Deutscher Keichstagq.
(116. Sitzung.)
Berlin, den 28. Januar.
Am Bundesratstische: Reichslanzler v. Bethmann Hollweg,
Delbriück, Lisco, Wermuth, Korn von Buläch.—
Prafiden Graf v. Schwerin-Löwitz eröffnet die Sitzung mit
der Mitteilung, daß der Ka isseer die ihm zu seinem Geburtstage
dargebrachten Glückwünsche des Reichssstages mit
dankentgegengenommen,hat. J
Auf Grund des von dem Abg. Dr. Jundk (natlib.) erstatteten
mündlichen Berichts der Geschäftsordnungskommission wird die
nachgesuchte Genehmigung zur Strafverfalgungdes Abg.
Behrens in einer Privatklagesache wegen Beleidigung und zur
Vernehmung des Abg. Hue als Zeugen in der Strafsache gegen
Schröder und Gen, wegen Meineids vor dem Schwurgericht in
Essen vergfagt.
bet Wranf sezt das Haus die erste Lesung der Gesetzentwürfe,
etr. die
Verfnssung Elsaß⸗Lothringens.
und für die Wahlen zur Zweiten Kammer des Land-—
tans für Elsaß-Lothringen,ort.
Abg. Winckler (dk.); Her Abg. Naumann hat den Verbün⸗
deten Regierungen ein Unannehmbar entgegengesetzt. Ich kann
aber den Namen des Abg. Naumann nicht nennen, ohne bei der
Gelegenheit im Namen meiner politischen Freunde gegen eine
seiner Aeußerungen hier den allerentschiedensten Widerspruch zu
erheben: gegen die spöttische Art und Weise, in der er
vom Bundesratgesprochen hat. (Lebhafte Zustimmung.)
Wir miissen fordern, daß von diesem Faktor der Gesetzgebung von
dem andern Faktor der Gesetzgebung mit der Ehrerbietung
gesprochen wird, die dem Bundesrat als der Vertretung der
Souveränität im Reiche zukommt. Wenn ich nun zu den Empfin⸗
dungen übergehe, mit denen meine politischen Freunde die Vor⸗
lagen aufgenommen haben, so bin ich etwas erstaunt gewesen über
den Optimismus, der aus den Borlagen spricht. Im
Finverständnis mit meinen sämtlichen politischen Freunden muß
ich sagen: wir können diesen Optimismus hier nicht mitmachen.
Wir erkennen an, daß es sich bisher um ein Uebergangsstadium
handelte, und daß die Gewährung solcher hundesstaatlichen Rechte
ein Ziel ist, das wir alle wünschen. Aber die Vorbedingung dazu
ist, daß die Reichslande sich als unlöslich mit dem Reiche ver—
bunden fühlen. Auf den Namen Autonomie kommt es uns nicht
an. Es fraat sich, ob die Organe des Reiches jederzeit die Mög—
lichkeit haben, reichsschädliche Entwicklungen zurückzuhalten.
Das ist das Kriterium, nach dem wir unterscheiden. Ein Zustand,
Aer diese Tätigkeit der Reichsorgane ausschließt, ist mit dem Zustande
des Reichs unvereinbar. Die Begründung der Vorlage ist in die—
sem Punkte sehr knaphp. Wir meinen, daß die Verhältnisse noch nicht
so sind, daß die Mitwirkung des Reichs ausgeschaltet werden könnte.
Herr b. Dircksen hat in dieser Beziehnng interessantes Material bei-
gebracht. Fürst Bismarck hat wiederholt gesagt, daß rein militäri—
sche Gründe für die Einverleibung der Reichslande maßaebend gewe—
sen wären. Er hat das Land ein Glacis genannt. Umso mehr ist
die Frage bercchtiat, ob die Art und Weise, wie man diese Reichs—
jande behandelt hat, die richtige gewesen ist. Nach meiner perfön
lichen Ueberzeugung wor der erste Fehler der, daß man jenen Teil
der Lande, der zum Gebiet der Mosel und Saar gehörte, nicht poli-
tisch und administrativ in das Gebiet legte, wo das übrige Mosel-
und Saargebiet vorhanden war. Durch die Vereinigung mit der
Rheinprovinz würde zweifellos eine innere Verschmelzung des Elsaß
mit Dentschland schneller erfolat sein. Der Fehler viele sind dem
ersten gefolat, es kann von leinem System der Systemlosigkeit ge—
sprochen werden. Ist es richtig gewesen, die Kautelen gegen das
Eindringen französischer Preßorgane fallen zu lassen? So lange sie
bestanden, war damit nur ein schlechtes Geschäft zu machen. Gu
chenruf des Abg. Wetterlés: „Infame Insinungation!“ Lärm rechts.
Der Präsident ruft den Abg. Wetterlé zur Ordnung.)
Neichskanzler v. Bethmann Hollweg:
Wer die Tagespresse in den letzten Tagen verfolgt hat, mußzte
u der Ansicht kommen, daß die günstige Stimmung, mit der die
our eine. Jahre in Aussicht gestellte Fortbildung der elsaß⸗loth⸗
riugischen Verfassung begrüfßtt wurde, in der Hwischengeit sich in
eine steptische, vielfach unmittelbar ablehnende Auffassung ge⸗
indelt *544. Auch in der Rede des Herrn Abg. Winckler sind
wnliche Stimmungen zum Ausdruck gekommen. Im übrigen habe
ich aus dem Verlauf der Debatte, namentlich der vom vorgestri—
gen Tage, doch auch einen freundlicheren Eindruck gehabt. Dak
die aegenwärtigen
Verhältnisse in Elsaß-Lothringen
ideal seien, wird, von keine- Seite behauptet, und es wird gesagt,
daß wir aus diesem Grunde keine Aenderung vornehmen sollten.
Im GGegenteil, die unerfreulichen Erscheinungen, die deutsch⸗
seinndlichen Tendenzen sollten beweisen, daß die Zeit noch nicht
gekommen sei, um Elsaß-Lothringen größere Freiheit, größere
Selbständigkeit zu gewähren. Ju ihrer äußersten Konsequenz
kommt diese Ansicht sogar zu dem Schlüsse, daß, wenn überhaupt
etwas getan werden solle, dann nur die Einverleibung der
Reichslande, sei es in Preußen, sei es in anderen Bundesstaaten,
in Frage kommen könne. Ausdrücklich ist diese Anficht im Reichs—
tag bisser nicht vertreten worden, aber publizistisch und hinter
den Kulissen murde sie in den letzten Wochen ernsthaft erörtert.
Icn wilt kteine Erwägungen darüber anstellen, ob eine derartige
Drdnung der Dinge, wenn sie im Anfang erfolgt wäre, zweck⸗
mäßig gewesen wäre; würde sie heute vorgenommen, so würde sie
sich unzweifelhaft in den schärfsten Gegensatz zu der ganzen
Politik stellen, die bisber Elsal-LKothringen gegenüber beobachtet
vnrhbon ist Sehr richtig!)
Bismnrcks
das können wir aus der von ihm geleiteten Gesetzgebung un⸗
mittelbar ablesen — war darauf gerichtet, den Elsaß-Lothringern
rin den anderen deutschen Staaten moglichst gleichgestelltes Va⸗
terland unter der Obhut des ganzen Reiches zu geben. Die Ar—
beit, die mit diesem HZiel im Auge geleistet worden ist, ist nicht
ohne Erfolg geblieben. Die Einsetzung der elsaß-lothringischen
Landesregierung, die schrittweise gesteigerte Unabhängigkeit der
Landesgesetzgebung haben im Verlauf der Jahre und in Verbin⸗
dung mit dem wirtschaftlichen ihnonne des Landes das auch
unter der französischen Herrschaft nie ganz vernichtete Gefühl
landsmanuschasftlicher Eigenart fest begründet. Dadurch ist ein
Besitzstand geschaffen worden, der nicht, nur für die Elsaß—
Lothringer selbst eine Existenzfrage ist, sondern der gleichzeitig
ein festes Stück der Empfindungen bildet, mit denen das Reich
diesem, seinem jüngsten Glied gegenübersteht. Alle diese Werte
geistiger und materieller Art würden wir vernichten, wenn wir
jeute darangehen wollten, die Reichslande den angrenzenden
Zundesstaaten einzuverleiben. Nur Gründe zwingendster Natur
tönnten einen derartigen Entschluß rechtfertigen, und den bis⸗
herigen Operationsplan über den Haufen werfen, um die Arbeit
auf einer neuen Grundlage wieder anzufangen. Was ist denn
nun aber geschehen, was uͤns einen solchen Entschlußz abzwingen
könnte? Ich bin in diesen Wochen wohl der Ansicht begegnet,
daß, wenn Bismarck erlebt hatte, wie sich die innere Verschmel-
zung der Reichslande mit dem Reich so langsam vollzöge, wenn
er Zeuge gewesen wäre der der letzten Zeit, die
wir alle gleichmäßig auf das schmerzlichste beklagen, daß er sich
dann keinen AÄugenblick bedacht haben würde, mit der ursprüng⸗
üich als fehlerhaft erkannten Politik kurz entschlossen zu brechen.
Richtig ist es, daß auch Bismarck derartigen Gedankengängen
tatsächlich nicht ferngestanden hat. Als gegen Eude der Wer
Jahre das Protestlertum zur Blüte kam, haf er ernstlich erwogen
pb nicht die bisherige Staatsverfassung in Elsaß-Lothringen auf ⸗
zuheben und statt dessen die Reichslande mit den bengchbarten
Bundesstaaten zu vereinigen seien. Er hat diesen Gedanken
durchgedacht und durchgearbeitet, aber er hat ihn fallen lassen.
Er hat es für richtiger gehalten, an der bisher von ihm durch—
Jeführten Politik ohne Schwanken festzuhalten. Dieser Vorgang
sollte doch auch denen zu denken geben, die' uns jetzt eine Politi
nach sanz neuen Richtungslinien anempfehlen. Allerdings,
m. H., dit jener Zeit. es ind üher awanziq Jabre vergangen.
rben wir
neue Erfahrungen —
sammeln können. Wären diese Erfahrungen durchaus befriedi⸗
38 lage die Sache anders Aber es wird ja, gergde be⸗
auptel, diefe Erfahrungen feien so benunruhlgende, so schlechte,
añ nie eine RAeuderung wanen kännen. Vui ber Abwäauns
hessen, was wir mit der reichsländischen Politik erreicht, und was
vir nicht erreicht haben, sollten wir vorsichtig und gerecht sein
Dder Gang der deutschen Geschichte, unsere Neigung zum Par—
ikularismus und zur Rechthaberei, verbunden auf der anderen
Seite mit einer selbstzerfleischenden Kritik, die Lust, die deutschen
Lerhältnisse vor dem Ausland schwarz in schwarz zu malen, hat
die ursprüngliche Assimilierungskraft des Deutschtums und die
Neigung des Auslandes zu uns nicht gerade gestärkt (Zustim—
mung), und Eisaß-Lothringen gegenüber befinden wir uns in
besondercu Schwierigkeiten, weil es sich da um ein Land handelt,
wie der Staatssekretär des Innern bereits vorgestern ausgeführst
hat, um ein Land, das in politischer, kultureller und wirischaft:⸗
licher Eutwicklung seine Verbindung mit Deutschland während
des 18. und 19. Jahrhunderts verloren hatte. Man sollte sich
also nicht wundern, daß der Verschmelzungsprozeß nicht so schuell
vor sich geht, wie wir es alle wünschen. Aber ein Fehler wäre
es, aus dieser Langsamkeit der Entwicklung den Schluß zu zie⸗
heun, daß garnichts zu machen ist, daß wir die Hände in den
Schoß legen müßten. Im Gegenteil, ich halte es für notwendig,
daß wir viel mehr, als bisher geschehen, die politische, kulturelle
und nicht in letzter Linie auch die für die Entwicklung der Politi!
und Kultur so entscheidende wirtschaftliche Schwerkraft, Deutsch.
ands zur Anziehungskraft machen. Und, m. H., an staats⸗
cechtlichem Gebiet drängt sich mir da die Frage auf, ob es nich!
ain Fehler gewesen ist, die von Bismarck zwar angesetzte, aben
nunmehr seit 30 —2 — zum Stillstand gekommene Ponnit nichl
weiter zZit verfolgen, und ob S gerade dieser
Stillstand für manche unerfreulichen Erscheinunger
exautwortlich gemacht werden kann. (Zustimmung.,
Ich bin gentigt diese Frage zu bejahen und setze mich darum
ir die Vorlage ein; war einmal der Wunsch nach staatlicher
Zelbständigkeit als berechtigt anerkannt, wurde er in der Au
angsperiode durch die Gesetzgebung sanktioniert, so ist es nich
erstaunlich, daß das Beharren auf einem Zustand, der von niemand
als fertig und abgeschlossen angesehen werden kann, auch in dem
Teile der Bevölkerung Unmut hervorrief, der den Vorwurf chau—.
inistischer reichsseindlicher Bestrebungen von sich abweist, weil
er fich mit dem, Frankfurter Frieden abgefunden hat. Aber
meine Herren, die Zwischenzeit hat uns auch noch ein anderes
gebracht, sie hat uns gelehrt, daß eine Politik der Nachgiebigkeit
ind des Entgegenkommens gegen diesenigen Elemente, welche in
Vereinen und Versammlungen und in der Presse gegen den An—
schluß an Deutschland schüren und, hetzen, nicht vorwärts, son⸗
dern nur rückwärts führen kann. EGehr richtig! rechts.) Es ist
einfachste Pflicht staatlicher Würde und Selbsterhaltung diese
Flemente die Hand zdes Gesetzes mit, allem
dachdruck fühlen zu lassen,, Ecbhaftes Sehr richtig!
echts.) Meine Herxren, ich habe bereits im vorigen Jahre gesagt,
daß es mir fern liegt, aus speziellen Vorkommnissen generali⸗
zerende Folgerungen zu ziehen. Bei den
Vorkommnissen in Metz
und an anderen Orten scheinen sich deutschfeindliche Tendenzen
mit Auflehnung gegen die staatliche Obrigkeit überhaupt verbuu⸗
den zu haben. Wenn das zutrifft, wenn das nachgewiesen wird
müssen diese Beftrebungen mit aller Energie unterdrückt werden,
und fie werden unterdrückt werden. Die Veranstalter dieser
Nanifestationen und ihre Hintermänner haben aus dem Un—⸗
willen, der sich in ganz Deutschland kundgab, gesehen, welchen
Dienst sie ihren Landsleuten geleistet haben. Man hört so oft von
ruhigen elsaß-lothringischen Elementen die Aeußernng, Aner—
ennlnis und Verstänonis ir ihre Eißenart würden am Besten
Re Wohlfahrt des Landes fördern. Nun, meine Herren, wo soll
diese Anerkeuntnis herlommen, wenun sie in dieser Weise von
Flfaß Lothringern felbst untergraben wird. Sehr richtig.)
Vir dienen nicht nur Recht und Gesetz, wenn wir gegen diete
Ztrömung auftreten, sondern wir dienen damit der Wohlfahrt
78 Landes. Aber ich gebe mich deinem übhertriebenen Optimis⸗
nus hin; ich kann ebenso wenig wie vorgestern der Abg. Basser⸗
ann es' gelan hat und mit ihm eine Reihe anderer Redner aus
diefem Haͤuse, für die Vorgänge dieser Art die gesamte Bevöl⸗
erung Elsaß-Lothringens derantwortlich machen (Sehr wahrl),
ind es daben mich deswegen diese Vorgänge nicht um die Ueber⸗
„engung gebracht, daß es ein Fehler wäre, an den
bisherigen unfertigen und wegen ihrer Un⸗
ertigkteit unbefrsedigenden Verhältnissen
nverändert festzuhalfen. Nun, mieine Herren, be⸗
irchtet man von den Vorlagen, die wir Ihnen unterbreitet
saben, eine weitere, den Reichsgedanken abträgliche För⸗
jerung des elsaß-lothringischen Partikularismus. Die parti⸗
laristische Wirkung an sich läßt sich von niemand
bestreiten.“ Aber man sollte sie nicht schlechthin mi—
einer Stärkung des Protestlertums aleichstellen.
Hieine Herren Bismarck hat in der darnn iden Entwick⸗
nng, die Deutschlands Geschichte — hat, keinen Grund
gegen seine Einigung gesehen Er hat einmal gesagt: „Ich glaube
an foll sich in den germanischen Staaten nicht fragen, weun man'⸗
er Bevölkerung recht machen will: Was ka un gemeinsam sein
Wie weit kann der große Mund des Gemeinwesens hineinbeißer
den vipfeid sondern man muß sich fragen; Was mu ß absolu
gemeinsain sein? Und dasjenige, was nicht gemeinsam zu seir
raucht, das soll man der speziellen Entwicklung uͤberlassen. Dami
dieut nan der Freibheit. Diese durch und durch in der deutscher
dJeschichte wurzelnde Auffgssung hat auch Bismarcks Politik gegen⸗
wer den Reichslanden bestimmi. Erx erhlickte in der allmählich zu
erwirklichenden Selbständigkeit Elsaß⸗Lothringens ein Miitel.
im die Reichslande fester an das Reich zu knüpfen. Das Reich soll
die deutschen Stamme einigen, aber nicht nivelliexen, Es soll den
Raͤhmen aAbgeben in den die Eigenart und Eigenkraft der Stämme
unbeschadet der Zniercssen des Ganzen sich eutwickeln kann, und
was Bismarck so den Bayern, den Preußen und allen anderen
mnien des Reichs erhalten wissen wollte, das sollte nach seinem
Wunsch und Willen auch den Elsaß⸗Lothringern nicht vorenthalten
Perden. Hricht nur um ihrer selbst willen, — um den Reichs⸗
gedanten zu dene Dem Einwande, daß der Gesetzentwurf den
arniinlarismus fördern werde, wird der andere Einwand, ent⸗
gegengesetzt, daß das, was wir bringen, ungenügend und unzuläng⸗
lich sei, daß Elsaß-Lothringen
die Bundesratsstimmen und die volle Autonnmie
„orenthalten bleibe. Den Wunsch nach der Verleihung dieser
sechte hat ganz vesonders der Abq. Vonderscheer vertreten und aus
seinem Munde, und mit den Zielen, die er als Elsaß⸗Lothringer
verfolgt, finde ich diesen Wunsch vollkommen begreijlich — wäre ich
Flsaß Lothringer, ich würde ihn möglicherweise auch hegen. Aber,
die Zwischenbemerkung möge mir der Abg. Naumaun gestatten,
ucht auf republikanischer, fsondern auf mönarchischer Grundlage
(Heiterkeit rechts), und ich hin sicher, trotz Herrn NRNaumann würde
h auch in dem heutigen Elsaß-Vothringen eine überwiegend großt
—8 v ewneohen finden, Eehr richtig!) Ich möchte
Ihnen allen dringend die Bitte ans Herz legen: Treiben Sie
ichtreine Altes oder Nichts-Politik sie würde
nur zu dem Nichts 88 Verfolgen Sie auch nicht
Probleme, die, solange Elfaß? Lothringen kein Bundesstaat ist,
nicht zu lösen sind. Die Frage der Beteiligung Elsaß-Lothringens
am Bundesrat kann nicht mit humoristisch-sarkastischen Bemerkun⸗
jen Aber den Bundesrat und die Verteilung der Machtverhältnisse
n ihm ei werden (Sehxr richtig! rechts); kann mich nach
den Worten des Abg. Winckler weiterer Bemerkungen zu diesen
vorgeftern gefallenen Außernugen euthalten. Auch ein Bismard
hat das Gewicht des historisch Gewordenen so hoch eingeschätzt, daß
er bei der Gründung des Bundes die Stimmverteilung
des Finnurter Bunektages fast unverändert eh aui
den Bundesrat übernommen hat, obwohl die regle Maächt—
verteilnng vielleicht damals auch, eine andere Ver—⸗
leilung hätte angemessen erscheinen lassen können.
dem AÄbg. Bassermann möchte ich sagen, daß, wenn er die Zuertenung
pon Bimdesratsstimmen an Elsaß-Lothringen in innerwirtschafte
ichen Fragen besürwortet hat, ich doch in seinen Worten eine Lösung
bes Rätsels nicht gefunden habe. wie man aus dem Gesamtkompler
ber dem“ Bimdesrate zugewiesenen Aufgaben diese Fragen heraus-
sösen will. (Sehr richtig)) Ich bedauere, gestehen zu müssen, daß
bie dagegen bwaltenden Bedenken vom Abg. Bassermann
nücht widerle gt worden sind. Ich halte sie überhaudpt für nicht
widerleglich. Sie werden demgegenüber anerkennen, daß die Vor—
age der Verbündeten Regierungen auch in ihrer Beschränkung einen
edeutsamen Schritt auf dem Wege zur größeren Selbständigleit des
Keichslandes darstellt mit dem Ziele, die inngere Vereinigung
slsaßeLothringensmit dem Reiche zu fördermn Sosfs
ieser Iwock ertreicht werden, so können die Infiifntionen, in denen
sch das Gigenleben Elsaß⸗-Löibringens entwickeln soll, nicht von
uutzen her hmeingetragen werden. Sie mussen aus den Verhällnif
des Landes heraits entwickelt werden, sie müssen bodenständi; nse
Ich — aus Fiesem enn die d welche in der an
ben Presse und, wie mir schien, auch in den Ausführungen des Ig
Winckler gegen fuͤhrungen des o—
die Gestaltung des Wahlrechts
zur elsaß-lothringischen Landesvertretung erhoben worden find, nich
für stichhaltig ausehen. Wir können nicht nach Elsaß⸗Lothringen
beliebiges fremdes Wahlrecht tragen. Wir müssenauf der Gruͤndlag
weiter bauen, welche dem Lande kraft seiner Geschichte, kraft der n
len Schichtung und der Denkungsart seiner Bewohner igentun
ist. Sonft verlieren wir jede Berührung mit den Reglitäten det
Landes. Das möchte ich auch dem Abg. Naumann sagen, der an
Zchlusse seiner Rede die Systematik ironisiert hat, in der ein preußi
ches Klassenrecht neben einem freieren elsaß-lothringischen Wahl
echt sleht. Wer an das Unbedingte politischer Institutionen glaubt
ver im Besitze eines solchen absoluten Dogmas ist, der hat einen be
uemen Kemm, über den er alles scheren kann. (Sehr gut! und Hes—
erleit) Dem mag es leicht leicht sein, über die Individuaglitaͤter
er Laͤnder und Völker hinwegzugehen. In der Politik sollte man
iach meiner Ansicht bei dem Vergleiche bestimmter Institutionen ver
hiedener Länder nicht die Dokttrin, jondern die wirklichen, nach Ge
chichte, nach Lebensart und politischem Beruf verschieden bedingten
cerhältnisse zum tertium comparat ionis machen. Die Frage aber
bie man hier das Festhalten an einem abgestuften Wahlrecht gut oder
zrträglich findet, dort ein freieres allgemeines Wahlrecht empfehlen
'ann, hat doch nur für diejenigen Theoretiker einen Sinn, die den
Bert staatlicher Existenz danach bemessen, ob das Wahlrecht mehi
der weniger — gestaliet ist. (Lebhafte Zustummung rechts))
Ich kann mich beiElsaß-Loihringen nur fragen: Wie ist das in diesem
Lande übliche, seinen Bewohnern gewohnt gewordene Wahlrecht zu
gestalten, damit die aus ihm hervorgehende Landesvertretung die Ge
chaͤfte so besorgen kann, daß die Wohlfahrt des Landes und zugleich
4 Wohlfahrt des Reiches besfer als bisher gefördert werden? Auf
enselben Standpunkt stelle ich mich auch gegenüber der preußi—
chen Wahlrechtsfrage und würde mich stellen, wenn ich
aͤber das Wahlrecht irgend eines anderen Bundesstaates zu entschei
den hätte. Es ist ganz unmöglich, die Aufgaben, welche Preuken
dem sleiche gegenüber übertragen find, mit der Stellung irgend eines
anderen Gebieles des Reiches in Vergleich zu seßen. Denken Sie
sich doch, wenn man Preußen nach den radikalen Wünschen ein Wahl—⸗
recht verliehe, das den Viassen die Herrschaft über das Parlament
und dann nach Ihrem Wunsche auch die Herrichaft über die Regie—
rung auslieferie, daß also je nach der Stimmung im Varlament und
jedenfalls je nach, dem Wahlausfall das preußischbe M'intsterium und
mit ihm der Reichskanzler und seine Stellvertreter wechseln sollten;
wenn dann die Pträsidialmacht in der Reichsleitung, die dog gleich·
itis die Führerin preußischer Bundesratsstimmien, ist, bald diese
ald jene vom preußischen —— dittierle Reichspolitik treiben
follte, so wäre das gleich einer Desorganisation unseres Reiches.
(Sehr richtig! und Lebhafte Zustimmung.) Preußen wird sein
Wahlrecht nach seinen eigenen Bedürfnissen und ohne das Muster
anderer Bundesstaalen zum Vorbild zu nehmen, so gestauten, daß es
als Präsidialmacht eine konstante, b Reichspolitil
3 kann. (Brano rechts.) Und deshalb ist es für die preußischen
erhältnisse vollkommen uͤnberbindlich, ob wir jetzt Elsaß-Lothringen
ein freietes oder, weniger freies Wahlrecht gewähren. Wenn Sie
bon diesem Gefichtspuntt aus die Bestimmungen der Voriage und
das Wahlrecht zut Zweiten Kammer ins Auge fassen, so können Sie
davon die Vorschrifien über die Bildung der Ersten Kammer nicht
soslssen. Beide stehen in notwendiger Wechselwirkung zu einander.
Run 'ist es ja richtig, daß ein Oberhaus eine Einrichtung ist, die
Fisaß⸗Lothringen bisher nicht gekannt hat, aber derjenige Grad, von
Seloftändigkeit, den wir jetzt Elsaß-Lothringen geben wollen, ist in
seen sowohl unter französischer wie unter deutscher
Herrschaft unbekannt gewesen. Im übrigen sind ja auch die Be⸗
limmungen über die Bildung der Ersten Kammer von verschiedenen
Seilen und in verschiedenem Umfange bemängelt warden. Ich will
sier bei der ersten Lesung ebenso wenig wie bezüglich der Vorschrif⸗
en für die Wahlen zur e Kammier auf Einzelheiten eingehen.
Ich will es mir auch versagen, auf spezielle Fragen abschließend zu
ainworten, die der Äbg. Winckler soeben in staatsrechtlicher Be—
— an den Bundesratstisch gerichtet hat. Ich will nur folgen—
—A
Stellung des Statthalters
als Spitze der inden Regierung und in der Stellung des
Reichskanzlers zum Statthalter wird durch die Vorschläge, die wir
Ihnen machen, nichts geändert. Daraus werden sich auch diejenigen
een ergeben, die hezüglich der Führung der Politik in
ẽlsaß⸗Lothringen im Verhältnis zum ichee zu ziehen sind. Es
intricate staatsrechtliche Fragen, und ich will das Einzelne iw
Moment hier nicht näher ausführen.
Ich möchte nun zum Schluß eine
allgemeine Bemerkung
nachen. Wir schlagen Ihnen für Elsaß Lothringen ein Zwei⸗
ammersystem vor. Ich miß schon jetzt mit aller ee er⸗
Jaͤren, daß die Verbůndeten Regierungen, von der Forderung dieses
—A ee werden, und daß in diesem System die Erste
ammer ein Bouwert sein muß, das unter allen Umständen eine
edem Zweisel entrückte deutsche Politik in den Reichslanden ewähr⸗
—59 Das sind keine Forderungen theoretischer Doltrin, —
das sind nalionale und politische Forderungen. Deutschlands Söhne
haben auf Elsaß-Lothringens Schlachtfeldern nicht darum geblutet,
daß sich in diesem dem Reiche neu angegliederten Lande deutschfeind⸗
iche Tendenzen angesthrt und ungestraft breit ee können. (Sehr
cichtig! rechts und bei den — Aber auch nicht darum, daß wir
bei der Ordnung seiner staatlichen Institutionen nach doltrinären
hesichtspuntten versahren. (Brabol) Es haudelt sich darum, dem
Zande zu geben, was des Landes ist, aber auch dem Reiche, was des
Reiches ist. (Bravo!) Wir hoffen von den Institutionen, die wir
Ihnen vorschlagen, daß ve das Leben in den Reichslanden
neu anregen werden, und daß jeder Zuwachs an Macht und an
Stärke, den ẽisaß⸗ Lothringen damit erfährt, auch dem Reiche zu—
doe kommen wird. Das ist das alleinige Ziel, das uns bei unseren
Korlagen vorschwebt, und ich richte gun an den Reichstag die Bitte
daß er bei seinen Beratungen und Entschließungen nur diesem Ziel⸗
zufseuern möge. (Lebhafter Beifall.)
Abg. Preiß (Bb. k. —7 Die Ausführungen des Reichskanzlers
waren offenbar darauf berechnet, für die Tendenzen, auf denen
der vorliegende Entwurf anfgebaut ist, Stimmung zu machen.
Ich gestehe gern zu, daß im übrigen die Ausführungen des
Reichstanzlers von einem gewissen menschlichen Wohlwollen
gegen Eisaß Lothringen getragen waren. Das kann uns aber
ine genugen. Die“ Darlegungen, die wir heute vom Abg.
ntiee und vorgeftern gigenuber der Autonomie Elsaß-Loth⸗
ringens gehört haben, haben uns erneut aufs schärfste zum Be⸗
vußtfein“ gebracht, daß weite Kreise des deutschen Volkes, der
Verbundeten Regierungen und des Parlaments der Aufsassung
uldigen, daß bei der Annexion von Elsaß⸗Lothringen. die
anpifache in der Eroberung des Territoriums, zu erblicker
dare, daß die anderthalb Milsionen Menschen auf diesem Terri—
orium erft in zweiter Reihe stehen könnten. Man aibt uns mehr
oder weniger zu verstehen, daß wir Elsaß-Lothringer mit unsern
Gleichberechtigungswünschen uninteressant und unangenehm
Verden. Elsaß⸗VLothringen ist nicht als Mitalied, sondern als
Werkzeug des Dedsen Reiches gedacht. Es ist der
ite Eitculus vitiosus, daß man uns zu vollbercchtigten Deut⸗
scheu drft dann machen will, venn, wir deutsche Gesinnung offen
an den Tag legen, aber man tut alles, um das Aufkommen deut⸗
ccher Gefinnuug geradezu zu verhindern. Hat, man doch Elsaß⸗
othringen als das Glacis, als das Bollwerk zum Schutz des
Wrigen“ Dentschland hingestellt! Ohne, Autonomie auch kein
Verschmelzung. Wir haben die Empfindung, daß wir vier aul
weniher Versiändnis stoßen, als es uns lieb ist. Das liegt wohl
darau, daß acht Behntel des Reichstages den wirklichen Verbält
nissen fernftehen. Man wollte Elsaß-Lothringen zu einem alcith
berechtigten Mitgliede des deutschen Staatenbundes machen
umd dieses mächtige Deutsche Reich hat es nicht fertig gebracht
die Verhältnisse in Eisaß-Kothringen so zu gestalten, daßg diest
Verheißung erfüllt werden kann! Wie gauz anders ist Frautreich
Savoyen und Nizza, Enaland Südafrika gegeniber die Kjsimi
lalion gelungen!“ Kultur und Sitte machen Elsaß-Lothringen
dem übrigen Deutschland gegenuͤber gleichberechtint, und dock
werden die Elsaß-Vothringer als nicht ebeubürtige, als De ut
sche zweiter Klaffe behandelt! Das verletzt den Stolz deo
LCifasser und ist nicht schmeichelhaft für das Deutsche Reich. Mar
vLricht von der Sicherheit des Reiches in den dcichstanden
Aber nicht dadurch wird die Sicherheit des Reichs in den Greu;
ünnen 6barnert. dafß die Reustterung immer wieder mir