Full text: Lübeckische Anzeigen 1911 (1911)

Natürlich wird bei dem Diplomakenempfang am Dienskag 
auch der italienisch-türkische Krieg zur Sprache gekommen sein. 
Für eine Friedensvermittelung im eigentlichen Sinne ist es 
aber noch zu früh. Denn Italien hat wohl einige Punkte 
des thürkischen Besitzes in Nordafrika besetzt, bisher jedoch 
nicht genügend Truppen gelandet, um als Herr von Tripolis 
gelten zu können. Andererseits ist die innere Lage in der 
Türkei noch ungeklärt. Die eigentliche Friedensvermittlung in— 
dessen kommt erst in Frage, wenn Italien nach der Landung 
eines Okkupationsheeres als Herr von Tripolis angesprochen 
werden kann und wenn das türkische Parlament in Sachen des 
Friedensschlusses dem Standpunkt der türkischen Regierung zuge— 
stimmt hat. 
Der Schiffsverlehr der Deutschen Levante-Linie, 
Samburg. 12. Dkt. Die Deutsche Levante-Linie erhielt 
bvom Auswärtigen Amt die Mitteilung, daß die italienische 
Regierung angeordnet habe, die Schiffe der 
Deutschen Levante-Linie nicht zu visitieren. 
Das itaenische Erpeditions korps. 
Tripolis, 12. Okt. Begleitet von einem Teil des Ge— 
schwaders, sind heute morgen weitere 19 Transport⸗ 
dampfer mit der zweiten Staffel der nach Tri⸗ 
polis bestimmten Expeditionstruppen eingetroffen. Die Aus« 
schiffung begann sofort und vollzieht sich ohne Störung. In 
einer Entfernung von 180 Seemeilen von Tripolis ist nach 
Italien zu eine Schutzkette für die Transportschiffe, bestehend 
aus dem Panzerkreuzer Coatit und einer größeren Anzahl von 
Torpedobooten und Torpedobootszerstörern, postiert. 
Rom, 11. Okt. Die nach Tripolis bestimmten Abteilun⸗ 
gen Feldartillerie haben sich heute nach Nordafrika einge— 
ichifft. —2W 
Wt. Rom, 12. Okt. Giornale dItalia zufolge sind jetzt 
im ganzen 22000 Soldaten in Tripolis gelandet. 
früheren Minister Sonnino und Guicciordini sind dort ange— 
ommen. 
Zwanzig Italiener ermordet. 
Alexandrien. 12. Okt. (Meldung der Agenzia Stefani.) 
Der hiesige italienische Konsularagent in Hodeida, Sola, der 
auf der Durchreise hier eingetroffen ist, teilte mit, er habe 
gehört, daß zwanzig bei den Eisenbahnarbeiten in Hedschas 
beschäftigte italienische Arbeiter in den ersten Tagen des Monats 
Oktober von den Türken ermordet wurden. Die Nachricht wird 
auch von anderer Seite bestätigt und hinzugefügt. daß sich der 
Vorfall in Karak ereignet hat. J 
Ein iĩtalienischer Konsularagent vertrieben. 
Alexandrette, 12. Okt. Meldung der Agenzia Stefani.“ 
Der hiesige italienische Konsularagent wurde gezwungen, die 
Stadt zu verlassen und nach Cypern zu flüchten, und zwar in—⸗ 
folge von feindlichen Kundgebungen und Steinwürfen gegen 
das Konsulat, die sich mehrere Nächte hindurch wiederholt haben. 
Ein Araber hänptling unterwirft sich den Italienern. 
Tobruk, 12. Okt. (Meldung der Agenzia Stefani.) Ein 
arabischer Häuptling kam gestern an Bord des Panzerkreuzers 
„Pisa“, um seine Anterwerfung anzukündigen. Er versprach 
auch, bei den anderen Arabern für die Anerkennung der ita— 
lienischen Herrschaft wirken zu wollen. Die aus der Stadt 
geflüchteten Einwohner kehren hierher zurück. 
Italienisches Generalstabswerk über Tripolitanien. * 
V. Turin, 11. Okt. Nach einer Depesche der Stampa 
von ihrem Spezialberichterstatter in Tripolis haben alle Offi 
ziere der italienischen Land- und Marinetruppen, die am Feld⸗ 
zuge teilnehmen, kleine, vom italienischen Generalstab ausge— 
gebene Werke über Tripolis zu ihrer Information erhalten 
In diesem Werke ist eine vollständige Zusammen— 
tellung aller wissenswerten Dinge über Tripo— 
lis, über seine Häfen, und Städte im Innern, über das Klima, 
seine Krankheiten, Verkehrs- und Verbindungswesen, über das 
Verhalten gegenüber der eingeborenen Bevölkerung enthalten. 
Dem Werke sind außerdem mehrere in größerem Maßstabe 
gehaltene Karten beigegeben. Die ktürkischen Truppen 
sind darin nach ihrem Stand vom 8. Mai 1911 auf 4080 
Mann beziffert, zu denen noch 700 Gendarmen kommen. 
Die Antwort der Mächte. 
Köln, 12. Okt. Wie der Konstantinopeler Korrespondent 
der Köln. 3tg. meldet, verweigern die Großmächte in 
ihren Antworten auf die letzte türkische Note unter höflichen 
Redensarten eine Einmischung, solange die Türkei nicht eine 
Grundlage zugestehe, auf der die Verhandlungen mit Italien 
möglich sind. Die Antworten werden in Konstantinopel scharf 
kritisiert, man hatte sie aber auch wohl nicht anders erwartet. 
Kriegskonterbande. 
W. Berlin, 12. Okt. Der Reichsanzeiger berichtet: Infolge 
der Eröffnung der Feindseligkeiten zwischen Italien und der 
Türkei, gibt deie italienische Regierung auf Grund des Ar—⸗ 
tikels 216 des Gesetzbuches für die Handelsmarine belannt, 
daß als Kriegskonterbande erklärt werden: Kanonen, Gewehre« 
Karabiner, Revolver, Pistolen, Säbel, andere Feuer- und Hand— 
waffen jeder Art, Kriegsmunition, Militärgeräte jeder Art, über⸗ 
haupt alles, was ohne weitere Bearbeitung zur unmittelbaren 
See⸗ und Landrüstung dient. 
3 * e 
Wt. Rom, 12. Okt. Nach einer Meldung der Agenzia 
Stefani hat der Boykott italienischer Waren in 
Smyrna und Saloniki begonnen. — In Konstantinopel soll 
ein vom Piräus gekommener bulgarischer Dampfer mit ita— 
lienischen Waren an Bord am Löschen gehindert worden sein. 
Wit. Rom, 12. Okt. Dem Corriere d'Italia wird aus 
Tripolis gemeldet: Von Italien freundlich gesinnten Arabern 
wird bestätigt, daß sich die Lage der türkischen Trup— 
pen immer verzweifelter gestalte. Bei den italienischen 
Behörden fänden sich zahlreiche Deserteure ein. Auch eine 
Anzahl Kamelführer, die die türktischen Truppen begleitet hatten, 
sind unter Mitnahme von Vorräten desertiert. 
Die Revolution in Sũdchina. 
Hankau, 12. Okt. Wutschang und Hanyang sind in die 
Sände der Aufständischen gefallen, die auch die Eisenwerke und 
das Arsenal von Hanyang in Besitz genommen haben. Tie 
Regierungstruppen befanden sich bei dem Kampf in der Minder- 
‚ahl. General Changpao ist entkommen. Die Mitglieder der 
Lokolbehörden haben sich zerstreut. 
Der Führer der Aufständischen der Provinz in Hupeh kün—⸗ 
digte in einer Proklamation an, daß die Bevölkerung wie die 
Armee die Manschu-Regierung stürzen und die Rechte der Chi⸗ 
nesen wieder herstellen wollen. Die Bewegung gewinnt schnell 
an Ausdehnung. Auch mehrere Städte in der Nachbarschaft 
sollen in die Hände der Aufrührer gefallen sein. Die Brand- 
tistungen dauern an— 
Die vorläufige Regierung in Wutschang wählte den Vor— 
itzenden der Provinzialkonferenz Tan zum Präsidenten und 
vßeneral Li zum Befehlshaber der Truppen. Die Straßen 
Wutschangs sind voll von Leichen der Mandschus. Das Staats. 
papiergeld wurde außer Kurs gesetzt und dafür wurden Kredit 
billetts von den Revolutionären eingeführt. Frauen, Kinder und 
Ausländer haben sich an einigen Punkten zur leichteren Beför⸗ 
derung auf die Dampfer konzentriert. Bewaffnete Patrouil- 
len der Ausländer bewachen nachts die Europäerstadt. Zwei— 
tausend Mann Regierungstruppen sind aus Honan hier ein⸗ 
zetroffen. — 
Wt. Peking, 12. Okt. Die Meuterer aus Szetschuan be— 
etzten Hsutschou und marschieren auf Tschungking. Der Zwed 
st augenscheinlich, die Hauptpunkte auf dem linken Ufer des 
Jangtsekiang zu besetzen. 
Aus Hankau wird gemeldet, daß sich das Chinesenviertel in der 
Zand der Aufständischen befindet. In der Eingeborenenstadt sollen 
jeute früh 200 bis 300 Manschus getötet worden sein. Die Aufrührer 
n Szetchuan besetzten gestern Suifu. — Wutchang wird von einer 
hinesischen Flottille beschos⸗ 
leueste Nachrichten und Telegramme. 
krösffnung der imternationalen Automobilausstellung in Berlin. 
W. Berlin, 12. Okt. Zur Eröffnung der Internationalen 
lutemobilausstellung Berlin 1911 in den Ausstellungshallen am 
360logischen Garten hatten sich heute Prinz Heinrich als Pro— 
kektor der Ausstellung, das Komitee, die geladenen Ehrengäste 
und die Vertreter der ausstellenden Firmen eingefunden. Ein 
zahlreiches Publikum füllte die Galerien. Von Fanfaren be—⸗ 
grüßt, betrat Prinz Heinrich in Marineuniform die Bühne, wus 
der eine Büste des Kaisers inmitten von Blattpflanzen und 
Blumen aufgefstellt war. Der Herzog von Ratibor, der 
Präsident des Kaiserlichen Automobiltlubs, sagte in seiner An— 
prache u. ai.: „Die kurze Frist von vier Jahren seit dem 
Schluk der letzten Automobilausstellung hat Industrie und Tech 
nik Gelegenheit gegeben, mit außerordentlich überraschenden Er 
olgen auf den Gebieten der Automobilindustrie und in den ver⸗ 
vandten Zweigen den Besuchern der Ausstellung entgegen- 
utreten.“ Der Herzog dankte dann den Ausstellern, den frem— 
den wie den einheimischen, und allen denen, die an dem Ausbau 
der deutschen Ausstellung mitgearbeitet hätten, den Arbeitern, 
Meistern Konstrukteuren und Technikern, und schloß: „Noch 
einen Dank, und nicht den kleinsten, haben wir abzustatten. Wir 
oanken Eurer Königlichen Hohrit für die Uebernahme des Pro— 
tektorats und das hohe Interesse und die stete Förderung, die 
unserem Werke zuteil geworden. Wir sind glücklich zu wissen 
welch regen Anteil Eure Hoheit an allem nehmen, was durch 
den Motoꝛ getrieben wird. Msge es immer so bleiben, das 
ist unser Wunsch, und ich bitte jetzt Eure Königliche Hoheit, 
die Internationale Automobilausstellung für eröffnet zu er⸗ 
kläten.“ Prinz Heinrich erklärte darauf mit Genehmigung 
des Kaisers die Ausstellung für eröffnet und brachte 
ein dreifaches Hurra auf den Kaiser aus. Dann zog der Prinz 
nehrete Herren des Komitees und Ehrengäste ins Gespräch und 
machte einen Rundgang durch die reichbeschickte Ausstellung. 
Unruhen in Mexiko. 
W. Newyotk, 12. Okt. Nach einem Telegramm aus Tuxkla 
in Mexiko zerstreuten 190 Freiwillige 900 Insurgenten äm 
Staate Chiapas. 130 Aufständische wurden getötet und 106 
gefangen genommen. Die Verluste der Freiwilligen betragen 
höchftens 12 Mann. Die Mehrzahl der Aufständischen waren 
Indianer, die mit Messern und Lanzen dewaffnet waren. 
Die Ergebnisse der gestrigen Bundesratssitzung. 
W. Berlin. 12. Okt. In der heutigen Sitzung des Bun— 
vesrates wurde der Vorlage betreffend das Abkommen mit 
helgien über den Verkehr mit Branntwein an der deutsch— 
belgischen Grenze, der Vorlage betreffend die Anträge auf Er 
zöhung des Durchschnittsbrandes aus 8 66 des Branntwein 
teuergesetzez, dem Entwurfe eines Schutztruppengesetzes 
»er Vorlage betreffend die Denkschrift zum Han— 
dels- und Schiffahrtsvertrage mit Japan und der Vorlage 
vetreffend die Zulafsung der Aktien des Lothringer Hütten⸗ 
bereins Aumetz-Friede in Brüssel zum Börsenterminhandel Zu— 
timmung erteilt 
Die Anklage gegen Pfarrer Traub. 
Dortmund, 12. Okt. Der Beschluß des Konsistoriums in 
Münster gegen den Pfarrer Traub hat folgenden Wortlaut: 
der Pfarrer Liz. theol. Traub erscheint hinreichend überführt: 
. die 26. westfälische Provinzialsmoode aus Anlaß ihrer 
Beschlußfassung über das Pfarrerabsetzungsgesetz in den Num⸗ 
nern 38, 89, 40 der „Christlichen Freiheit“ von 1911, 2. das 
Spruchkollegium für kirchliche Lehrangelegenheiten aus Anlaß 
»es Verfahrens und der Entscheidung im Falle Jatho in Vor— 
rägen und in der „Christlichen Freiheit“ (insbesondere den 
stummern 24, 25, 27, 28, 29, 80 von 1911) und in der Bro— 
chüre „Staatschristentum oder Volkskirche“, 3. die Ordnungen 
in Vorträgen in der „Christlichen Freiheit“ (insbesondere den 
stummern 7, 15, 17, 22, 25, 27, 30, 31, 36, 40 von 10911 
und in der Broschüre „Staatschristentum oder Volkskirche“, 
1. den Pfarrerstand in der Broschüre „Staatschristentum oder 
Volkskirche“ öffentlich beleidigt bezw. herabgewürdigt und 
ich damit der Achtung, des Ansehens und des Vertrauens, die 
ein“ Beruf erfordern, unwürdig erzeigt zu haben. Es wird 
zierdurch gegen den Pfarrer Liz. theol. Traub auf Grund 
der Paragraphen 1, 2, 17, 18 des kirchlichen Gesetzes betreffend 
zie Dienstvergehen der Kirchenbeamten vom 16. Juli 1886 
n Verbindung mit 8 19 des Kirchengesetzes betreffend das 
berfahren bei Beanstandung der Lehre von Geistlichen vom 
6. März 1910 das förmliche Disziplinar-Verfah— 
en eröffnet. Zum Untersuchungskommissar ist der Kon— 
istorialrat Dr. Richter bestellt worden, der vor einiger Zeit 
n einem Beleidigungsprozeß des Konsistoriums gegen Traub 
Us Nebenkläger aufgetreten ist 
Gründung einer banerischen Reichspartei. 
München, 12. Okt. Eine aus verschiedenen Landesteilen 
id aus verschiedenen Bevölkerungsschichten gut besuchte 
GZersammlung unter dem Vorsitz des Frhrn. v. Pechmann be— 
chloß gestern abend einstimmig nach längerer Aussprache die 
ßründung einer bayerischen Reichspartei. Von auswärts waren 
rschienen: Reichstagsabgeordneter Dr. Arendt als Vertreter 
des Vorstandes der Deutschen Reichspartei, Konsul Schinzinger— 
Freiburg i. Br., Rechtsanwalt Dr. Bopp-Darmstadt als Ver— 
rreter der reichsparteilichen Bewegung in Baden und Heisen. 
Die Partei will zu gemeinsamer politischer Wirksamkeit die— 
enigen sammeln, die es als Bürgerpflicht erkennen, am öffent— 
ichen Leben AReilzunehmen, die aber nicht im Kampfe gegen 
rgend eine der bürgerlichen Parteien, sondern in der Zu— 
ammenfassung aller Kräfte des Bürgertums zur Ueberwindung 
seines ausgesprochenen Todfeindes, der Sozialdemokratie, d 
erste und wichtigste Aufgabe der Gegenwart erblicken. 
Ausfperrung von 7000 Zigarrenarbeitern. 
W. Minden (Westfalen), 12. Okt. Ueber die Alrbeiter— 
bewegung in der westfälischen Zigarrenindustrie wird gemel— 
det: Da die von den Vertretern der organisierten Tabakarbeite: 
zei der Geschäftsführung des westfälischen Zigarrenfabrikanten 
verbandes eingeleiteten Verhandlungen zur Aufhebung de— 
Streiks und der Kündigungen bisher zu einem Ergebnis nich! 
geführt haben, tritt die Aussperrung aller organisierten Ar 
beiter der Mitglieder des Verbandes im Bezirk nach Ablauf 
dieser Woche in Kraft. Es kommen siebentausend Arbeiter in 
Betracht. 
Spionageprozej Thirion vor Gericht. 
W. Leipzig,. 12. Okt. Vor dem zweiten und dritten 
Strafsenat des Reichsgerichts begann heute der Prozeß gegen die 
Sprachlehrerin Rense Germaine Marie Thirion aus Ville 
parisis in Frankreich, zuletzt in Köln wohnhaft, die beschuldigt 
wird, in den Jahren 1910 und 1911 den Versuch gemacht zu 
haben, sich den Mobilmachungsplan eines deutschen Armeekorp— 
uu verschaffen, um ihn an Frankreich zu verraten. Die Oeffent 
lichkeit ist ausgeschlossen worden. 
Delcassess Pulververfügung. 
W. Paris, 12. Okt. Marineminister Delcassée hat verfügt. 
daß in Zukunft die Kriegsschiffe nur Pulver führen dürfen, das 
noch nicht vier Jahre alt ist. Mit der Ausführung dieser Ver 
ügung wird man sofort beginnen und nach und nach damit fort 
sahren. Die Magazine werden das Pulver der Kriegsschiffe 
das vor 1908 fabriziert ist, aufnehmen und es aus ihren Vor— 
äten ersetzen. 
Die AUrsache der Panik bei der ,Liberts“⸗Leichenfeier. 
W. Paris, 12. Okt. Wie aus Toulon gemeldet wird, 
hat General Pau, Generalinspekteur der Armee, der persön— 
lich die Untersuchung über die Panik bei der Beerdigung de 
Explosionsopfer der , Liberté“ führte, ein amtliches Schrift 
stüch an das Kriegsministerium gesandt, worin er die Ueber— 
zeugung ausspricht, daß die Panik durch die Truppen verursacht 
worden sei, welchen die Spalierbildung und die Aufrechterhal— 
utng der Ordnung übertragen worden sei. General Pau for 
dert in seinem Schriftstück, daß die schuldigen drei Regimenter 
strafversetzt werden sollen. 
Der Bürgerkrieg in Portugal. 
Worto, 12. Okt. (Meldung der Agence Havas.) Einsé 
amtliche Depesche aus Braganza, die hier gestern abend um 
10 Uhr bekannt wurde, besagt, die Monarchisten hätten Por— 
ugal über Escurquiera verlassen, seien aber über Sergei bei 
Chaves wieder zurüchgekehrt. Eine Depesche aus Chaves von 
gestern abend 10 Uhr 35 Min. meldet: Die Monarchisten fahren 
fort, sich an der Grenze zu entwickeln und sind bemüht, sich 
den Rückzug nach der spanischen Seite zu sichern. Aber sie 
können nicht weiter vorrücken. Die Republikaner hoffen, sie 
binnen kurzem in die Flucht zu schlagen oder aufzureiben. 
Das Urteil im Metternich Prozeß. 
W. Berlin, 12. Okt. Nach über dreistündiger Beratung 
derkündete der Vorsitzende das Urteil im Metternich-Prozeß. 
Der Angeklagte wurde in drei Fällen des Betruges schuldig 
rachtet. Er erhielt für den Fall Gustke drei Monate Gefängnis, 
ür den Fall Horch fünf, für den Fall Riesch vier Monate 
Hefängnis, die zu einer Strafe von neun Monaten zu— 
ammengefahßt wurden, wovon sechs Monate als durch die er— 
littene Untersuchungshaft verbühßt erachtet werden. Die Kosten 
des Verfahrens werden, soweit Freisprechung erfolgte, der 
Staatskasse auferlegt. Der Angeklaget erklärte sofort nach 
der Verkündigung des Urteils, von dem Rechtsmittel der Re— 
dision Gebrauch machen zu wollen. 
In der Begründung des Urteils führte der Vor— 
itzende aus, daß der Angeklagte in den feinsten und teuersten 
Lokalen und in Nachtlokalen mit der weiblichen Halbwelt ver— 
ehrt und dort in einer Nacht ebenso viel Geld ausgegeben habe, 
vie eine Arbeiterfamilie kaum in einem Monat auszugeben 
vermöge. Um sich die nötigen Gelder zu verschaffen, habe 
der Angeklagte große Schulden gemacht und Wechsel aus— 
estellt, obwohl er wußte, daß er diese nicht einlösen könne. 
Der Gerichtshof habe trotzdem in den meisten Fällen auf 
rreisprechung erkannt, da er in diesen Fällen nicht eine direkte 
Vorspiegelung falscher Tatsachen für festgestellt erachtet. In den 
Fällen Gustke, Horch und Riesch habe dagegen der Gerichts- 
hof die direkte Vorspiegelung falscher Tatsachen festgestellt. 
Bei der Strafzumessung wurde vom Gerichtshof die Jugend des 
Ingeklagten und der Umstand, daß er von seiner Familie 
erlassen sei, in Erwägung gezogen. Strafschärfend kam da— 
negen die Höhe der Summen und das schwelgerische Leben des 
Angeklagten in Betracht. Der Angeklagte rief nach der Ver— 
esung der Verkündigung des Arteils sehr erregt aus: Ich lege 
Kevision ein. 
Fliegerabstürze. 
W. Reims, 12. Okt. Der Flieger Level ist bei einem Fluge 
über dem Militärflugplatz aus 80 m Höhe abgestürzt. Er 
erlitt einen Schädelbruch und einen Bruch der Wirbelsäule 
Sein Zustand ist hoffnungslos. 
Wie aus Charleville gemeldet wird, ist der belgische 
Flieger Horta abgestürzt und hat lebensgefährliche Ver— 
letzungen erlitten. 
αα 
Wt. Berlin, 12. Okt. Graf Oskar von Platen— 
Hallermund ist zum Konteradmiral und Hofmar— 
schall des Kaisers ernannt worden. 
W. Grimsby, 12. Okt. Der Dampfer „Eastern Coun— 
ties“ ist im Humber plötzlich gesunken. Ein Passa— 
dier und ein Mann der Besatzung sind ertrunken, ein 
anderer Passagier und ein Obermaschinist gestorben, nachdem 
sie aus dem Wasser gezogen worden waren. Elf Personen 
wurden gerettet. 
W. London, 12. Okt. Nach Blättermeldungen aus 
Soutshields herrschtean der Nordostküste dichter Nebel, 
der den Schiffsverkehr siark behindert hat. Der 
deutsche Dampfer „Blumenfeld“ aus Haniburg iit auf die Black 
Miodensfelsen im Nebel aufgelaufen und sitzt fest. 
heer und Flotte. 
GW. Berlin. 12. Okt. Der Dampfer „Bürgermeister“ ma 
»em Ablösungstransport für „Eber“ hat am 11. Okt. von 
zdamburg aus die Ausreise nach Las Palmas angetreten. 
Führer ist Korvettenkapitän v. Hippel. Angekommen sind: 
„Jaguar“ am 11. Oktt. in Futschau, „Leipzig“ am 12. Okt. in 
Schanghai. „Albatros“ ist am 10. Okt. von Wilhelmshaven 
nach Borkum gegangen.
	        
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