Sorficht walten lassen. Ich bedaure, datz der Justizminilter
ucht mit mehr Wärme sich der Rechte eines Richters angenommen
at. Er hätte sich ein Beispiel nehmen sollen, wie sein Kollege,
er Minifter des Innern, für die Landräte eingetreten ist. Die
herteidinung eines Richters durch den höchsten Justizbeamten war
um mindesten eine sehr matte Verteidignug, Meine nolitiegeen
Freunde stellen sich auf den Standpunkt des fozialdemokratischen
ntrags. Soll das Vertrauen zur Rechtsprechung zurückkehren,
sann müssen wir die Unabhängigkeit des preußischen Richter⸗
tandes stabilieren, wie einen rocher de bronze Ich bitte sie,
sen Prinzipalantrag und nicht den Eventualantrag anzunehmen,
veil wir die Aunahme des Gesetzes nicht abhängig machen
vollen von dem Reichs-Disziplinargesetz, auf dessen Annahme
mier den heutigen Verhälinifsen nicht zu rechnen ist. Geifall
un a Heine: Ich nehme das Recht zur Kritik richterlicher Urteile
nicht nur für den Reichstag, sondern für jeden Menschen in Ape
ber, es ist ein Unterschied, ob ein Prozeß abgeschlossen ist oder
in Verjahren schwebt aber auch das 'iehtere isi, nicht sakrosankt.
Auch ich nehme sür mich in Anspruch, über ein schwe ben des Ver⸗
ahren zu sprechen. Aber etwas anderes ist es, wenn jemand, in i
iltaliber Elellung und von autorisativer Stelle sich so äubert, me
er Reich skanzler detan hat umd dem Urteil vorgreift,
er schon daruher sprechen wolte, so haͤlte er weniastens die Resu ute
der Beweisaufnahine nicht als guantite negiigeable behandeln dürfen.
Nach langeren Ausführungen des Berichtserstatters Dr. Heinge.
der ew wr —3 m Ablehnung der Anträge bittet. be⸗
merkt zur häftsordnung J
Aoͤg Dr. Muller Vieiningen Voltsp.): Die Art. wie 77
Berichterstatter gesprochen hat, ist von großer pringipielter
Vedeutunge Er hat nut zu berichten über das, was von der einen
der andeten Seile in der Kommisston vorgebracht ist, und dabei den
Ztandpuntt der Kommiffionsinehrheit zu vertreten, sich aber jeder
Polemik gegen Parteien oder gegen Anträge zu enthalten.
Abg. Weilstein (Ztr): Im allgemeinen kann man dem zustim
men, aber Dr. Heinze hat die ihm als Berichterstatter gezogenen
Brenzen nicht überschritten. Er hat vollkommen die Berechtigung,
dasjenige gellend zu machen, was vielleicht im Kommissionsbericht
nicht wiedergegeben. aber in der Kommission ausgeführt ist.
Abq. Bassermann (nl.): Der Berichterstatter hat über die Vor⸗
zänge in der Kommission zu berichten und zweitens die Kom—
nisssonsbeschlüsse zu verteidigen. Diese Verteidigung war durchaus
I — temperamentvoll. Temperamentvoll ist noch lange
nicht polemisch.
Abg. Dr, Heinze (nl.): Auch Abg. Singer stand auf dem Stand-
punkt, daß Anträge, die der Konmission vorgelegen haben, vom Be⸗
ichterstatter im Sinne der Majorität zu verkeidigen oder zu bekämp⸗
en find, eventuell habe er selbständig vorzugehen. Dieser Auffassung
habe ich mich angeschlossen.
Abg. Dr. Wagner (kons.) und Gröber (Itr.) schließen sich
dem an.
Vizepräsident Schultz: Der Berichterstatter ist über seine Befug—
nisse nicht hinausgegangen. Die Mehrheitsbeschlüsse zu vertreten, ist
eine Pflicht, nicht nur sein Recht. Auf die mehr oder weniger leb⸗
jafte Weise kommt es nicht an. Wenn er einen neuen Grund hinzu⸗
ügt und in einem Punkte klüger ist. als die Kommission (Heiterkeit),
o kann man ihm das nicht übelnehmen.
Abg. Ledebour (Soz ): Wenn der Berichterstatter klüger ist als
die Kommission, dann muß er als Abgeordneter das Wort nehmen.
Insofern muk ich der Rechtsbelehrung des Präsidenten entgegen—
reten.
Vizepräsident Schultz: Rechtsbelehrungen sind doch nicht anfecht—
ar (Heiterkeit). Der Vorredner geht zu meit, wenn er mir aus dem
Wort „klüger“ einen Strick drehen will. Wenn dem Berichterstatter
Jerade noch ein guter Grund einfällt, so ist er doch in diesem Augen-
lick klüger als die Kommission (Heiterkeit).
Der sozialdemokratische Hauptantrag wird gegen dieFreisinnigen
ind die Sozialdemokraten abgelehnt, der Eventualantrag gegen
ie Stimmen der Sozialdemokraten.
Die Sozialdemokraten schlagen weiter folagenden 8 Ka
»or: „Zum Richter darf nicht ernannt werden, wer länger als fünf
Jahre ein Verwaltungsamt oder das Amt eines Staatsanwalts be—
leidet hat. Richtern ist die Annahme von Orden und Titulaturen
erboten.“ Eventuell beantragen sie; „Richter dürfen, solange fie im
schterlichen Amte stehen, nur solche Titel führen, welche mit ihrem
Amte als solche verbunden find, und Orden und Ehrenzeichen nicht
uunehmen. Die Fortführung von Titeln und das Tragen von Orden
ind Ehrenzeichen, welche vor Eintritt in das Richteramt oder vor
Beltung dieses Gesetzes erworben waren, und die Annahme der für
riegerische Verdienste verliehenen Orden oder Ehrenzeichen werden
zlerdurch nicht berührt.“
Die Abgg. Dr. Müller-Meiningen, Kopsch, Müller
Iserlohn), Oe ser und Dove schlagen folgenden 8 8a vor: „Rich—
ein ist die Annahme von Orden und Ehrenzeichen ver—
joten. Das Tragen von Orden und Ehrenzeichen, wesche vor Ein⸗
ritt in das Richteramt oder vor Inkrafttreten dieses Gesetzes erwor⸗
ꝛen lind, sowie die Annahme von Orden oder Ehrenzeichen für krie⸗
zerische Verdienste und von Rettungsmedaillen bleiben von dieler
Vorschrift unberůhrt.
Abg. Stadthagen (Sozdem.): Ein Verwaltungsbeamier, der
ein Lebtag auf, seinen Vorgesetzten hat hören müssen, ein Staats-
inwalt, der auf Befehl seines Vorgesetzien gegen jeden vorgehen
nuß, selbst wenn er von dessen Schuldlossgkeit überzeugt ist, ist nicht
nehr zum unabhängigen Richter geeignet. Wir haben in Preußen
ahlreiche Senate, besonders Strafsenate, die ausschließlich ans
ruheren Staatsanwälien bestehen. unhet Eventualantrag entispricht
iner Anregung des verstorbenen Abg. Windthorst, der als hannover
cher Justizminister guf diesem Gebiete Erfahrungen gefammeli hatte.
Er erwies sich als ein guter Prophet, als er ns die Gefahr der
Titelführung von Richtern hinwies, die mit seinem Amt nicht
verbunden — Reserve und der—
gleichen hat mit dem Richteramt nichts zu tun. Die menschliche
Eitellkeit ist unausrottbar, aber se soll von oben nicht gestärkt wer—
¶n durch Titel, und Orden. Auf, seine Ueberzeugung und Charakter⸗
igtent Ah soll der Richter stolz sein, auf michts anderes Beisal
Abg. Dr. Müller-Meiningen (Forisch. Volksp.): De —
rag der Sozialdemokraten ist für 28 ere epe F
iberflüssig. Dieser Antrag geht von der Auffassung des blutrünfti—
jen Stagtsanwalts aus, der auch ein bluttünstiger Richter sein
vürde. Wir in Bayern haben mit Sigatsanwällen dis Richtern die
llerbesten Erfahrungen gemacht. Das Mißtrauen gegen die vormali—
en Staatsanwälte ist durchaus umbegründet Der isbtue inn
atant in dem Pringzipalantrag ist eiwas unklar die Antragstee,
zaben ihn in ihrem Evenstualanirage interpretlert, aber, auch diefe
Interpretation ist nicht liater Soͤ der Geheimens
r Geheime Justizral usw.
gusgenommen sein? Zurufe bei den Soz)Bhne Line sasniscee
ommen wir hier nicht aus. Deshals daben mid den asrtn
enes Antrages herausgeschält und einen besonderen dv men
käüchter brauchen i auden Orden meeeg
ns Wod bee pig 8 ndern iann gerabezu leiden.
Enem Orden belastet ist, dem wollen wir ihn laffen.
ind wirlliche kriegerische Verdienfi ba Rettung von ———
a
räge Albre
d enne rchte tetg
timmen mit den Antraͤgsieltern die écn Ide “ ——
eWolen und eine Minderheit des aen tde rdee
L ⸗
* eeu— —
ag Neet Uhr vertagte das Haus die Weiterberatung auf Diens⸗
Preubischer Landtag.
Abgeordnetenhaus.
20. Sitzung.
F— Berlin, den 6. Februaur.
Am Ministertisch: Beseler. *
an Prasident b. Kroͤcher eroͤffiet die Sitzung um 114 Uhr und
igir ——— Gumbinnen) gesior⸗
1
* 3 Ehren des Verstorbenen erheben sich die Abgeordneten von
Siven.
bierauf wird die zweite Beratung des .*
Justia⸗ Etats D
vwn Kapitel Landgerichte und Amtsgerichte lort⸗
Jesetzt.
.Mathis (ul.); Ueber die Weltfremdheit der Richter,
———— q Verständnis für das Rechtsgefühl des Bol—
es wird in den Tagckzestungen mit einer Hartnäckigkeit diskutiert,
ie im umgekehrten Verhältnis zu ihrer Richtigkeit steht. Das Be⸗
enkliche dabei ist, daß solche Exkurse sich nicht bloß in den Hetz—
lattern sinden, die die Verunglimpfung der Rechts⸗
flege als Sport betreiben, sondern auch in angesehenen, vor⸗
ehmen Organen, wie der National⸗-Zeitung und der Kölnischen
zeitung. Es wäre ja eine Ueberhebung und würde mit den tat⸗
ichlichen Verhältnissen nicht übereinstimmen, wenn ich das Vor⸗
ommen von Fehlsprüchen beftreiten wollte. Der Gedanke, daß die
urisprudenz die Notit ia omnium rerum humanarum ser scheitert
heutzutage schon an der Ueberlastung der Richter, bei denen
er achtftiin dige Normalarbeitstag teilweise noch überschritten wer⸗
en muß; im übrigen aber fehlt es ihnen keineswegs an Fühlung
ind Berührung mit dem praktischen Leben. Daß Mißgriffe vor⸗
ommen, wird auch jeder Richter zugeben; aber was will bei den
causenden und Abertausenden von Entscheidungen, die jährlich
efällt werden, eine winzige Zahl von Fehlsprüchen besagen? Mit
ller Energie muß man sich aber gegen die Verallgemeinerung
olcher vereinzelter Exscheinungen wenden. Ueber die Vermehcung
es Laienelements ist man sehr verschiedener Meinung, auch in
neiner Partei. J
Abg. Cassel (VGp.): Eine über das Maß des Zulässigen hin⸗
usgehende Kritik der Richter habe ich in der liberalen Presse nicht
efunden. Eine Mitwirkung der Laien bei der Recht⸗
prechung wird für unsere Rechtspflege sehr gedeihlich wirken.
Aur dadurch rn die eeeeez zwischen Recht und Volks⸗
ewußtsein wieder enger gestalten.
e —— (Ztr.) wünscht Erleichterungen im Grund⸗
zuchverkehr.
Abg. Frhr. v. Reitzenstein-Pilgramsdorf (Ztr.) wünscht die Er—
ichtung eines Amtsgerichts in AlßBerum im Kreise Pleß.
Abg. Dr. Kaufmaun (Ztr.) tritt für eine Dezentralisation der
Amtsgerichte ein, die namentlich im Interesse der Landbevölkerung
iege, die Ran zu lange Wege p den Gerichten habe.
Abg. Dr. v. Kries st.) empfiehlt die Einrichtung von Ge⸗—
ichtstagen.
Minister Dr. Beseler: Mit dem ersten Redner stimme ich darin
iberein, daß die Richter gegen unbegründete Vorwürfe geschützt wer⸗
en müssen. Eine Erleichterung im Grundbuchverkehr ift in Aussicht
‚enommen. Gerichtstage sollen überall da. wo ein Bedürfnis vor⸗
anden ist, eingeführt werden. Ein Bedürfnis für die Etrichtung
ines Amts gerichts in Alt- Berum ist nicht vorhanden.
Abg. Dr. Lieblnecht (Soz.); Ich bedaure, daß der Minister gegen
tine Kritik über das Berhalten der Richter sich verwahrt
Minisier Beseler: Ich habe mich nicht dagegen verwahri, daß die
ichter einer Kritik unterzogen werden, fondern gegen die Art und
Velse der Kritik habe ich mit Recht Verwahrung eingelegt.
Abg. Böhmer (k.): Durch eine berechtigte Kritit wird dem Rich—
erstande nur gedient.
Abg. Dr. Röchling (nI.): Die Vorwürfe des Abg. Liebknecht
zetr. die Klassenjustiz sind jedenfalls unbegründet
Bei den Ausgaben für die Staatsanwälte kritisiert
Abg,. Dr. Liebknecht (Soz.) nochmals das Verhalten der Staats-
nwaltschaft im Moabiter und im Wedding-⸗Rrozeß. Die Amis ver⸗
chwiegenheit sei bei Zeugenaussagen, die für sie hätten un bequem
oerden können, zu weit ausgedehnt. Das mache nicht den Eindruck.
ils ob, die Staatsanwaltschaft die objettivste Behörde“ sei Im
rsten Essener Prozeß 1895 habe der Erste Staalsanwali nichts
abon erwähnt, daß der Gendarm Münter sich bereits schwerer amt-
icher Verfehlungen schuldig gemacht hätte, und als ein streitsüchtiger,
ewalttätiger und liederlicher Mensch bekaunt gewesen sei, dem man
mkeiner Beziehung trauen könnte. Es müßle festgestellt werden, ob
ie Staatsanwaltschaft davon Kenninis gehabt hälte und etwa ab
ichlich es verschwiegen habe.
Justizminister Dr. Beseler erwidert, daß eine solche Festsiellung
nnmöglich und unnötig sei. Den Landgerichisdirektor Unger habe er
icht Foramiert“, sondern nur angefragt um Ansragen aus dem
dause beantworten zu können. Für die Verdächtigungen im Eĩses
er Prozeß sei keine Spur von Anhalt geboten; den gegen die
ztaatsanwaͤlte erhobenen Vorwurf der bewußlen Wahrheitsverschleie⸗
ung müsse er auf das allerentschiedenste zurückweisen.
„Ahg. Haarmann⸗Altena (natlib.): Die von Kiebknecht kriti—
ierte Unterredung des Justizministers mit Herrn Unger steht
ußerhalb der Diskusfion. Die ungeheuerliche Unterstellung des
Iba. Liebknecht gegen den verstorbenen Essener Staufs—
„Nnwalt Peterson muß auf das allerschärfste zurückgewiesen
verden. Sie (zu den Soz) wollen nur Haß und Verachtung gegen
ie Behörden erxegen. ESehr richtigh
Abg. Dr. Liebknecht (Soz.) vVie Amtsverfehlungen des
Nünter sind doch seiner, vorgesezten Behörde bekanm gewesen,
eshalb verbleibe ich auf meinemn Standpunkt.
Abg. HaarmannAlteng (natlib.): Sie zum Aug. Liebknech)
Theben so ungeheuerliche Beschuldigungen, ohne quch nur den
Schimmer eines Beweises zu erbringen. Dieje Art des Vor
jehens ist durchaus unvornehm.
.Abg, Dr. Liebtnecht (Soz); Wir halten es für vornehm, auf
-zchäden in der Justiz hinzuweisen.
Abg. Faltin (Zir. : Die Resolution der Justizkommission
es Reichstags, wonach in die Amtssanwaltefterlen une
uristisch vorgebildete Personen gelangen, soüen, hat Beunruhi—
ung in den Kreisen der mittleren Instizbeamten hervorgerufen,
»enen dann diese Stellen verschlossen sein würden. Vie Ge—
— sollten der Verwaltungssekretären gleichgestett
nerden.
Geheimrat Fritze: Ein vollständiges Ausschalten anderer als
iristisch vorgebildeler Beamten von dem Amtsanwaltsveruf wird
on der Resolution selbst nicht gefordert. Die in dieser Be—
iehung mit den mittleren Beamten gemachten Erfahrungen find
. ganzen und grotzen durchaus günstig gewesen. Vaß die
ktuare die Stenographie erlernen, ist der dringende Wunsch
e. Justizverwaltung.
Abg. Witzmann natlib.): Auch wird sind überzeugt, daß die
Imtsanwãlte, die aus dem inittleren Justizdienst hervorgegangen
ind, sich gut bewährt haben.
Abg. Mathis (natlib.) bittet um einen staatlichen Zuschuß
v er Feyntentasse des Bundes deutscher Gerichts⸗
etretäre.
Abg. Bartscher (Ztr.): Es würde sehr bedauerlich sein wenn den
nittleren Justizbeamten der Beruf als Amtsanwalt verschlossen wer—
en würde. Mit der Verleihung des Titels Rechnung 8rat ver⸗
ihrt die Verwaltung recht stiefmütterlich gegenüber den mitlleren
nstizbeamten Eine gesetzliche Regelung der Stellung der Profoe
1lführer ist erforderlich. Der Gerichtsschreiber ist eine viel zu
ruere Kraft.
Abg Dr. König (Zir) empfiehlt, den Amtsanwälten eine Amts-
obe zu geben, was zur Erhöhung ihres Ansehens beitragen würde.
Abg. Sültemeyer (k.): Bei der Besetzung der Amtsanwaltssiellen
olllen in erster Linie die mittleren Justizbeamten in Frage kommen.
Abg Dr. Liebknecht (Soz.) kritifiert die Beschäftigung
»er Gefangenen und fragt an, warum der Eiat keinen Titel
ber die Besoldung der Scharfrichter enthält.
Geheimrat Plaschle: Auf die Anfrage des Vorredners will ich
cicht eingehen; darüher, ob die Unlerfuchungsgefangenen Vriefe
chreiben duürsen, entscheidet der Richter. Nach der Gefängnisordnung
t den Haftgefangenen die Selbstbeköstigung
estattet. Wenn der Vorredner die beireffenden Bestimmmgen sich
ngesehen hätte, so hätte er sich seine Klagen sparen können Bei det
zollstreckung der Gefängnishaft ist es selbstverstaääͤndlich, daß die Ge—
angenen, die mit Außenarbeit. beschäftigt werden sollen. vorher
efragt werden, ob fie damit einverstanden find. Sozialdemokratische
tedokteure als Gefangene haben kein Recht anders behandelt zu wer⸗
en als andere Gefangene. Soweit es möglich ist, wird bel der Be—
häftigung der Gefangenen auf ihre Individualitiät Ruücksicht ge—
vommen.
Abg. Dr, Liebknecht hält seine Beschwerden über die Beschäfti-
ung der Haft- und Gefängnisgefangenen aufrecht.
Abg. Dr. Runze — wüunscht etatsmäßige Anstellung der
sßefängniswärter..
Abg. Bartscher (Ztu.) bemängelt die ungenügende Reinigung der
erichtsgebäude —
Abg. Dr. Schmitt (Ztr.): Die Gefangenen müssen indivi—
uell auch bei der deligiösen Unterweisung behandelt werden. Den
Rreltoren ist vielfach eine zu große Zahl von Eefangenen unterstellt.
Ein Regierungslommiffar: In größeren Gefängnissen find be—
ondere Abteilungen gebildet, die besonderen Inspelioren unterstellt
45
Auf Anregung der Abgg. Witmann inl.) und Barische
Ztr.) erwidert ein Regierungskommissar, daß eine Aendering
er Zeugen⸗, und Gebührenord'nung nicht in Nusficht
estellt werden könne.
Abg, Dr. Liebknecht (Soz.) beschwert sich darüber, daß bei der
lebernähme der Kosten auf den Staat insbesondere bei den an die
e Freirisger zu zahlenden Kosten zu fiskalisch vorgegangen
vird.
Abg. Reinhard (Ztr): Der zur Unterhaltung der
Zzustizgebäude, ausgeworfene Betrag muß erhöht werden.
3parsamkeit am folschen Ort kann nicht mehr als Sparsamleit gelten.
ꝛi pben Ansorderungen für Neubauten am Oberlandesgericht
iel reg
Aha. Dr. Schifferer (n1.) den baldigen Neubau eines Amts
Jerichts in Tondern an.
Geheimrat Engelbert lagt möglichste Berückfichtigung diese?
WBunsches zu.
Mehrere Redner bringen weitere Wünsche für Neubauten vor.
Die einmaligen und außerordentlichen Ausgaben werden ge⸗
nehmiot Damit ist die zweite Beratung des Justige ats erbedigt
Schluß nach 85 Uhr.
Nächsie Situng Dienstag 11 Uhr: Erste Beratung de
zwechssverbanbosgesetzes und des Zwecksverbands gesehze
für Groß-Berlin.
Das portugielische „Museum der
Revolution“.
Wenn eine Neuauflage des Baedeker für Portugal erscheint,
vird man unter Lissabon wohl bei den Schenswürdigkeiten eine
ieue Eintragung finden; Museo da Revolucao, geöffnet Sonn⸗
ags von 1024. Trintgeld nach Gutdünken. Vorsicht! Dynamit!“
Rigi Barzini, der bekannte Korrespondent des Corriere della
Zerg, gibt in einem Aufsatz eine lebendige Schilderung von der
ntstehung dieser neuesten Schöpfung der portugiesischen Revolu—
ion und von einem Rundgang durch dies wohl einzigartige
Yeuseum. Vom Stadtrat ging die Idee aus. Eine Ehrenfiäite des
efreiungskampies sollte geschaffen werden, aber bald entstanden
chwierigkeiten. Man sammelte eifrig alle nur erreichbaren
eliquien des denkwürdigen Kampfes, aber das Ergebnis dieses
Irbeiten hätte kaum ausgereicht, um ein kleines Kämmerchen
rotdürftig auszustatten. Und ein Museum von einem einzigen
immur wäre zu dürftig gewesen. In dem Jefuitenhaus, wo
eute das Museum untergebracht ist, standen 8 Zimmer, Treppen⸗
aus und Vorsagal nicht gexechnet, bereit; man mußte sie füllen,
ind man hat sie gefüllt. An das Arsenal wurde die Bitte ge—
ichtet, Waffen zu schicken, und die Bitte wurde erfiüllt; überall
tarren einem heute im Museum altertümliche Pistolen und Ge—
vehre entgegen, geschliffene Säbel kreuzen ihre Klingen, Bajonette
tarren zum Himmel, ja sogar die Ruder hat man neschickt, mit
enen Matrosen ans Land ruderten, und Taue von den Schiffen,
ie zuerst meuterten. Die Waffen find nie gebraucht worden, aber
e hätten gebraucht werden können und haben daher auch das
Recht, in diesem Museum von Portugals Revolution ihren Plaß
u finden. Von den Wänden des Vorhofs leuchten dem Besucher
iahnende Inschriften, sorgsam auf Karten gemalt, entgegen.
Dire Deutschen, die Franzosen, die Italicner und die Enaländer
verden nie behaupten können, daß die Portugiesen geboren sind,
im beherrscht zu werden, sondern um zu herrschen!“Kühnes
Zolt. das Du die größten Dinge der Welt volibrinast.“ Und
inige Schritte weiter liest man: Die Widerstände, die sich allem
sroßen entgegentürmen, müssen überwunden werden.“
So betritt man angemessen vorbereitet die fünf Zimmer, die
hen Religuien der Revolution gewidmet sind, den Saal der
Narine“, den „Saal der Armee“, den „Saal der Presse“, den
Saal des Volkes“ und zum Schluß den. „Saal der Könias-—
nörder“. In einem Schrank sieht man die Uniform des Admirals
sandido de Reis, eines der wenigen Männer, die als Opfer der
evolution fielen. In einem großen Rahmen sind symmetrisch
ie Photographien aller Marineoffiziere ausgestellt, die die
Nonarchie verraten haben. Sie gelten als Helden. RAls vor
urzem der Präsident Braga dem belgischen Gefandten den
driegsminister vorstellte, wollte er dem fremden Dipiomaien zu⸗
Jeich taktvoll irgend etwas Lobendes über den Minister sagen.
Erzellenz. ich habe die Ehre, Ihnen den Obersten Äntonie Xavier
orreira Barrete, Kriegsminifter, vorzustellen Braga fuchte
lach einer Empfehlung seines Ministerkollegen, und sie liel ihm
ruch ein: „Er hat 20 Jahre lang konspiriertDer belgische Ge—
andte brachte nur ein erstauntes Ah hervor. Ein besonderes
Bild im Museum stellt den Marinetanonier dar der auf dae
Bnigsschloß zielte. Ex ist natürlich befördert worden, und neben
einer Photographie sieht man die Wirkung feines tapferen
Zchusffes dargestellt: ein paar zerbrochene Kahmen, ein beschä—
igter Stuhl. Und das Volk steht davor und starrt andächtig auf
iese Religuien. Die ersten republikanischen Flaggen, die gehißt
ourden, schmücken die Wände. Besonders muß die Flagge des
dreuzers „Vasco de Gama? erwähnt werden; die Flotte in
rissabon wechselte ohne Hindernisse ihre Farben, der ‚Vasco de
ama! aber mußgte leden., Als er in Batavia die republtanis
dlange hißte, erklärte der Hafenkommandant, daß man das Schiff
infach als in Meuterei begriffen betrachten müsse. Nach langer
zerhandlung einigte man sich auf „Kriegszustand“, und der
Vasco de Gama“ mußte innerhalb von vier Tagen den Hafen
erlassen. Die Lehre hatte zur Folge, daß der Kreuzer auf der
Rückfahrt auf hoher See zwar republikanisch flaggte, in den Häfen
iber die Köniasflagge hißte, da er sonst keine Kohlen hätte ein⸗
iehmen können.
Aus dem „Saal des Heeres“ starrt dem schüchternen Besucher
ine furchtbare Masse von Pilen, Lanzen, Pistolen. Hellebarden,
danonen und Mitrailleusen entgegen. Im Geiste wollen furchtbare
Zhantasten blutiger Kämpfe auferflehen, und zur Beruhigung flüstert
nan sich die Nummer 65 zu. Denn der ganze schreckliche, heroische
dampf hat in drei Tagen insgesamt 65 Opfer gefordert. darunter sehr
iele Hausfrauen. Denn die Kugeln drangen burch bie Fenster in
e Wohnungen, und am sicherflen waren wohl die Kämpfer auf den
Ztraßen. Man weiß. daß die wenigen Truppen, die überhauvpt an
n Kämpfen teilnahmen nach einem kurzen Scharmützel den Kampf
uufgaben und sich aulösten. Die Offiziere flohen nach Villafranca.
Voher stammen also diese Waffen? Es find die Gewehre die nicht
osgegangen find. Wären fie losgegangen. wäre vielleicht alles anders
eworden ihr Schweigen bat die Republit gemacht. also gehören sie
uch ins Museum Den Ehrenplat nimmt eine kosibare Reliquie ein,
inige Sprenastũcke eines Schrapnellgeichofseß Ein Apotheker las fie
uf der Straße auf und heftele gewohnbeitsmökig einen Zeftel an.
Daneben liegt ein Spazierstock der dadurch berühnn ust. daß ein Zoll⸗
eamter ihn bei einem Straßenauflauf als Waffe benußen wollie.
kinige Gewehre sind beschädiat. Man denkt an schlimme Baionett⸗
ämpfe; dann liest man die Erklärung: Gewehre. die unbrauchbar
wurden, weil mit falschen Patronen deladen“Wenn nur den un⸗
orsichtigen Schützen dabei niches paffsert jft
Im „Saal der Presse“ sind die Wande mit den Nummern
er Lissaboner Zeitungen tapeziert; charakteristisch ist, daß sämt⸗
iche Meldungen aus diesen Tagen durch die Wirklichkeit laͤngst
ementiert sind. Im Saal des Volkes“ leuchtet mmis eine aroße
znschrift engegen: „Die Indisziplin ist die Seele der Kaämpfe
es Voltes“. Daneben Fabhnen, die dem Gegner abgenommen
vurden; die Flaggen der Klöster und der Religionsschuien, die
nan nach der Flucht der Zöglinge sand. Und dabei die Büfie
rueiauo de Caftros des königlichen Exministers Sie wurde
uinter dramatischen Umständen gefangen genommen. Eine Gruppe
denolutionäre wollten Caftro verhaften er war nic zu Hause,
iud anstatt seiner verhaftete man feine Büste Sie siche hernte n
— ——
ästen wie in einem Aquarium, Bomben, Photogravhien, tech⸗
ische Erklärungen diefer Mordinstrumente, die Gott sei Dank
je abgefeuert wurden. Auf einer der Bomben liegt Lin—
zigarre und eine Zigarette König Ranucis. Sie teilen das
„chicksal der Bomben!: auch x haben nie Feuer gefangen. Aber
as Groteske wird zur Schamiofigkeit, wenn man den letzten
Zaal betritt. An den Wanden verherrlichen Sprüche die Taͤten
er Königsmörder, das amüsierte Lächeln des Besuchers schwin⸗
et: als kostbare Helden-Reliquie liegt hier das Gewehr, Zit dem
dönig Carlos und der Prinz Lonis Philipp ermordet —
ind als Ehrenden mäler der Nation daneben der Mamat und
er Hut, die der Mörder trug. So steht man nachdentüch de
em Rätsel dieser Rasse, die sich selbst und ihre Taten nut durch
zerarößerungsaläfer zu sehen scheint. Das Gefühl für die
ächerlichkeit scheint verloren, und alle Werse vertehrt' “* *