Full text: Lübeckische Anzeigen 1911 (1911)

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Veilagen: Vaterstädtische Blätter. — Der Familienfreund. 
Amtsblatt der freien und Hansestadt Lübect 
———— 
ESSSSEOSSOBGSSÆCOSSASSSSOSSSCASAÆSæSSOSOo 
164. Jahrgang 
Eine ununterbrogene Keihe der Jahrgange der Cübecnischen An⸗· 
zeigen“, vom Gründungs⸗Jahre 1751(6. März) ab, befindet sich 
an Archiv des Verlages, sowie in der Stadtbibliothek zu Lübeck. 
Drus und Verlaa: Gebräüder Borsers G.m. b. H. in Lübed. — Geichäftsstelle Adreß baus (Koniaite. 46). Ferniprecher — u. 8001. F 
Große Ansgabe) Donnerstag. den 19. Oktober 191. Morgen⸗Blatt Nr. 530. 
Nachrichten für das Herzogtum Lauenburg, die 
Fürstentümer Ratzeburg, Lübed und das angren— 
Jende medlenburgische und holsteinische Geblet. 
— 
— — — —— — — — — — — — 
viatt die Anfrage, welches der Stand der Dinge in den Verhand⸗1 
—— lungen mit Frankreich bezüglich der Marokkofrage ist? 
Zur Verhandlung kommen werden jedoch wahrscheinlich die 
— Interpellationen über die Teuerung und über das Vereinsgesetz. 
Wegen der Teuerung reichte das Zentrum ferner folgende An— 
— — — rage ein: 
Ist der Herr Reichskanzler bereit, Auskunft zu geben, 
Die Interpellationen im Reichstage. inwieweit eine außergewöhnliche — der Nah— 
—D——— 8 
Die Erklärung, die der Reichskanzler v. Bethmann-Holl— deden e unen 
weg gestern im Reichstage abgegeben hat, ist bemerkenswert — Eadihins der einhei⸗ 
insofern, als der Reichskanzler sich die Kommentare, die — ———— —— id Genossen féigen an: 
ein Sareen in dem Sensorenegoreent desmden vat ece ———— zu 8 um der 
nutze gemacht hat, Vrh aun * aten do ß ne notorischen Teuerung der notwendigsten Lebens- und Futter— 
——— M mitlel vie zu einer Kalamität für den größten Teil des deut— 
Reichssstag nach seiner Absicht nicht aufgelöst werden soll, * 5 
hne vorher über die auswärtige Politik verhandelt zu en Volkes geworden ist, enlgegenzuwirken⸗ 
doe Das Slaatssetretär p. Kider den-Wacechter sich Auch die Nationalliberalen und die Fortschrittliche Volks— 
ien dichekanzler im Reichstage befand, hat Ate perden den Reichskanzler wegen der Teuerung inter— 
den Zweck gehabt, während der Verhandlungen mit den ein— — 
zelnen Parteiführern nochmals über die Angelegenheit zu — Ine de Aeing und e eirnanen haben die 
sprechen. Man hat den Eindruck, daß die Parteien zur —— — recht und Genossen folgende Ansrage ein⸗ 
Ueberzeugung gelangt sind, daß im Neiase ine * J reter Ist dem Herrn Reichskanzler bekannt, daß von seiten 
ien —A Sr ng einer Reihe von Behörden gröbliche Verstöhe gegen den klaren 
opportun sei und daher nicht veranstaltet werden dürfe. Bottaut —— — und Beanmumozgeetenur du 
Wir sind jetzt in der Lage, außer den beiden bereits gestern Deu en — ce wur en n genee t er 
abend mitgeteilten nationalliberalen und konservativen Marokko— Serr Reichskanz * An bun, um den ewwohn on Gelene setens 
interpellationen, auch die ganze Reihe weiterer Anfragen in der Behörden Geltung zu verlchaffen? 
hrem Wortlaut wieder zu geben. 
Die vom Freiherrn v. Hertling an erster Stelle gezeich— Das Schreiben des Reichskanzlers an den Reichs⸗ 
iete Anfrage des Zentrums lautet: tagsprasidenten. 
Ist der Herr Reichskanzler bereit, dem Reichsstage Aus— Der Brief, den der Reichskanzler an den Grafen Schwerin— 
kunft zu geben: 1. über die zum Schutze der deutschen Inter— Löwitz richtete und der in dem Seniorenkonvent am Tienstag 
essen in Marokko getroffenen Maßnahmen? 2. über die durch von diesem verlesen wurde. trägt folgenden Wortlaut: 
das Vorgehen Italiens geschaffene internationale Lage? 3. „Berlin, 16. Oktober. 
den Stand der deutschen Interessen in China? Euerer Exzellenz 
Die Fortschrittliche Volksvartei, Dr. Ablaß und Genossen, beehre ich mich ergebenst folgende Mitteilung zu machen: 
tragt an: J Wie ich höre, ist von verschiedenen Parteien beabsichtigt, 
Ist der Herr Reichskanzler in der Lage, Auskunft zu Interpellationen über Fragen der auswärtigen 
geben über die Stellung der Reichsregierung zu den schwe—⸗ Politik, insbesondere über die tripolitanische Frage und 
benden internationalen Fragen, insbesondere über die prin— unsere Verhandlungen mit Frankreich im Reichstag 
zipielle Verständigung, die den gegenwärtigen Verhandlungen Ainzubringen. Ich verstehe und teiie den Wunsch der Parteien, 
zwischen Deutschland und Frankreich von den bevollmächtigten ine patlamentarische Erörterung dieser Fragen herbeizuführen. 
Vertretern zugrunde gelegt ist? Im gegenwärtigen Augenblich jedoch wird sich die Regie— 
Die lozialdemokratische Anfrage Alhrecht und Genossen unganeiner Debatteüberdie aus wärtige Poli— 
heißt: cik nicht beteiligen können. Von einer allgemeinen Be— 
Die Unterzeichneten richten an den Herrn Reichskanalee rechuna der Aνigen Nosttit mürde fich die Frage der — 
tung der Regierung in der marokkanischen Angelegenheit 
nicht trennen lassen. Ueber diese aber könnte sich die Regie— 
rung in Anbetracht der noch schwebenden Verhandlungen ohne 
die Gefahr einer schweren Schädigung deutscher Interessen nicht 
äußern. Dasselbe würde auch von einer Hineinziehung der 
Dripolisfrage gelten. Wegen der Beilegung des ktürkisch— 
ilalienifden Krieges findet ein an dauernder Meinungs- 
austausch unter den Mächten statt, der jede öffentliche 
Stellungnahme der kaiserlichen Regierung in dieler Frage un— 
nöglich macht. 
Einer Debatte des Reichstages aber o hne Beteiligung der 
Regierung steht das Bedenken enteegen, daß sie nach der einen 
»der anderen Richtung hin die Stellung der deutschen Politi* 
erschweren und ihre Akltion beeinträchtigen könnte. 
Sobald die politische Situation eine Beteiligung der Regie⸗ 
ung gestattet, werde ich Euere Exzellenz davon benachrichtigen, 
and ich werde dann gern bereit sein, dem Reichstag Auf— 
klärungen über die auswärtige Politik zu geben und mit ihm 
in eine Debatte einzutreten. 
Von dem Vorstehenden setze ich Euere Exzellenz mit dem 
ergebenen Anheimstellen in Kenntnis, bei Ihren Besprechungen 
über die Gestaltung der Geschäfte des Reichsstages davon Ge— 
brauch zu machen. 
In ausgezeichneter Hochachtung 
Fuerer Exzellenz 
sehr ergebener 
Bethmann-Hollweg“ 
Ueber dieses Schreiben des Reichskanzlers wurde im Senioren⸗ 
onvent lange verhandelt und von allen Seiten wurde der Wunsch 
laut, es möchte mäglichst bhald eine öffentliche Be— 
prechung der gesamten auswärtigen Lage sttfin— 
den. Der Präsident konnte schließlich als die einstimmige Mei— 
nung des Seniorenkonvents feststellen, daß in jedem Falle der 
Reichstag seinerseits die Möglichkeit habe, eine Besprechung 
der auswärtigen Situation selbständig durchzuführen. 
Die Frage ist nun nur, ob der Reichstag von dieser „einstimmig 
festgestellten“ Möalichkeit Gebrauch machen will und wird. 
Der Stand der Kongo-verhandlungen. 
Der häufig vom Quai d'Orsay informierte Petit Pa— 
risten teilt mit, daß in der Unterredung zwischen Cambon 
und v. Kiderlen-Waechter nicht nur von der Kompensations— 
frage die Rede gewesen, sondern auch von Tripolis und 
China. Beide Diplomaten hätten unter völliger Wahrung 
ihres Standpunktes in der schwebenden Streitfrage gleichwohl 
eine etforderliche Kollektivaktion erörtert, beilelsweise bei einer 
euronaischen Vermittlung im italienischztiürkischen Kriege oder 
— — — — — —— 
melodramatisches Festspiel für patriotische Gedenktage, Die Pots- 
damer Wachtparade“ verfaßt, zu dem Clemens Schmalstich die 
Musik geschrieben hat. Das Werk, das unserm Kronprinzen 
zewidmet und zur Aufführung in Schulen und Vereinen 
zestimmt ist, erscheint im Verlage von Robert Reibenstein (Ver⸗ 
lag der Musikwelt), Berlin-GroßLichterfelde-West. 
d. Vertauschte Seeltn. Unser Berliner Fenille— 
on-Mitarbeiter schreibt uns: Einem Märchen aus 
Tausend und einer Nacht hat Wilhelm von Scholz auf drama— 
ische Beine geholfen in den Kammerspielen des Deutschen 
Theaters. In dem „asiatischen Königreiche Mousel“ ist es 
edem Sterblichen, sei er König oder Bettler, erlaubt, mit 
einer llesnen Zaubersorm lJ das Verwehs u igsspil, Vertauschte 
Seelen“ zu spielen und seinen Geist in jedem Körper, der 
hn hodt, hineinzuwünschen. Diese Verwandlungskünste sind so 
ilt wie die dramatische Kunst fselbst; seit Götter sich in 
Menschenleiber hüllten, wurden jene heiteren Irrungen zum 
arößten künstlerischen Requisit der Komödie. Von Shakespeares, 
Molières klassischen Verwechslungsdramen bis zu den seichten 
ranzösischen Possen zieht sich der Weg. Das neueste Drama, 
as uns Scholz gegeben hat, bedeutet kaum einen Schritt weiter 
in der Entwickelung des Problems. Der Dichter blicb geblendet 
»on der glänzenden Komik, die sich aus dem Chaos derAuf—⸗ 
rstehung ergab, im Aeuherlichen stecken, und machte Leinen Ver— 
uch zur Vertiefung, lieh die großen Möglichkeiten des Ge— 
ankens ungenutzt. Die Darstellung konnte keinen großzen Ein— 
oruck vermitteln; nur Paul Wegener als Bettler beherbergte in 
seinem vielgestaltigen Körper mit behender Kunst die wandern— 
den Seelen. 
d. Der Kreislaui des Wassers auf der Erde. Die Menge 
des Wassers, das sich auf der Erde befindet, bleipt sich be⸗ 
anntlich immer gleich. In einem grohzen Kreislauf bewegt es 
ich, indem es in die Atmosphäre hinein verdunstet und hier 
urch Ablühlung in Niederschläge verwandelt, wieder die Erd— 
oberfläche erreicht. Wie groh die verdunsteten Mengen jährlich 
iind, haben neuerdings Untersuchungen cines Hydrographen Lüt⸗ 
jens ergeben. Auf dem Festlande verdunsten jährlich 81 360 
Rubilkilometer; über den Meeren 450 000 Kubilkilometer. Nicht 
aͤberall ist die Verdunstung gleich groß: in den Passatregionen 
überttifft sie die anderer Zonen. Diese Gesamtverdunstung 
von 531360 ekm setzt sich nun in Niederschläge um, die auf 
dem Lande mit 112 000 ekm und über den Meeren mit 420 000 
Xm berechnet werden;, so dah ein Gleichgewicht zwischen veraus— 
gJabten und vereinnahmten Wassermengen bestebt 
Theater, Kunst und Wissenschaft. 
nge. Ein französisches Urteil über Fri-drich Schiller. Wie 
fremd selbst den gebildeten Franzosen die deutsche Geisteswelt 
ist, beweist ein Aufsatz im letzten Hefte einer wissenschaftlichen 
Pariser Zeitschrift, der sich mit der „Rehabilitierung“ der 
Maria Stuart beschäftigt. Der Verfasser nennt sich Vico 
Beltrami und unterzieht sich der Aufgabe, das Andenken der 
unglücklichen Königin gegen die Verunglimpfungen, die ihr 
angeblich in dem Trauerspiele Friedrich Schillers zugefügt wor— 
den sind, zu verteidigen. Herr Beitrami ist der Meinung, daß 
Schiller allein die Schuld daran trägt, wenn man noch immer 
der Behauptung begegnet, Maria Stuart habe ihren Gatten, 
Lord Darnley, ermorden lassen, und er ist darüber so em— 
pört, daaß er sich zu folgenden Sätzen versteigt: „Schillers 
Drama ist noch etwas schlimmeres als ein schlechtes Theaterstück 
Es ist eine schlechte Tat. Schiller hat Maria Stuart verleum— 
det, wie er Johanna d'Arc und Philipp II. verleumdet hat. 
Aus Philipp II. macht er cinen durch die Inquisition verblöde— 
ten Idioten und Jesuiten, aus Johanna d'Arc eine wilde 
Hexe. die nicht einmal dem besiegten Feinde Verzeihung ge— 
wãhrt und alle Engländer, auf die sie trifft, erbarmungslos 
niedermetzelt, und aus Maria Stuart macht er eine Manns⸗ 
lolle, die sich in Leicester vergafft und durch diese unwürdige 
Liebelei die letzten Tage ihres Lebens verdirbt. Um seine Hel— 
din so tief wie möglich herabzusetzen, erfindet Schiller in einer 
gotteslästerlichen Szene einen Priester, eine Beichte und ein 
Abendmahl, — alles nur, um Maria Stuart dei ven Worten, 
die vom Tode handeln, feierlich erllären zu lassen, daß sie 
ihren Gatten gemordet hat.“ — Schiller hat in den Augen 
ves Herrn Beltrami nicht einmal die Entschuldigung, ein fa⸗ 
natischer Protestant gewesen zu sein, für sich. Nein: „..... er 
glaubte an nichts. Man braucht nur seine lyrischen Gedichte 
zu lesen, um sich davon zu überzeugen, z. B. jenes Gedicht, 
das beginnt: „Auch ich war in Arkadien geboren“. Durch 
den Wust der Gleichnisse hindurch erkennt man ohne Mähe, 
daß die Gedanken des Verfassers sich in den Grenzen einer 
grobsinnlichen Genußtucht bewegen und daß er die rein äußer— 
lichen Freuden des Daseins als dessen Endzweck ansieht.“ Bis— 
her waren wir törichten Deutschen des Glaubens, dan kaum 
ein anderer Dichter die idealen Güter der Menschheit begeister— 
ler gepriesen habe als Friedrich Schiller. 
C.K. Vom Werdegang des Rampenlichts. Das helle, strah— 
lende Rampenlicht in dem wir die Szenen und Gestalten der 
weltbedeutenden Bretter vor uns auftauchen sehen, erhält hente 
eine verführerische Pracht durch all die Beleuchtungswunder, 
zie unsere Zeit besitzt. Ein Theoterbesucher aus Shakespeares 
zeiten oder aus der Epoche Goethes und Schillers würde ge— 
»lendet vor diesen Lichtfluten stehen, die den vollen Glanz 
»es Tages auf die Bühne zaubern. Er würde jene ahnungsvolle 
Dämmerung, jenes stimmungsreiche Zwielicht vermissen, in dem 
ich früher die Gestalten der Dichtung im Rahmen der Kulissen 
»ewegten. Im 17. Jahrhundert war es eine Reihe unruhig 
»rennender Talglichter, die ihren ungewissen Schein über die 
)urchschnittsbühne verbreiteten, während man nur bei großen 
ßgrunkvorstellungen durch besondere auf der Bühne aufgestellte 
richtquellen größere Helligkeit erzielte. Der Lichtputzer war eine 
dichttge Persönlichkeit, die mitten im Spiel immer wieder 
uuftauchte, um die schwelenden, rauchenden, flackernden Kerzen 
u schneuzen. Im Pariser Théatre Français gab es zwei 
olcher Lichtputzer, von denen der eine die Lichter auf der 
dampe,. der andere die im Hause zu bewachen hatte. Da 
ei dem Herunterbrennen der Kerzen beständige Feuersgefahr 
orhanden war, hatte man diese Lichtputzer auch mit wasser— 
‚efüllten Eimern ausgerüstet. Die Geschicklichkeit und Grazie, 
nit der sie ihr wenig poetisches Amt ausführten, entzückte die 
zesucher, die einem beliebten Lichtputzer mehr applaudierten 
Is manchem Künstler. 1720 führte der bekannte Bankier Law 
in der Pariser Oper eine Neuerung in der Beleuchtung durch 
ndem er das Talglicht durch die Wachskerze ersetzte. Auch 
amals waren die Lichtputzer noch nicht überflüssig; aber sie 
satten nicht mehr so viel zu tun, und deshalb kam es vor., 
aß der Lichtputzer zugleich das Amt des Souffleurs übernahm 
ind plötzlich mit seiner Schere aus dem Kasten herausfuhr. 
In Stelle der Wachskerzen traten dann die sogen. Argant— 
ampen; aber eine wirkliche Helligkeit wurde erst dem Rampen— 
icht geschenkt, als am 6. Februar 1822 zum erstenmal Gas— 
eleuchtung in der Pariser Oper erschien. Es war an dem 
zage, an dem das nachgelassene Werk des Komponisten Nicolo 
Aladin oder die Wunderlampe“ zum erstenmal aufgeführt 
purde, und mehr als das magische Zauberlicht auf der Bühne 
nersetzten die grellen Lampen an der Rampe, die ein uner— 
„örtes Maß von Helligkeit ausstrahlten; das Publilkum in Ent— 
üchen. In den letzten 20 Jahren freilich ist dann das Gas 
nehr und mehr durch das elektrische Licht in den Schatten 
restellt worden. 
1710. Zu der 200. Wiederkeht des Geburtstages Friedrichs 
hes Großen am 24 Januaren. J. hat C. Geora Enael ein
	        
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