Full text: Lübeckische Anzeigen 1911 (1911)

on: v,rr.3 ö ver randpuntt auer sraatser⸗ 
haltenden Parteien, daß die Arbetter derjenigen Vartel, die den 
Siqat unterwühlen und untergraben, nicht in einen Staatsbe⸗— 
rieb gehören. 
Hlerauf wird die allgemeine Besprechung geschlossen. 
Fuf Auregung des Abg. Ernst (Vpt.): exwidert 
Oberlandforstmeister Wesener, daß es nicht im Interesse der 
Förster, liege, die Dienstländereien zu beseitigen. 
Rach weiteren Bemerkungen der Abag. Busch (Ztr.), v. Böh— 
endorff⸗Kölpine(k.) und Fleuster (Zir, der auf die Kanin⸗ 
Henplagenzaufnierksam macht, ertläri 
Oberlandforstmeister Wesener: Die Forstbeamten, tun das 
Ptöngliche, um die Kaninchen zu vertilgen, aber es gelingt ihnen 
nicht. Als das wirksamste Mittel haät sich das Frettieren er⸗ 
vtrsen. Auch die Bekämpfung der Kaninchenplage mit dem 
einen Wiesel hat sich viellach erfolgreich gezeigt. 
Abg. JFlenster (Itr.): Wir können es nicht billigen, daß der 
Forstfiskus Ländercien, die er gar nicht aufforsten will, ankaurift 
zu den Zwieck, seinen Besitz zu arrondieren. 
Abg. Klocke (Zir.): Durch Antaufe des Forstfiskus im Kreise 
daße in Westfalen und durch die Aufforstung der Hauberge 
werden die dortigen Klein-Baueèrn in ihrer Existenz bedroht und 
die Gegend entvölkert. J 
Oberlandsorsimeifter Wesener: Bei den Verkäufen im Kreise 
Alpe find alle beteiligten Instanzen gehört worden. 
Nach weiteren Bemerkiingen des Abg Rhiel⸗Fulda (Ztr.) 
and eines Regierungskommissars wird der Forstetat erledigt. 
Das Haus vertagt sich. Anab, 
Naͤchste Sitzung Vienstag 11 Uhr: Oomänenetat, Justizetat, 
tleinere Vorlagen. 
Schluß 44 Uhr. 
Aus den Schutzqebieten. 
Der amtliche Bericht über die Ermordung der Deutschen 
Ponaue. Das Amtsblatt für Deutsch· Nenguinea depeet 
»inen bis zum 25. November reichenden Bericht über den Aufstan 
uif Ponabe, dem Regierungsral Boeder, Sekretär Brauckmann, 
Stationsbeamter Hollborn, Wenebaulechniker Häfner und fünf 
Fingeborenç, zum Opfer gefallen find, und, über den wir gestern 
ibend bereits einen Privatbericht zu veröffentlichen in der Lage 
waren. Ju dem Bericht des Regierungsarztes Dr. Girschner, der 
seit der Ermordung Boeders die deutsche Niederlassung in Ponape 
leitet, heißt es: Am 17. Oktober kam es anscheinend zu Zwistig⸗ 
keiten zwischen Hollborn und den Eingeborenen, von welchen 
iner den Gehorfam verweigerte und von Regierungsrat Boeber 
deshalb bestraft wurde. Wegen diefer Bestrafung entstand große 
Aufregung unter den Eingeborenen. Diese legten die Arbeit 
nleder und swangen die Weißen, sich nach“ der nahe ge— 
egenen Station der katholischen Mission zurückzuziehen, wo sie 
owie Pater Gebhard von den Eingeborenen seit dem Morgen 
des 18. Oktober festgehalten wurden. Die Kunde von dem Vor— 
gang drang nachmittags in die Kolonie“ Regierungsrat Boeder 
uhr mit Sekretär Brauckmann und zwei eingeborenen Dienern 
n einem von fünf Mortlockleuten geruderten Boot nach Jekoy, 
vo fast gleichzeitig der Pater Superior eintraf. Trotz Warnungen 
zing Regierungsrat Boeder mit Sekretär Brauckmann und den 
oeiden Dienern den Eingeborenen entgegen. Auf einem Jänepei 
zenannten Platze angelangt, erhielt er zwei Bauchschñite flůrgte 
u Boden und wurde durch einen Schuß in den Kopf getötet. 
Brauckmann wich zurück, um das Booi zu erreichen. Er wurde 
dreimal angeschossen und im Wasser durch Messerhiebe umge— 
hracht. Die beiden Diener entflohen in das Dickicht und entkamen. 
Als man in der Mission die Schüffe vernahm, versuchte der Pater 
Superior aus dem Hause herauszukommen. Er wurde sofort von 
inem Eingeborenen bedrobt, der auf ihn anlegte. Der Schuß 
versagte aber zweimal, und eingeborenen Frauen, die sich vor 
ihn warfen, gelang es, die beiden VPatres zu retten, indem sie sie 
n die Kirche hrachten und dort schüßzen. Währenddessen stürzten 
ich die Eingeborenen quf Hollborn und Häfner, die in das Bost 
lüchten wollten. Hollborn, der sich mit einem Revolver zu ver⸗ 
keidigen suchte, murde durch einen Messerhieb getötet, Häfner 
wirde erschossen. Die Bootsbesatzung, wurde keils erschlagen, teiss 
rschossen. Die übrigen Bewohner der Kolonie, zu denen bald 
ie, Kunde von der Mordtat drang, minßten fich, da ihnen nur 0 
nelanesische Polizeisoldaten zur Verfüqung fianden? gegenüber 
den etwa 200 Mann starken Aufrührern auf die Verteidigung 
eschränken. Die Leichen der Ermordeten würden am 19. Oktokes 
uif der See treibend gefunden und auf dem Friedhof beerdiat. Die 
Eingeborenen von Metalamim. Unnnd Kili waren in Stärke von 
twa 470 Mann mit ibren Häuptlingen auf Aufforderung des 
Regierungsarztes Dr. Girschner erschienen, um die Kolonie zu 
schützen enso die Eingeborenen von Net und Anak, dic zum Teu 
in die katholische Mission aum Schnne der Vatres gelent wurden. 
Die Rithe auf Pongpe ist feither nicht geltört worden Das Amts⸗ 
latt für Derutsch⸗Neuagamuen enthält ferner einen Nachruf des 
aiserlichen Gouberneurs von Dentsch⸗Neugauinen für die Er— 
nordeten, in dem es heißt: „In Redeimasrat Bneder verliert 
das Schutzgebiet einen treuen. in 2ljäbhriger, größtenteiss in 
Afrika vollbrachter Dienstzeit vielfoch bewährlen Beanen Kaum 
Ehn Monate lang war es ihm vergönnt, das ihm auf seinen 
Bunsch übertragene Bezirksoamt Rongve zu Jeiten, als ihn ein 
ückisches Geschoß hinwegraffte. Er hinterläßt eine trouernde 
Witwe und zwei Kinder, von denen dasß unafte erft neun Monate 
zählt. Sekretär Brauckmonn befand sich awei Johre im Schutz 
gebietsdienst. zuerst beim Be⸗irksgericht Herbertshöße und später 
beim Bezirksamt Ponaue. Er bhat sich in beiden Sleliengen 
reuer, gewissenhafter Beamter erwiesen Bureahgehilfe Go 
horn war seit längerer Zeit in Ponaue ansässig. Ursprüngqlich als 
Laufmann amnd Pflanzer tätig, troter im Auoust 
Dienst des Bezirksamts ein. Sein Eifer, seine Gemifsenbaftigkeit 
imd, insbesondere seine Kenntnis des Kandes imd seiner Svprache 
nachten ihn zu einem wertvollen Mitarbeiler des Bezirksamfts. 
Begebautechniker Häfner war erst an 23 September 1910 in 
Ponabe eingetroffen. Er konnte seine Dienste kaum einen Mongi 
sang dem Schukgebiet pibmen« 
Vom aröhßten Schiff der Welt. 
Friedrich Naumann hat einmal in einem höchst lesenswerten 
Bericht über eine „Reichsmarinefahrt der Reichstaasabgeordneten?“ 
das moderne Dzeanschiff mit einem Schaltier verglichen. In einem 
Zustand, der dieses Bild befonders lebhaft vor Augen treten läßt, 
vefindet sich zurzeit der 50 000 Tons (141 500 ebm) große Hzean⸗ 
dampfer, den die Hamburg⸗-Amerika Lime erbauen läßt, auf den 
delgen der Werft des Stettiner Vulcan in Hamburg. Gewaltig 
reitet fich vor den Bliden des Beschauers ein bonvbe Mittellinie 
zach den Seiten hin nur Jeicht gekrummnfer Riesenhanzer aus wie 
der umgekehrte Rückenschild einer kolossalen Schildiröte: es ist der 
tählerne Doppelboden dee werdenden Mammutschiffes, ein mit 
tarken Stahlplatten bedecktes Gefüge von 550 übermannshohen 
und bis 13 m langen Stabirsppen Bodenwrangen) zu beiden 
Zeiten eines 200m angen Kiels Un doch! so gigantisch dieser 
Schifssboden erfcheint, o ist dem Laten sher möglich, sich schon 
etzt die Wucht und Maͤchtigten deg dann Bauwerkes vorzu⸗ 
tellen, das nach den Plänen der Hambürg-Amerika Lime und der 
Werft über diefer aehenuren Basis aufgeführt werden soll. Das 
st ein 11 stöckliger Meeresvalaft bon mehr als 31 m Hoͤhe, faft 
¶m Breite und No d Lange, der ohne Maschinen, Kessel und 
dadung 33 800 ooo kge wiegen und so das Gewicht eines modernen 
epanzerten, armierten und völlig ausgerüsteten Linienschiffes um 
twa 9 Millionen Ig übertreffen wird; ein 11stöckiger Wolken⸗ 
Latzer, der außer au einer enormen Guͤterladung deun Rann zu 
Zälen, Kabinen, Wirtschafts⸗ und Nebeungelassen für 5000 Men⸗ 
chen bieten wirdeDie Querschnitte zeigen jedem, 
der einmal den berühmten Schnelldampfer Deuischland kennen 
Llernt hat, was das heißen will. Die herrlichen hohen und weiten 
Zale. die vornehmen iind bebaglichen Kabinen dieses großartigen 
Schiffes verteilten sich nur auf wenige Decks, wenn man das 
eug Schiff, mit feinen 11 Etagen zum Vergleich heranzieht; die 
Zahl und Ausdehnung der Deckvpromenaden, die Höhe und Weite 
zller Innenränme haben beträchtlich zugenommen. Statt 20 m 
brelter Hanptsale werden jotzt anngherid zden beite Salon ge⸗ 
baut werden kännen. Wan vale sich gus, daß der, große Speise— 
al erster Kasiite, regelmästig der rüßte, Ranum eines modernen 
Dreandampfers. auf dem elen Schitf durch 2ei Sitockwerke 
Uhren und einen Prachtsaal avgeben wird, in dem gleichzeitig 
in kleinen runden Tischen 8000 Kaiütspassaniere werden speisen 
önnen. Den, Verkehr zwischen den vielen Decks sollen außer 
nehreren Personenfahrstühlen drei Treppenhäuser vermitteln, 
eren größtes durch Weite und Ausstattung einen schloßartigen 
kindruck hervorrufen wird. Auf einem oberen Deck werden die 
hesellschaftsräume der ersten Kajüte in einer einzigen Flucht von 
00 m Länae beieinanderliegen; sie sollen nach den bisherigen 
blänen einen Damensolon, einen Rauchsalon, ein Ritz-Carlton- 
stestaurant und einen Wintergarten, die beiden letzteren in un— 
nittelbarer Verbindung miteinguder, und eine Hälle umfassen, 
ie durch ihre Höhe einen Gesellschaftsraum von noch nicht dage⸗ 
vesener Größe vorstellen wird. Auf dem Hauptpromenadendeck 
ollen Kaffeelauben gebaut werden, und sogar für ein Schwimm⸗ 
ad, mit dem hygienische Bäder, Massageräume und Turnhalle 
erbunden werden, wird auf dem neuen Schiff zum ersten Male 
er Raum vorhanden sein. Kaum nötig zu sagen, daß auch die 
dassagierkabinen aller Klassen, besonders aber die Luxuskabinen 
ind die regulären Kabinen erster Klasse, von der großartigen 
Beräumigkeit des Schiffes Vorteil ziehen werden. Man darf nach 
illedem auf die Baufortschritte eines Dampfers gespannt sein, 
jer ohne Zweifel das interessanteste Werk deutscher Schiffbaukunst 
der Gegenwart darstellt. 
Abel sinische Kuriositãten. 
In der Geographischen Gesellschaft zu Rom hielt dieser Toge 
der Hauptmann Dr. Carlo Angelo Annaratone, Leiner der besien 
denner Abessiniens — er hat länger als neun Jahre im Reiche 
Neneliks gelebt — einen Vortrag über „Abessinische Kurtositäten“ 
Zuerst sprach er über die LRyrikder Abesfini er. Diese Lyrik 
äßt im allgemeinen recht kühl; eine Ausnahme bilden nur die 
iebesl er, die oft sehr fein sind, nichts Gekuͤnsteltes aufweisen, 
hre Gleichnisse aus den Schönheiten der Natur herholen und in 
hrer Sensualität an das Hohelied erinnern. Hier ein paar Bei 
viele: Ihre Lippen gleichen dem von Tau benebten zarten Grase, 
as noch nicht von den Tieren berührt ist. Ihre Zähne haben 
länzendes Zahnfleisch und sind weiß wie ein Wasserfall. Ihre Augen 
ind wie die Sterne und laden ein sie zu beschauen. Ihr Dust ist 
ein, aber berguschend. Gott hat dich mit den Reizen aller andern 
zrauen ausgestattet. Die abeffinischen Framen find nackt in ihrer 
Inmut, während du mit Anmut belleidet bist. Du bist unter den 
deiligen und den Engeln, Herrin des Himmels. Schwester Salomos, 
Ich habe ein Papier vorbereitet. das so breit ist wie der Himmel, 
ind gine Tinte, die so reichlich fließt wie das Reer, denn ich wili 
ie Größe deiner und meiner Liebe schildern“ Konnte die Straße 
juf der du geschritften und auf die du deine Fuüse gesetzt hast, sich 
u Brunnen Wassers verwandeln, damit ich meinen 
)urst stissen könnte. denn ich brenne vor Liebe zu 
ir. Ich fühle dich ganz, wenn du vorübergehst, wie ich das Rau— 
chen der Flügel des Adlers höre, wenn er Negi, und das Summen 
er Biene, wenn sie Honig saugt. Ich arbeile nicht mehr, weil deine 
Liebe mich wahnsinnig gemacht hat. Mit meinen Tranen werde ich 
ꝛen Strom anschwellen kassen, damit es Dir unmöglich werde, fern 
von mir zu fliehen.“ Ganz anderer Art ist die Kriegskyrik, die 
ntweder eine Waffentat oder einen Helden feiert oder aber zu he⸗ 
oischen Taten anfeuert und die Feiglinge verhöhnt. Beispiele: 
Der Löwe bläht sich auf, wenn er durch den Fluß schreitet, nachdem 
r aquf dem Bergtze getötet hat, und sein Schatten, wird länger und 
rößer, wenn er, bei Sonnenuntergang zum Gipfel hinaufschreitet. 
der Tapfere wird von allen bewundert und gepriesen, wenn er recht 
diele Feinde getötet hat.“ Wenn einer einen Sohn hat, der nicht 
hrgeizig und mutig ist, so ist es besser, er wirft ihn dem Schakal 
yor, damit dieser ihn als Beute nach Hause schleppe, oder er schickt 
hn wie einen feigen Ochsen auf die Weide, denn wer aus der Art 
chlägt und anders ist als seine Ahnen, ist nichts als ein Tier. Ich 
iebe den Krieg, liebe die Flinte, die die Leichen aufhäuft; sie schießt, 
ntsendet Feuer und ist eine Arznei für den mutlosen Mann.“ 
Recht charakteristisch sind guch die Sprichwörter: „Die 
Wahrheit mid der WMorgen erhellen sich erst nach und nach.“ „Die 
Büte einer Sache hängt“ von dem ab, der sie in der 
Dand hat, wie die Güte des Fleisches vom 
doch.“ ichte den Gefallenen auf, vergiß 
uicht den Toten.“ „Der Freund ist wie das Auge, die geringste 
Zache kann ihn verletzen.“ Was die Nadel macht, macht nicht 
er Pflug.“ „Besser ein gut esicht als bine gute Subpe.“ „Der 
Mensch beginnt und Gott vollendei.“ „Wozu braucht ein Reich— 
jewordener den Hals? Um sich umdrehen mid binte fich schauen 
u können.“, „Wer von der Schlange gebissen worden ist, fürchtet 
ind meidet selbst das Stöckchen, das auf dem Wege liegt.“ Der 
bessinier jordert immer Gefschenke, denn das Geschenk ist in 
WBessinien, gerade so wie in Rußland, eine Jastunlnene Man 
rzählt sich, daß einmal ein sterbender Hänuptlinug ausgerufsen 
zabe: „Begrabt mich mit dem Arm nach außen, damit ich noch 
heschenke fordern kann.“ 
Sehr groß it in Abessinien die Zahl der Mönche, die ent⸗ 
veder in Klöstern oder in Grotten leben. Das Kloster hat einige 
rändereien, sodaß es nicht bloß ein religises Institut, sondern 
iuch, ein aroßer Wirtschaftsbetrieb ist, eine Gutsverwaltung, die 
mf die zu ihr gehörenden, Bauern einen arohen anch politi⸗ 
chen — Einfluß ausiibt. Die Moͤnche sind Leute, die das Leben 
n vollen Züngen genossen haben und eines schönen Tages den 
Krior (Abung) eines Klofters bitten, sie in die Klostergemeinschafi 
ufzunehmen. Einige, die schon von Jugend auf religiöse Phan⸗ 
asten oder Fanatikoer gewesen find, ziehen fich, wenn se 
assende Alter erreicht haben, in Köhlen zurück und leben hier 
on Kräutern oder von den wenigen Speisen. die sie von Kirchen 
der von Wohltätern erhalten. Nomen:Klöfter aibt es nicht; 
penn eine, Frau nach schweren Schickfalsschlägen sich zus der 
Velt zurückziehen will, begibt sie sich zum Abuna, der sie segnet, 
hr den Heiligen Geist einblaft und zu ihr sagt; Du solln Nonne 
ein!“ Sie schneidet, sich dann das Haar ab, feit fich cine gelbe 
Baumwollkappe auf den Kopf, zieht ein baumwollenes vder 
edernes Hemd an und zieht sich in ihre eigene oder in eine zu 
u einem Mönchskloster gehörende Hütte zurück. Ihr neutr 
Ztand ist also eine xeine Formalität, die jedoch genünt, die nene 
onne für das Volk zu einer Heiligen zu stemveln, zumal,. da 
ie das Gelübde der Keuschheit ablent. 
Im übrigen sind die abessinischen Frauen, besonders die 
den besseren Ständen angehörenden, genau so gefallsüchtig wie 
die eurobäischen. Da sie großen Wert auf eine heile Gesichtsfarbe 
egen, bleiben sie oft monatelang im Zimmer, um sich nicht den 
Zonnenstrahlen auszusetzen; wenn sie einmal ausgehen, bedegen 
ie das Gesicht mit dicken Schleiern. Es gibt in Abessinien ver⸗ 
chiedene Formen der Eheschließing; unldsbar ist aber nur die 
he, die pom Priester eingesegnet wird. Sehr häufig kommt die 
She auf Probe vor. Sehr bedenklich ist die Verheirainng tleiner 
Nädchen von fünf, sechs oder sieben Jahren; der Vatler verkuppelt 
ie an irgend einen jüngeren oder älteren Mann. Ein eigentliches 
Familienleben gibt es in Abessinien nicht; Mann und Fraͤu fuͤhren 
einen gemeinsamen, sondern einen gesonderten Haushalt. Die 
Frau des Häuptlings ist ein Wesen für sich, mit eigenen Dienern 
ind eigenen Soldaten; sie verfügt nach eigenem Gutdünken über 
hr Vermögen, und ihr Haus in eine Enklaue im Hauie dves 
Mannes. 
Großer Stagt ist mit den Männern, selbst wenn sie hohe 
Stellungen im Staat bekleiden, nicht zu machen. Die Minister 
ind im wahren Sinne des Wortes Diener und Handianger des 
Negus, dem sie bei der Uebernahme ihres Amtes schwören müssen, 
odaß sie „von keinem Menschen Trinkgelder annehmen werden“ 
Eines Taaes,“ so erzählte Hauplmann Annaratone,traf ich auf 
der Straße den Minister des Innern Likamonquas Kotama. Wir 
gegrüßten uns, und ich gab ihm einen Brief des Ras Olie zu 
lesen; er nahm ihn mit ernster Miene, drehte ihn hin und her 
und gab ihn mir endlich zurück, indem er freimütiag aeftand af 
er weder lesen noch schreiben könne.“ 
In der Justiz ist von großem Interesse die Art, wie man 
Diebe sucht. Ein noöch nicht manubarca Jüngling wird durch eine 
esondere Arzuei in einen schlafähnlichen Zustand versetzt und 
ieht dann, au einem Strick geführl umd Ron zahlreichen Zeugen 
jeleitet, durch die Straßen und durch die Haufer, um den ge⸗ 
uchten Dieh zu entdecken. Auf Grund der Resultate dieser Auf— 
pürungsreise erfolgt dann die Verurteilung Die Behauptungen 
Es Poligei-⸗Jünglings gesten als ungnfsechtbare, Wahrheit, und 
s gibt gegen sie keinerlei Einspruch. Recht nett ist auch die tele⸗ 
honische Rechtsprechung. Die Häuptlinge, die in ihrem Bozirk die 
Berichtsbarkeit aussibon, ftellen sich einiach ans Tesevpön s 
eiten Verhandlungen auf weite Entsernungen hin. Diesern 
zriginellen mündlichen Gerichtsverfahren wird durch die für not— 
vendig erachtete Anwesenheit eines Protokollfiihrers eine höct: 
Weihe gegeben. gl. 
Tiroler Beschwerdebuch 
Als ich vor zehn Jahren zum ersten Male in Tirol war, 
ehrte ich eines Abends spat, aus dem Manzonistädtchen Agordo 
sommend, im Stern zu Cencennighe ein, wo der Biois sich 
chäumend in den brauüsenden Cordevole ergießt. Ich entfaltete 
inen gesegneten Wandererappetit, aß eine große Forelle, ein tüch— 
iges Stück Fleisch mit Gemüse, trank ein Glas Bier und einen 
halben Liter Rotwein dazu, fand dann ein autes Nachtquartier, 
ind als ich am nächsten Morgen meine Zeche einschließlich eines 
erdentlichen Frühstücks und eines mitzunehmenden Viertels Wein 
heglich, betrug sie ganze 3 Lire, etwas über 2 .M. Ein kleiner 
Skorpion im Waschwasser war überhaupt nicht berechnet. Der 
Zonnenwirt in Waidbruck, bei dem man vortrefflich aufgehoben 
st, nahm damals, obwohl 80 Kreuzer für mein Zimmer ausbe⸗ 
ungen gewesen waren, nur 60 Kreuzer an, weil, wie er sagte, 
das Mädchen sich in der Preisfestsetzung geirrt hatte. Daß diese 
dyllischen Zustände nicht ewig dauern konnten, versteht sich; so 
zründlich aber, wie sie sich geändert haben, brauchte es nicht zu 
jeschehen. Die alte Redensart, Tixrol sei billiger als die Schweiz, 
st längst nicht mehr wahr. Es ist aber nachgerade auch nicht 
nehr gemütlicher. 
Wenn die Tiroler Fremdenindustrie keineswegs auf der Höhe 
er Preise steht, die sie ihren Opfern berechnet, so fällt das wahr⸗ 
cheinlich zu ziemlich gleichen Teilen den Unternehmern, den Ge⸗ 
neinden und der k. k. Regierung zur Last. In großem Umfange 
estätigte sich das unlängst bei der Katastrophe des Karersee— 
hotels. die ich mit ansah. Dieses große Unglück hat zum Anlaß 
ür zahllose Lobeshymnen auf den Entdecker und Erschließer 
züd⸗ Tirols gedient. Alle Achtung vor der genialen Tatkraft des 
Ir. Theodor Christomanos, allein seine Lieblingsschöpfung 
onnte doch nur deshalb einem jähen Feuertode verfallen, weil 
ie Bauausführung so brandunsicher wie möglich, Anlage und 
tisstattung obendrein genügeuder Löschvorricatimg bar waren. 
die Feuerwehr von Welschnofen, dem nächstgelegenen, eine 
5tunde talabwärts entfernten Dorse, lehnte zuerst jede Hilfe⸗ 
eistung ab, weil die Hotelgesellschaft ihr nie einen Beitrag ge— 
tijstet habe. Bald nach elf Uhr morgens — der Brand wütete seit 
tarken zwei Stunden — rückte sie, ji0 Mann hoch, schließlich doch 
in, machte aber Punkt zwölf eine längere Mittagspause, ein un⸗ 
ergeßlicher Anblick für Görter und Menschen. Selhst der k. k. 
Poftverwaltung war die Siesta des Postmeisters in Welschnofen 
Ffenbar wichtiger als das Interesse der Reisenden, die Hundert— 
aufende im Lande lassen. Denn nur am Brandtage felbst, nickt 
ber an den nächstfolgenden, wo es auch noch sehr nötig gewesen 
väre, fiel der landesübliche Telegraphenamtsschluß von 12 bis 89 
ven. Auch in Bozen, wo das Brandungliick den Telegrabhen⸗ 
erkehr für mehrere Tage sehr gesteigert hatte, blieb es bei dem 
zbligaten einen Schalterbeamten, der mit seiner Abfertigung be⸗ 
raut ist, ebenso wie dort, wohin zahllose Touristen sich post⸗ 
agernde Sendungen kommien lassen, von jeber auch in der Hoch— 
aison zwei Angestellte die gesamte Aushändigung bewältigen 
nüssen, sodaß die Empfänger oft eine Ewigkeit vor dem Schalter⸗ 
enfier Queue zu bilden haben. Es ist mir auf dem Hauptpost⸗ 
umt in Bozen passiert, daß mein dort lagerndes Geyäck mir einen 
vollen Tag vorenthalten und ich bei jeder Nachfrage mit dem 
mmer barscher wiederholten Bescheid abgewiesen wurde, die 
Toffer wären noch nicht da, bloß weil der k. k. Beamte zu bequem 
var, aufzustehen und nachzusehen, ob das auch stimmte. Die 
dauptsache ist und bleibt eben, daß der Herr am Schalter „a Ruh⸗ 
hat. Ein Hauch Aehrenthalschen Geistes fäte hier dringend not. 
Daß umgekehrt die Gemütlichkeit des Reisenden im Laufe der 
etzten Jahre leiden mußte, war allerdings eine unvermeidliche 
Folge des aräßlichen Antomobilismus. In dem Nebermaße aber, 
vie es geschieht, den Hotelbetrieb auf die Bedürfnifse reisender 
Znobs zuzuschneiden, war nicht nötig. Schon rein geschäftlich 
ollte man weniger mit den behanernswerten KGulturunmenschen 
lechnen. die mit vermumntten Köpfen und verbundenen Augen 
urch die schönsten Landschaften dieser Erde sausen. Die großen 
ieuen Häuser, die zu ihrem Nus und Frommen allenthalben er— 
zaut werden, könnten, auf ihre Kundschaft angewiesen. schwerlich 
estehen. Das Dolomitenhaus in Canazei am Fuße des Vordoi— 
oches hat eine Garage für 10 Autnymobile. Kein einaiges suchte 
vährend der Tage meines dortigen Aufenthalts darin Unterkunft, 
bwohl das ganze Hotelpersonal, vom Manager obwärts. darauf 
ressiert war, jeden Chauffeur zu umdienern und alle Rucksack⸗ 
kouristen, deren Geld doch auch kein Blech ist, iber die Achsel 
mausehen. In diesem Haufe zahlte ich für ein Neines Zimmer, 
as nicht einmol ein richtiges Fensser hatte, 12 Kronen. Dafür 
ingen an den Wänden Stiche nach Böcklin und Segantini, den 
Boden bedeckte ein eleganter Arminster, die Einrichtuing bestand 
nis ganz wunderhübschen Möbeln. Sehr reizend, aber wozu in 
ꝛͤler Welt? Sind das die Dinge, um derentwillen der Städter 
n die Alpen flieht? Je mehr einer daheim an deraleichen ge⸗ 
vöhnt ist, desto lieber entbehrt er es zur Abwechselung. Man 
vill ja doch gerade aus der Verfeinerung auf eine, och, zu kurze 
Svanne KFeit zurück in die Natur und die Urwüchsigkeit. Die 
virkliche Kultur der Lente, die für die aroßen Prokkasten schwär— 
nen. ift mir immer höchst fraawürdig. Sind es nicht überwiegend 
Reisegenossen von mutmaßlicher häuslicher Wasserscheu, die einem 
nuf die Nase binden, sie könnten nicht existieren ohne ein Hotel⸗ 
zimmer „mit Bad“? Gegen einzelne Luxusbotels. ist natürlich 
nichts einzuwenden, es ist ja niemand gezwungen, sie aufzusuchen. 
Daß aber in Tirol die mittleren Gasthöfe immer seltener werde 
die bei guter Kiiche fiir das Behagen des Fremdlings ae 
sorgen, ohne ibn mit überflüssigem Raffinement au behellioen, 
beklont gewiß mancher mit mir. 
Am meisten wird dieses Behagen natürlich durch unbillige 
Zumutungen an die Reisekasse beeinträchtigt. Gewiß gibt es auch 
unvernünftige Gäste. Knicker und Pfennigfuchser, wie mein Post⸗ 
fahrtgenosse von Schluderbach nach Cortina, der sich gar nicht 
hdarüber berubigen konnte, daß auf der Höhe von Tre Croei ein 
läschen Enzianschnans 50 Heller kostete — 250 v. H. Reingewinn 
ür den Wirt, wie er herausrechnete — blieben besser zu Haufe. 
lber guch wer gern bereit ist, angemessene Preise zu zahlen, wird 
dielfach das Gefühl nicht los, daß er wie eine Kitrone ausgepreßt 
nerden soll. Wenn in Oherhozen das Hotelbriefnapier nur gegen 
Bezahlung verabfolgt, der Gast also auch noch für die Reklame- 
edürfnisse des Hauses geschröpft wird, so ist das am Ende nur 
ine unschädliche Marotte des Wirtes. Wenn dieser selbe Wirt 
iber dem Reifenden, der keinerlei Verpflequngsabkommen ge⸗ 
roffen, sondern lediglich Zimmer gemietet hat und diese wmährend 
iner Hochtour beibehält, bei der Rückkehr von dieser außer dem 
Zimmerpreise (was ganz in der Ordnung ist),auch noch 4 Kronen 
äglich „für entgangene Consommation“, abnimmt. so streift das 
in so näher an Vergewaltigung, als kein anderes Gasthaus am 
Irte ist, wohin man als Autwort darauf umziehen könnte. In 
esem Zusammenhang eine Frage an die Bädeker-Redaktion: 
Warum gibt sie, wie ich seit Iangem beobgchte, in ihren sonst fo 
angemein zuverlässigen Handbüchern die Hotelpreise auch in den 
ieuesten Auflagen fast durchweg zu niedrig anꝰ 
Diese Beschwerden ließen sich beträchtlich vermehren. Ist es 
B. erhört, daß, wenn in Toblach ein Schnellzug hält, dem 80 
is 100 Vassagiere entsteigen, nur ein einziger Kofferträger zur 
telle ist? „Oder daß in dieser Hoteistadt pat excenuence der Rieg 
uach dem Bahnhof sich in einen Zufiande befindet, der den Fiiß 
zänger schon bet leisem Regen knöcheltief in den Schmutz versinken 
äßte? Oder wäre es in der Ordnung, daß Sonntags morgens 
em mit der Drahtseilbahn auf die Mendel jahrenden Publitum 
)as Vorhandeusein einer ernsten Betriebsstornug verschwiegen 
vird, die es unwahrscheinlich macht, daß die zum Nachtanfenthalt 
ben —T 
Bozen werden zurückkehren bönnen? Aber genng der Stoßicuizer 
Das eine nur sei hinzugesfügt, sie kommen aus einem Herzan volict 
iebe für Tirol und die Tiroler. Ich habe mir jüngitt anf der 
releu, windumwehten Waldeshöhe des Penegal die Stattenanis 
sucht, wo ich dermaleinst begraben sein mächs.“ Dnai bar 
ber von mir aus keine Eile. Hoffenslich hattiset dieene 
ndustrie im weitesten Sinne sich zwischtn Dline ud 
Bildspitze uund Marmosata bald wieder fso daß in 3 
nicht blos im Tode wohl fünlt snudern auch lehendie
	        
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