tärischer Stellen allein die persönliche Tüchtigleit ohue Rücksicht
wuf politische und konfessionelle, Ueberzeugung o r gesellschaft⸗
iiche Stellung entscheidend sein zu lassen, wurde abgelehnt. Der
riegsminister erklärte, konfessionelle Unterschiede würden nicht
gemacht, auch liege der Heeresverwaltung fern, den Adel zu be⸗
rorzugen. Schließlich wurde die zweite Resolution der forischritt-
ichen Vollspartei angenommen, welche eine Reform des gesamten
Militärstrafrechts, des Beschwerderechts und des ehrengerichtlichen
ßerfahrens gegen Offiziere wünscht.
Triedens präsenzstärke des Heeres. Die Budgetkom⸗
mission des Reichssstages naähm den Gesetzentwurfüber
»ie Friedenspräsenzstärke an und bewilligte die Neu⸗
orderungen auf Grund desselben. F
Naltionalliberale und Forischrittliche Volkspartei in der
sheinprovinz. Zwischen den Nationalliberalen und
der Fortschrittlichen Volkspartei in der Rhein—
zrovinz ist für die nächsten Reichstagswahlen eine Einigung erzielt
vorden. Von dem Abkommen werden die Wahlkreise Solin—
jen und Elberfeld ausgenommen, da dort die örtlichen
Verhandlungen keinerlei Schwierigkeiten bieten. In den Wahl⸗
reisen Remscheid, Lennep, Mettmann, Wetzlar—⸗
Ultenkirchen werden mit gemeinsamer Unterstützung Kandi⸗
daten der Forischrittlichen Vollspartei, in den übrigen rheinischen
Wahlkreisen nationalliberale Kandidaten aufge—
tellt.
Der Deutsche Protestantenverein zum FJall Jatho. Aus
Anlaß des Falles Jatho lädt der Vorstand des Deutschen
Protestantenvereins in einem Aufruf zum Beitritt ein: „Durch
das Versahren gegen Jatho wird das Recht der freigesinnten
Gemeindemitglieder und Pfarrer in der Kirche bedroht. Wir
ehen die Gefahr vor Augen, daß in unserer Kirche Roms
brundsätze maßgebend werden. Demgegenüber können die frei⸗
sesinnten Glieder der Gemeinde ihre Rechte nicht auf dem
berfasfungsmähigen Wege entsprechend zur Geltung bringen.
Ddurch das indirekte Wahlvperfsahren, durch die Vorherrschaft
»er Patrone und der orthodoxen Pfarrer ist der kirchliche
diberalismus in den entscheidenden Synoden falt völlig aus⸗
geschaltet. Es bedarf einer Vertretung durch freie Vereine,
um der Oeffentlichkeit und den Vehörden seine Anschauungen
und Forderungen darzulegen und die Stärke seiner Anhänger⸗
chaft kundzugeben. Der Deutsche Protestantenverein hat von
Anfang an sich die Aufgabe gestellt, eine solche Vertren
ung zu sein.“
Oeste rreich⸗ Ungarn.
Die Krakauer Ausfchreilungen im Abgevrdnetenhaus. Im
Lbgeordnetenhaus wurde über die Interpellation betreffend die
lusschreitungen an der Krakauer Universität im Zusammenhang
nit der Berufung des Professors Zimmermann verhandelt. Der
zultusminister erklärte: Die Bewegung der Studierenden sei
uf eine gewisse Agitation zurückzuführen. Sachliche Gründe seien
icht vorhanden, denn von der Absicht und dem Versuch soge⸗
annter Verklerikalisierung der weltlichen Fakultäten könne nicht
ie Rede sein. (Zustimmung.) Er verurteile das Vorgehen der
ztudenten, die, statt gegen das Disziplinarerkenntnis gesetzliche
dechtsmittel zu ergreifen, den Streik begannen und die Vor⸗
‚sungen vereitelten. Er traf Vorsorge, die Schuldigen der
ebührenden Bestrafung zuzuführen und die überwiegende, den
lusschreitungen sernstehende Mehrheit vor Schaden zu be—
vahren.
Geroßbritannien.
Die Fifcherei im Weißen Merre. In Erwiderung auf eine An⸗
rage wegen des der Duma vorgelegtenGesetzentwurfes über die
lus dehnung der Fischerei⸗ Grenzen von 3 auf 12 Meilen im Weißen
Deere erklärte im Unterhause der Unterstaatssekretär MKin⸗
ron Wood, der britische Botschafter in Petersburg habe in
dieser Angelegenheit bei dem russischen Minister des Aeußern be—
eits Vorstellungen erhoben und sei kürzlich angewiesen worden,
zei der russischen Regierung einen offiziellen Einspruch gegen den
Borschlag einzulegen, der dahin gehe, die Fischereigrenzen in Ruß⸗
and übecr die gewöhnliche Entfernung von drei Meilen auszudeh⸗
ien. da dies den allgemeinen anerkannten Grundsätzen des in⸗
ernationalen Rechts widerspreche. Sir Edward Grey sei sich der
Wichtigkeit der berührten britischen Interessen voll bewußt
Amerila.
Die mexilanische Rebolulion ish niedergeschlagen. Die um
Juarez noch lagernden Insurgenten sind tatsächlich gewöhnliche
——
inigten Staaten geflohen. Alle anderen Rädelsführer sind hin—⸗
gerichtet worden. 300 Regierungstruppen umzingelten nachts ein
zaus, in dem die Verschwörer vermutet wurden. Diese vertei—
digten sich mit Gewehren und Revolvern; außer zwei Frauen,
die man schonfe. wurden alse von den Trunnen erschossen
eueste Nachrichten und Telegramme.
Wt. Berlin, 10. Febr. In der Sitzung der Kommission
für das Schiffahrtsabgabengesetz gab der Staats⸗
etretär des Auswärtigen Erklärungen ab, die vertraulich waren.
Die Bierichte, die in einigen Blättern über die Erklärungen
mf Grund von Indiskretionen veröffentlicht wurden, sind
ielfach sinnentstellend. Im besonderen bezog sich die Wen—
zung, daß der Staatssekretär die Opposition gegen den Ge—
etzentwurf im Auslande nicht tragisch nehme, lediglich auf
vie Protestrundgebungen ausländischer Interessentenkretse. Die
Erkiärungen auswärtiger Regierungsstellen berührte der Staats⸗
ekretär hierbei nicht.
W?e Berhin, 10. Febr. Der Magistrat hat beschlossen,
er Stadtverordnetenbersammlung die Erhebung eines
Zuschlages zur Einkommensteuer von 110 und zur
ßrundsteuer von 165 Prozent bei gleichzeitiger Erhebung einer
dustbarkeitssteuer vorzuschlagen.
W“ San Antonio (Mexiko), 10. Febr. Nach einer Mel—⸗
zung aus Chihuahua hat angeblich in der Nähe von Mula
zwischen 300 Revolutionären und 280 Mann Regierungstruppen
rin zwölfstündiger verlustreicher Kampf stattgefunden.
kinzelheiten fehlen noch.
Wit. San Anmionio (Mexiko, Chihuahua), 10. Febr. Nach
iner weiter Meldung waren im Kampfse bei Muta s(nicht
Mula) die Regierungstruppen die Angreiser. Sie wurden
mit starken Verlusten zurückgeschlagen.
Wt. Port⸗gu⸗Prince, 10. Febr. Die Revolution auf
füaitiist unterdrückt worden. Das Land ist ruhig.
Wt. Berlin, 10. Febr. Der Siemens⸗-Schuckert-Ballon machte
heute vormittag seine dritte Versuchssahrt. Das Luftschiff
chlug zunächst die Richtung nach Johannisthal ein, um „P 6“
einen Gegenbesuch abzustatten und kehrte dann zur Ballon⸗
—A—
ks umkreiste mehrmals die Ballonhalle und führte während
dver Fahrt Mansöver in verschiedenen Höhenlagen bis zu 500
eter aus, die hauptsächlich den Zwech hatten, den Einfluß
zer in der Zwischenzeit angebrachten Stabilisierungsflächen
u erproben. Die Versuche sielen zur vollen Zufriedenheit
uus. Nach 254 Stunden erfolgte die Landung glatt in der
Ballonhalle zu Biesdorf.
W. Berlin, 10. Febr. Die Frau eines Steuer—
rerhebers wurde gestern abend auf dem Wege zur Post
m Flur eines im Norden der Stadt belegenen Hauses von einem
Nanne angefallen, der ihr Pfeffer in die Augen warf und
zie Tasche mit den für die Steuerkasse bestinkmten 1100 M
mtrißk. Der Räuber ist entkommen. — Ein zweiter Raub—⸗
infall ereignete sich in der letzten Nacht im Westen, wo ein
dräulein auf der Haustreppe von einem Manne überfallen,
sewürgt und durch einen Messerstich in die Backe verwundet
vurde. Der Täter, der ebenfalls entkommen ist, raubte eine
vertvolle Steinmarderboa.
We Berkin, 10. Febr. Der freikonservative Landtags⸗
bgeordnete Schmidt-Nakel erlitt heute vormittag in seiner
Pohnung in der Wilhelmstraße eine schwere Gasver—
iftung. Er wurde in bewußtlosem Zustande aufgefunden
ind ins Elisabethkrankenhaus gebracht, wo er bis nachmittags
»as Bewußtsein noch nicht wieder erlangte. Sein Zustand
gilt als bedenklich.
W. Leipzig, 10. Febr. Heute früh stie hen in der Nähe
des Bahnhofs Stötteritz zwei Strahenbahnwagen zu⸗
ammen, wobei mehrere Personen verletzt wurden, davon
inige schwer.
W. Amsterdam, 10. Febr. Der ehemalige Schiffs⸗
doch der Marine, Sigrist, welcher am 13. Januar Rem⸗
zrandts Gemälde „Die Nachtwache“ durch mehrere
Messerstiche schwer beschädigte, wurde zu einem Jahrr Ge⸗
rämgnis verurteilt.
W. Saag, 10. Febr. Die Billiton-Gesellschaft
rhielt gute Nachrichten. In den Bergwerkenbei Mang⸗
rar ist die Arbeit fast äaberall wieder aufge-
rommen, im anderen Bezirken war sie nicht unterbrochen.
die europäischen Beamten wurden nicht belästigt.
W. Paris, 10. Febr. Aus Hull wird gemeldet: Im Kiel—
aum des aus Dünkirchen eingetroffenen französischen Dampfers
Hero“ wurden die Leichen dreier Hafenarbeiter
zefunden, die offenbar durch Einatmen von Kohlengas
zetötet wurden. Neben den Leichen lagen halbgeleerte Cham—
agnerflaschen.
W. London, 10. Febr. Nach einer Lloydsmeldung aus
Fossack (Westaustralien) ist die russische Bark „Glen⸗
zank“ mit 1800 Tonnen Kupfererzladung in der Nähe von
Lossack gänzlich wrack geworden. Die gesamte Be—
atzung, ein Mam ausgenommen, ist ums Leben gekommen.
Wt. Nilolajew, 10. Febr. Sier herrscht außerordentliche
sKälte. Der Verkehr der AUslandsdampfer wird mit
zilfe dreier Eisbrecher ermöglicht. Die Passagierdampfer der
dinie Nikolajew —Odessa stellten zeẽtweilig ihre Fahrlen ein.
We Trimidad (Colorado), 10. Febr. Im Bergwerk Coke⸗
jale wurden durch oine Explosion 17 Bergleute ver«
chüttett. Davon wurden zwei gerettet. Man befürchtet,
vaß die übrigen tot sind. 1
Wt. Damville (Virginia), 10. Febr. Hier wurde ein
Erdbeben verspürt.
Ddie Pest in Ostasien.
Paris, 10. Febr. Der Pekinger Korrespondent des New—
yhork Herald meldet über die Vest: In Tschantschu wurden
sestern 800 Pestleichen verbrannt; gestern starben allein
00 Personen. Der Norden der Mandschurei ist von der Seuche
zereits dezimiert. Die Japaner haben die ganze koreanische
vrenze durch einen Militärkordon abgesperrt. Im chinesi—
chen Staditeil von Charbin hat die Zahl der Todesfälle
twas abgenommen. In Mukden zählt man 449, in Tschifu
00 Todesfälle, darunter zwei französische barmherzige
Schwestern. In Fudsjadian hat die Vollsmasse die Stadt⸗
derwaltung verjagt und verschiedene Läden geplündert.
Deutscher Reichstag.
W. Berlin, 10. Februar.
Am Bundesratstisch: Dr. Lisco, Wermuth, Generalstaats⸗
ainwalt ESupper. Das Haus ist sehr gut besucht.
Die zweite Lesung der Novelle zum Gerichtsver⸗
'afsungsgesetz wird fortgesezt mit der Abstimmung über
77, Besetzung der Straflkammern. Zunächst wird der Antrag
Ulbrecht und Genossen (Soz.), die Strafkammern mit einem Richter
ind vier Schöffen zu besetzen, abgelehnt. Dann wird über den
Intrag Müller⸗Meiningen (f. Vp.) namentlich abgestimmt. Nach
»em Antrag sind in erster und zweiter Instanz die Strafkammern
nit zwei Richtern einschließlich des Vorsitzenden und mit drei
zchöffen zu besetzen. Ein Antrag Gröber (Itr.) deckt sich mit
iesem Antrag. Von 320 abgegebenen gültigen Stimmen sind
75 fur und 1242 gegen den Antrag. 3 Abgeordnete enthalten
ch der Abstimmung. Der Antrag ist somit angenommen. 8 77
eird mit dieser Aenderung angenommen.
Zu 8 80 beantragen die Sozialdemokraten, die Vrehßdelikte
or das Schwurgericht zu verweisen.
Abg. Stücklen (Soz.) empfiehlt diesen Antrag und bemerkt:
dadurch werden die Strafkammern entlastet, auch dem Interesse
er Angeklagten wird damit gedient, da bei den Schwurgerichten
nehr Richter aus dem praktischen Leben das Urteil fällen. Ins⸗
„esondere leiden die sozialdemokratischen Redakteure unter dem
isherigen Zustande, sowohl bei Privat-, wie auch bei Maiestäts-
zeleidigungen. In Bayern und Baden hat sich die Praxis, die
zreßvergehen vor den Schwurgerichten abzuurte'en, vorzüglich
zewährt. Es ist deshalb nicht ersichtlich weshalb aer Bundesrat
ich so sehr gegen unseren Antrag sträubt. Damit wollen wir
richt sagen, daß die Schwurgerichte unsere Ideale sind. Bei der
luswahl der Geschworenen wird die Bevölkerung zu sehr gesiebt.
„mmerhin aber halten wir die Schwurgerichte noch für die beste
dechtsform. Jetzt, wo die Preßfreiheit durch die Loxx Wagner
nit den hohen Strafen erdrosselt werden soll, ist es um so
rötiger, die gelehrten Richter von dieser Rechtsprechung auszu⸗
chließen und diese dem Schwurgericht zu überlassen. Lassen wir
uins nicht abschrecken durch ein abermaliges Unannehmbar.
Abg. Dr. Müller-Meiningen (Fortschr. Vp.) beantragt
leichfalls, die Preßdelikte mit gewissen Ausnahmen vor die
-7chwurgerichte zu stellen: Ein Idealgericht erblichen wir in un⸗
erem heutigen Schwurgericht nicht; eine liberale Reorganisation
väre dringend erforderlich. Wir nehmen aber davon Abstand,
im nicht die reaktionäre Gegenwirkung wachzurufen. Ich bitte,
en Antrag anzunehmen.
Abg. Dr. Ma,er⸗Kaufbeuren (Z3tr.): Die Ansicht des Vor—
edners. daß sich die Aburteilung der Preßdelikte vor den
Schwurgerichten Süddeutschlands sehr gut bewährt habe, wird
yort in weiten Kreisen nicht geteilt. Die meisten Fällo werden
zuf dem Wege der Vrivatklage verfolgt. Die Schwurgerichte
reten nur bei Religions⸗, Majestäts- und Sittlichleitssachen
ein. Wieist handelt es sich nicht um Zeitungen, sda
ern um Flugblätter und pornographische Produrse. Au
om Standpunkt der anständigen Vresse aus ist die Ausdehnun
»es süddeutschen Rechtsstandpunktes auf ganz Deutschland mi
vünschenswert. Sie will auch nicht. daß ein Asyl geschaffe
verde für Pornographen und ähnliche Elemente.
Abg. Dr. Marcour (Ztr.): Auch der gelehrte Richter is
stets imstande, seinen persönlichen Standpunkt hintanzusetzen
und auch Prehdelikte rein objektiv zu beurteilen. Mißgriffa
und gar zu strenge Urteile, wie sie während des Kultur—
kampfes geschaffen wurden, sind immer nur Ausnahmen.
Abg. Graef-Weimar (w. Vgg.): Wir meinen, die Haupt.
mißstände beim Schwurgericht sind, daß die Geschworenen keinen
kinfluß auf die Beweisaufnahme, auf die Beurteilung der
Slaubwürdigkeit der Zeugen und auf das Strafmaß haben
Die Anträge bitte ich æbzulehnen. Wir sind die wahren
Freunde der Schwurgerichte.
Aba. Mülber⸗Meiningen (forischr. Vpt.): Die letzte Be
merkung pafßt nicht zu den vorgestrigen Ausführungen de—
Vorredners, wo er sich osfen als Gegner der Schwurgerich«
vekannte. Daß dem Zentrum die Simplizissimus-Prodesse
oen Magen gefahren sind, ist nicht unsere Schuld. Daß
Bayern das Asyl für Pornographen geworden sei, ist ein
ungeheure Uebertreibung. Ich warne davor, aus einem ein—
sigen Prozeß Verallgemeinerungen zu ziehen. Ich bitte, unsere
Antrag anzunehmen.
Abg. Stadthagen (Soz.): Die Presse hat das gröpte
Interesse daran, vom Schwurgericht abgeurteilt zu werden.
Theoretisch ziehen wir das Schwurgericht, wenn auch die Aus—
wahl der Geschworenen weitherziger vorgenommen werden soll,
dem Berufsrichterkollegium vor. In vielen Fällen lassen sich
odie Berufsrichter doch von politischer Leidenschaft zu schwereret
Beurteilung von Preßdelikten, namentlich gegen die Sozial—
demokraten, bewegen.
Die Anträge wurden abgelehnt.
Zum Paragraphen 81 beantragen die Sozialdemokraten
folgende Fassung: Die Schwurgerichte bestehen aus drei rich—
erlichen Mitgliedern mit Einschlußz des Vorsitzenden, welche
ständig angestellte Richter sein müssen und aus 12 zur Ent—
scheidung der Schuldfrage berufenen Geschworenen.
Nach kurzer Befürwortung durch den Abg. Stadthagen
wurde der Antrag angenommen.
Paragraph 99 und folgende regeln die Zusammenstellung
der Berufssenate für Strafsachen. Die Berufssenate sollen
rußerhalb der Hauptverhandlung in einer Besetzung von dref
Mitgliedern einschließlich des Vorsitzenden entscheiden. In der
Sauptverhandlung sollen sie mit fänf Mitgliedern einschlieh—
lich des Vorsitzenden besetzt werden.
Die Sozialdemokraten beantragen zwei Mitglieder unv
fünf Schöffen, wobei die richterlichen Mitglieder ständig an—
jestellte Richter sein müssen. — Die Fraisinnigen wollen
3 Berufungssenat mit zwei Richtern und drei Schöffen be—
etzen.
Die Abgg. Bassermann natlib.) und Varcanhorst (Rpt.)
treten für die Beschlüsse der Kommission ein.
Staatssekretär Lisco: Ich bitte Berufungssenate am Orte der
Landgerichte und nicht Oberlandesgerichte zu bilden. Die Laien⸗
ichter bitte ich hier abzulehnen.
Abg. Müler⸗Meiningen: Wir bitten Sie, für die Be—
rufung gegen Strafkammerurteile Berufungssenate bei den
Oberlandesgerichten zu bilden.
Nach kurzer weiterer Debatte werden der sozialdemokratische
Antrag und die freisinnigen Anträge, die die Angliederung der
zerufungssenate an die Oberlandesgerichte rerlangen, abge—⸗
ehnt und der Antrag Müller-Meiningen, die Berusungssenate
nit zwei Richtern und 3 Schöffen zu besetzen, mit 166 gegen
122 Stimmen angenommen.
Eine Reihe Paragraphen wurden unter Ablehnung lämt⸗
licher dazu gestellter Anträge nach den Kommissionsbeschläffen
angenommen.
Bei Titel 7a, Schöffen und Geschworene, begründet
Abg. Frohme (Soz.) einen Antrag, diese Ueberschrift unizu—
ändern in Vollsrichter.
Oberlandesgerichtsrat Schulz: Ich bitte, den Antrag ab⸗
zulehnen. Der Gegensatz zwischen Berussrichtern und Volks—
richtern würde unnötig verschärft werden.
DTer Antrag wird abgelehnt. —
Paragraph 118 betrisst das Schöffen- und Geschworenen⸗
vmt. Ein sozialdemokratischer Antrag Albrecht will auch
Frauen als Schöffen bezw. Geschworene zulassen.
Abg. Frohme begründet den Antrag. Als Abg. Frohme die
Rednertribüne verlassen will, erinnert ihn Vizepräsident
Spahn daran, daß noch ein anderer sozialdemokratischer An—⸗
rag betreffend das Wahlverfahren zum Schöffenamt vorliege.
Große Heiterkeit. Abq. Frohme begründete auch diesen
Antrag.
Beide Anträge wurden abgelehnt, ebenso ein weiterer An⸗
trag der Sozialdemokraten, der die Dienstboten zum Schöffen—
und Geschworenenamt zulassen will. Nach der folgenden Be—
timmung sollen die Volksschullehrer nur zum Amte der
Schöffen bei den Jugendgerichten berufen werden können. Ein
Antrag Kreth (kons.) will diese Bestimmung streichen. Das⸗
elbe wollen Anträge Kölle (w. Vgg.) und Wetzl (natlib.)
Abg. Hahn (kons.): Unser Antrag soll berechtigten Strömun⸗
sen im Volke entgegenkommen. Wir lassen uns an Lehrer—⸗
reundlichkeit durch die Herren im Roten Hause nicht über⸗
reffen. (Lärm links.) Wir gründeten ein eigenes Lehrer—
olatt. (Zuruf: Was zahlt der Bund der Landwirte dazu?)
Diese unerhörten Invektiven weise ich zurück. (Lärm.)
Abg. Kopsch (Vpt.): Interessant ist, daß Abg. Halhen
ich i dentifiziett mit dem neuen deutschen Lehrerverein. Dus
wird draußen gehört werden, daß er als Anhängsel des Bun—
des der Landwirte angesehen wird. Die Unabkömmlichkei
der Lehrer ist nicht stichhaltig, wenn wegen Paraden, Volks—
Vieh⸗ und Berusszählungen ohne Bedenken die Schule aus
ällt. Daß die Lehrer selbst das Schöfsenamt ablehnen, triff
nicht zu.
Abg. Wet (natlib): befürwortet einen Antrag seiner
Partei. der ebenfalls die allgemeine Zulassung der Volls
chullehrer als Laienrichter verlangt.
Ein Vertreter der preußischen Unterrichtsverwaltung stellt
est, daß lediglich sachliche Motibe gegen die Zulassung der
Lehrer zum Schösfenamt sprächen.
Nach weiterer Debatte wird ein Schlupantrag angenommen.
der Passus, nach dem die Volksschullehrer nur als Schösfen bei
den Jugendgerichten zugelassen werden, wird gegen die Stimmen
der Polen gestrichen, ihre Zulassung als Schösfen überhaupt
damit beschlossen.
Darauf vertagt sich das Haus. Nächste Sitzung Sonn—
abend 11 Uhr: Inierpellation betr. Ueverschwemmung des
beutschen Gesdmarites mit fremden Wertpapieren. Fortsetzung
er heutigen Debatte