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ausgabe A. Dienstag, den 3. Oktober 1911.
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Abend⸗Blatt Kr. 501.
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Aus den Nachbargebieten.
Hansestãdte.
s8amburg, 3. Oltt. Der Samburger Lehrera
gesangverein feierte am Sonnabend und Sonntag sein
25iuhr. Bestehen. An der Feier nahmen Vertreter der Lehrer⸗
gefangvereine in Altona, Berlin, Braunschweig, Bremen, Bres⸗
lau, Chemnitz, Köln. Dresden, Frankfurt a. M., Hannover,
Harburg, Kiel. Leipzig. Sibech, Magdeburg, Mannheim,
Meißen, Stettin und Wismar teil.
Gasvergiftung. Ein am Hammerweg wohnendes Ehe—
paar wurde gestern nacht bewußtios in seiner Wohnung auf—
defunden. Mehrere Gashähne in dem Zimmer waren geöffnet.
Beide Gatten wurden nach vielem Bemühen wieder ins Leben
zurückgerufen und ins Allgemeine Krankenhaus St. Georg ge⸗
bracht. Heimkehrende Bewohner verspürten, als sie an der Woh⸗
nung vorbeigingen, einen intensiven Gasgeruch, der aus der
Wohmung strömte und sie veranlaßte, in die Wohnung ein—
zudringen. Man fand das Ehepaar schwer röchelnd vor, öffnete
sofortt die Fenster und ließ frische Luft einziehen. Ob ein Un⸗
glüdsfall oder ein Selbstmordversuch vorliegt. lonnte noch nicht
festgestellt werden. J
Bremen, 3. Okt. Ueber eine Regulierung der
Geeste berichtet die W.e3.: „Der Senat hat am 14. Juni
1911 die Bürgerschaft ersucht, ihn zu ermächtigen, der Königlich
Preußischen Staatsregierung zu erklären, dab, im Falle Preußen
die von ihm in Aussicht genommene Regulierung der Geeste
ausführen werde, Bremen bereit sei, die im 8 15 des Staatsver⸗
trages vom 29. März 1908 näher vorgesehene Beihilfe dazu
zu gewähren, ferner zu beschließen, daß mit der Ausführung
der AUferb⸗festigung, auf Grund eines von ihr noch vorzulegenden
Projeltes, die Deputation sür Häfen und Eisenbahnen beauftragt
werde, und daß die daraus erwachsenden Kosten auf den Fonds
für die Unterweserkorrektion überno mmen werden. Dae Vürger—⸗
schaft hat am 21. Juni in vertraulicher Sitzung zugestimmt“
Schleswig⸗Holstein.
Altona, 3. Okt. Revolverattentat auf einen
Hamburger Kriminalbeamten. Bald nach 2 Uhr in
der Nacht zum Montag überraschte ein Hamburger Kriminal⸗
beamter einen Menschen beim Fleddern eines auf der Straße
eingeschlafenen Mannes. Als der Beamte den Verbrecher
verhaften wollte, gab dieser aus einem Revolver zwei Schüsse
ab. Ein Schaß kraf den Beamten in den Unterschenkel; schwer
verletzt brach der Getroffene zusammen. Der Verbrecher er—
griff hierauf die Flucht. Ein Polizeiwachtmeister und mehrere
Schutzleute, die durch die Schüsse herbeigelockt waren, machten
sich sofort an die Verfolgung, an der sich auch eine Anzahl
Zivilpersonen und die Insassen zweier Automobile beteiligten.
Schrill gellten die Pfiffe der Signalpfeifen durch die Nacht,
und so ging es in wilder Jagd nach Altona hinein. In der
Bleicherstraße gelang es endlich, den Flüchtling zu stellen.
Der Verbrecher wurde entwaffnet und gesesselt nach dem
Polizeigefängnis gebracht. Er hatte auf den Namen John
Bode lautende Vapiere bei sich, die aber vermutlich gestohlen
jind, denn der Verhaftete ist, wie die Ermittelungen alsbald
ergaben. ein von seinem Truppenteil in Schleswig desertierter
Infanterist namens Georg Begerowsky, der schon seit einigen
Tagen den Hamburger und Altonaer Behörden von Schleswig
aus signalisiert war.
Kiel. 3. Okt. Ein Sungerkünstler bestohlen.
Dem Hungerkünstler A. Steffens im „Elysium“ wurde in der
Macht zum Sonntag der zur Schau hängende Lorbeerkranz, den
er als Anerkennung für eine 15kägige Hunger- und Durstkur
in Lübeck erhalten hatte, gestohlen.
Oldesloe, 3. Otkt. Eine lokale Gewerbe—,
Altertums- und Gartenbau-Ausstellung wurde
hier eröffnet. Sie ist gut beschickt. Besonders gilt dies
von der Ausstellung heimatlicher Altertümer, die namentlich
in ihrer prähistorischen Abteilung wertvolle Gegenstände bietet.
Ferner liegen verschiedene wichtige Urhunden sowie Kirche
—F—
geräte, Wurfgeschosse uswp. vor. Stadtrat a. D. Relling hat
das Inventar des letzten Oldesloer Scharfrichters ausgestellt.
Die Innungen haben ihre Laden, Trinkgefäße usw. zur
Zchau gestellt.
Plön, 3. Oklt. Feuer. Eine Trockenscheune des Ziegelei—
rächters Stange, zur Gottesgaber Ziegelei im Gute Neuhaus ge—⸗
hörig, brannte aus unbekannter Ursache nieder. Die dort auf—
zestellten 60 000 Steine wurden arg beschädigt.
Neumünster, 3. Okt. Die Textilindustrie, der
zaupterwerbszweig der hiesigen Einwohnerschaft, liegt hier
sehr danieder. Manche Personen sind ohne Beschäftigung.
Infolge des milden Winters der letzten Jahre sind die Lager
erfüllt; es mangelt an Absatz.
Rendsburg, 3. Okt. „Rotenhofe angekauft.
Ddie nahe bei der Stadt belegene Gastwirtschaft Rotenhof“
vinde für 50 000 Mvon. der Stadt angekauft. Der Besitz
st in ganz Deutschland bekannt wegen der großen Vieh- und
Pferdemärkte, die im Herbst und Frühjahr dort abgehalten
werden.
—Neustadt, 3. Okt. Lebensrettung.« Dem Ver—
walter Schroedter in Putlos, der am 9. August den Arbeiter
Christophj Schirakow vom Tode. des Ertrinkens rettete, isl
ils Anerkennung für diese Tat vom Regierungspräsidenten in
Schleswig eine öffentliche Belobigung erteilt worden.
Eiderstedt, 3. Okt. Nach dem anhaltenden
Regen der letzten Tage ist der Wassermangel in unseren
Marschen etwas gehoben. Die Gräben waren sämtlich wasser—⸗
leer und das Weidevieh lief von einem Grundstück auf das
andere, so daß ganze Köge gemeinsam Weide hatten, was
nicht wenig zur Ausbreitung der Maul- und Klauenseuche
beitrug.
— Tondern, 3. Okt. Friesen-Stipendien. Zur Er—
haltung der friesischen Sprache und des friesischen Volkstums
ist dem Nordfriesischen Verein von einem Friesen ein bemerkens—
verter Vorschlag unterbreitet worden. Er bezwedt, eine
Stiftung ins Leben zu rufen, aus deren Zinsen junge Friesen
Stipendien zur Ausbildung als Geistliche oder Lehrer erhalten
sollen. Begründet wird der Vorschlag damit, daß diese Aemter
jetzt in der Mehrzahl von Nichtfriesen besetzt sind, denen es
cchwer fällt, sich mit friesischer Eigenart bekannt zu machen,
und die den auf Erhaltung friesischen Volkstums gerichteten
Bestrebungen wenig Interesse entgegenbringen. Die Stiftung
soll etwa 50 000 Mebetragen.
Lauenburg.
Lauenburg, 3. Okt. Ein schweres Sittenver⸗-
brechen wurde an der 13jährigen Tochter eines HZandwerkers
rus Kollow von einem Handwerksburschen verübt. Der Ver—
brecher hatte das ahnungslose Kind hinter eine Strohmiete
zeschleyppt. Er wurde von einem Landmann überrascht und
estgehalten, bis er durch den Gendarmeriewachtmeister Nietz aus
Zchwarzenbek verhaftet werden konnte.
Mölln, 3. Okt. Landmannssorgen. Ein für die
auenburgische Landbevölkerung sehr bedeutungsvoller Tag ist
er Michaelistag (29. Sept.), »der nach der alten lauenbur⸗
rischen Gesindeordnung noch immer als gesetzlicher Kündigungs-—
ermin gilt und darum in manchen Gemeinden „Bündeltag“
jenannt wird. Auch in diesem Jahre machte sich ein leb—
zafter Verkehr der umziehenden Arbeiter und abgehenden Dienst
oten bemerkbar. Trotz der hohen Löhne steigert sich die
Leutenot von Termin zu Termin in bedenklicher Weise. Na—
nentlich sind die Dienstmädchen ein rarer Artikel. Alles
trömt nach den benachbarten Großstädten, während unsere
randleute sich gezwungen sehen, ihre Arbeiten mit ausländischem
dienstrersonal von zweifelhafter Güte zu verrichten. — Die
Bulsadern zu durchschneiden versuchte sich an der
Lhaussee nach Breitenfelde ein stark angejahrter Handwerks—
zursche, der nach seinen Angaben lebens- und wandermüde
war. Tas von ihm benutzte Messer erwies sich indes als zu
tumpf zur Ausführung des Vorhabens. Der Lebensmüde
utde von einein Chausseepassanten. der ihm den verse—
— XXCCC
Arm mit einem Taschentuch verband, nach Mölln begleitet,
weigerte sich aber, zum Arzt zu gehen und wanderte zum
Wassertor hinaus.
—Brunstorf, 3. Olt. Auf frischer Tat verhaftet
wurde der 18jährige Waisenhauszögling Valentin aus Ham-
zurg, der bei dem Hufner Otto Kiehn hierselbst einem Knecht
den Koffer erbrochen und ausgeraubt hatte. Um seine Flucht
u ermöglichen, hatte er seiner „Braut“ hier vorher 20 We
Reisegeld entwendet. Als V. sich mit seiner Beute auf dem
Schwarzenbeker Bahnhof befand und sich eine Fahrkarte nach
ñamburg lösen wollte, erfolgte seine Festnahme durch den
Hendarmeriewachtmeister Nietz⸗ Schwarzenbek.
—Ratzeburg, 3. Sept. Amtsjubilaum. Oberwacht—
neister Voigt hierselbst blickte am 1. Okt. auf eine 25jährige
Dienstzeit in der Gendarmerie zurüc. Dem seit 15 Jahren als
Dberwachtmeister unseres Kreises wirkenden allgemein beliebten
heamten wurden zu seinem Ehrentage mancherlei Aufmerksam-
eiten zu teil. Die Gendarmen des Kreises ließen dem Ju—
zilar durch eine Deputation, bestehend aus den Wachtmeisterr
Schmidt⸗Ratzeburg und Lange⸗Sandesneben, ein wertvolles Pho—
ogrephiealbum ·mit passender Widmung und ihren Bildnissen
ibevwreichen. — Ernteschätzung in Schleswig-Hol-
tein. Nach dem Stande von Anfang September wurde die
Eente folgendermaßen geschätzt: Winterweizen 134 286 To.
à I100O ke), Sommerweizen 1598, Winterroggen 287 529,
Szommerroggen 1193, Sommergerste 105 059, Hafer 426 347,
Kartoffeln 360 495 To. (à 1000 kg). Der voraussichtliche Ertrag
„om Hektar beträgt bei Winterweizen 2,64 To. Sommerweizen
4,906 To., Winterroggen 2,002 To. Sommerroggen 1,25 To.,
Sommergerste 2,08 To., Hafer 2,03 To., Kartoffeln 11,61 To.
— Die Hasenjagd, die anm Sonntag in ganz Preußen er—
zffnet wurde, hat diesmal auf gute Ergebnisse zu rechnen. Zwar
siind die Junghasen wegen des spärlichen Futters nur klein ge-—
blieben, haben sich aber sonst infolge des schönen und warmen
Wetters gut entwickelt. Vor allen Dinagen sind sie zahlreich
hertreten.
Großherzogtümer Meclendburg.
Schwerin, 3. Okt. Sein sOojähriges Dienst-
zjubiläum feierte der Generalleutnant z. D. Emil Stern. Der⸗
selbe wurde im Juni 1888 als Oberstleutnant zum etatsmäßigen
Stabsoffizier des Feldartillerie-Regiments Nr. 24d versetzt und
tatte als solcher bis zum März 1890 hier seinen Wohnsitz.
Rostock, 8. Okt. 70. Geburtstag des Professsors
Hashagen. Professor D. Hashagen, der Vertreter der prak⸗
tischen Theologie an der Universität Rostock, begeht am 4. Oktober
teinen siebzigsten Geburtstag. — Messerstecherei und
Schlägerei. Ein junger Mann, der mit dem Motorboot
»on Gehlsdorf abends hier ankam, wurde am Badstübertor von
iner Rotte überfallen. Mit Messern bearbeiteten diese Roh
inge den jungen Mann derart, daß er blutüberströmt ins Kran⸗
enhaus werbracht werden mustte. Leider entkamen die Täter
unerkannt.
.88 Grevesmühlen, 3. Okt. Raschtritt der Tod
en Menschen an. Ein 83iähriger Mann, der frühere
Kaufmann Albrecht, ging gestern aus, um in der Nähe des
Bielbecker Sees Champignons zu pflücken. Einige Stunden
arnach wurde er von einem Fuhrmann im Wege am See
tot aufgefunden. Ein Schlagsfiuß hatte seinem Leben auf jähe
Weise ein Ziel gesetzt. — Zur Herbstsaatvestellung
ommt das jetzige Regenwetter dem Landmann sehr zu statten.
Der Boden war stellenweise so hart, daß das Pflügen mit
Zzchwierigkeiten verknüpft war, und durchweg derartig trocken,
»aß die Aussaat aus dem Grunde hinausgeschoben werden
mißtte. Infolgedessen ist die Saatbestellung im allgemeinen
ziemlich im Rückstande. — Die Kartoffelernte ist hier
noch immer in vollem Gange. Sie fällt im ganzen besser aus,
als man anfangs erwartet hatte. Die frühen Sorten lohnen
durchweg besser als die späten. Geklagt wird nur über Mäuse⸗
fraß und Auswuchs.
Annie Luttrell.
Ein romantisches Kapitel aus der Geschichte des
englischen Königshauses.
nge. „Von den Söhnen des Prinzen Frederick von Wales
var Henry Frederich Herzog von Cumberlaud, nach einstimmigem
Urteil der lasterhafteste, so wie sein ältester Bruder, König
Georg III., ehrenvollen Andenkens, der tugendhafteste war. .
Mit die en Worten leitet Thornton Hall in seinem in London
bei T. Werner Laurie erschienenen neuen Buiche „Love Romances
of the Aristocrach“ das Kapitel ein, dessen Heldin Annie Luttrell
ist. Es schildert, wie eine junge Frau von bescheidenem
Ursprunge sich das Herz eines an den Stufen des Thrones
geborenen Mannes zu erobern und jede Schranke niederzu—
reißen wußte, die sich ihrem Ehrgeiz entgegenstellte.
Prinz Friedrich von Wales war neun Jahre vor seinem
Vater, dem König Georg II. von Chaland, 1751 ganz unerwartet
gestorben. Mit acht jugendlichen Kindern ließ er seine Ge—
mahlin, die Prinzessin Auguste von Sachsen-Gotha, zurück;
das neunte trug sie unter dem Herzen. Fünf Söhne waren es,
deren ältester am 25. Oktoder 1760 seinem Großvater als
Georg III. in der Regierung folgte. Die jüngeren hiehen
Herzog Edward von York, Herzog William von Gloucester,
Herzog Henry Frederich von Cumberland und Prinz Frederick
William, der schon im Jünglingsalter starb, Während König
Geora III. mit der Königin Charlotte, einer Prinzessin von
Mecklenburg⸗Strelitz, die musterhafteste Ehe führte, erregten
seine Brüder bald durch ihren Lebenswandel schlimmes Aerger⸗
nis. Sie waren bis zu ihrem 21. Jahre der Welt voll⸗
ständig ferngehalten worden und stürzten sich nun kopfüber
in den Strudel ihrer Freuden. Am tollsten trieb es der 1748
geborene Herzog von Cumberland. Nur zwei vorteilhafte Eigen⸗
aften konnte man ihm nicht abstreiten: seine hübsche. siatt-
liche Erscheinung und seine Leidenshaft für gute Musit. Star—
ier aber noch war seine Leidenschaft für das schöne Ge—
clecht. Eines seiner beklagenswertesien Opfer war die lieb⸗
liche Grafin Henrietla von Groevenor die er so lanoe ver—
folgte, bis sie ihmr Gehor schenkte. Doch als Lord Grosvenor
den Treubruch entdedte, sich scheiden üeh und der Serzog als
Mitschuldiger au einer Bute 6200 000 Mvberurteiln re
ließ er die durch ihn zugrunde gerichtete junge Frau achtlos
am Wege liegen und wendete sich anderen zu.
Er sollte seine Meisterin finden. In Brighton, dem vor—⸗
nehmen Seebade vor den Toren Londons, begegnete ihm
im Sommer 1771 Annie Luttrell, die Tochter des Lords Irnham
end verwitwete Mes. Horton. Sie entstammte einer Familie
in der sich die Frauen durch Schönheit, die Männer durch
ügellose Wildheit hervortaten. Lin Bruder von ihr, Oberst
zuttrell, war als einer der gefähriichsten Raufbolde im ganzen
Aönigreich berüchtigt. Mit 17 Jahren war Annie VLuttrell dem
Mr. Christopher Horton vermählt worden, einem derben, trink⸗
esten Gutsbesitzer. und sie war 22 Jahre alt, als sie ihn
ind ihn Kind beinahe gleichzeitig verlor. Sie stand jetzt in
er Blüte ihrer Schönheit und hinter ihrer weißen Stirn
eifte der Entschluß, sich ein neues Lebensglück zu schmieden.
otace Walpole, der sie damals sab, beschreibt sie folgender—
naßen: „.... Außerordentlich lübsch, sehr gut gewachsen,
nit den verliebtesten Augen der Welt unter meterlangen Augen⸗
vimpern. Maßlos kokett, so listenreich wie Kleopatra und
vollkommen Herrin all ihrer Empfindungen und ihrer Pläne.“
Ind an anderer Stelle sagt Walrole: „In ihren schmach—
enden Augen, denen sie einen bezaubernden Ausdruck zu
erleihen wußte, lag etwas so Entzückendes und ihre Koketterie
bar so unernrüdlich, so mannigfaltig und ihr so sehr zur
weiten Natur geworden, daß es schwer war, sie zu durch—
chauen, und ebenso schwer, ihr zu widerstehen. Sie tanzte
röttlich und hesakß sehr viel Witz.“
Eigentlich hatte Annie Lutttell unter der Schar An—
xeter in Brighton bereits ihre Wahl getroffen und sich halb
ind halb entschieden, einem General Smith, dessen Hauptvorzug
rein Reichtum war, ihre schmale Hand zum zweiten Ehebunde
zu reichen. Aber als der Herzog von Cumberland erschien
und sie ohne viel Umschweife begehrte, erkannte sie, dah
ihr hier ein höheres Los winkte. Sie fühlte sich stark genug,
hn ihrem Willen zu unterwerfen. Sie war bereit, die Seine
zu werden, — aber nicht in Heimlichkeit, sondern vor aller
Welt, als seine Frau. Und der Herzog fügte sich. Am
3. November 1771 ließ er sich in Calais mit Annie Luttrell
hauen. Sie hatte stärkeren Druck quf ihn ausuuben bis
— W —n
er sich endlich auch entschloß. vor seinen königlichen Bruder zu
treten und ihm von dem Geschehenen Mitteilung zu machen.
ßeorg III. war aufs höchste empört und der Herzog mußte es
ich gefallen lassen, ein Dummkopf und Schurke genannt zu
rerden. Niemals, so versicherte der König, würde er Annie
duttrell als seine Schwägerin betrachten.
Aber so leicht war Annie Luttrell nicht zu besiegen. Kurz
darauf zog sie an der Seite ihres Gemahls in dessen Resi—
denz ein, und wenn der König auch durch seinen Oberkammer-
hjerrn verkünden ließ, da niemand seine Schwelle bhetreten
ürfe, der der Herzogin von Cumberland als Prinzessin von
sßeblüt huldige, so gelang es der Verfehmten doch, eine
Art von Hof um sich zu versammelin. Die kleine Landjunkertochter
iahm überraschend schnell die Haltung einer echten Herzogin
in und entwaffnete durch Anmut und Geist viele ihrer Geg⸗
net. Endlich gab auch der König seinen Widerstand auf
ind Annie Luttrell erhielt in der königlichen Familie den
Rang, der ihr gebührte. Doch buüeb sie im Grunde immer
rur geduldet, und es scheint, daß sie schlieblich doch zu der
Erkenntnis gelangte, diesen äußeren Glanz zu teuer bezahlt zu
zaben. Der Herzog von Cumberland oernachlässigte sie schneil und
aAgab sich immer gröberen Ausschweifungen. Tann starb er,
ötperlich längst zerrüttet, 17960, und nun war sie ganz einsam
ind verlassen. Einer Freundin schrieb sie damals:; „Von
allen Prinzessinnen bin ich gewiß die unglüclichste“. —X
ihr bis zu ihrem Tode im Jahre 1809 auch die öffentliche
Achtung versagt wurde, daran trug hauptsächlich der Umstand
Schuld, daß der Name Luttrell immer von neuem in Verbin⸗
dung mit stkandalösen Ereignissen genannt wurde. Namentlich
ihre Schwester Elisabeth, die ebenso schön und klug wie sie
gewesen war, brachte Schande über sie, kam in Schuldhaft
und wurde des Falschspielens angeklagt. Später heiratete Eli—⸗
sabeth Luttiell auf dem Festlande, wohin sie geflüchtet war,
einen Haarkünstler, lief ihm wieder fort. wurde in Bayern
wegen Taschendiebstahls bestraft und mußte die Straken von
Augsburg. an einen Schubkarren gekettet, kehren, bis sie
ihrem verfehlten Dasein durch Gift ein Ende machte.
Da aber schlummerte Annie Luttrell schon in der Gruft
der enqlischen Könige Dr. A. yon Wilke..