Die Umsätze und Gewinnziffern sind erheblich gestiegen, und
die Bank glaubt daher mit der Stärkung der Betriebsmittel
nicht länger zögern zu sollen. Die letzte Dividende betrug
z o. Aus dem Ergebnis der Semestral-⸗Bilanz darf man
schließen, daß das Erträgnis des laufenden Jahres hinter
dem des Vorijahres nicht zurüchstehen wird.
b. Stadthallentheater. Aus der Theaterkanzlei schreibt
man uns: Heute Dienstag (8 Ukx) wird die berühmte Brettl—
Diva Bozena Bradsky einen bhustigen Abend veranstalten. In
hrem Programm finden wir die beslten Namen der Ueberbrettelei,
wie Liliencron, Rideamus, Fontane, Schönfeld, Oscar Straus,
Bogumil Zepler, R. Flynn, Mannstädt usw. und sie kann in
demselben zeigen, mit welcher Gefühlsstärle und zugleich mit
velcher Routine sie die ganze Siala der Empfindungen vom
eichtesten Lachen bis zur tiefsten Tragik beherrscht und wieder-
zugeben weiß. Den Abend eröffnet der Einalter „Die Hasen-
vfote“ von Brennert.
— ZAAABS—
IJ. Travemünde, 24. Okt. Segelsport. Seit Sonn⸗
abend haben die Ausscheidungsrennen mit der bekannten
nationalen Jolle „Ahasver III“, Besitzer Kunstmaler E. Po⸗
ente, Konstrufteur und Erbauer Schlichting jun, begonnen und
zieten interessante Kämpfe. „Ahasver III“, welcher in der
etzten Segelsaison 23 Preise in 25 Rennen errang, geht im
Herbst in Hamburger Besitz über, nachdem die Probe⸗ und Ver⸗
leichsffahrten mit dem neuen „Ahasver“ beendet sein werden.
das neue Boot ist noch nicht recht im Trimm, zeigt aber
ziele gute Eigenschaften und steht auf jeden Fall seinem Vor⸗
gänger nicht nach. Die Werft von Schlichting jun. hat be—
reits pvier weitere Jollenneubauten in Auftrag, so dah man
ür die nächstjährigen Jollenregatten groke Felder und inter—
ssante Wettkämpfe erwarten darit
Versammlung der Bürgerschaft
am Montag, dem 23. Oltober 1911.
Zu Beginn der Sitzung um 6 Uhr 20 Minuten teilte
der Wortführer, Konsul Dimpker, unter anderm mit, daß B.⸗
M. Heinsohn folgenden Antrag eingercicht habe:
Die Bürgerschaft wolle den Senat ersuchen, in Rücksicht
auf die bestehende Teurung und den Mangel an Arbeit
in vielen gewerblichen Betrieben; zu veranlassen, dan Ar⸗
beiten, für welche die Mittel bewilligt sind, in kleinen Losen
verteilt, möglichst bald zur Ausführung gelangen.
Ferner sei e ingegangen eine Eingabe des Kanzleirats Boy⸗
sen, in welcher er die Bitte ausspreche, die Bürgerschaft wolle
orüfen, ob der Senat zu ersuchen sei, die von ihm erhobenen
Ansprüche in nochmalige Erwägung zu ziehen und gegebenen—⸗
'alls die Nachzahlungen zu veranlassen. Es handle sich um
'olgendes: 1876, also vor 35 Jahren, solle von dem derzeitigen
Dirigenten des Polizeiamtes, Senator Dr. Plitt, Kanzleirat
Boysen zugesichert sein, dan stets sein Vorsprung im Gehalt
als erster Kanzlist im Betrage von 400 Mebestehen bleiben
iolle. Bei der 1892 erfolgten allgemeinen Gehaltsaufbesserung
eien andere Kanzlisten in eine ähnliche Stellung gerückt wie
Boysen, der keine wesentliche Aufbesserung seines Gehaltes be—
kommen und dadurch den Vorsprung im Gehalt verloren habe.
1887 sei Boysen pensioniert. Er wolle nun 1892 gegen die
derzeitige, ihn kränkende Herabsetzung seiner Stellung gegen⸗
über Herrn Dr. Görtz als Vorsitzenden der Gehaltskommission
mündlich Protest erhoben, sich die Verfolgung desselben ober
für spätere Zeit vorbehalten haben. Diese scheine er nun—
mehr für gekommen erachtet zu haben aus Anlaß des dem
Senat überwiesenen Ersuchens, eine Erhöhung der Ruhegehalte
ind Hinterbliebenenbezüge in Erwägung zu ziehen. Bonysen habe
zei dem Senat beantragt, ihm für die Jahre 1902/07 jähr⸗
ich 400 M, also insgesamt 2000 Miäauf sein Gehalt, für die
Jahre 1898 1910 an Vension 4160 Munachzuzahlen und außer⸗
dem sein Ruhegehalt vom J. Januar 1912 an von 2400 auf
uuf 2720 Mäzu erhöhen. Der Senat habe Bopysen darauf
erwidert, daß er diese Anträge ablehnen müsse. Die Bürgerschaft
zeschlosz nach diesen Darlegungen, die Angelegenheit als er—
ledigt anzusehen.
Hierauf wurde in die Tagesordnung eingetreten und zu⸗
nzächst auf Wunsch des Senates Punkt 1 derselben betr. Her⸗
tellung einer Zuwegung zu dem an die Gewerkschaft Martas—
hall verkauften Fabrikplatz in Siems von derselben abge—
etßt, da das Finanzdepartement die Angelegenheit noch bearbeite.
—
Nachtrag zu dem Vertrage vomJ. Mailn901 betr.
die Umgestaltung der Eisenbahnanlagen in
Lübeck.
Es handelt sich in der Hauptsache um die Anlage einer
Siraße auf dem alten Bahnhofsgelände.
Der Antrag wurde debattelos genehmigt.
3.
Bewilligung von 32000 Mefür den Ankauf des
Grundstückes Johannisstraße 22/24.
B.eM. Böbs erklärt die Vorlage ablehnen zu müssen,
da derselben keine Karte beigegeben sei. Auch im Bureau
der Bürgerschaft sei eine solche nicht einmal zu haben ge⸗
pesen. In der Vorlage sei die Rede von der blauen
Linie, aber die liege in der Luft, denn auf keiner Karte
ei sie zu finden. Die Bürgerschaft wisse daher gar nicht,
vas sie eigentlich kaufen solle. Wenn nicht zufälligerweise
bei dem Handel mit der LübeckBüchener Eisenbahngesellschaft
in Travemünde eine Kommission eingesetzt worden sei, hätte
die Bürgerschaft von der Bahn Land gekauft, was letzterer
jar nicht gehöre. Er bitte daher um Ablehnung der
Zenatsvorlage.
Senator Rabe: Daß der Bürgersteig neben dem Hause
in der Johannisstrahe der Verbreiterung bedürfe, sei ohne
Zweifel. Das Grundstücdk verzinse sich mit B o60 und sei auf
jd Jahre fest vermietet. Da somit die Lage der Sache
eine so ins Auge fallend günstige gewesen sei, habe der
Senat geglaubt, das Angebot annehmen zu sollen.
BeM Seinsohn weist darauf hin, daß ein Teil
dieses Grundstückes zur beschlossenen Verbreiterung der König⸗
trahe erforderlich sei.
Hierauf wurde die Senatisvorlage angenommen.
4.
Bewilligung von 17200 Mezur Serstellung von
dier in Brunnen mündenden Stichrohren auf
den Solzlagerplätzen der Vorwerker Wiesen.
Der Antrag wurde debattelos genehmigt.
5.
Bewilligung von 20000 M zum Ausbau von
Strecken des Kreuzweges und der Straße beim
Retteich.
B.M. Stender lkann der Vorlage nicht zustimmen,
denn wenn man die Senatsvorlage genau besehe, seien
Anliner Gaederk gewährten Vorteile zu große.
dadurch nämlich, daß die Straßen- und Baufluchtlinie zu—
ammengelegt und das Gelände anbaufertig hergerichtet werde,
vas alles dem Anlieger nichts kosten solle, würden diesem
auf Kosten der Allgemeinheit 80 000 -35 000 Mugeschenkt
uind von dem, was dann gelschaffen werden solle, habe aud
viederum nur der Anlieger Vorteil, niht aber die Allge
neinheit. Man solle darum dieses Projekt ganz fallen
assen und die Straßenbahn auf anderem Wege in die
damastraße einführen, wodurch nur Mehrkosten im Betrage
on 1500 Musentstehen würden. Er bitte daher die Bürger⸗
chaft, die Senatsvorlage abzulehnen.
Senator Dr. Stooss: Es möge sein, daß Herr
Faedertz ein gutes Geschäft mache, aber für den Staat
ei das gleiche der Fall, und darauf komme es doch in
rster Linie an. Einen günstigeren Vertrag als den vor—
iegenden zu erreichen, erscheine unmöglich. Es sei über—
jaupt schon viel, daß dieser Vertrag zustande gekommen sei.
Er bitte daher die Bürgerschaft um Annahme des Senats—-
antrages.
B.M. Niemann-Schlutup ersucht den Senat, dar⸗
auf Bedacht zu nehmen, die Fahrbahn der Israelsdorfer
Thaussee bis zur Abzweigung der Schlutuper zu verbreitern
Der Automobilverkehr sei ein so außerordentlich lebhafter,
daß die Fahrbahnbreite für den allgemeinen Wagenver—
ehr nicht mehr ausreiche, und die gegenwärtigen Verhältnisse
vor allem für den Fuhrwerksverkehr recht gefährliche seien.
Hierauf wurde die Senatsvorlage angenommen.
6.
Bewilligung von 27000 M zur Anschaffung
erner automobilen Benzinmotorspritze für die
Feuerwehr.
Der Antrag wird debattelos genehmigt.
7.
Bewilligung von 60000 Mzur Verstärkung des
Abschnittes XIXX (Nachträgliche Bewilliguagen)
des Voranschlages für 1811.
Der Antrag wird debattelos genehmigt.
Eine Teuerungsdebatte in der Bürgerschaft.
Antrag Stelling (anstatt Löwigt):
Die Bürgerschaft ersucht den Senat, in Rüchsicht auf die
in Lübeck herrschende Not der minderbemittelten Bevölkerung
und die noch zu erwartende starke Zunahme der Teurung die
Reichsregierung aufzufordern:
1. die Lebensmittelzölle zu suspendieren,
2. alle Vieh⸗- und Fleischeinfuhrverbote gaufzuheben,
3. das Enstem der Einfuhrscheine zu beseitigen.
Weiter wird der Senat ersucht, gemeinsam mit der Bür—
gerschaft eine Kommission einzusetzen, welche hauptsächlich die
Frage zu prüfen hat, wie in Lübeck
a. die Beschaffung billigen Fleisches
b. die Beschaffung billiger. Kartoffeln,
0. der Großimport von Gemüse
in die Wege geleitet werden kann.
Der Wortführer stellt die Frage, ob der Antrag Unter⸗
lützung finde.
Es erheben sich die sozialdemokratischen Mitglieder der Bür—
jerschaft und mit ihnen stimmen die B.eM. Heise, Paatsch,
Burwick und Grunau.
Der Antragsteller führt zur Begründung u. a. aus:
fine ganze Reihe von Städten und Gemeinden, zum Teil auch
Bundesstaaten, hätten sich mit der brennenden Frage der
Teuerung beschäftigt, und diese wie auch die Lübecker Handels⸗
ammer und die lübeckische Landesgruppe des Hansabundes seien
u. der Ueberzeugung gelangt, daß eine Teuerung vorliege. Dem—
gegenüber versuche das lübeckische Amtsblatt, die Lage so dar⸗
ustellen. daß von einem Notstande überhaupt nicht gesprochen
werden könne und meine, daß die Anträge zur Beseitigung
der teuren Lebensmittelpreise mur Varteipropaganda und Wahl
aitation seien. (Sehr richtig) Da müsse er denn der Bür—⸗
gerschaft darzulegen versuchen, daß sehr wohl von einer Teuerung
zesprochen werden könne. Redner ging sodann auf die Preis—
berhältnisse des Getreides und einer Reihe von Nahrungsmitteln
näher ein und kam zu dem Schluß, daß nicht nur zurzeit schon
ine Teuerung herrsche, sondern diese noch aller Wahrscheinlichleit
ach zunehmen werde, und da müsse er die Bürgerschaft fragen,
b sie glaube, daß die Löhne im gleichen Verhältnis wie die
rebensmittelpreise gestiegen seien. Er müsse diese Frage ent—
chieden verneinen. Die Folge werde sein, daß man mit einer
Algemeinen Notlage und einer Unterernährung zu rechnen haber
verde. Alle Anzeichen deuteten darauf hin, daß die Arbeits-
osigkeit im kommenden Winter einen gziemlichen Umfang an—
ehmen und vielleicht an diejenige vom Winter 190607 heran-
eichen werde. Das Baugewerbe beispielsweise habe im ver—
angenen Sommer vollständig darniedergelegen, worunter auch
ie Arbeiter sehr zu leiden gehabt hätten, um so mehr sei es
a zu bedauern, daß seitens des Staates die Arbeitsgelegenheit
och dadurch beschränkt werde, daß beispielsweise beim Erweite-
ungsbau des Krankenhauses die Erdarbeiten von Korrigenden
usgeführt würden. Zur Beseitigung der teuren Lebensmittel—⸗
reise seien in wirksamer Weise nur die in seinem Antrage ge—
annten Maßnahmen geeignet. Er bitte daher uun Annahme
eines Antrages.
Senator Dr. Fehling: Der Senat berate über den von
3M. August Pape im Bürgerausschuß gestellten Antrag. Er
oolle heute erklären: Was den ersten Teil des Antrages Stel—⸗
ing betrefse, so sei der Senat bereit, im Bundesrat solche An⸗
räge zu unterstützen, die geeignet und durchführbar seien, einer
ꝛebensmittelverteterung wirlsam zu begegnen, und unser Ver—⸗
reter in Berlin sei mit einer entsprechenden Anweisung schon
„or Wochen versehen worden. (Bravo!). Was den öweiten
Teil des Antrages betreffe, so teile er mit, daß der Senat das
ztatistische Amt beauftragt habe, über die Preisverhältnisse der
ür die Volksernährung wichtigsten Lebensmittel z. 3t. wieder,
die es in gewissen Zwischenräumen immer zu geschehen pflege,
zrmittlungen anzustellen und über das Ergebnis mit Ve⸗
hleunigung zu berichten. Einstweilen sei der Senat der An⸗
icht, daß hier in Lübeck nicht von einer der—
rtigen Noftlage gesprochen werden könne, daß
in Eingreifen Fes Staates berechtigt wäre. Bei den verschie—
enen Vorschlägen werde man sehr vorsichtig sein müssen, um
icht etwa durch Maßregeln die vielen Geschäftsleute, die im
Aeinhandel ihren Unterhalt verdienen, in ihrer Existenz wenn
eicht zu vernichten, so doch schwer zu schädigen. Die Hauptsache
it für den Senat, daß für Arbeit gesorgt werde, damit
iejenigen. die gerne arbeiten wollen, auch arbeiten lönnten.
A dieser Beziehung sei Auch die Baudeputation gerüstet und
berde mit Vorschlägen an den Senat herankommen. — Ueber
die Korrigendenarbeit werde er dem Senat besonderen Bericht
astatten.
Bem. Klein: Aus den Stellingschen Ausführungen gehe
icht bervor, ob et dauernd die Lebensmittelzölle beseitigt sehen
wolle und ob jetzt mit einem Male das System der Einfuhrschei
und alle Sperren aufgehoben werden sollen. S. E. stehe di
Sozialdemokratie zu diesen Punkten ganz anders, als Her
„telling hier vorgetragen habe. Er habe vor noch nich
anger Zeit selbst von Herrn Stelling gehört, daß die Sozial
zemokratie auch gar nicht mehr auf dem Standpunkt stehe, die
Lebensmittelzölle zu suspendieren. Welche Revolution auf den
virtschaftlichen Gebiete würde es geben, wenn das jetzt alles ge
an werde, was der Antrag Stelling wünsche. Eine Teurun—
hestehe bei einer Reihe von Lebensmitteln; in den Lübeckische
LInzeigen sei gestern berechnet worden, daß die Teurung wöchent
lich 50 bis 60 Pfg. ausmache, das sei zweifellos eine groß
Steigerung. Ob die Teurung nun in dem Maße vorhanden.
ei, wie sie Herr Stelling geschildert habe, das wage er zu be
weifeln. Es gäbe auch verschiedene Nahrungsmittel, die nich—
eurer geworden seien, obgleich das Publikum behaupte, e—
sei auch hierin eine Verteurung eingetreten. Aber alle die an
Jeregten Punkte seien durch den von Herrn August Pape im
Bürgerausschuß gestellten Antrag erledigt. Der Senat wisse
alles, wozu nun noch einmal diese Punkte zur Berücksichtigung
vorschlagen? Nachdem der Antrag Vape im Bürgerausschuß
ingenommen sei, hätte er erwartet, daß Herr Stelling seinen
Antrag zurückziehen würde, aber die Sozialdemokraten war—
teten direkt auf Ablehnung dieses Antrages in der Bürgerschaft
um diese Ablehnung später bei den Reichstagswahlen aus
schlachten zu können.
B.M. Stelling: Serr Klein irre, wenn er glaube
daß die Sozialdemokraten wünschten, ihr Antrag würde abge—
lehnt; das seien faule Redensarten. (Der Wortführer weist
diesen Ausdruck zurüch) Es könne nimmer schaden, wenn hier
in der Bürgerschaft nochmals zum Ausdruck gebracht werde
m welcher Form die Beseitigung der Teurung zu machen sei
Der Antrag Pape könne nicht als weitgehend genug angesehen
werden. Es könne dem Senat doch nur angenehm sein, wenn
er nach jeder Richtung hin Gelegenheit bekomme, mit einer
Bürgerschaftskommission die Angelegenheit zu prüfen. Sein
Antrag besage ausdrücklich, daß die Lebensmittelzölle nur einst
weilen saspendiert werden möchten.
BeM. Borchert-Brodten bemerkt, daß Gemüse zoll
frei sei, mit Ausnahme von Rot⸗ und Weißlohl.
B.M. Fust: Er könne zurzeit nicht beurteilen, ob eine
Teurung in dem behaupteten Umfange vorhanden sei. Er
habe schon schlech tere Zeiten erlebt. Aber diese
schlechten Zeiten brauchten ja nicht wieder heraufbeschworen zu
werden und deshalb könne man rechtzeitig Vorsorge treffen.
Die Schlachter arbeiteten nur mit geringem Nutzen; soweit
Rindfleisch in Frage komme, sei von einem Verdienst überhaupt
keine Rede mehr. Die Rindfleischpreise seien von 1898 von
1,20 Mubis 1910 auf 1,60 Muund 19811 auf nur 1,81 M
pro Kilo gestiegen; die Schweinepreise hätten sich in mittleren
Bahnen gehalten, der Preis für Schweine sei von 1,45 au
1,35 Meheruntergegangen. Möglich sei ja, daß im Winter
die Preise steigen würden. Es seien heute morgen bereits
auf dem Schlachthof für Rindfleisch 34 Pfg. pro Pfund ge⸗—
hoten worden. Die Preise, die heute der Landmann bekomme
ür Schweine, müsse er auch haben, sonst könne er sich eine
Mästerei nicht mehr halten. Der Geschmack des Voltes sei
auch ein derartiger geworden, daß immer nur das Beste gekauft
verden müßte, obgleich es anderes, gesundheitlich einwandireies
Fleisch zu kaufen gäbe. Für den ersten Tatt dee Antrases Stel
ling sei er zu haben.
B.⸗M. Hauptlehrer Reimpell: Auf Grund seiner Erfah—
rungen müsse er bestätigen, daß tatsächlich in vielen Familien eine
Interernährung herrsche. Er bitte deshalb, der Anrege nicht
'o weit aus dem Wege zu gehen. Dem ersten Teil des Antrages
pürde er zustimmen, damit dieser Teil dem Antrage Pape ar
die Seite gestellt werden könne.
B.M. Lauenstein bittet den Antrag Stelling abzu
ehnen, zumal der Senat erklärt habe, daß alle Vorbereitungen
zetreffen seien, um so weit wie möglich einer Teuerung zu be
jegnen. Die Preise für Gemüse seien nicht so hoch, wie hier
geschildert sei. Die Kartoffeln seien auf dem Lande nicht über
3 M verkauft, zum Teil noch billiger. Die Zentralstelle der
Preußischen Landwirtschaftslammer habe beschlossen, der Regierung
u emtfehlen, allen Anträgen auf Beseitigung des Systems der
kinfuhrscheine sich ablehnend gegenüber zu verhalten, sie sei zu
der Ansicht gekommen, daß diese Aufhebung nur Schaden bringen
önne.
B.M. Stelling: Herrn Lauenstein erwidere er, daß
die Agrarier in Lübeck den Veweis erbracht hätten, daß sie
zereit seien, einen großen Teil des Volkes zu belasten, nämlich
zurch die hohen Milchpreise. Der Landarbeiter könne am aller—
venigsten Kartoffeln von seinem Land verkaufen. (Wider—
pruch) Er komme alle Tage aufs Land und wisse. wie es
dort hergehe.
BlaM. Prösch-Harmsdorf: Wo schwerer Boden sei, gäb
es gewisß wenig Kartoffeln, aber in anderen Gegenden würder
sehr viele Kartoffeln von den Landarbeitern verkauft. Die
Schweinezucht auf dem Lande gehe zurück; die Teurung werde
erst im nächsten Jahre zu bemerken sein. Wenn die LAebens
mittel vom Auslande herkommen sollen, dann müßten die So
zialdemokraten auch mehr für die Flotte bewilligen, weil Deutsch
land dann doch auch die See beherrschen müßte. Die Kom—
mission müßte nur einmal die Preise von vor 14 Jahren prüfen
und im Zusammenhalt damit auch die sehr gesteigerten Löhne
B.M. Klein: Um nicht mißverstanden zu werden, er
tläre er, daßk er die Anträge des Herrn Stelling nur ablehne,
veil sie durch den Antrag Pape im Bürgerausschuß überholt
eien. Die Anträge des Herrn Pape seien dem Senat über
wiesen und dieser seinerseits müsse Stellung dazu nehmen und
habe dies zum Teil bereits getan.
Die Anträge von B.“M. Stelling werden abgelehnt
Antrag Schneider:
Die Bürgerschaft ersucht den Senat, den Erlaß gesetzlichen
Bestimmungen über den lübeckischen Staatsbeaniten für Dienst
reisen zu gewährende Reisekosten, Tagegelder und Umzuagskosten
in Erwägung zu ziehen.
BeM. Schneider: Es fehle in Lübeck an einer gesetz
ichen Bestimmung über die Gewährung von Reisekosten, Um
ugskosten und Tagesspesen; diese Bestimmung sei aber dringend
erwünscht. Er bitte um Annahme seines Antrages.
Senator Dr. Fehling: Ddie behauptete Lude sei tat
cichlich vorhanden. Die Beamtenkommission habe bereits vor
iniger Zeit vom Senat sich den Auftrag erbeten und erhalten
hiese Frage gesetzlich zu regeln.
Boeom Sheneiber zieht mit Rüchsicht auf diese Erklärune
seinen Antrag zurück.
Sodam wurde der Antrag Seinsohn (siehe am An
fang des Berichtes) nach kurzer Begründung durch den Antrac
steller an den Bürgerausschuß verwiesen.
Schluß der Sitzung 94 Uhr.