Full text: Lübeckische Anzeigen 1911 (1911)

gewalt gegeben hat. DHas Verhältnis des Präsidenten von 
Kröcher zur Sozialdemokratie hat sich in der abgelaufenen 
Woche noch weiter verschlechtert; das Ende des Senioren⸗ 
konvents ist die Folge dieses Kriegszustandes geworden. 
Deutschläands Annäherung an Rußland be— 
unruhigt sortgesetzt politische Kreise Frankreichs. Nicht 
nur inaktive Generale, sondern auch der Kriegsminifter klagen 
in der Presse über die Entblößung der russischen Westgrenze, 
und ein dem Quai diOrsayn so nahestehendes Blatt wie der 
Temps schilt über die Unfruchtbarkeit des französisch-russischen 
Bündnisses und der Triple-Entente. Minister Pichon hat im 
Senat ähnliche Beschwerden zurückgewiesen, dürfte jedoch in 
der Kammer demnächst derselben Kritik gegenüberstehen. 
Daß seinerzeit Oesterreich Ungarn die deutsch- 
russische Annäherung unter ganz anderen Gesichtspunlten be— 
trachtete, hat Graf Aehrenthal vor den Delegationen ohne Um— 
schweife ausgesprochen. Er gedachte dabei der von Deutsch- 
land auf dem Gebiete der auswärtigen Politik erzielten Erfolge 
ols Ergebnisse der bosnischen Aktion Oesterreichs. Hiermit hat 
Graf Aehrenthal insofern zweifellos recht, als gerade die Krisis 
megen Bosniens Rußland gezeigt hat, wie wenig sein Bündnis 
mit Frankreich und seine Entente mit England genügen, ihm 
die erwünschte europäische Stellung zu sichern. 
In Großbritannien war die Krone, wie es in früheren 
Zeiten schon dagewesen, Gegenstand eines Sensationsprozesses. 
Ein obskures Individuum hat die dreiste Verleumdung des 
britischen Monarchen, daß er in Bigamie lebe, mit einem 
Jahre Gefängnis zu büßen. So lebhaft die öffentliche Meinung 
Englands durch diesen Prozeß in Anspruch genommen wurde, 
weit tiefer noch geht ihr Interesse an dem Handelsvertrage 
Kanadasmitden Veretnigten Staaten. Die frei— 
händlerische Richtung dieses Vertrages und der 
augenfällige Beweis der gewaltigen Schwerkraft, die Kanadas 
wirtschaftliches Bedürfnis auf seine politische Betätigung aus— 
üben, ist für nicht wenige Politiker des Inselxeiches ein Gegen⸗ 
itand ernster Sorge. ẽ 
Die Vlissinger Angelegenheit ist im holländischen Par— 
lament zur Sprache gekommen, ohne auch nur entfernt eine 
sensationelle Färbung anzunehmen. Als internationale Frage 
im Keime erstickt, dürfte sie auch als holländische Angelegen— 
heit in der Objektivität, mit der sie amtlich behandelt wird, 
die beste Büraschaft glücklichen Gelingens finden. 
Inland und Ausland. 
Deutsches Roeich. 
Zur Nachfolgerschaft Truppels als Gouverneur von Kiau—⸗ 
ischou wird uns gemeldet, daß der Kapitän zur See Mener⸗ 
Waldeck in Aussicht genommen sei. 
Die Ergebniffe der Voltszählung. Nach dem vorläufigen 
Ergebnis der Volkszählung vom 1. Dezember 1910 ist die 
Bevölkerung Preußens seit der leßzten Zählung von 37 293 535 
auf 40 157 579 gestiegen. Die Zunahme beträgt 2864 038 
gleich 6,68 Prozent. Fur die einzeinen Provinzen ergaben sich 
folgende Zahlen: Ostpreuhen 2063 746 plus 33570 gleich 
1,65 o0, Westpreuhen 1703 542 plus 61668 gleich 3,76 60 
Siadtkreis Berlin 2064 153 plus 24 005 gleich 1,18 0, Bran⸗ 
denburg 4091620 plus 559 764 gleich 15,85 0, Pommern 
1716 445 plus 32 100 gleich L1i91 , Posen 2100 096 plus 
113 459 gleich 5,71 0, Schlesien 5226293 plus 283 568 gleich 
5,74 q0, Sachsen 3088778 plus 109 529 gleich 3,68 90, Schles⸗ 
wig⸗Holstein 1619 673 plus 115 425 gleich 7,67 90, Hannover 
2942 546 plus 183 030 gleich 6, 63 q0, Westfalen 4127904 plus 
509 814 gleich 14,09 00, Hefsen-Nassau 2 221 249 plus 151197 
gleich 7,30 90, Rheinprovinz 7120519 plus 684 182 gleich 
10 63 00 und Hohenzollern 71009 plus 2727 gleich 3,99 66. 
heer und glotte. 
Das Militärwochenblatt meldet: Matthiakß, Generalleut⸗ 
nant. Oberquartiermeister und Chef der Landesaufnahme, und 
Griepenkerl, Generalmajor und Kommandant von Thorn, wurden 
zur Disposition gestellt. v. d. Lancken, Oberst und Kommandeur 
der Hauptkadettenanstalt, wurde zum Kommandanten von Thorn, 
und v. Zaborowski, Oberstleutnant beim Stabe des Infanterie— 
Regiments Nr. 1656 wurde zum Kommandeur der Hauptka—⸗ 
dettenanstalt ernannt. 
„Gneisenau“ ist am 3. Febr. in Diamond-Harbour an der 
ßangesmündung eingetroffen. „Tsingtau“ ist am 3. Febr. in 
Hongkong eingetroffen und geht am 13. Febr. wieder in See. 
„Pelikan“ ist am 2. Febr. von Cuxhaven nach Kiel gegangen. 
G 9n ist an. 4. Fehr. in T οrffon 
Neueste Nachrichten und Telegramme. 
Der Kronprinz indischer Doktor. 
W. Kalftutta, 4. Febt. Dem Kronprinzen wurde 
heute früh mit dem üblichen Zeremoniell in Gegenwart des 
Vizekönigs Lord Hardinge der Grad eines Doctorof Laws 
an der Universität Kalkutta verliehen. 
We Kalfutta, 4. Febr. Bei der heutigen Promovierung 
des Kronprinzen zum Ehrendoktor der Universität von Kalkutta 
fseierte der Rektor in längerer Ansprache die hervorragenden 
Verdienste Deutischlands um die Erforschung der indischen Ge— 
schichte und Literatur. Der Kronprinz habe durch seinen Be— 
such sein Interesse für Indien bewiesen. Der Feier wohnte 
ein zahlreich geladenes Publikum bei, darunter die gesamte 
deutsche Kolonie. 
We Kassutta, 4. Fobr. Der Kronprinz, der Vizekönig und 
Lady Hardinge begaben sich im Automobil nach dem Land⸗ 
iitz des Vizekönigs in Barrackvur, wo der Kronvrinz den 
morqigen Taq verhringt. 
Gesterreichische Delegation. 
We Budapest, 4. Febr. Im Heeresausschuß der 
Oesterreichischen Delegation hielt im Laufe seiner weiteren 
Debatte Stanek (Tschechischer Agrarier) nach Versicherungen 
des Mänisters des Aeußern eine Verstärkung der Flotte gegen 
einen Verbündeten für überflüssig, zumal die italienische Flotte 
doch um 50 Prozent stärker sein werde. Sramek (Kathol.Na— 
tional) wünschte, daß das Auswäcltige Amt in der Abrüstungs— 
frage die tatkräftige Initiative ergreife. Marinekommandant 
Graf von Montecocculli betonte, entsprechend dem Bau neuer 
Schiffe werde das Normalbudget für die Marine in den 
nächsten Jahren durch Vermehrung der Offiziere, Manuschaften 
usw. eine Steigerung erfahren, welche jährlich 2 bis 3 Mill. 
—D 
lichen Kredite werde das Gesamterfordernis für die Marine 
in den Jahren 1911 bis 1914 123 bis 145 Millionen Kronen 
betragen. In seinem Exposés lhabe er bereits die Zahl der 
notwendigen Neubauten über das gegenwärtige Programm 
Anans belannt gegehen. deren Bau mit der weiteren Re— 
willigung der im Jahre 1913 teilweise erloschenen Raten für 
Schiffsbauten unter entsprechender Erhöhung derselben bewirkt 
verden könnte. Redner betonte die Notwendigkeit, die er— 
'orderlichen Kreuzer und Torpedofahrzeuge gleichzeitig mit den 
Schlachtschiffen zu bauen, zumal die österreichisch-ungarische 
Flotte nur über einen Kreuzer mit genügender Geschwin— 
degkeit verfüöüge und von 73 Torpedobooten nir 36 vollwertig 
ijeien. Graf Montecocculli sprach die Ueberzeugung aus, daß 
hie neuen Schlachtschiffe auf lange Jahre hinaus den An— 
iprüchen voll genügen würden. Oesterreich Ungarn baue aller⸗ 
dingas 10 Prozent teurer als England, Deutschland und Ame— 
ika, aber die Marineverwaltung tue alles, um die Preise 
nöglichst herabzudrücken. Ein Beweis dafsür lei, daß die 
Panzerplatten jetzt billiger seien als vor sechs Jahren. Die 
zohen Eisenpreise aber seien große Lasten, die man tragen müsse, 
vie manche andere. Redner würde es nur begrüssen, wenn der 
Marineverwaltung das Recht eingeräumt würde, in außerordent— 
ichen Fällen auch ausländisches Material zu beziehen. 
In Beantwortung verschiedener Ansragen erklärte Minister— 
bräsident v. Bienerth, er werde auf den baldigen Abschluß 
»er bereits anhängigen Verhandlungen betreffs Schaffung eines 
ßesetzes über die Verantwortlichkeit des gemeinsamen Mini— 
teriums hinwirken. Bei den Verhandlungen über die Militär— 
trafprozeßordnung und über das Wehrgesetz seien keinerlei 
geheime Abmachungen hinsichtlich militärischer Konzessionen an 
Ungarn weder gegenwärtig noch früher getroffen worden. 
We Berlin. 4. Febr. Die Nordd. Allg. ZItg. schreibt zu 
ser Annahme des Zuwachssteuergesetzes durch den 
Reichstag: Für die gedeihliche Entfaltung der neuen Abgabe 
vie überhaupt des ganzen ihm zugrunde liegenden gesetzgebe— 
rischen Gedankens, ist es von wesentlicher Bedeutung, daß es 
iunmehr gelingt, die Ausführungs- und Veranlagungsbestim- 
nungen den Bedürfnissen des wirtschaftlichen Lebens anzupassen. 
hierfür mit allen Mitteln zu sorgen, ist besonders Pflicht der 
Reichsverwaltung. Man rechnet dabei auf die Mitwirkung der 
ßemeinden die auf diesem Gebiete bereits Erfahrungen besitzet 
Aber auch die Mitarbeit der Interessenten des Grundstücksmarktes 
ist erwünscht und unentbehrlich. Es muß das allseitige Bestreben 
sein, unnötige Weiterungen, insbesondere auch Prozesse durch 
eine geschickte Handhabung aus dem Wege zu räumen. 
Die Nordd Allg. Ztg. schreibt: Im Zusammenhange mil 
der Veröffentlichung des päpstlichen Schreibens an den 
Erzbischof von Köln wurde auch viel über die Rede ge— 
prochen. die Dr. Mühlberg beim Festmahl der deutschen Prä— 
laten in Ronm am Geburtstage des Kaisers gehalten hat. Ohne 
puf die Reihe der Kombinationen einzugehen, die von einigen 
Blättern reproduziert worden sind, ist zu bemerken, daß die 
Ansprache des Gesandten sich nur mit der Vergangenheit be— 
schäftigt hat und in keiner Weise der Behandlung der aus dem 
Briefe des Papstes an Kardinal Fischer und aus der sonstigen 
haltung des Vatikans sich ergebenden Schwieriakeiten vorge— 
riffen hat. 
W. Biesdori bei Berlin. 4. Febr. Prinz Heinrich von 
Breußen ist um 10 Uhr 40 Min. vor der Ballonhalle des 
Ziemens⸗Schuckert⸗Luftschiffes eingetroffen. Er wurde von Herrr 
Ziemens, den Ingenieuren und Hauptmann Krogh empfangen 
ks sindet nur eine Besichtigung des Ballons in der Halle statt 
da das Wetter neblig ist. Die Windstärke beträgt 7 Meter 
Wet. Bremen, 4. Febr. Der Norddeutsche Lloyd hat soeben 
einen Dampfer „Rosland“ san die türkische Regie— 
rung verkauft. Das Schiff soll ebenso wie die beiden 
chon früher verkausten Dampfer „Darmstadt“ und „Olden— 
zurg“ zu Truppentransporten nach Arabien verwendet werden. 
Alle drei Dampfer sollen mit eigener Mannschaft des Nord- 
deutschen Lkoyd nach Konstantinopel überführt werden. 
We Budavest, 4. Febt. Abgeordnetenhaus. Der 
Finanzminister verteidigte die Verlängerung des Privilegs der 
zjemeinsamen Notenbank gegenüber den Einwänden der Opposition 
ind sagte bezüglich der Barzäahlungen: Nachdem wir uns Ar—⸗ 
ikel 1 des Bankstatuts der Oesterreichisch-Ungarischen Bank zur 
trengen Pflicht machten, um für die Erhaltung der Paritä 
zwischen Banknoten und Gold nach Kräften zu sorgen und damis 
ruch in den auswärtigen Wechselkursen die Gleichwertigkeit der 
Kronenwährung mit der Goldwährung zum Ausdruck komme, er— 
reichten wir den Hauptzweck der Barzahlung der Bank, wenn⸗ 
zleich die Verpflichtung zur Einlösung von Noten in Gold nicht 
ausgesprochen ist sondern von der Bank nur faklultativ erfüllt 
wird. Der. Minister wies darauf hin, daß die Oesterreichisch— 
Angarische Bank ihre hauptsächliche Aufgabe, die in der Kredit⸗ 
vährung und Sicherung der Goldwährung bestehe, in der von 
kuropa anerkannten ausgezeichneten Weise erfülle und empfahl 
die Gesetzvorlage zur Annahme. (Lebh. Beifall bei den Reote 
tungsparteien.) 
Wt. Rom, 4. Febr. Der Marineminister sprach dem 
Staatssekretär v. Tirpitz und der „tapferen deutschen 
Manrine“ seinen und der italienischen Marine Dank für das 
anläßlich des Unfalls in Spezia bekundete Beileid aus. 
WMit. Amsterdam, 4. Febr. Wie das Allgemeen Handelsblad 
durch Privatdepeschen erfährt, wurde der Ort Tandioeng⸗ 
Pandan auf der Sundainsel Billiton von Eingeborenen 
überfallen und“ niedergebrannt. Der dortige Leiter der 
Billiton⸗Gesellschaft wurde ermordet. 
W. Kopenhagen, 4. Febr. Der frühere Direktor im Mi— 
aisterium des Auswärtigen, Geheimer Legationsrat Vedel, ist im 
Alter von 87 Jahren gestorben. 
Wt. Teheran, 4. Febr. Finanzminister Sanied 
Dauleh wurde bri seiner Rücklehr aus dem Medichlis von 
zwei Armeniern erscwssen. Die Verfolauna der Märder 
murde aufgennmmen. 
W. Breimen, 4. Febr. Wie verlautet, beabsichtigt die 
Rolandlinie⸗Aktiengesellfchaft im Laufe dieses Jahres ihre 
Fahrten nach der Westküste zu verdoppeln. 
Sann.⸗Münden,. 4. Febr. Fürst Eulenburg ist im 
Sanatorium Lauenstein bei Hedemunden ausgenommen worden. 
We. Effen, 4. Febr. Das hiesige Schwurgericht beschloß, 
daß die Entschädigungaspflicht des Staates für 
die erlittene Untersuchungshast und Strafzeit für Schröder 
und Genossen anerkannt wird. Die Höhe der Summe 
wird in einem besonderen Verfahren festgestellt. 
Wt. Köln, 4. Febr. Der Generalfuperintendent der 
Rheinprovinz D. Umbeck ist der Köln. Z3tq. aufolae heute 
pormittag in Koblenz gestorben. 
W. Weißzenfels, 4. Febr. Eiwa vrertausend Schuh— 
abrikarbeiter und Arbeiterinnen beschlossen gestern 
ibend, da die Fabrikanten die Forderung auf Einführung 
der neunstündigen Arbeitszeit mit einem Lohnaus— 
gleich und Erhöhung der Ueberstundenlöhne abgelehnt haben, 
in allen Fabriken zu kündigen und am 18. Februar di« 
Lrheit neederrulegen 
W. Chemnitz, 4. Febr. Der wegen Ermordung und Be 
raubung der Göllerschen Gastwirtseheleute in Burkersdorf be 
Bu rastädt vom hiesigen Schwurgericht zweimal zum Tode verur. 
teilte Barbier Gründig wurde heute früh auf dem Hofe der 
hiesigen Landgerichts durch den Landesscharfrichter Brandt mi 
Gullotine hingerichtet. 
Wi. Versailles, 4. Febr. Der Lokomotivführer Leduc 
der am 18. Juni 1910 wegen Nichtbeachtens der Signal 
den Zugzusammenstoß bei Villepreux herbeigeführt hat, wurd 
zu zwei Jahren Gesfängnis mit bedingter Begnadigung um 
500 drancs Geldstrafe verurteilt. 
W. Weedrid, 4. Febr. Durch das in den letzten Tage 
an der Küste von Katalonien herrschende Unwetter wurd. 
beträchtlicher Schaden angerichtet. 15 Fischerbarken gingen 
mit 43 Seeleuten unter. In Valencia zerstörte das Mee— 
eine Strede von 50 Metern der im Bau begriffenen Mole 
Das Meer warf fünf Leichen und viele Trümmer ans Land 
Wit. Madrid, 4. Febr. Infolge Sturmes ist bei Castellof 
de la Plana ein spanischer Schoner gekentert. Nu 
Insafsen sind ertrunken. 
London, 4. Febr. Der Ausstand gewifser Gruppeh 
von Angestellten der Nordostbahn ist in der vergangeneß 
Nacht in HSull zun Ausbruch gekommen. Die Maschinenfuhre, 
und die Weichensteller haben die Arbeit niedergelegt, und 
es wird befürchtet, dah sich im Laufe des heutigen Tages 
das gefamte Personal dieser Bahn dem Streik anschliehen 
werde. 
W. Moskau, 4. Febr. Drei Sträflinge erschossen im 
Gefängnis vier Aufseher und verwundeten einen schwer. Ei 
schlossen sich dann in der Vorratskammer ein und ergaben sit 
erst nach längeren Unterhandlungen. 
Wie Mombassa, 4. Febr. Der Bruder Edward Greys, 
George Grey, der kürzlich von einem Löwen angesallen wurde 
ist in Nairohi leinen Verletzungen erlegen 
—R Erfahrungen mit paritãtischer 
und kommunalen Arbeitsnachweisen. 
(Ichluß., 
In der weiteren Aussprache über den Vortrag, die praktt 
schen Erfgahrungen mif paritfätischen und kom 
RPunalen Arbeitsnachweisen betreffend, erwiderte Her 
Dhikelkow auf die Ausführungen des Herrn Rat Dr. Lin⸗ 
daß die in seiner (Redners) Broschüre gangezogenen Zahlen den 
Jahres bericht des Verbandes deutscher Arbeitsnachweise für 1900 
entnommen sind; sie würden daher schon richtig sein. Herrn 
Dr. Horn entgegnete Redner, daß er die kaufmännische Stellen 
vermittlung in Köln nur der Uebersichtlichkeit und Vollständig 
keit halber erwähnt habe. Die großen Zahlen besonders der 
ldommunalen Arbeitsnachweise hinsichtlich der vermittelten Stel 
len sind darauf zurückzuführen, daß sie meist ungelernte, häusit 
hren Arbeitsplaß, wechselnde Arbeiter vermitteln, während di 
Facharbeitsnachweise den richtigen Mann an den passenden Plat 
stellen. denn der Arbeitgeber benutzt nicht den Arbeitsnachweis 
nur um einen Mann zu bekommen, sondern er will einen haben 
den er auch gebrauchen kann. Das Blühen der Jommunalen 
Arbeitsnachweise ist durchaus nicht so groß, wie wohl behauptet 
verde; im Gegenteil, die kommunalen und paritätischen Ar— 
deitsnachwmeis⸗ sind in steigender Regens begriffen. Mit der 
kommunalen Arbeitsnachweisen wird man nicht viel bessere Er 
iahrungen machen als mit den Gewerhegerichten. Man, dar 
nicht vergessen, datz der Arbeitgeber außer dieser Tätigleit fin 
den Arbeitsnachweis auch noch ein Nebengeschäft hat, nämsiä 
eine Geschäfte zu besorgen. Die Arbeiter dagegen haben ihr 
Leute die ständig in der Verwaltung des Arbeitsnachwesfe⸗ 
als Beisißer tätig sind, und daher diese Stellung voll und gan 
ausnutzen önnen. Die organisierten Arbeiter haben ihre Ar 
beitsnachweise nur deswegen scheinbar aufgegeben, weil sie nur 
zu t wissen, daß sie in paritätischen Nachweisen ihre politischen 
Ziele besser und guf, weniger kostspielige Weise übernehmer 
können. als wenn sie ihre eigenen Nachweise beibehalten. (Seht 
richtig) Wiederum, will man alles hierbei für eine Ein 
richtung begeistern, die in Wirklichteit gar kein Arheitsnach 
weis ist. Was Wunder schließlich. wenn man in Arheiterkreisen 
zu der Ansicht komme, hier, besteht ein solcher Arbeitsnach 
weis, nun soll er mir auch Arbeit schaffen. Die verschiedener 
eußernngen von Biinistern, die Herr Rat Dr. Lind mitseteil 
—D 
wili nur darauf hinweisen, daß Herr von Sydom zu den Ver 
tretern des Zechenverbandes geäuhßert hat: „Wir wollen euch 
»uren Arbeitsnachweis ruhig lassen, weil nichts gefunden worden 
st, was zu beanstanden wäre.“ Im übrigen gilt auch von den 
Regierungen. daß sie sich nach besten Kräften herauszureden ver 
uchen. In der Hauptsache handelt es sich um die Fragen: Is 
der kommunale Arbeitsnachweis wirklich in der Lage, brauch 
bare Arbeiter nachweisen zu können, ist er eine Einrichtung zum 
Votteil aller Interessenten und werden nicht durch ihn die In— 
teressen der Gewerkschaften und der Sozialdemokratie geför— 
dertꝰ, Letztere Frage ist für die Arbeitgeber ausschlaggebend 
Da sie bejaht werden muß, ist der kommungle Arbeitsnachweit 
tür die Arbeitgeber ungeeignet. Daß trotzdem von den Be 
hörden ein solcher gewünscht und finanziell unterstützt wird, ha 
seinen guten Grund. Man hofft, nämlich durch lolche Arbeits 
nachweise guch solche Leute, die sonst der Armenkasse zut Las 
fallen würden, unterbringen zu önnen, und dadurch die Armen 
kaffe, zu entlasten Nicht unerwähnt lassen möchtenich auch, daf 
ich das Vorlesen der Vorsteherin der weiblichen Abteilung, de 
Beruner eniedesananwech keineswegs auf Gesetzes bestim 
mungen deschräntt, sondern, wie ich selbst erlebt habe, auch 
auf, unterhallende Buͤcher erstreckt. Da ich heute abend wieder 
nach Hamburg, zurüdkehren muß, bin ich gern bereit, mich ir 
einer zweiten Versammlung mit den Herren, die für den kom⸗ 
munalen Arbeitsnachweis begeistert sind, etmas näher ausein- 
ander zu setzen. 
Hert. Rat Dr. Link: Ich glaube zwar kaum, daß dabei etwa⸗ 
Prattisches herauskonrmen wird, bin aber gern bereit, mich a 
her Aussprache zu beteiligen. Herr, Thielkow und Herr Di 
Horn waren der, Meinung, die Ärbeitgebernachweise hätten di 
Aufgabe, den rechten Mann an die rechte Stelle zu setzen. Aus 
das Ziel des öffentlichen Arbeitsnachweises ist es, und zwar i 
allererster Linie, den rechten Mann an die rechte Stelle 3. 
bringen. Die Behauptung, der, öffentliche Arbeitsnach weis se 
nicht imstande gualifizierle Arbeitskräfte zu permitteln, wirt 
dadurch widerlegt daß nach den, vorliegenden Zahlen im Jahr 
1909 von den oͤffentlichen Arbeitsnachweisen mehr, gelernte al⸗ 
— EäD 
weise die Kaiserliche Werft in, Kiel seit langen Jahren ihren 
gesamten umfangreichen Arbeiterbedarf durch den dortiger 
Afentüchen paritaͤitschen Arbeitsnachweis gedeckt und Jghr für 
Jahr dem Nachweis für seine Tätigkeit Dank und Anerkennung 
ausgesprochen. Die Behauptung, die städtischen Arbeitsnachweis 
würden in erster Linie im Interesse ihrer Armenpflege diejenige; 
deute bevorzugen welche sonst, der Armenpflege ganheimfielen 
st eine durch nichts gerechtfertigte Behauytung. Wenn fernen 
eriiärt, wurde die öffentlichen Arbeitsnachweise förderten die 
Sozialdemokratie und wären nur geeignet, Genossen großz zi 
shen so ist hiermit gegen die zahlreichen Kommunen, die unte 
Mitwirkung von ieherg und Arbeitnehmern tadellos funk 
tionierende öffentliche Arbeitsnachweise eingerichtet haben, ei 
Vorwurf erhoben worden, der keinesfalls zu rechtfertigen ist. 
Herr Direltor Dr. Neumarlz Ich mödte mich als Ar 
beitgeber zum Thema des heutigen Abends äußern. Ich glaube 
ohne auf, Einzelheiten weiter einzugehen, sagen zu dürsen, das 
die deutschen Arbeitgeber der Ansicht sind, selbst wissen zu müssen 
welcher Arheitsnachweis für sie am zwedmäßigsten ist, und daß 
ie es zurückweisen müssen, wenn man sie in der Beschaffung de—s 
vichtigsten Elements ihrer Betriebe, der Arheiter, irgendwie bevor 
munden will. Ich bin der Ansicht dab wir durchaus selbe 
wissen, wie wir unseren Betrieb mit Arbeitern versehen können 
und uns wehren müssen gegen jegliche Förderung solcher Be 
rebungen, die uns in die Arme fallen woslen und geeignet sind 
die ruhige Futwickeslung in unerem Betriehe zu tären. Wi
	        
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