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Beilagen: Vaterstädtische Blätter. — Der Familienfreund.
Amtsblatt der freien und Hansestadt Lübed 164. Jahrgang Mahdhrichten fur das herzegtum Lauenburg, die
heiblatt: Gesetz⸗ und Verordnungsblatt 288 — ——— Fürstentümer Ratzeburg, Lübeck und das angren⸗
——V⏑⏑— e e zende medlenburgische und holsteinische Gokiet.
Hruck und Verlag: Gebrüder Borders G. m. b. S. in Lübeck. — Geschäfisstelle Adreß baus (Komiaitr. a6). Wzermidteher —E 8001.
deGroße Ausgabey Miittwoch, den 4. Ohtober 1911. Abend⸗Blatt Nr. 503.
Ausgabe
— — — —
Erfstes Blatt. hierzu 2. Blatftt.
Amfang der heutigen Nummer 6 Seiten.
er —— ———meecuo
Nichtamtlicher Teil.
Oesterreich⸗ Ungarn und der Krieg.
Won unserem Wiener Korrespondenten.)
nge. Wien, 3. Oktober.
Die Haltung, die man am Wiener Ballplatz, im Ministerium
oes Auswärtigen, zum türkisch-italienischen Kriege einnimmt,
ist der Oeffentlichkeit in dem offiziösen Fremdenblatt mitge—
teilt worden. Wer zwischen den Zeilen liest, wird finden,
daß die darin proklamierte Neutralität eine Nüance mehr
Wohlwollen nach der italienischen als nach der
türkische Seite zeigt. Das würde der bisherigen Haltung
des Grafen Aehrenthalauch durchaus entsprechen,
der sich stets lebhaft um ein gutes Einvernehmen mit Italien
bemüht hat. U — —
Wenn nun Italiens Ehrgeiz auf Tripolis abgelenkt ist
wobei man wohl auch den Nebengedanken hegen mag, daß
es dort recht lange und ausgiebig beschäftigt bleiben möge),
o bedeutet dies eine Entspannung im Verhältnis zu Oesterreich,
würde sich also sehr gut in den Rahmen der Aehrenthalschen
Politik einfügen. Die Sache hat freilich ihr „Aber!“. Wenn
nämlich der Kampf auf die europäische Türkei über—
Reift, so wird Oesterreich in doppelter Weise davon berührt:
rstens würde dies eine Bedrohung des Status quo
vedeuten, an dem Oesterreich aus guten Gründen in seiner
Balkanpolitik festhält; über das hinaus würde dies aber
auch zu einem direkten Konflikt mit Italien führen,
wenn etwa Italien sich im Verlaufe des Krieges in
Albanien festsetzen sollte.
Nun scheint ja die italienische Regierung der österreichischen
n dieser Beziehung beruhigende Zusicherungen gegeben zu
haben; aber wenn sich selbst die Landung italienischer Truppen
zei Prevesa befriedigend aufklären sollte, so würde es für
Italien doch sehr schwer fallen, sich auf die Dauer jeder
Aktion in der europäischen Türkei zu enthalten, falls die
Tüurkei den Krieg wirklich nachdrücklich führt, sich
feindselige Akte gegen das Leben oder Eigentum in der
Türkei lebender Italiener zu schulden kommen läßt, kurzum,
Anlaß zu italienischen Gegenaktionen gibt. Daß Italien den
Aufstand in Albanien wieder zu hellen Flammen anblasen wird,
versteht sich fast von selbst; sehr stark wird es überdies gar
nicht zu blasen nötig haben. Selbst eine vorübergehende
Beseßung Albaniens durch italienische Truppen würde eine
schwere Schädigung des österreichischen Prestiges
in Albanien bedeuten: denn was immer für die
D
Albanesen schließlich bei dem Kampfe günstiges herauskommt,
wird dann als ein Geschenk Italiens erscheinen. Jeden—
alls hätte Oesterreich ein großes Interesse daran,
daß die Türkei möglichst bald Frieden schließt
und alle ihre Kräfte daran wendet, ihre Herrschaft in Europa
ungemindert aufrecht zu erhalten.
Auffallen muß die verhältnismähig freundliche Saltung
der hiesigen klerikalen Blätter Italien gegenüber, wenn sie sich
auch sonst in diesem Jubiläumsjahre nicht gerade mit Liebens—⸗
würdigkeiten ihm gegenüber überanstrengten. Diese Kreise be—
kinden sich in einem Zwiespalt der Gefühle; schließlich ist
es in ihren Augen doch ein Kampf von Christengegen
Mohammedaner. Außerdem ist den Klerikalen die
ungtürkische Herrschaft, als ein „Werk der Frei—
naurerei“, besonders verhahßt. Im vergangenen Früh—
ahr und Sommer fehlte es nicht an Angriffen gegen den
ßrafen Aehrenthal wegen seiner Passivität gegen
äber dem Aufstand in Albanien. Schließlich mögen die
klerilalen Kreise wohl einen Wink aus dem Vatikan
rhalten haben, der ja bekanntlich dem italienischen Unter—
nehmen durchaus freundlich gegenübersteht, da er von der
HZerrschaft des „kirchenräuberischen“ Italien ein Aufblühen
der italienischen Ordensniederlassung in Tripolis
erhofft.
Es verdient schließlich angemerkt zu werden, daß nirgends
rine Stimme laut wird, die empfiehlt, Oesterreich möge die
Gelegenheit benutzen, wo Italien sich in Afrika militärisch
dielleicht in recht erheblichem Maße festlegt, selbst mit
Jtalien abzurechnen. Es gibt zweifellos hier mili—
rärische Kreise, die diese Abrechnung als unvermeidlich an—
jehen, aber man möchte sich die Freude an einer ritterlichen
Mensur, bei der wirklich Mann gegen Mann steht, nicht
verderben lassen.
A
Marineminister Delcasse versicherte, er werde
alles tun, um die Ursachen der Katastrophe zu
ermilbteln und sie zu unterdrücken. Die Marine müsse
bestrebt sein, vorwärts zu schresten; die Maknahmen für die
Wochsamke't würden verdoppelt, denn der Patriotiemus könnt
a'cht zulassen. dah die Wachsamkeit einschlummere. Delcasss
schloßz: Wenn auch das Wrad der 3.Liberté“ Mutlosigseit und
Verzweiflung einzuslößen scheint, dringt doch aus den Särgen
der Ruf hervor: Vertrauen! Arbeit! Weitere Ansprachen
hielten der Toulorer Deputierte Abel und Vizeadmiral Bellue,
der die Mannschaften der Marine aufforderte, mit Vertrauen
die tägliche Abeit wieder aufzunehmen und die Toten nicht
zu vergessen. Dann defilierten Abteilungen der Besatzungen
ämtlicher Schiffe und des Heeres vor den offiziellen Per—
önlichkeiten und vor den Särgen. Von der Trauerfeier kehrte
Präsident Fallières nach der Präsektur zurück. Nachmit!ags
besuchte er die Verwundeten, von denen die Mehrzahl auf
dem Wege zur Besserung ist. Fallières verlieh dem Feuer-—
werker, der die Pulverkammer der „Liberté“
unter Wasser zu setzen versuchte, das Kreuz der
Ehrenlegion, sowie sonstige Auszeichnungen an See—
soldaten, die sich bli der Rettung ihrer Kameraden hervorge—
tan haben.
Neue Steuern in Dänemark und Etat 1912 133.
Im der gestrigen Sitzung des Folketings brachte Finanz—
minister Neergaard den Etat für 1912,13 ein. Die⸗e
Hesamteinnahmen werden darin mit 102 700 000 Kronen auf—⸗
geführt, die Gesamtausgaben mit 114 300 000 Kronen, so
daß sich ein Fehlbetrag von etwa 1114 Millionen Kronen
ergibt. Der Fehlbetrag des laufenden Finanziahres ist auf
21 Millionen Kronen festgestellt, so daß das neue Fi—
nanziahr einen Fortschritt von 10 Millionen
Kronenaufweist.
Im einzelnen sollen die folgenden vier Steuerentwürfe
zur Deckuig des Fehlbetrages zur Beratung kommen:
Erhöhung der Einkommen- ünd Vermögenssteuer.
Es wird eine Ratenskala für größere Einkommen und Ver—
mögen eingeführt, durch die der effektive Steuerprozentsatz,
der bisher durchschnittlich 1,22 00 für alle Einkommen aus—
machte, auf 1,6 0 erhöht wird. Damit wird dem Staat
wahrscheinlich eine Mehreinnahme von 414 Millionen Kronen
verschafft. 2) Erhöhung der Branntweinsteuer. Die
Abgabe auf einen Liter 100prozentigen Spiritus wird von
19 auf 60 Oere erhöht, was bei dem gewöhnlichen Aquavit—
Branntwein von 47 90 Alkoholgehalt eine Abgabe von 18
Dere pro Liter bedeutet. Die Mehreinnahme wird auf
3 Millionen veranschlagt. 3) Erhöhung der Biersteuen
um 3,78 Kronen pro Hektoliter, was für die Dreiachtel—
Liter-Flasche eine Preiserhöhung von 114 Oere bedeutet.
Der Mehrertrag wird auf 214 Millionen veranschlagt.
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paar lange Züge aus dem Wasserfaß, das in der Ede stand,
löschten seinen Durst.
„Herr,“ bat er demütig, als er wieder aus der Kajüte
trat, „was soll ich tun?“ Ta gab ihm Waldemar das Ruderrad
in die Hand und wies ihm die Griffe. Miguel hatte einen
geweckten Kopf und begriff schnell. Waldemar Quint ver—
tiefte sich in seine Karte. Er hatte einen Diener gefunden,
auf den er sich verlassen konnte.
Das Boot hielt auf die Nordspitze der großen Deserta
zu. Es schwankte und pfauchte sich durch die schäumende
Meerenge an der steilen Ostküste der Insel hinunter.
Miguels Gewandtheit in der Fandhabung des Ruderrades
war erstaunlich. Waldemar Quint stand neben ihm, den Blich
auf die wildzerklüftete Küste gerichtet. Endlich tauchte ein
lurzer, grobkiesiger Strand auf. Tort legten sie an. Migquel
schaffte den Proviant aufs Trockene und Waldemar Quint zog
das Boot mit einem Differenzialflaschenzug an Land.
Von hier aus durchstreiften die die ganze Insel. Ihr
nittlerer, breiterer Teil wies ein paar leicht ersteigbare Hoch—
lächen auf, die von zwei leeren Flußtälern zerrissen waren.
Berwilderte Katzen und Ziegen ließen sich an allen Ecken
aufstöbern und ergriffen die Flucht. Waldemar schoß ein jun—
zes Zicklein, welches Miguel am Abend über dem Feuer briet.
Trodenes Treibholz fand sich allerorten am Ufer. Sie über—
iachleten im Boot und wandten sich am nächsten Tage nach
Norden. Auch hier fanden sie mit spärlichem Graswuchs be—
»ecte, wenig geneigte Hochflächen, die aber noch zu ersteigen
waren. Unüberwindliche Schwierigleiten stellten sich ihnen im
Süden entgegen. Hier schoben sich die Hochflächen überein—
ander. Glatte Basaltmauern, an denen die Winterregen noch
keinen Riß geschliffen hatten, türmten sich auf und gaben
diesem Ende der Insel das Aussehen einer uneinnehmbaren
Riesenfestung.
Waldemar Quint unternahm ein paar seiner Sprengver⸗
suche. Beim ersten siel Miquel glatt auf die Erde und zitkerte,
beim zweiten erholte er sich und beim dritten kam er wieder
auf die Beine.
Sie mußten endlich umkehren; trotz der tiefen Breschen,
die sie in die glatten Basaltwäide gesprengt hatten, ver—⸗
wehrten sie ihnen noch immer den Weg.
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Zur Trauerfeier der „Libertoͤr Verunglückten.
über die wir bereits heute früh berichteten, legen noch
folgende ausführlichere Meldungen vor: Nach der lürchlichen
ỹeier ergriff Präsident Fallisres das Wort und wies
auf den Gegensatz zwischen dem heutigen unvergleich—
lichen Jammer und der kürzlichen Flottenschau
hin. drückte den allgeme'nen Schmerz sowie sein unermeßliches
Mitleid sfür die mitten im Frieden so tragisch zu Tode ge—
kommenen Soldaten aus und rief den Opfern den letzken
Gruß des trauernden Vaterlandes zu. D'e zahlreichen Bei—
eisdskundgebungen aus dem Auslande hätten, so führte der
Präsident weiterhin aus, den Weg zu den Herzen der fran—
zösischen Seeleute gesfunden. Fallidres schloß mit der Ver—
sicherung: Trotz allem Schmerte können wir mit dem Ver—
trauen in die Zulunft sehen, daß die Marine den ihr vorge—
zeichneten ruhmre'chen Weg mit mannhafter Sicherheit weiler
verfolgen wird
Der herr der Luft.
Englands Feind. W
Roman von Ewald Gerhard Seeliger.“
(5. Fortsetzung.) Machdruck verboten.)
Acht Tage spielte man ohne Zero. Das Kästchen mit
der Null war mit einem Metallstreifen verschlossen, die be—
trefsenden Felder des Tisches mit zwei gelben Kreuzstrichen
bededt. Tie Zeitungen in Funchal liehen die Maͤchricht über
Stadt und Insel und auf den Kontinent hinüberflattern.
Eine Hochflut, wie am Eröffnungstage, erfüllte die Räume
der Quinta Vigia. Man setzte, setzte und verspielte. Keiner
zewann. Waldemar Quint stand auf der Parkettplatte. Die
Einnahme der Bank sprang auf eine nie erreichte Höhe.
Nun wurde von Lissabon aus eine großzügige Reklame
eingeleitet. Gab es ein besseres Mittel, der Welt zu be—
weisen, daß die Bank von Madeira nur für die Unterhaltung
ihrer Gäste vorhanden sei, als das fehlende Zero?
Und der Erfolg war verblüffend. Mit dem nächsten
Dampfer von Lissabon kamen schon zwanßig, die ihr Glud
versuchen wollten. Die großen Gebäude der Sanatorien Ge—
jellschaft begannen sich zu beleben.
Das Zero fehlte! Auch die braven Funchaler verloren
den Kopf und ihr kaltes Blut. Sie spielten wie unsinnio
und gewannen nie.
Das Zero fehlte! Nirgends waren die Gewinnchancen
besser! Jetzt mußte man gewinnen. Die Funchaler ließen
nicht loder, sie ruinierten sich. Man mußte“ ja einmal ge—
winnen: das Zero fehlte!
Und alles Gold floß in den Keller der Quinta Vigia.
Fritz Cortmann, ein Angestellter des Hauses Oliver Splendy
Son. wurde von dem Prokuristen mit einer Anweisung über
die Summe von zwölftausend Pfund in die Quinta Vigia
geschidt, wo Oliver Splendy den Verkehr des Bargeldes zen—
lralisiert hatte. Mamuel, der gerade im Bureau war, han—
digte Fritz Cortmann die Summe aus.
Fritz Cortmann aber ging nicht ins Kontor zurüd, sondern
den Spielsaal. Das Zero fehlte ja!
der alte Herr aber, der sich nur um das grüne Tuch, nie—
mals um die Gesichter der Spieler kümmerte, sorgte schon
dafür, daß Fritz Cortmann in wenigen Minuten keinen Schein
mehr in den Händen hatte. Sie waren alle dahin zurüd—
gewandert, woher sie vor einer Viertelstunde gekommen waren.
Fritz Cortmann erschien nicht mehr im Kontor. Am dritten
Tage erbrach man die Tür seines Zimmers und fand ihn tot
auf dem Teppich. Er hatte sich erschossen.
Kurz nach Ostern kam Miguel der Grohe aus dem Ge—
fängnis. Er war mürbe geworden. Die Hafenarbeiter wollten
nichts von ihm wissen. Sechs Wochen hatte mancher im Ge—
fängnis gesessen, sechs Monate keiner. Miguel war ein Ver—
brecher. Man ließ ihn nicht an die Arbeit heran. In den
Kontoren wies man ihn fort. Keiner traute ihm: Doktor
Serrote hatte ihn geächtet. Miguel stand an der Landungs—
zrücke und hungerte.
So fand ihn Waldemar Quint, der nach der großen
Deserta hinüber wollte. Miquels riesenhafte Gestalt fiel ihm
auf.
„Du hast nichts zu tun?“ fragte er kurz.
Miguel fletschte seine Zähne vor Wut. Er wollte gar
nicht mehr arbeiten, er wollte Toltor Serrote an die Kehle
sahren, um wieder eingesperrt zu werden. Dort war er
doch wenigstens satt geworden.
„Komm mit!“ befahl Waldemar Quint barsch, und Miguel
dudte sich wie unter einem Peitschenhiebe, aber er folgte ihm.
Bald waren sie nach der Deserta unterwegs. Waldemar
Miünt hatte sich eine der Motorbarkassen der Firma Rochalves
Comp. geliehen und lenkte sie aus dem Hafen hinaus.
Miguel saß im Hedund stierte vor sich hin. In der Kajüte
lag Proviant für Wochen. Miguel sah es, doch nicht ein
Wort brachte er über die Lippen. Nur ein schmerzvolles
Stöhnen entrang sich ihm.
„Was hast du?“ fragte Waldemar Quint. „Du hast
Hunger, iß!“
Aber Miguel sprang mit einem Satz auf ihn zu, fiel vor
ihm auf die Knie und bedeckte seine Hand mit Küssen.
„Herr! Herr!“ stammelte er dankbar.
Waldemar Quint stieß ihn zurück und wies ihn barsch
in die Kajüte. Binnen wenigen Minuten hatte Miguel eine
Büchse Fleisch geleert und drei Pfund Brot verschlungen. Ein