Klassen der Bevölkerung der
Weg gebahnt, dann wird auch das Laienelement in der
Rechtsprechung in jeder Weise segensreich wirken.
Dder Zweck der Krankenkafsenreform.
Aus parlamentarischen Kreisen schreibt man uns: Der
olitische Zweck der Krankenkassenreform ist oft genug vom
Reichskanzler und den übrigen Regierungsvertretern offen ver—⸗
ündigt worden. Es soll der Sozialdemokratie die Möglichkeit
jsenommen werden, ihre Führer in gut bezahlte Beamten—
tellungen hineinzubringen, die ihnen erhöhte politische Tätig
leit ermöglichen. Der Einfluß der Arbeiter auf die Verwaltung
der Kassen zu brechen, war der eine Weg zu diesem Ziele;
hHälftelung statt Drittelung heißt hier die Regierungsformel,
die aber bekanntlich in der Kommission bis jetzt abgelehnt
worden ist. Der andere Weg wird im Einführungsgesetz zur
Reichsversicherungsordnung bestritten und besteht in scharfen,
desetzlich vorgeschriebenen Dienstanweisungen
ind Vertragsbestimmungen für die Kassen—
eamten. Es soll nicht mehr wie seither im Ermessen der
inzelnen Kassenvorstände liegen, welche Verträge sie mit ihren
Angestellten abschließen wollen; sondern nach Artikel 30 des
kinführungsgesetzes sollen für alle vorhandenen Kassen
ingestellten, soweit sie nicht Staats- oder Gemeindebeamte sind
inheitliche Dienstverträge ausgearbeitet werden. Dagegen wärte
a durchaus nichts einzuwenden, wenn es sich lediglich um
Keueinstellung von Beamten handelte; die zu erlassenden
Ddienstordnungen und Dienstverträge sollen aber auch für alle
Angestellten Gültigkeit erhalten, welche heute bereits in Kassen⸗
diensten stehen. Ja, noch mehr, der feste Besoldungsplan soll
ich auch auf die erstrecken, die seither höhere Bezuge hatten.
Damit nicht die einzelnen Kassenvorstände genötigt sind, ihren
either besser bezahlten Angestellten die Unterordnung unter
die neuen Gehaltsvorschriften zuzumuten, gibt der Entwurf dem
IRberversicherungsamt die Möglichkeit, seinerseits im Wege
»ffentlicher Bekanntmachung oder unmittelbarer Zustellung an
die einzelnen Angestellten die Neuordnung bekannt zu geben
und durchzusetzen. Will sich der betreffende Angestellte nicht
nuf diese Minderung seiner Bezüge einlassen, so steht ihm die
zündigung zu und er kann nach sechs Monaten das Dienst⸗
perhältnis aufgeben. Halbiährlicher Gehaltsbezug wird auch
den Angestellten zugestanden, deren Fähigkeiten nach Urteil
des Oberversicherungsamtes für die übertragenen Kassen-
obliegenheiten nicht ausreichen und die deshalb gekündigt
werden. Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß alle diese
Bestimmungen im gegebenen Falle Handhaben für die Behörden
sein sollen, um das politische Ziel der Kranlkenkassenreform,
die Schwächung des Einflusses der Sozialdemokratie auf die
dassenverwaltung, verwirklichen zu helfen. Das Mindeste, was
undessen noch zu geschehen hat, ist die Abschleifung von Härten
und sozialen Ungerechtigkeiten gegenüber den mit langfristigen
Verträgen angestellten Krankenkassenbeamten
Die RNebelfrau.
NRoman ron Anny Wothe.
(33. Fortsetzung.) Machdruck verboten.)
„Er hat sie also gekränkt?“ lächelte der Rechtsanwalt
vider Willen fast mitleidig auf Fridrun herab. „Was sind
Sie doch für ein großes Kind, Gräfin Fridrun, und wie leicht⸗
fertig spielen diese kleinen Hände mit einem Menschenschichsal.
Nun begreife ich allerdings, daß Sie fort wollen, denn es muß
ja Ihrem Zartgefühl widerstreben, mit dem Grafen und Undine
unter einem Dache zu hausen. Ich verspreche Ihnen also,
die Reise nach dem Söden durchzusetzen, und dafür geloben
Sie mir, vorläufig nichts in der Sache zu tun, bevor ich
sie nicht auf das sorgfältigste untersucht habe. Sind Sie damit
einverstanden?“
In Fridruns Augen leuchtete es auf.
„Sie wollen mir helfen, Ebbo Klas? Gewiß, ich lese
es in Ihrem Gesicht. O, ich danke Ihnen, danke Ihnen aus
liefster Seele. Ich werde ohne Ihre Einwilligung vorläufig
nichts tun.“
„Wollen Sie mir den ominösen Zettel anvertrauen?“
Einen Augenblick bohrten sich beider Blicke fest ineinander.
Fridrun schüttelte leicht den Kopf.
„Noch nicht,“ lächelte sie, „aber ich verspreche Ihnen,
Lutz' letzte Worte am Tage meiner Abreise in Ihre Sände
zu legen. Leben Sie wohl, Ebbo Klas. Ich glaube, Ihnen
heute den Beweis gegeben zu haben, daß ich Sie für meinen
»esten und treuesten Freund halte.“.
„Das können Sie, Gräfin.“
Fast mit hartem Drud umschloß seine gewichtige Rechte ihre
zarte Hand.
Noch ein flimmernder Blick, ein betörendes Lächeln, und
Fridrun rauschte aus dem Zimmer.
„Begleiten Sie die Frau Gräfin an den Wagen,“ herrschte
Ebbo Klas seinem Bureauvorlteher zu. Seine Stimme war
zanz heiser.
Fridruns Hände ballten sich zornig. —
Nicht einmal das Geleit gab er ihr. Trotz aller Ent⸗
ustung grüßte sie aber dennoch voll gewinnender Liebens—
oürdigkeit die bis auf die Erde sich verbeugenden Schreiber
Dann schritt ne inab zu ihrem Wagen, wo die Rappen schon
ingeduldig ihrer harrten.
Dem Kutscher die Zügel überlassend, lehnte sie sich be—
jaglich in die weichen Polster zurück. Sie wollte träumen
auf der Heimfahrt von dem Manne, den sie in den Staub
reten wollte, weil er sie verschmähte.
Die alte, schläfrige Stadt, die Heide schienen ihr plötzlich
nicht mehr öde in dem herbstlichen Nebelgrau, denn überali
eimten ihr berauschende Verheißungen.
Ebbo Klas, der sollte ihr helfen. Er liebte sie, und er
war ihr Sklave, wenn er sich auch noch so sehr dagegen
wehrte. Sie kannte ihre Macht. —
Ebbo Klas aber saß in seinem Schreibstuhl, den Kopf in
beide Hände vergraben, und starrte vor sich hin. *
„Sie ist schrecklich“ stöhnte er dann plötzlich auf, „ung
ich liebe sie doch, liebe sie bis zum Wahnsinn. Und sie spielt
mit mir, wie sie mit allen gespielt hat.“
Eine Weile saß er in dumpfem Hinbrüten. Dann aber
sprang er erregt auf.
„Nie, nie darf es geschehen. Das verhängnisvolle Blatt
muß mein werden, mit List oder Gewalt, gleichviel, Undine
soll nicht an der Rache dieser Frau zugrunde gehen, sie darf
nie von dem entsetzlichen Verdacht erfahren, der, wenn er
sich bewahrheitet, Undine ja auf ewig von dem Grafen
trennt.“
Suchend stöberte er dann in seinen Papieren. Endlich
chien er gefunden zu haben. Sein blasses Antlitz gewann
wieder die gewohnten frischen Farben, und fast war es, als
berstecke sich ein Lächeln in dem roiblonden Bart, der ihm
ang auf die Brust wallte, als er sich wieder an seinem
Schreibtisch niederließ und eifrig schrieb.
Der Herblttag ging zur Rüste, da legte er endlich tief
aufatmend die Feder fort.
Sein Werk war getan.
—
Gräfin Undine wartete im Wohnzimmer am Kamin auf
hren Gatten, der, wie Dorret ihr gesagt, heute kommen wollte,
Abschied von ihr zu nehmen, bevor er seine Reise nach dem
Süden antrat.
Undines Antlitz war bleich. Ihre Gestalt war schlanker
— F—
geworden, und um den roten Wiund lag ein feiner Leidenszug,
den sie früher nicht gehabt. Ihre dunklen Augen hatten einen
weichen, sammetartigen Glanz. Sie saß in einem hochlehnigen
Sessel, das rotschimmernde Haar fest an die veilchenfarbenen
Polster gelehnt und die schmalen Füße leicht gegen das
Eisengitter des Kamins gestemmt. Dorret hatte fürsorglich
eine graue Pelzdede über ihre Fühe gebreitet.
So saß sie und wartete schon lange.
Draußen heulte der Wind. Und sie dachte an die Nacht,
die unheimliche Nebelnacht, die sie mit Reimar in den Dünen
durchwachte.
Wie lange das her war! Sie fand die Wochen nicht zu—
sammen. Und nun wollte er fort. Sie freute sich dessen.
Der Gedanke war ihr in ihrer langen Krankheit unerträglich
gewesen, ihn täglich, stündlich hier zu wissen.
Den Abschied würde er ja wohl kurz machen. Auch das
würde vorübergehen. Der Tag neigte sich. Nun mußte er jede
Minute kommen. Wie gut, daß Fridrun noch nicht aus der
Stadt zurückgekehrt und die Großmutter in ihrem Zimmer ein
wenig ruhte. Sie war jetßzt so oft müde, die alte Frau.
Nur im Wohnzimmer war neuttales Gebiet, da konnte sie
am besten ihm ein paar Abschiedsworte auf den Weg geben.
Und wie sie noch sann, da stand er schon plötzlich vor
ihr, und um sie her wehte es wie Veilchenduft.
Ein großer Strauß der blauen Blüten ruhte in Undines
schmal gewordenen Händen. Einen Augenblickh hielt seine lebens⸗
warme Rechte auch ihre Hand umschlossen, dann ließ Graf
Reimar sie wie erschredt fallen.
Mit einem eigentümlichen Ausdruck seiner dunklen Augen
sah der Graf auf seine junge Gattin nieder.
„Ich freue mich, dich so viel besser zu finden, Undine,“
begann er mit etwas verschleierter Stimme.
Sie barg wider Willen ihr Autlitz in den duftigen Strauß,
dann deutete sie auf einen Sessel.
„Du lommst, um Abschied zu nehmen, Reimar?“
„Ja, es wird mir diesmal etwas schwer, fortzugehen.“
Erstaunt sah sie zu ihm herüber.
Er errötete unter diesem Blick fast wie ein junges Mädchen.
Haltig erwiderte er:
Es aihbt so viele Widerwärtigkeiten, die mich eigentlich