Full text: Lübeckische Anzeigen 1911 (1911)

Keichslas hat ble lanbeeftsrstliiche Steuerfreihelt zwar sAr ben 
Wertzuwachs bei Fideikommissen, nicht aber bei dem üÜbrigen 
Besitz des Landesfürsten aufrecht erhalten. 
Der Haushaltsausschuß des Reichstages hat ohne 
ede Debatte die Forderungen des Extraordinariums für Schiffs⸗ 
ieubauten genehmigt. Wir sind in dieser Beziehung Vorgänge 
olcher Art so gewohnt geworden, daß wir uns kaum noch 
des gewaltigen Stimmungsumschwunges erinnern, der binnen 
inem Jahrzehnt auf diesem Gebiete eingetreten ist. Daß das 
dauptverdienst an dieser Wandelung und an ihren für die 
Zteigerung der militärischen Stärke Deutschlands so bedeutsamen 
Folgen dem Kaiser gebührt, braucht kaum noch gesagt zu 
verden. 
Im. preuß. Abgeordnetenhause ließ dieBeratung des 
dandwirtschaftsetats aufs deutlichste erkennen, welchen Ver⸗ 
trauens der neue Landwirtschaftsminister v. Schorlemer sich 
erfreut. Zusammenstöße des Präsidenten mit der 
Zozialdemokratie führten zu Erörterungen über die 
Frage, ob wiederum eine Verschärfung der Geschäftsordnung 
iotwendig sei. 
Auch der Streit der Professoͤren Soxhlet⸗Wagner kam 
hei der Beratung des Landwirtschaftsetats zur Sprache. Herr 
». Schorlemer nahm sich bei dieser Gelegenheit der Deutschen 
Landwirtschaftsgesellschaft nicht ohne Eifer an. Auf den Streit⸗ 
fall selbst ging er nicht ein; dieser ist inzwischen in der 
hessischen Kammer erörtert worden und hat die Einleitung 
einer gerichtlichen und einer disziplinarischen Untersuchung zur 
Folge gehabt. Vom Ausgange der beiden Verfahren wird 
das endgültige Urteil über die viel erörterte Angelegenheit 
abhängen. 
Die Moabiter Ausschreitungen haben nunmehr 
uuch vor dem Schwurgericht ihre Ahndung gefunden. Ver—⸗ 
töße der Polizei sind hier ebenfalls festgestellt worden, und 
eine auf sie bezügliche Aeußerung des Vorsitzenden ist, so schnell 
ie auch von ihm gegen Mißdeutung geschützt wurde, in der 
ozialdemokratischen Presse Gegenstand agitatorischer Ausnükung 
gewesen. 
Frankreich hat eingesehen, daß die Befestigung 
Blissingens keine Angelegenheit ist, die sich zu einer inter⸗ 
iationasen Erörterung eignet. Herr Pichon gab daher im 
Zaag die offenbar gewünschte „Aufklärung“, von den freund— 
chaftlichsten Gefühlen gegen Holland beseelt zu sein, und ließ 
jalbamtlich die Nachricht von der Durchführung seiner in der 
Kammer angekündigten diplomatischen Aktion widerrufen. Da—⸗ 
nit ist einstweilen eine Sache zum Abschluß gelangt, die 
iberhaupt nicht hätte angerührt werden sollen, und die den 
kuf Pichons als eines vorsichtig-besonnenen Staafsmannes in 
ßefahr gebracht hat. 
Holland wird die Befestigung Vlissingens nach dem Maße 
seines eigenen Bedürfnisses in Angriff nehmen. Die Türkei 
lähßt sich durch englische Preßtreibereien von einer tat— 
kräftigen Niederwerfung des Aufstandes im Jemen nicht 
urückschrecken. Der Ankauf zweier deutscher Transportschiffe 
jezeugt die Entschlossenheit der Pforte, in Arabien gründlich 
rufzuräumen. Je beharrlicher hieran festgehalten wird, um 
'o endgültiger wird der Erfolg und mit ihm die Hebung des 
fürkischen Namens im ganzen Islam ausfallen. 
Die Ausbreitung der Pest in China hat die Regierung 
u anerkennenswerten Maßregeln bestimmt. Diese genügen 
joffentlich um den Besuch des deutschen Kronprinzen 
n Vekina nicht unmöglich zu machen 
Inland und Ausland. 
Deutsches Roeich. 
Von den sSöfen. Prinz August Wilhelm von 
breußen, der vierte Sohn des Kaisers, vollendet am 
Zonntag, 29. Januar, sein 29. Lebens jahr. — Am gleichen 
Tage feiert die verwitwete Großherzogin Marie von Mecdlen⸗ 
»urg⸗Schwerin ihren 61. Geburtstag. Sie ist die Stiefgroß⸗ 
nutter des regierenden Großherzogs Friedrich Franz IV. und 
ine Schwester des Fütsten zu Schwarzburg, in dessen Händen 
ich die Regierung von Rudolstadt und Sondersbaulen durch 
erbschaft vereinigt hat. 
Ein Innungs⸗Obermeister im Preuß'schen Herrenhaus. Die 
Berufung des Klempner-Obermeisterss Harry Plate zum 
ebenslänglichen Mitglied des Herrenhauses 
vird in weiten Kreisen mit Genugtuung begrüßt ecrden. Denn 
Wgesehen von der persönlichen Ehrung, die dem hochgeachteten 
ersten Vorsitzenden des deutschen Handwerks⸗ und Gewerbe⸗ 
ammertages allseitig gegönnt wird, sieht auch der deutsche 
zandwerkerstand in seiner Gesamtheit eine wohlverdiente An⸗ 
erkennung in der Tatsache, daß neben den durchlauchtigen und 
wohredlen Herren, neben den Vertretern deutscher Wissenschaft, 
deutscher Industrie und Landwirtschaft nun auch ein Berufs⸗ 
vertreter des Handwerks Platz nimmt. Damit ist die Gleich— 
hberechtigungdeseigentlichen Mittelstandes mit 
en anderen Erwerbsständen unseres Volkes nunmehr 
zuch parlamentarisch in einer sehr eindrucksvollen Form an—⸗ 
rkannt worden. Politisch ist von dem neuesten Herrenhaus⸗ 
nitglied bekannt, daß Herr Plate bei der letzten Reichs— 
agswahl in Hannover als mittelständlerischer Sammelkandidat 
zegen die Sozialdemokratie 12 160 Stimmen auf sich vereinigt 
'at, ebenso viel Stimmen. wie der nationalliberale Mit. 
ewerber. 
Der Versicherungsbeirat des laiserlkichen Aussichtsamtes fär 
rivatverfichtrung ist zu einer Gesamtsitzung auf den 
4. Februar nach Berlin einberufen. Die Tagesordnuna ist 
zertraulicher Natur. F 
Neueste Nachrichten und Telegramme. 
We Berlin, 28. Jan. Die Nordd. Allg. Zig. meldet, 
datß als Nachfolger des in den Ruhestand tretenden Bot— 
schafsters in Tokio Mumm von Schwarzenstein; der 
Hefandte in Peking. Graf von Rexz, im Aussicht ge— 
nommen ist. 
w Dresden, 28. Jan. Dem Dresdener Journal zufolgs 
zeschloß der König, für die Dauer der am 30. Jamnar anzu⸗ 
retenden Auslandsreise den Prinzen Johann Georg zum Stell- 
ertreter zu bestellen. —M I 
Wi. Darmstadt, 28. Jan. Die Reichstagsersatz- 
vathgl im ersten hessischen Wahlkreise Gießen⸗Grünberg⸗Nid da 
indet der Darmstädter Zeitung zufolge am 19. März statt. 
W. Paris, 28. Jan. Seit dem Ueberfall auf die Ko⸗ 
sonne des Rittmeisters Nancyh bringen einzelne 
Blätter fortdauernd Nachrichten üͤber eine angeblich sehr be⸗ 
inruhigende Lage im Schauiagebiet. Der Korrespondent 
des Echo de Paris meldet aus Casablanca, daß insbesonders 
inter der Bevölkerung an der Grenze des Schaufa⸗ 
rebletes eine wachsende Gärung herrsche. Valls 
der Angriff vom 14. Januar ungeltraft bleibe, werde die 
Dicherheit im Nordosten des Schauiagebietes gekährdet. Schuld 
baran selen die bein General Molnler erleilten Welsungen, 
* ihn hinderten, mit der seberhn Energie vorzu⸗ 
ehen. *. W v ——— 
W. Paris, 28. Jan. Aus Lyon wird gemeldet: Zum 
echsten Male seit dem Eifsenbahnerstrelk sind 
estern am hellen Tage die Signaldrähte auf dem Bahn⸗ 
zof Venissieur durchschnitten worden. 
W. Briifsel, 28. Jan. Bei der gestrigen Feier aus 
linsaß des Geburtstages des Kaisers wurde bekannt 
segeben, daß der Kaiser und die Kaiserin zur Erinnerung 
in den Besuch in Brüsfek sür die deutsche Schule ihre 
ebensgrohen Bilder stifteten. 
M Konstantinopel, 28. Jan. Der Oberkommandant der 
Dperationsarmee in Hedschas berichtet von einem erfolg⸗ 
eichen Kampfe südlich Kerakr. Da alle an dem Auf— 
tand in Kerak beteiligten Scheikhs verhaftet wurden, ist die 
kxpedition in das Gebiet von Kerak als beendet anzusehen. 
Wt. Saloniki, 28. Jan. Im Bezirk Janina sind vier 
ßzréechen, als sie türkischen Boden betreten wollten, von 
»er türkischen Grenzwache erschoßfen worden. 
Wt. Benates, 28. Jan. Der Kronprinz ist hier ein— 
etroffen, um seinen Aufenthalt möglichst auszunutzen, lehnte 
er jeden Empfang ab und unternahm unmittelbar nach seiner 
Ankunft eine Rundfahrt, um die Sehenswürdigkeiten der Stadt 
u besichtigen. 
Berlin, 28. Jan. Der Restaurateur August Aschinger, 
Inhaber einer grohen Anzahl Stehbierhallen, ist im Alter von 
19 Jahren einer Lungenentzündung erlegen. 
Deutscher Reichstag. 
W. Berlin, 26. Januar. 
Auf der Tagesordnung steht die Fortsetzung der ersten Lesung 
der Verfassungsvorlagenvon Elsaß⸗-⸗Lothringen. 
Abg. Winckler (kons.)!: Die Vorlage ist die allerwich— 
igste, die uns überhaupt beschäftigte. Die Autonomie können 
dir nicht glatt annehmen. Deutschland muß die Möglichkeit be— 
„alten, die schädliche Entwickelung jederzeit aufzuhalten und den 
ntinationalen, ja den Frieden gefährdenden Bestrebungen ent⸗ 
zegenzutreten. Staatssekretär Delbrück hat vorgestern selbst zu— 
jegeben, daß man im Reichslande die innere Zugehörigkeit zum 
»eutschen Reiche noch nicht fühlt. Durch die Aufhebung der 
dautelen wurde es dem französischen Kapital ermöglicht, durch 
ranzösische Zeitungen auf die ösfentliche Meinung zu wirken. 
Zuruf des Abg. Wetterle: Infane Insinuation! — Präsi—⸗ 
»ent v. Schwerin⸗Löwitz rief den Abg. Wetterle zur Ordnung. 
Bravol! rechts.) Ganz zweifellos ist die Reichsgesetzgebung für 
e Verfassungsänderungen in Elsaß-⸗Lothringen zuständig. Na— 
nentlich wenn sich die Verfassung nicht bewähren sollte, müßte 
as Reich das Recht haben. sie abzꝛuändern oder aufzuheben. 
Bravo! rechts.) 
Reichs kanzler von Bethmann Hellweg: Die vor einem 
Jahre im wesentlichen günkige Stimmung hatte einer abfälligen 
luffassung in dieser Frage Platz gemacht. Aus dem Verlauf 
er Debatten, namentlich vorgestern, habe ich wieder einen freund⸗ 
icheren Eindruck bekommen. Die unerfreulichen Erscheinungen, 
ie in lezter Zeit in Elsaß-Lothringen auftraten, können uns zu 
iner Aenderung unserer Stellungnahme nicht veranlassen. Die 
cinverleibung in Preußen vder einen anderen Bundesstaat ist in 
zen letzten Wochen publizistisch vertreten worden. Ich will heute 
zarüber keind Erörterung anstellen, ob diese Ordnung der Dinge 
u Anfang zwedmähig gewesen wäre. Heute aber würde sie un⸗ 
weifelhaft im schärfslen Gegensatze stehen zu der ganzen Politik, 
ie bisher Elsaß⸗Lothringen gegenüber beobachtet wurde. Durch 
ie bisherige Entwicklung ist ein Besitzstand geschaffen, der nicht 
ur sür Elsaß-Lothringen eine Existenzfrage ist, sondern auch 
ine feste Stütze der Beziehungen bildet, in denen das Reich zu 
esaß-Lothringen steht. Alle diese geistige und materielle Arbeit 
vbürde wieder vernichtet, wenn wir heute daran denken wollten, 
saß-Lothringen in einen angrenzenden Bundesstaat einzuver⸗ 
riben. Nur Gründe zwingendster Art können uns veranlassen, 
uf diesen Gedanken zurückzugreifen, den Bismarck selbst zu Ende 
er 80er Jahre durchgedacht und durchgearbeitet hat, um ihn 
iber dann vollkommen fallen zu lassen. Gegenüber der pessi— 
uistischen Beurteilung der Jortschritte des Deutschtums in Elsaß⸗ 
dothringen dürfte doch nicht übersehen werden, daß die Neigung 
unt Partikularismus und zur Rechthaberei, verbunden mit einer 
elbstzerfleischenden Kritik, die die Heimat gegenüber dem Aus— 
ande herabsetzt, die ursprüngliche Assilimierungskraft des Deutsch- 
ums und die Neigung des Auslandes zu uns wesentlich hat be— 
nträchtigt. Man kann sich also nicht wundern, daß der Zer⸗ 
⸗tzungsprozeß nicht so schnell vor sich gegangen ist, und wäre es 
iischsd ie Hände darum in den Schoß zu legen. Vielleicht ist 
z ein Fehler gewesen, daß man in der Politik, mit der Bismarck 
ist eingesetzt hatte, zu lange einen Stillstand hat eintreten lassen. 
Zehr richtig! in der Mitte) Wenn einmal der Wunsch nach 
gatlicher Selbständigkeit anerkannt sei, dann hat das lange 
zögern Unzusriedenheit hervorrufen müssen. Ich setzte mich darunt 
nit Entschiedenheit für die Vorlage ein. Allerdings würde eine 
hßolitik der Nachgiebigkeit gegen die Elemente, die gegen die 
inere Vereinigung mit Deutschland seien, uns keinen Schritt 
orwärts bringen. (Sehr richtig! rechts.) Diese Elemente müssen 
ielmehr die Hand des Gesetzes fühlen. Der Versuch, einen Wider⸗ 
pruch zwischen dem Elsaß-Lothringen vorgeschlagenen Wahl⸗ 
echt uUnd dem preußischen Wahlrecht zu konstruieren, ist im Grunde 
ur theoretische Spielerel. Es ist unmöglich, die Stellung, die 
zreuhßen in den Angelegenheiten des Reiches übertragen worden 
st, mit der irgend eines anderen Reichsmitgliedes in Parallele 
u setzen. Eine demokratische Ueberflutung des preußischen Land⸗ 
ages, die einen Wechsel in den Aemtern der Minister ꝛc. erzielen 
zunte, würde eine vollkommene Desorganisation des Reiches 
edeuten. (Unruhe links. Sehr richtig! rechts.) Preußen wird 
ch sein Wahlrecht nach seinem eigenen Gutdünken und ohne dem 
Nuster anderer Staaten zu folgen, so gestalten, daß es als Präsi⸗ 
iamacht eine konstante Reichspolitik führen kann. Die Frage 
»es elsaß⸗lothringischen Wahlrechts hat damit nichts zu tun. 
ich bemerke indessen, daß die Verbündeten Regierungen von der 
rorderung des Zweikammersystems fur Elsaß-Lothringen nicht 
bgehen werden. Die Erste Kammer muß ein Bollwerk sein, 
as zine jeden Zweifel ausschließende deutsche Politik in den 
d gewährleistet. Deutschlands Söhne haben nicht dazu 
uf den Schlachtfeldern Elsaß⸗Lothringens geblutet, daß deutsch⸗ 
eindliche Tendenzen sich dort ungestört entwickeln dürften, aber 
s handelt sich darum, dem Lande zu geben, was des Landes 
if, dem Reiche, was des Reiches ilt. Wir hoffen, daß die vor⸗ 
eschlagenen Institutionen das politische Leben in den Reichslanden 
eu anregen werden und daß jeder Zuwachs an Macht und 
Ztärke, der in Elsaß-Lothringen erfolat, auch dem Reiche zu⸗ 
ute kommen werde. Das ist unser einziges Ziel und ich bitte 
en Reichstag, an der Erreichung dieses Zieles mitzuarbeiten. 
Beifall.) e 6 
Abg. Preiß GEss. Die Worte des Reichslanzlers ent⸗ 
jelten In bvewises Wohlwollen ober wir können nicht damit 
ufrieden sein. Wir werden als minderjährig und uͤnebenbürtl 
inter Vormundschaft gehalten. Unsere Verwaltung hat An 
olonialen Charaktey; das entspricht nicht den freiheitlichen —9 
hauungen unseres Wolkes. Herrn von Koeller bewahren vn 
ar sein Wirken ein freundliches Andenken. Mit — — 
zestrebungen haben die Meser Vorgänge nicht das 88 
u tun. Die jetzigen Vorlagen sind Verlegenheitsvorlagen. —* 
ꝛerlangen Anerkennung des Reichslandes als vollberechticte 
elbständiger Bundesstaat. Die Vorlage ist fur uns unannehmbe 
Abg. Liebermann (w. Vog.): Inhaltlich kann man dem 
ßeichskanzler zustimmen, ohne aber seine Schlußfolgerungen 
u ziehen. Wir brauchen Elsaß-Lothringen zum Schutz des 
deiches. Die Gefsahren von Westen her sind eher größer ge 
vorden. Unsere Soldaten werden in den Quartieren Elsaß— 
othringens schlecht behandelt und übervorteilt. ärm und 
Viderspruch bei den Elsaͤssern). Das es seit 1870 nicht 
»esser geworden ist, ist größtonteils Schuld der elsässtschen 
zevölkerung selbst. Bei der Unzuverlässigkeit der Bevol— 
erung und der reichsseindlichen Gesinnung der Führer und 
er Verführten würden wir die Zurüchziehung der Vorlage 
egrühen. In diesem Sinne werden wir in der Kommission 
nitarbeiten. Eine Verfassung Elfaß-Lothringens wurde einen 
drieg in die Nahe wüchen. (CLachen links.) 
Staatssekretär Delbrüch: Ohne auf die Einzelheiten ein, 
ugehen, frags ch doch, was Preit mit seinen Ausfuhrungen 
vezwedt hat. Der letzte Redner hat ihn bereits zurückge— 
viesen. Allerdings der Vorwurfß, daß die Bevölkerung dort 
insere Truppen schlecht behandelt, ist nach dem Zeugnis der 
tommandierenden Generale unberechtigt. (Sehr richtig! Hört! 
zört!) Die Ausführungen des Abg. Preiß gegen die Ver, 
valtung sind nicht geeignet, seine Forderungen zu stützen. Vor 
richt langer Zeit hat man in Elsaß⸗Lothringeen solche Kon 
essionen gar nicht erwartet. Der Kaiser ist nach der Ver⸗ 
assung zweifellos als gefetzgeberischer Faltor in Elsaß-Lothrin⸗ 
en berechtigt. Der Gang der Verhandlungen erscheint nicht un⸗ 
uünstig. Ein modernes Unterhaus und die Ersetzung des Bun⸗ 
zesrates durch die erste Kammer, die den Verhältnissen El⸗— 
aß⸗Lothringens, seinem Gewerbe, seiner Industrie und Lan—⸗ 
esgesetzgebung näher steht, sind Konzessionen. Von dem Er⸗ 
iennungsrecht des Kaisers können wir aber nicht absehen? 
zon Stimmen im Bundesrat müssen wir ebenfalls absehen, 
benn wir den Verfassungsrekord nicht auf absehbare Zeit 
mnullieren wollen. Die Vorlage ist geeignet, hier allseitig 
rwünschte Verhältnisse zu schaffen. Gravo!) 
Abg. Hertling (Ztr.): Wir halten die Vorlage für einé 
zrauchbare Grundlage zur Weiterarbeit. Eine elsässische Frage 
xistiert nicht, weder sür Deutschland noch im internationalem 
Zinne. Das Liebäugeln mit französisch gesinnten Kreisen wär— 
en auch wir entschieden verurteilen. Der Hauptfehler liegt 
n der Langsamkeit der staatsrechtlichen Entwickelung des Lan— 
»es. Wir hätten in Elsaß-Lothringen den Lokalpatriotismus 
um EShtaatsgefühl steigern müssen: Ausbau zu einem gleich- 
erechtigten Bundesstaat mit einer Zentralgewalt und einem 
kKegenten! (Bravo! in der Mitte) Das muß unser Ziel 
leiben. Das vorgesehene Wahlrecht erscheint derart, daß man 
jaran die Vorlage nicht scheitern lassen sollte. 48 
Abg. Böhle (Soz.): Der Entwurf für das vorgesehené 
Pahrrecht ist völlig unzulänglich. Inbesondere lehnen wir die 
Bohnsetzktlausel und die Wahlunfähigkeit bestrafter Perfonen 
b. Dagegen verlangen wir das Frauenstimmrecht. Von der 
lutonomie des Reichslandes ist auch eine Annäherung zwischen 
deutschland und Frankreich zu erwarten. Wer diese will, 
imme der Autonomie zu. Geifall bei den Soz. 
Abg. Gregoire (Hosp. d. Natlib. Lothringer): Die erste An⸗ 
indigung der Resorm durch den Reichskanzler erregte im 
sande allgemeinen Jubel. Man glaubte, ein lang gehegter 
raum erfülle sich. Aber der Entwurf bringt nicht nach 
zismard selbst die wünschenswerte Lösung und die Regierung 
es Landes im Lande felbst. Er ist ein Stückwerk. Zweifel⸗ 
os bringt er manchen Fortschritt. Die Versagung der Stimmen 
n Bundesrat ist der schwerste Fehler der Vorlage, das erscheint 
s als ein schweres und verletzendes Unrecht. Es sollte die 
ynastie gewählt werden, da die Republik als gänzlich aus⸗ 
schtslos erscheint, oder weniastens die Statthalterschoaft aus— 
ebaut werden. 
Abg. Dove (f. Vpt.): Es muß eine Möglichkeit geben, 
uuch wenn der Kaiser der Landesherr Elsaß-Lothringens bleibt, 
em Lande ein gewisses Stimmrecht im Bundesrat zu geben. 
csaß-Lothringen sollte zu einem einheitlichen Gemeinwesen 
ndem Organismus des Reiches werden. GBravo! links.) 
Abg. Hoesfei (pi): Nach der bisherigen Debatte erscheint 
ie Vorlage doch als geeignete Grundlage für unsere Bera— 
cungen. Ich wünsche und hoffe, dah die Arbeit der Kom— 
mission zu einem guten Ergebnis führen möge. Geifall.) 
Abg. Weiterle Elsässer): Unser Verbrechen ist, daß wir 
znmal Franzosen gewesen find. Jede Lappalie wird zur 
Ztaatsaktion gemacht und in Berlin denunziert. Dies Re— 
zeren von Berlin aus muß aufhören. Das bisherige System 
at Fiasko gemacht. Wir verlangen en die Familie aufgenom⸗ 
ren zu werden, in die wir agewaltsam hineinaezogen sind 
Bravo! Heiterkeit.) 
Staatsfekretär Zorn von Bulach: Wir wollen die Ver— 
zhnung, auch ich bin stolz auf meine Vergangenheit als Fran⸗ 
ose, aber ich sage mir, es gibt Momente, wo man das 
Interesse des Landes vor das Gesühl des Herzens stellen soll. 
Petterles Politik ist fsur Elsaß⸗Lothringen nicht möglich. Seine 
PBorte versöhnen nicht. Der größere Teil der Bevölkerung 
st loyal und will von der Unzufriedenheit nichts wissen, 
hill sich ruhig und friedlich im deutschen Sinne entwideln. Die 
sroße Mehrheit der eisah⸗lothringischen Bevölkerung nimmt die 
Zorlage mit Dankbarkeit an. (Lachen bei den Soz.) Auch 
ch hätte als Elsaß-Lothringer für mein Land die Auto⸗ 
omte gewünscht, trotzdem erkenne ich die Vorlage als einen 
edeutenden Fortschritt an. (Lebhafter Beifall.) 
Abg. Graf Mielzunski (Pole): Wir wünschen für Elsaßk⸗ 
dothringen schon jetzt volle Autonomie. 
Ein Antrag auf Schluhß der Debatte wird angenommen. 
die Vorlage geht an eine 289liedrige Kommission. Nächste 
Situng Montaa 2 Uhr: Kleine Vorlagen und Netitionen— 
heer und SFlotte. 
W. Berlin, 28. Jan. „Zieten“ mit dem Transport de⸗ 
von „Planet“ ˖abgelösten Besatzung ist auf der Heimreise am 
27. Jan in Aden eingetroffen und hat an demselben Tage die 
deise Uber Suez nach Port Said fortgesetzt. Scharnhorst“ 
nit dem slellvertretenden Chef des Kreuzergeschwaders ist am 
7. Jan. von Batavia nach Hongkong gegangen. „Taku“ ist aw 
26. Jan. in Hankau eingetroffen. „Seeadler“ ist am 28. Jan 
in Colombo (Cenlon) eingetroffen und geht am 15. Febr. nad 
ßombay. „Ge137“ und die 6. Halbflottille sind am 25 Jer 
n Rlel endetfroffen
	        
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