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Zeilagen: Vaterstädtische Blätter. Der Familienfreund.
Imtsblatt der sreien und Hansestadt Lubeck 161. Jahrgang nachrichten für das Herzogtum Lauenburg. die
Heiblatt: Gesetz und Verordnungsblatt e cedenar gürstentümer Katzeburg, Lübech und das angren⸗
ůεεειειασαεαεααεεαασαιεεειειειεεειεσαεοσ bu hii de ve scee Veieden eibec zende medlenburgische und holsteinische Geviet.
Oruck und Verlaa: Gebrüder Borchers —2 5. m Lubect. — Geichãftsstelle Adreß baus (Komacitt. a69. Fernprecher —X u. oooi.
ECEGroße Ausgabe) Sonnabend, den 14. Oktober I911. Abend⸗Blatt Ur. 5322.
Ausgah
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Erstes Blatt. hierzu 2. Blatt.
————————— ———— —
Amfang der heutigen Nummer 6 Seiten.
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nichtamtlicher Teil.
hölkerrechtliche Betrachtungen
zum italienisch-türkischen Krieg.
Lübeck, 14. Okt.
In Ni. 20 der Teutschen Juristenzeitung veröffentlicht der
Königsbetrger Professor Fleischhmann interessante
oölkerrechtliche Betrachtungen zum italienisqh
türkischen Krieg. Er behandelt dabei insbesondere einige
Fragen von allgemeiner Bedeutung, die auch eine Wirkung auf
deutsche Verhältnisse äußern.
Der Verfasser wirft dabei vor allem zwei Fragen auf,
einmal die des räumlichen, dann die des persönlichen
Machtbereiches der Türkei. Betreffs der ersteren weist
er darauf hin, daß trotz bisher nicht eingetretener Vermitt—
ung der Garantiemächte des Berliner Vertrags das Institut
der völlkerrechtlichen Garantie noch nicht erstorben sei. Tas
»eige die Begrenzung des Streitfeldes, die sich Italien
durch sein Rundschreiben an die nicht beteiligten Balkanstaaten
vom 28. September gesetzt habe. In ihm hat Italien die
Aufrechterhaltung des territorialen status quo auf der Balkan—
halbinsel und der Festigung der europäischen Türkei pro—
klamiert. Eine so eigentümliche Selbstbeschränkung im Gebrauch
der kriegerischen Mittel könne nur auf den Fortbestand
ver Garantie seitens der anderen Garantiestaaten zurück—
geführt werden. Bezüglich des persönlhichen Machtb'e—
reichs der Türkei bejaht Professor Fleischmann die Frage,
ob die Türkei berechtigt sei, die Jtaliener aus ihrem
Gebiet auszuweisen. Dem ständen auch nicht die Ka—
pitulationen entgegen, die für den Krieg als zerrissen
gelten. Die Italiener seien dem Nechte nach zurzeit des be—
sonderen Schutzes bar, den ihnen für den friedlichen Verkehr
die Kapitulationen einräumen.
Dann sagt der Verfasser mit Beziehung darauf, daß die
deutschen Konsuln mit dem Schutz der Italiener
becuftragt worden sind, weiter:
„Daß die Italiener auf Ansuchen unter den Schutz der
deutschen Konsuln gestellt worden sind — kine politische
Folge des sogen. Dreibundes — steht dem nur
schein bar entgegen. Solcher Schutz sorgt bloß für
eine geordnete amtliche Vertretung ihrer Inter—
essen, kann ihnen aber nicht die gleiche bevorrechtete
Stellung verschaffen, wie sie die Angehörigen des Reiches
genießen. Der deutsche Konsul ist hier im wesentlichen als
Beauftragter der italienischen Regierunga anzusehen Da aber
diese die Kapitulationen nicht mehr für sich geltend machen
kann, so sind eben rechtlich fortan die Italiener auf türli—
schem Gebiete auch der Gerichtsbarkeit und Polizeigewalt der
dürkei unterworfen; natürlich unter Wahrung der konsularen
ßausexemtion. Das läßt dem Zwange Raum, und keines⸗
wegs bloß für die Ausweisung; auch zur Schließung
der italienischen Schulen und dergleichen. — Re—
vressalien haben flüssige Rechtsgrenzen. Privates Eigentum
banca di Roma!) darf allerdings nicht eingezogen werden.
Anders das Staatseigentum, wie es wohl die
talienischen Postanstalten in der Türkei dar—
tellen; das wird gemäß Art. 53 der Haager Ordnung
zon 1907 über die Gesetze und Gebräuche des Landkrieges
u behandeln sein: Unterbindung des Betriebes und Be—
schlagnahme der dem italienischen Staate gehörenden Be—
tände.“
„Unverkennbar ist hiermit — so folgert Professor Fleisch—
nann — für die deutschen Konsuln rechtlich wie
olitisch eine ungemein schwierige Lage ge—
chaffen. Sie ist im wesentlichen bedingt durch die spezifische
Unklarheit der Rechtsverhältnisse in der Türkei, der das
Bölkerrecht gar nicht wenige zweifelhafte Gebilde verdankt,
vie Friedensblockade, Meerengenfrage, sogenannte Autonomie
ind Verwaltung durch fremde Staaten und über all das
inzelne hinaus eben die Kapitulationen mit der konsularen
zurisdiktion. Das System der Kapitulationen drängt lange
iach einer Aenderung. In welcher Richtung sie sich be—
vegen wird, ist nicht abzusehen. Eine Großeiacht wie
Italien könnte in dem — hoffentlich bevorstehenden —
Friedensschlusse, unabhängig von den anderen Mächten, nicht
vohl einen Verzicht aussprechen, vielleicht aber eine Ein—
chränkung. Damit würde dann freilich die Frage der Kon—
ularjurisdiktien mit ihren kulturell-sozialen Wurzeln und
hren politischen Verzweigungen für alle beteiligten Mächte
rufgerollt. Das wirkt als rechtliche Fernwirkung des Waffen-
zanges, als eine seiner Wirkungen.... Doch die Türkei ist
»ölkerrechtlich das Land der unbegrenzten Möglichkeifen“
Die Rebellion in China.
Von unserem Berliner Korrespondenten.
China sieht sich wieder einmal mitten in einer ge—
ährlichen Revolution. Ein wenig Revolution wird ja immer
rgendwo in dem weiten Reich gemacht, von dessen Aus—
»ehnung man sich gemeinhin gar keine richtige Vorstellung
nacht. Auch gibt es in China unter seinen über 400
Millionen Einwohnern nicht nur „Chinesen“ schlechthin, son—
ern diese mongolische Masse zerfällt doch auch wieder in
eilweise sehr verschiedenartige Stämme. Deshalb kann es
iicht wundernehmen, daß bald da, bald dort Unruhen ent—
tehen, die entweder wieder von seshit abflauen oder in
inem Blutbad erstickt werden
—
Diesmal aber, so wird behauptet, soll die Bewegung—
die von den volkreichen Provinzen im mittleren China ihren
Ausgang genommen hat, von ganz besonderer Heftigkeit
und Gefährlichkeit sein. Wenn die Meldungen richtig sind,
daßz es auch im Süden, ja selbst im Norden, in der
Gegend der Hauptstadt Peking, nicht mehr geheuer sein
'oll, dann stünde man ja allerdings vor einer außergewöhn—
ichen Erscheinung. Einstweilen aber steht nur soviel als
icher fest, daß Wu-Tschang, eine große Stadt am Jang⸗
se⸗kiang, 960 km von der Küste entfernt, in den Händen
»er Rebellen ist, weiter, daß die Provinz Hu-Peh, ein
ßebiet halb so groß wie Preußen, sozusagen offiziell sich
»er Revolution angeschlossen hat, indem die Provinzver—
retung sich von Peking unabhängig erklärt hat. Es ist
ruch zu einer Schießerei zwischen den Aufrührern und
einigen auf dem Strom liegenden Regierungskreuzern ge—
lommen. Aber sie wurde bald eingestellt, als der japanische
und die europäischen Konsuln wegen Gefährdung der Frem—
denniederlassungen in Hankau Einspruch echoben.
Alle anderen Meldungen sind unkontrollierbar,
so vor allem auch die über die treibenden Kräfte
der Bewegung. Der Sturz der Mandschu—
dynastie, heißt es, soll ihr Ziel sein. Unzufriedenheit mit
dem herrschenden Regiment wäre dann die Ursache. Die
Unzufriedenheit aber wird auf beleidigten Nationalstolz und
daraus entspringendem Fremdenhaß zurückgeführt. Die Ueber
griffe Rußlands und Japans in der Mandschurei und die
ichwächliche Haltung der Zentralregierung ihnen gegenüber
oll die Zopfträger erbittert haben. Auch wollen sie nich
weiter zusehen, wie die Fremden die großen Gewinne aus
»em wachsenden chinesischen Esenbahnnetz ziehen, also immer—
zin Gründe, die sich vom Standpunkte eines gehobeneren
Nationalgefühls aus begreifen lassen. Aber ists wirklich
o, treibt die Rebellen wirklich ein geläutertes National—
jefühl und nicht etwa nur blinder Haß gegen die fremden
sindringlinge vorwärts? Darauf kommt es an. Sat sich
virklich mittlerweise ein Hinesisches Nationalbewußtsein im
»uropäischen Sinne entwickelt und ist eine Organisierung aus—
eichend vorbereitet, dann wackelt allerdings der alte
Mandschu-Thron bedenklich. Ists aber nur eine Fremden—
evolte alten Stils, dann wird die Pekinger Regierung wohl
vieder Herrin der Lage werden d.
Deutsche Gffiziere auf dem italienisch⸗türkischen
Kriegsschauplatze.
Es ist gemeldet woroen, daß zwcei deutschen Offizieren,
dent Marineattaché der deutschen Botschaft in Rom, Fregatten—
apitän Fuchs, sowie dem Major im Großen Generalstabe,
». Kleist, von ihren vorgesetzten Behörden der Befehl erteilt
vorden sei, sich zur Beobachtung der militärischen Ereignisse
ruf den Schaupsaß des Krieres zwischen Itrlien und der
—
weites, grünes Tal, überzittert von dem schwachen Licht der
inkenden Morgennacht.
„Kennst du es?“ fragte er und griff zur Karte.
„Das ist Madeira!“ rief sie froh und klatschte in dvie
sände. „Das ist Rabacal — da wohnt der Leradawärter —
da ist der Risch — und da das Tal der fünfundzwanzig
Quellen!“
—„Dann sind wir in einer halben Stunde in Funchal!“
agte er und setzte den Motor an. Das Fahrzeug gehorchte
»em Druck des Höhensteuers und bhob sich in sanftem Bogen
iber die Berge. Das Meer blinkte auf. Dicht über der Süd—
üste flogen sie dahin. Funchal lag noch im tiefen Schlummer.
Im Osten ruhte ein goldener Streifen. Waldemar Quint machte
den Anker klar zum Fall.
„DTu hattest mich erwartet?“
„Ich wußte, daß du kommen würdest!“
Leise klirrte die Ankeregge an der Brüstung der Terrasse.
Die Gondel stieß auf. Marion stieg hinüber. Waldemar
Quint schloß das Ventil.
„Leb wohl!“ sagte sie leise. „Wann kommst du wieder?“
„Ich weiß es nicht!“ antwortete er dumpf und löste den
Anker. Miit einem Sprunag schnellte der erleichterte Ballon
nn die Höhe.
Marion schaute ihm nach, bis er über der Deserta ver—
chwunden war; dann ging sie durch den Park und trat ins
baus. Niemand hatte ihr Fehlen bemerkt.
Waldemar Quint saß wieder über seinen Plänen. Marion
hatte er vergessen. Unablässig formten sich die welterschüttern-
den Ideen in seinem rastlosen Geiste. Klar sah er seinen Weg.
Er wollte der Menschheit den Weltfrieden schenken!
Nicht mehr mit der Liebe war die Beitie zu bändigen,
sondern mit der Furcht. Die Zeit der Propheten, die das
Mitleid predigten, war vorbei. Er wollte ein Prophet des
Zchreckens sein. Vor keiner Konsequenz scheute er zurück. Er
vollte eine Revolution anzünden, wie noch keine den Kreis
»er Völker durchbebt hatte. Ueber tausend und abertausend
Memnschenleben führte der Weg kinweg. Es waren die Onfer
auf dem Altar der neuen Menschheit.
Er fühlte eine Kraft in der Faust, es mit allen Völkern
der Erde aufzunehmen. er. ein Meaich gegen anderthalbhtausend
l
Der herr der Luft.
Englands Feind.
Roman von Ewald Gerhard Seeliger.
(14. Fortsetzung.) Machdruck verboten.)
Tief unter ihnen brütete die Finsternis, oben aber lichtete
es sich allmählich. Die Umrisse des Ballons kamen in einem
zarten, ungewissen Licht zum Vorschein. Mit einem kleinen
Ruch riß sich das Fahrzeug aus der Umflammerung der
feuchten, dicken Wolkenschicht.
Marion stieß einen lauten Schrei der Ueberraschung aus.
Ein weißes, mattsilbernes Meer öffnete sich ihren Blicken, und
auf seinem messerscharfen Horizont ruhte eine strahlende Scheibe.
„Was ist das?“ fragte Marion und deutete auf das
glühende Rad, das sich allmählich vom Horizont des weißen,
unbeweglichen Meeres löste und in die toten Sterne hinein—
schwamm. F
„Der Mond!“ erwiderte Waldemar Quint und stellte den
Motor ab. 4 V0—
„Wo sind wir?“ fragte sie und starrte auf das wunderbare
Meer zu ihren Füßen, das wie Silber glänzte und sich
in die Unendlichkeit zu dehnen schien..
„Ueber den Wolken!“ antwortete Waldemar Quint und
schaute durch den Sextanten, um eine Monddistanz aufzu—
nehmen. I 1— —
„Wir steigen noch immer!“ rief sie, „wir steigen zu den
Sternen empor!“ 0
„Waldemar Quint schüttelte den Kopf und griff zu seiner
Rechentafel.
„Blötzlich kam Bewequng in das weiße Wolkenmeer. Die
erstarrten Wogen begannen an etlichen Stellen zu bersten,
leue Bildungen stießen herauf, bald rund, bald hartlinig,
Schluchten und Spalten dffneten sich lautlos und schlossen sich
wieder. Ohne Gefetz und Regel vollsog sich dieses Wogen
Wie die verknäulten Leiber weiher Riesenschlangen wühlte es
ich lautlos auf und ab. Tann ließ der Kampf nach und das
Meer glättete sich wieder unter den silbernen Strahlen des
Vollmondes.
„Was war das?“ fragte sie und legte die Hand auf
fteinen Arm. e u
„Ein Windstoß von unten!“ sagte er, ohne sich in seiner
Rechnung stören zu lassen. Doch in seiner Brust arbeitete
s mächtig.
Marion wandte sich und sties wieder einen Freuden—
chrei aus.
„Schauen Sie dahin! Schauen Sie dahin!“ rief sie und
trecte ihre Arme nach der Richtung aus, in der die Mond—
trahlen fluteten. Auf dem weißen Meere lag wie ein großes,
dunkles Riesengespenst der verzerrte Schatten des Ballons, um—
zeben von einem Kreis leuchtender Farben.
„Ein Wunder!“ hauchte sie leise vor sich hin.
„Nein, nein!“ rief sie abwehrend und hob die Hand gegen
hn. „Es ist zu schön, zu schön!“
Regungslos stand sie so, im Schauen versunken.
Waldemar Quint war mit seiner Kraft zu Ende. Lang⸗
am, wie unter einem Zwange, lhob er den Blich zu Marion
ruf. Er streckte den Arm nach ihr aus, er riß sie an sich.
Sie wehrte sich nicht und erwiderte seinen Kuß.
Steuerlos trieben sie dicht unter den Sternen dahin.
Der Mond stieg zum Zenit, sein Glanz ließ die Sterne
zrblassen. Er stieg wieder zum Horizont hinab. Die Sterne
zerlöschten, der Morgen dämmerte berauf.
„Ich liebe dich!“ flüsterte Marion.
Waldemar Quint stöhnte tief auf; er schloß die Augen.
Wie ihnen vorher die Erde vrersunken war, so versanken
sie jetzt ineinander. Steuerlos trieb das Fahrzeug in den
wechselnden Morgenwinden hin und her und senkte sich langsam
in die feuchte, unbewegliche Wolkenschicht.
Wualdemar Quint raffte sich auf, Marion schlief. Er deckte
sie mit seinem Mantel zu; davon erwachte sie.
„Wir fallen!“ rief sie erschredt. *
Vielleicht ins Meer!“ sagte Waldemar Quint und nickte.
Jein nein! Leben will ich, leben für dich!“ Fest umfing
chn.
„Noch sehe ich nichts!“ war seine Antwort.
Schneller fiel der Ballon, die Kälte der Wolken raubte
dem tragenden Gase die Kraft. Plötzlich zerrissen unter ihnen
die schweren Dunstmassen. und ihren Blicken öffnete sich ein