Full text: Lübeckische Anzeigen 1911 (1911)

n vber Rolonte be am 27. Septembet 3700 Manun be. 
lief sich am 10. Oktober auf über 10000 Mann. Einige der 
einberufenen Soldaten hatten, um zu ihrem Truppenteil zu 
zelangen, sieben Tage zu marschiereen. 4 
Wt. Komstantinopel, 14. Okt. Unter dem üblichen Zere 
moniell hat heute nachmittag die feierlich Eroffnung der 
außerordentliche Parlamentssession stattgefunden. Der 
Sultun. der Varschalluniform trug, erschien in Begleitung des 
Thronfolgers, zweier Prinzen und der Hofwürdenträger. Gleich 
darauf verlas der Grohwesir die Thronrede, die die Senatoren 
und Deputierten stehend anhörten. Sodann verrichtete der 
Scheich ul Islam das übliche Gebet, wobei auch die Vernichtung 
Italiens, das die Türkei verräterisch angegriffen 
habe, erfleht wurde. Hierauf verlies der Hof das Parlament, 
vährend die Kammer zur Wahl des Präsidiums schritt. 
Die deutsch⸗französischen Verhandlungen. 
Raris, 14. Okt. Ueber die BSerliner Marokko-Verhand- 
lungen wird Stilsschweigen beobachtet. Gestern nachmittag 
jattender Ministerpräsident und die Minister des Aeußern und der 
Kolonien eine längere Unterredung über die Verhandlungen in 
Berlin und über die Kompensationen. Wie es heißt, ist der 
Abstand zwischen den deutschen Forderungen und den französi— 
schen Zugeständnissen noch beträchtlich. Herr v. Kiderlen-Waechter 
vperlange den ganzen mittleren Kongo, wodurch das französische 
Kongogebiet in zwei Stücke zerrissen würde. Er überlasse ferner 
Frankreich (ie Auseinandersetzung mit Spanien wegen seiner 
Forderungen an der marokkanischen Küste. Ein Ministerrat soll 
am Dienstag über die deutschen Ansprüche verhandeln. 
Baris, 14. Okt. Die Republique Francaise schreibt zu den 
Kongo Verhandlungen: Die Regelung der marokkanischen Ange— 
legenheit, wie sie gegenwärtig aufgefaßt wird, das heißt, die end⸗ 
aüllige Regelung der Angelegenheit zwischen Frankreich und 
Deutschland kann noch immer so erfolgen, daß beide Länder darin 
einen wirklichen Vorteil finden und beide sich befriedigt erklären. 
Tazu ist nötig, daß das französishe Publikum begreift, daß die 
Angeélegenheit so, wie sie eingeleitet ist, nicht ohne Opfer un⸗ 
sererseits geregelt werden kann, ferner, daß Deutschland aner— 
lennt, daß wir das Recht und die Pflicht haben, diese Opfer 
ind ihre Folgen sorgfältig zu prüfen, bevor wir uns ent— 
schließen, sie zu bringen. 9 
— 
—Mï»AA 
Die chinesische Revolution. 
ondon, 14. Okt. Der rasche Fortschritt der revolu⸗ 
ionären Bewegung in Süd- China ließ von vornherein darauf 
chließen, daß die Bewegung von langer Hand vorbereitet war. 
daily Chronicle veröffentlicht eine Anzahl zwischen dem voraus⸗ 
ichtlichen ersten Vizepräsidenten der geplanten chinesischen Re— 
publik Dr. Sunyatsen und Londoner Finanziers gewechselten 
Briefe, die diese Ansicht bestätigen. Es geht daraus hervor, 
daß Dr. Sunyatsen seit Jahren an den Plänen für die Revolution 
nearbeitet und in London, Newyork, Singapore und in den 
nalaiischen Staaten um Hilfe geworben hat. Er suchte von den 
Finanziers in London ein Darlehen von 10 Millionen zu er— 
angen. Dr. Sunynatsen telegraßhierte später, daß er aus New— 
vork die Meldung erhalten hat, die Mobilisierung der gesamten 
amerikanischen Flotte stehe, wie vermutet werde, in Beziehung 
uu der Revolution in Ching. Den Revolutionären ist diese 
Mobilisierung willkommen, da man Furcht vor einer Ein— 
nischung Japans hatte, die jetzt unterbleiben wird. In einem 
reiteren Brief schreibt Dr. Sunyatsen: „Die neun Divisionen 
»er Kaiserlichen Armee im Süden und am Jangtse werden 
meistens von unseren Freunden kommandiert. Die Mann— 
schaften sind von unserem revolutionären Geist durchdrungen und 
werden sich der Bewegung sofort anschließen. Das gilt besonders 
oon den vier Divisionen in Wutschang. Mit diesen hat man 
eine Vereinbarung getroffen, daß sie zu uns herüberkommen, 
jchald wir den ersten Schuß abfeuern. Die sieben Divisionen 
in Peking sind die Schöpfung des abgesetzten Vizekönigs Juan— 
schikai. Seit dieser entlassen worden ist, hann die Regierung 
sich nicht mehr auf diese Truppen verlassen. Die ganze Marine 
besteht aus vier kleinen Kreuzern, deren Mannschaften uns eben⸗ 
falls freundlich gesinnt sind. Der ganze Süden ist für die Re— 
dolution reif.“ 3. 
Aus Peking wird gemeldet: Der chinesische Hof ist in großer 
Besorgnis. Die Wachen in der verbotenen Stadt sind verstärkt 
vorden. Der Vizekönig von Nanking telegraphiert, daß die Lage 
ehr ernst sei. Man befürchtet, daß die chinesischen Truppen in 
Peking und Tientsin meutern werden, sobald sie von den Erfolgen 
der Revolutionäre hören. 
Depeschen aus Schanghai melden, daß man dort der Sache 
der Revolutionäre die größte Sympathie entgegenbringe. In— 
dessen sind Kenner der Verhältnisse überzeugt, daß die Regie— 
ung schließlich doch den Sieg über die Bewegung davontragen 
vird. 
RVaris, 14. Okt. Nach Meldungen aus Peking ist man 
»ijnem Komplott gegen den Verkehrsminister auf die Spur ge— 
ommen. Den Verschwörern kommt es offenbar darauf an, in 
den Besitz sehr wichtiger Geheimdokumente zu komnten, die der 
Minister in Verwahrung hat und die sich auf die Truppentrans— 
Jorte beziehen. 
BRerlin, 14. Okt. Einer der Leiter der Diskontogesellschaft, 
Titektor C. Erich, ein guter Kenner der Verhältnisse Chinas, 
ernklärte dem Vertreter des Berliner Lokal-Anzeigers, daß die 
hinesische Regierung schließlich doch die Oberhand über die Re— 
ooluticnäre gewinnen und die Ordnung wiederherstellen werde. 
Vorbedingung sei allerdings, daß der Vizekönig Juanschikai zu— 
lücberufen und mit dem Oberbefehl über die Truppen betraut 
ver de. 
Berlin, 14. Okt. Alle Nachrichten aus China bestätigen, 
daß der Aufstand immer weiter sich ausdehnt. Die Lage 
der Mandschu-Regierung wird immer kritischer, zumal auch als 
zuverlässig geltende Truppen zu meutern beginnen. Jede 
Stunde bringt neue Hiobsposten. 
Die vor Hankau liegenden fünf chinesischen Kriegsschiffe 
haben die Flagge der neuen Republik gehißt. Die gegen die 
Rebellen nach Szetchuan gesandten Truppen haben sich der 
Revolution angeschlossen. Es ist dadurch den Revolutionären 
gelungen, sich in den Besitz der am Ingtsekiang liegenden be— 
deutenden Stadt Tschungking zu setzen. Damit dürfte ihnen die 
ganze Provinz Szetchuan ausgeliefert sein. Auch die große 
Handelsstadt Ichang hat ihnen die Tore geöffnet. 
In Hankau ist nach Newyorker Meldungen eine Feuers⸗ 
brunst ausgebrochen. Auch in der deutschen Niederlassung 
soll Feuer entstanden sein. Man glaubt, daß alle Ausländer 
auf den Kriegsschiffen in Sicherheit sind. 
Die wichtigste Meldung des Tages kommt aber aus Tsing⸗ 
dau in Schantung. Es beginnt auch in dieser Provinz die 
Auflehnung gegen die Regierung einzusetzen. In dem Tele— 
rramm heißt es, daß in Tsinatau zwei Bataillone modern 
debibeter hinesischet Trivcen Temetert vaben in diese 
Stadt werde offen die revolutionäre Propaganda betrieben. 
Tientsin, neben Peking die wichtigste Stadt Nordchinas 
soll mit den Aufständischen sympathisieren. 
Treffen diese Nachrichten zu — und es spricht alle Wahw 
cheinlichketit dafür —, so ist die Lage der chinesischen Regierung 
ehr ernst. Es dürfte dann dem Kriegsminister kaum noch ge⸗ 
ingen, der Bewegung Herr zu werden. Die kaiserlichen Trup⸗ 
»en im Süden und am Janatse sind unzuverlässig. Die Mann— 
chaften sind von dem revolutionären Geist durchdrungen und 
verden sich der Bewegung wohl anschließen; das gilt besonders 
von den vier Divisionen von Wutschang und Nanking. Alle 
diese Truppen, die Hauptmacht der Regierung, sind die Schöp⸗ 
ung des abgesetzten Vizekönigs Juanschikai. Seitdem er aus 
dem Staatsdienste ausgeschieden ist, kann sich die Regierung 
ruch auf sie nicht verlassen. In der Mandschurei steht eine 
Division; sie wird von einem revolutionär gesinnten General 
ommandiert, der im gegebenen Augenblick wohl auch gegen 
Peking marschieren dürfte. 
Unter diesen Verhältnissen ist es nicht zu verwundern, wenn 
bei den in China interessierten Mächten ernste Befürchtungen 
ür Leben und Gut ihrer dort ansässigen Landsleute und die 
Sicherung ihrer kolonialen Besitzungen entstehen. 
Wit. Hankau, 14. Okt. Die revolutionäre Armee besteht 
in der Mehrzahl aus früheren regulären Truppen. Auf Bitten 
der Kaufleute haben die Aufrührer den Umlauf von Papier⸗ 
ollars zugelassen. 
Die revolutionäre Regierung teilte den Konsuln mit, daß sie an 
zie Stelle der früheren Regierung getreten sei Der Telegraph be⸗ 
indet sich in den Händen der Revolutionäre, die die chinesischen Tele⸗ 
sramme der Zensur unterwerfen, während die Telegramme der 
Fremden der Zenlur nicht unterliegen. Die Europäer führen ein 
dagerleben. 
W. Berlin, 14. Okt. Der Kreuzer „Leipzig““, der sich 
zurzeit in Schanghai befindet, erhielt den Befehl, nach Hankau 
zu gehen. Das Kanonenboot „Iltis“ geht nach Nanking 
und der Kreuzer „Nürnberg“ ron Tsingtau nach Schanghai. 
Die Entscheidung im Fall Kraatz. 
Berlin, 14. Okt. Den Mittagsblattern zufolge ging der Be 
cheid des Gerichts zuv 2. Gardedivision, durch den der Straf 
antrag der Luisengemeinde gegen zwei Offiziere des Elisabeth— 
segiments wegen Störung des Gottesdienstes abgelehnt wird, 
en Antragstellern nunmehr zu. In der Begründung heißt es, 
Pfarrer Kraatz habe einen Mangelan Unterordnungs— 
zefühll vninter die ihm gesetzte Obrigkeit bewiesen. Die Offi— 
iere hätten nach pflichtmäßigem Ermessen gehandelt. Eine straf— 
are Sandlung nach 8 167 des Strafgesetzbuches liege nicht vor. 
eueste Nachrichten und Telegramme. 
Einschränkung der deutschen und enlischen Flottenbauten? 
Berlin, 14. Okt. Der Wiener Vertreter des Daily Chro— 
icle meldet, aus einer von ihm als ausgezeichnet bezeichneten 
Muelle erfahren zu haben, seit einigen Monaten fänden Ver— 
andlungen zwischen“ Berlin und London statt, um eine Ein— 
chränkung der Flottenbauten herbeizuführen. Die Angelegen- 
heit sei diesmal von der deutschen Seite in Angriff genommen 
vorden und werde mit der größten Heimlichkeit betrieben. Die 
Arsache sei, daß man in Deutschland die durch den RNotten— 
hau gewordenen Neulasten sehr empfinde, und daß die deutsche 
Regierung nicht daran denken könne, von dem Reichstage wei— 
tere Mittel für Flottenforderungen zu erhalten. 
Zum Zwischenfall von Agadir, 9 
W. Berlin, 14. Okt. Die Nordd. Allg. Z3tg. wendet 
ich gegen einen Artikel über den inzwischen erledigten Zwischen— 
'all von Agadir, den die Deutsche Zeitung, die sich als unab 
ängiges Tageblatt für nationale VPoljitik bezeichnet, am 11. Okt. 
eröfsentlichte. Der Artikel nahm auf das Verhalten des 
dommandanten des Kreuzers „Berlin“ bei der Hissung der 
ranzösischen Flagge in Agadir unter anderem mit den Worten 
Bezug, daß jeder englische und französische Kapitän eine For—⸗ 
nel für ein Eingreifen gefunden hätte. Die Nordd. Allg. Z3tg. 
emerkt: Abgesehen davon, daß es sich der Kenntnis der Deut—⸗ 
chen Zeitung entzieht, was der Kommandant des deutschen 
dreuzers getan hat, ist der durch Sperrdruck hervorgehobene 
zinweis auf englische und französische Kapitäne ein ungerecht— 
ertigter Angriff auf einen Seeoffizier, der im Rahmen der 
hm erteilten Instruktionen handelte und zur vollsten Zu— 
friedenheit seiner Vorgesetzten seine Pflicht tat. 
Anarchisten⸗Verhaftungen. 
Berlin, 14. Okt. In den letzten Tagen sind hier mehrere 
Anarchisten, u. a. der Kassenwart der Anarchisten-Organisation, 
Zielmayer, und einer der Hauptorganisatoren, Böttcher, 
testgenommen worden. Wie verlautet, handelt es sich um die 
Anschuldigung, die Flucht eines Deserteurs begünstigt zu haben. 
Gleichzeitig wurden in Hamburg die Anarchisten Bader 
und Schreier, ebenso in Düsseldorf und in Krefeld insgesanit 
pier Verdächtige in Untersuchungshaft genommen. 
Mitteleurovischer Wirischaftsverein. 
W. München, 14. Okt. Die Generalversammlung des 
nitteleuropäischen Wirtschaftsvereins in Deutschland ist in Ge— 
zenwart des Prinzen Ludwig von Bayern durch den Präsidenten 
derzog Ernst Günther zu Schleswig-Holstein mit einer Be— 
zrüßungsansprache eröffnet worden, in der er auf das auf 
»er Tagesordnung stehende Thema, Mittel und Wege, den 
Donauverkehr zu heben und ihren Charakter in Bayern und 
Desterreich Ungarn stärker wie bisher zu betonen, Bezug nahm. 
Sodam entbot Staatsrat Löhl namens der bayerischen Regie— 
rung der Versammlung die besten Wuünsche für eine gedeihliche 
Arbeit. 
Lehnerhöhung der süchsischen Eisenbahnarbeiter und Teuerung. 
W. Dresden, 14. Okt. Angesichts der Verkeuerung bder 
Lebensmittel, Wohnungsmieten und sonstigen Bedarfsgegen— 
tände bewilligte die sächsische Staatseisenbahnverwaltung den 
Urbeitern eine allgemeine Lohnerhöhung um 20 Pfg. täglich 
nit Wirkung vom 1. Oktober ab. Die Bezüge der Eisenbahn⸗ 
uehilfen werden vom 1. Oktober ab um teils 10, teils 5 M 
monatlich erhöht. 
Nobelpreis an Maeterlind verliehen. 
W. Stodholm, 14. Okt. Die Zeitung Dagens Nyheter 
meldet, daß der diesjährige Nobelpreis für Literatur. Maurice 
Maeterlinck verliehen wird. 
Fahrt des „Schwnben“ nach Hamburg. 
Berliu, 14. Okt. Das Zeppelin⸗-Luftschiff Schwaben“, 
dessen Fahrt von Düsseldorf nach Berlin vom 15. auf den 17. 
d. M. verschoben worden ist, wird bei dieser Gelegenheit, wenn 
die Witterungsverhältnifse es gestatten, zunächst Sambur 
einen Besuch machen. Dr. Eckener, der den Luftkreuzer führ 
will einige Schleifenfahrten über der Stadt ausführen und dann 
ohne zu landen, nach Berlin weiterfahren. Die „Schwaben 
wird in der neuerrichteten großen Halle der Luftoerkehrs⸗Ge 
iellschaft in Johannisthal stationiert werden und von dort aus 
acht Tage lang Passagierfahrten unternehmen. 
Wt. Berlin, 14. Oll. Das Marineverordnungsblatt veröffent 
licht eine TRabinettsorder, nach der bei gleichzeitiger Wahr. 
nehmung mehrerer Dienstslellungen an Land von den aus ihnen zu 
ständigen Stellenzulagen nur eine und zwar bei verschiedener Höhr 
die höchste voll und jede andere nur zur Hälfte gewährt werden. 
W. Berlin, 14. Olt. Die Nordd. Allg. 3tg. schreibt: Meh 
rere Zeitungen vermeinen, daß die kürzlich durch die Presse 
gegangene Notiz über die Erträgnisse des russischen fiskalischen 
Branntweinhandels von der Reichsfinanzverwaltung veranlaß 
sei, die damit die eigenen Wünsche für die Gestaltung der deut 
schen Branntweinsteuer andeuten wolle. Wir sind zu der Er 
klärung ermächtigt, daß die Reichsfinanzverwaltung jener Presse 
notiz vollkommen fernsteht. 
W. Madrid, 14. Oklt. Nach amtlicher Feststellung ent 
behren die von Paris verbreiteten Nachrichten aus Oran, nach 
denen die spanischen Truppen bei Seluan überrascht und zer 
treut worden sind, jeder Grundlage. Ebenso unrichtig ist die 
Meldung, daß die Subdana-Kabylen den Muluja überschrei— 
ten wollen, um nicht weiter unter spanischem Einfluß zu leben 
W. Berlin, 14. Okt. In dem Börsenbeleidigungsprozen 
rerurteilte das Schöffengericht des Amtsgerichts Berlin Mitt 
den angeklagten Redakteur der Bank- und Handelszeitung, Dr 
Mancke, wegen Beleidigung des Redakteurs des „Plutus“ 
Bernhard, zu 600 MeGeldstrafe und den Widerbeklagten Bern 
hard zu 50 MeGeldstrafe. 
W. Sprembera, 14. Okt. Gestern nachmittag brannte wäh 
rend der Arbeitszeit die Tuchfabrik der Firma Gebrüden 
Würfel nieder. Mehrere Arbeiter konnten sich nur über Leiter 
retten. 
Geestemünde, 14. Okt. In den Unterwesergebieten droh 
eine Milchnot auszubrechen. Die hiesigen Molkereien unt 
die in den Nachbarbezirken kündigen an, daß sie bis auf wei— 
teres ihren ständigen Abnehmern nur 60 Prozent des bishe— 
gelieferten Quantums an Milch werden liefern können. 
W. Elberfeld, 14. Okt. Das Schwurgericht verurteilt 
gestern den Kommis Lorenz Heintzen, der am 11. Sept. in 
Barmen die Polizeisergeanten Dahl und Kellner ftödlich und 
einen Dritten durch zwei Revolverschüsse nicht unerheblich ver 
letzte, wegen Mordversuchs in einem Falle und wegen vollendeter 
vorsätzlicher Tötung in zwei Fällen zu einer Gesamtstrafe vor 
13 Jahren Zuchthaus. 
W. Eisenach, 14. Okt. Im Schacht Heiligenroda bei Sprin— 
gen stürzte der mit zwei Arbeitern beseßte Förderkorb infosge 
Versagens der Bremse in die Tiefe und zertrümmerte. Beide 
wur den getötet. 
W. Rheims, 14. Okt. Der am 12. Oktober abgestürzt 
Flieger Level ist seinen Verletzungen erlegen. 
Vermischtes. 
Die Station für Funkentelegraphie auf Spitzbergen ist jeßr 
fertiggestellt, so daß der Betrieb in nächster Zeit beginnen 
kann. Die Station hört die Apparate von Norddeich und 
Poldhu in England und kann Radiumgramme von dort auf 
nehmen, so daß die Sicherheit der Verbindung mit Ingo— 
Norwegen) verbürgt ist. Die Station in Ingoe, die den 
Sauptverkehr mit Spitzbergen übernimmt, soll am 15. Nov 
sertiggestellt sein. Bis zu diesem Zeitpunkt werden Versuch 
zemacht, direkte Verbindung mit Norddeich zu erhalten, un 
nöglichst auch Nachrichten dorthin geben zu können. Das 
Zeichen der Station Spitzbergen, das allen Radiogrammen 
nach und von dort vorgesetzt wird, ist „Sbr“. Für die be— 
ibsichtigte Polarexpedition mit Zeppelin-Luftschiffen wäre die 
Station eine wirksame Hilfe. 
Cooks Instrumente wiedergefunden. Von Kopen— 
hagen wird mitgeteilt: Der junge dänische Wissenschaftler 
Peter Freuchen, der sich zusammen mit Knut Rasmussen auf 
Srönland aufhält, um das Leben der Eskimos zu studieren, 
hat der Zeitschrift „Politiken“ vom nördlichen Umanak der 
Sextant zugesandt, welchen Dr. Cook mit einigen anderen 
Instrumenten in Etah zurüdgelassen hat. Der Eskimo Itubusuh 
welcher Dr. Cook auf dessen Reise begleitete, hat das In 
trument an Freuchen gegeben und ihm mitgeteilt, daß Cool 
ihn und seine Kameraden um ihre Löhne betrogen hat und 
edem derselben nur ein Fedecrmesser und einige Zündhölzen 
als Bezahlung für die zwei Jahre, welche sie in seinem 
Dienste zugebracht haben, gegeben hat. Die Eskimos haben 
ich dann in den Besitz von Cooks' Instrumenten gesetzt, be 
jaupten aber, daß sich überhaupt keine Aufzeichnungen in der 
Kiste, wo dieselben lagen, befunden haben. Dieses hat Cooil 
nit großer Bestimmtheit behauptet. Alle übrigen Eskimos 
destätigen auch Ituhusuhs Behauptungen. Freuchen ist sehr 
anruhig über das Schicksal des verschwundenen Polarforschers 
Mikkelsen und teilt mit, daß er und Knut Rasmussen am 
J. Febr. längs der Küste reisen werden, um Mikkelsen 
suchen. 
C. K. Ein verlorener Schatz der Cyrenaika. Die Münze 
von Cyrenaika zeigen an ihrem Rande einen Kranz vor 
Silphienblättern, eine Erinnerung an ehemalige Tage de— 
Wohlssandes und des Reichtums. Denn die Cyrenaika war 
im Altertum durch den Saft des Asants berühmt und durd 
den Verkauf dieses vielgesuchten Gewürzes und Heilmittels 
flloß Reichtum in das heute verarmte Land. Fast all« 
-chriftsteller des Altertums erzählen von diesem Asantsaft 
den die Römer lus erpitium nannten. Der Wert dieses 
Pflanzenproduktes war so groß, daß selbst der Staat bei 
Eintreibung der Steuern und Abgaben den „Opos“ ohné 
weiteres in Zahlung nahm. Man gewann den Saft durch 
»inen Schnitt in die Wurzel des Baumes, ein harzartiger, 
ummiähnlicher Stoff quoll hervor und nahm hald festere 
Forni an. Aber die Kultur dieser Bäume, die einst eine 
daupteinnahmequelle der Cyrenaika war, verschwand plõtzlich 
nuf noch heute nicht völlig aufgeklärte Weise. Plinius meint 
die öffentlichen Hirten hätten ihr Vieh frei weiden lassen 
u4nd damit die Vernichtung des kostbaren Baumes herbei— 
aeführt. Zur Zeit Neros fand man in ganz Cyrenaila nur 
noch einen einzigen Baum, der als Ehrengabe dem Kaiser 
ibersandt wurde. Nach einer anderen Schilderung zerstörten 
die Bewohner der Cyrenaika selbst die Asantkulturen, um 
regen die übertriebenen Abgaben und Zölle zu protestieren. 
beute findet man von den zur Familie der Umbelliferen 
gehörenden Pflanzen nur noch eine andere Art zwischen dem 
Aralsee und dem persischen Meerbusen; aber in Nordafrike 
ist sie vollständig ausgestorben.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.