Full text: Lübeckische Anzeigen 1911 (1911)

ahre. Bäufig gewähren die Werke ihren Arbeikern aber 
auch von vornherein einen jährlichen Urlaub von drei bis acht 
Tagen unter voller Lohnzahlung; einige Firmen derart, daß 
ie ihnen den Sonnabend nachmittag vor Psingsten und den 
Janzen Dienstag nach Pfingsten freigeben. Außerdem be— 
emmen ihre Meister, welche 25 Jahre im Dienste sind, jähr— 
äch eine Woche Urlaub. Ueberhaupt sind Urlaubseinrichtungen 
für Meister, Vorarbeiter und die ältesten Arbeiter bei dem über— 
viegenden Teil der eingegangenen Antworten festzustellen. Was 
die einzelnen Branchen betrifft, so scheinen namentlich Papier— 
abriken das Institut der Urlaubsbewilligung bemerkenswert 
rusgebaut zu haben. Aber es finden sich auch zahlreiche An— 
zänger in der Textilindustrie; Eisen- und Stahlwerke, Schiffs— 
verften und Maschinenfabriken stellen ein erhebliches Kontingent, 
und sehr zahlreich sind die chemischen Fabriken mit Urlaubs— 
einrichtungen vertreten. Die Gewährung von Urlaub ist auch 
im Buchdruckgewerbe stark verbreitet und wird vom Buch— 
druckerverband fortwährend gefördert. Füt die nächste Tarif— 
periode GBeginn 1912) soll der Verband amtlich Zwangsferien 
uinter voller Lohnzahlung beantragen und dabei auf England 
hinweisen. In England hat man aber Zwangsferien unter 
Fortfall des Lohnes eingeführt, wozu sich die deutschen Buch— 
druckereibesizer sehr gern und leicht entschließen könnten, da 
sie im Sommer gewöhnlich wenig zu tun haben und vielfach 
Arbeiter entlassen koöͤnnten. Man hält eine regelmäßige Ur— 
laubsbewilligung im Buchdruckgewerbe, wenn sie mit Lohn— 
zahlung verbunden sei, ganz besonders deswegen für unbillig, 
weil der Buchdruckertarif für ijede Minute Aeberstundenarbeit 
die Bezahlung einer vollen halben Stunde vorsehe und über—⸗ 
dies Ueberstunden mit 20, 50 und sogar 100 v. H. Lohnaufschlag 
hezahlt werden müßten. Demgegenüber stellten die Ferien für 
aufmännische und sonstige Angestellte nur eine gerechte Kom— 
vensation für die vielen kostenlosen Ueberstunden dar, die die 
Saison erzwinge. Zum Schluß seiner Darlegung sagt der 
Zentralverband Deutscher Industrieller: In Anbetracht dessen, 
daß die allermeisten Firmen, welche Urlaubseinrichtungen in 
rgendeiner Form getroffen haben, diese von einem gewissen 
Dienstalter und guter Führung abhängig machen und mit Rück— 
sicht darauf, daß die bisherigen Erfahrungen fast ohne Aus— 
nahme als gut bezeichnet werden, scheint sich die Einführung 
eines regelmähigen Jahresurlaubs unter Lohnfortzahlung als 
ein Mittel zu erweisen, die Seßhaftmachung der Arbeiter zu 
zeschränken und die Heranziehung eines Stammes von älteren 
bewährten Arbeitern zu ermöglichen. 
E Stape lauf. Auf der Schiffswerft von Henry Koch A.G. 
indet heute nachmittag 8 Uhr der Stapellauf eines daselbst 
ür Rechnung der Firma Adolf Kirsten in Hamburg erbauten 
neuen Dampfers statt, der die Baunummer 209 führt und 
den Namen Mosel“ erhalten soll. Der Neubau dürfte eine 
Trogfähigkeit von 14- bis 1500 To. haben. — 
WVereinigte Stadttheater, Lübedt. 
Spielplan von Sonntag, den 1. Okt bis einschl. Sonntag, den 8. Oki. 
(Aenderungen bleiben vorbehalten.) 
Neues Stadttheater: 
Olhtober. Anf. Ende 
Sonntag, 1.: „Der Prophet“. Ab.7 A. 103u. 
Montag, 2.: Oavalleria rusticana. Hierauf: 
„Der Bajazzo“. 74 u 10 v 
Dienstag, 3.: „Glaube und Heimat 710.* 
Mittwoch, 4: Die Doillarprinzessin“. 8419 
Honnerstag. 5.3 Eine Frau ohne Bedeutung. 73 10 
Freitag, 6.: „Der Prophel. i 
Sonnabend, 7.; „Des Meeres und der Liebe 
J Weilienꝰ 74, 1019, 
Sonntag. 8.2 „Hyritze Pyritz 36 
„Der Beltelstudent“. . 74 106 
Stadthallen-Theater? 
Vktober. 
Sonntag, 1.: „Pension Schöller“. Posse von 
Tarl Laufs. Hieraquf: Ur⸗ 
ufführung! „Ein Idyll auf 
oem Priwall“, Schwank von 
Ernst Albert. Ab.7 U. 10) U. 
Freitag, 6.: „Pension Schöller“, Hierauf; „Ein 
Idyll auf dem Priwall“. 8„.410, 
In Vorbereitung: Gästspiel der Kgl. Bayr. Kammersängerin 
Margarete Matzenauer von der Kal. Hosoper München. „Carmen“. 
Sturmwarnung. Die Deutsche Seewarte in Hamburg 
telegraphierte heute mitiag: Minimum, schnell ostwärts vor⸗ 
dringend, südliche Nordsee. Gefahr stürmischer, zunächst süd⸗ 
westlicher Winde. Signal: Südwestslurm. 
I Siraftammer II. Sitzung vom 29. Sept. Wegen Dieb— 
tahls im Rückfalle hat sich der Arbeiter Ferdinand B. aus 
deiligenhafen zu verantworten. Am Nachmittag des 28. Anuag. 
So kann es denn kaum Wunder nehmen, wenn ein auch 
dem in Mode gekommenen Namen Wilde gegenüber nüchtern 
verbleibender Zuschauer sich veranlaßt sehen würde, das Titel— 
wort nochmals zu variieren: „Nichts Besonderes: ein Stück 
ohne Bedeutung!“ Eine ganze Anzahl unserer Darsteller 
hatte sich zu bemühen, diese fehlende Bedeutung dem Stücke 
zu geben. Es würde jedoch dem Autor Unrecht tun heißen, 
wenn man sagen wollte, daß die gestrige Aufführung seinen 
Intentionen überall oder auch nur zum größten Teil ge— 
echt geworden sei. So fehlte in erster Linie dem Lord 
Illingworth des Herrn Hoß die überlegene Leichtigkeit in 
»er Verdolmetschung der Wildeschen Satirismen. Das klang 
eilweise so ernst, als ob der Mann an all seine Persiflagen 
ind Parodoxe selber glaube. Seine Partnerin in dem 
Spiel von Witzeleien und Moquanterien, Frl. Roemer, 
agte meist ihre Sprüchlein so eben her, indem sie sich nur 
eifrig bemühte, durch möglichst lebhaftes Augenspiel den 
findruck der von ihr vorgetragenen Geistreichigkeiten tun— 
ichst pikant zu machen. Die spielende Sicherheit der in 
allen Sätteln gerechten Salondame erreichte sie damit nicht 
m entferntesten. Auch Frl. Laudien wurde der Rolle 
»er Lady Hunstanton für mein Gefühl nicht gerecht. Es 
'am bei ihr vorwiegend nur die Langweiligkeit und Be— 
schränktheit der Lady zur Geltung, der spezifische 
Eindruck der Dame der ersten Gesellschaft, dessen 
Zinzutritt ja erst der Gestalt die satirische Kraft geben 
oll, blieb aus. Bessere humoristische Wirkungen erzielte 
mmerhin Frl. Gerlach durch ihr selbstherrliches Strick— 
trumpfregiment. Recht gut dagegen war Frl. Bormann in 
zer Rolle des hübschen Gänschens Stutfield. Auch Herr 
Schürer gab sich alle Mühe, die Rolle des Sohnes durch 
ille Fährl'chteiten ihser inneren Unwahrschcinlichkeit hindurch- 
usteuern. Es soll ihm nicht zum großen Vorwurf angerechnet 
verden, wenn es ihm nicht überall gelang. Am besten schnitt 
zrl. Betkke ab, d'e in der Rolle der Mutter am Schlusse 
nenigstens einige dramatische Momente zu interpretieren fand. 
Das Leidlich besetzte Haus ließ es an cinigem Beifall nicht 
ehlen, der am Schlusse sogar ziemlich lebhaft wurde, jedoch 
vohl mehr den Bemühungen der Darsteller, als dem Stücke 
,y— Babhen dürfié Momos. 
atte sich ein Arbeiler Karl Müller an der Böschung der nach 
hrensbök führenden Chaussee in der Nähe von Spechserholz 
um Schlafen niedergelegt. Er hatte seine Halbschuhe von 
en Füßen heruntergezogen und sie auf die Zehen gesteckt. 
Vährend Müller schlief, kam der Angeklagte des Weges und 
ignete sich im Vorübergehen die Schuhe des Schlafenden an. 
urze Zeit darauf wurden ihm die Schuhe von dem Gen— 
arm wieder abgenommen. Das Urteil lautet in Rücksicht auf 
ie Vorsirafen auf vier Monate Gefängnis. 
—2 
sSportnachrichten. 
Mitgekeilt von Sportbureau Joh. Ganzel, 
Hamburg J. F.: IV. 3790,/3791.) 
Rennen zu Paris-Maisons-Laffitte, 29. Sept. Cri⸗ 
rerium de Maisons-Laffitte. Montroso II O Neill)1. 
Zugler 2. Radial 3. Tot.: 17: 10, Platz: 15, 32: 10. 
Oermischtes. 
Das Drama im Schnellzug Erfurt — Naumburg. Das Drama, 
as sich vor einigen Tagen im Schnellzug Erfurt — Naumburg 
reignete, ist noch immer nicht aufgeklärt. Trotz eingehendster 
dachforschungen der Staatsanwaltschaft ist es noch nicht ge— 
ingen, festzustellen, ob ein zweifacher Selbstmord oder ein 
zerbrechen vorliegt. Das Vorleben beider Opfer der Tragödie 
urde bis ins kleinste nachgeprüft, ihre persönlichen und ma— 
riellen Verhältnisse wurden durchforscht, um irgendeinen An— 
altspunkt zur Ergründung des Motivs des rätselhaften Vor— 
illes zu gewinnen. Es konnte jedoch nur festgestellt werden, 
ahß die beiden Toten, der Buchhalter Kurt Streitz und der 
ei einer Naumburger Automobilvermietungsgesellschaft als 
ohnchauffeur angestellte Franz Laue, seit längerer Zeit eng 
efreundet waren und ihre freie Zeit meist zusammen ver—⸗ 
rachten. Der Buchhalter soll seit längerer Zeit ein etwas 
ockeres Leben geführt und sich in letzter Zeit in Geldverlegen— 
eit befunden haben. Er hat auch schon öfter seinen Be— 
annten gegenüber S-bstmordgedanken geäußert. Der Chauf⸗ 
ezur Laue galt als ein solider, lebenslustiger junger Mann, 
em noch heute niemand seiner Bekannten irgendwelche Selbst— 
aordabsichten zutraut. Von Wichtigkeit für die Aufklärung des 
'atbestandes ist die Feststellung,; daß beide Freunde sich vor 
arzem in das gleiche junge Mädchen verliebten, und daß 
er Buchhalter zwei Schußwunden im Kopf hatte, während 
er Schädel des Chauffeurs nur eine Wunde aufweist. Diese 
jeststeluung ght vielleicht den Schlüssel zur Lösung des Rätsels. 
s erscheint nicht ausgeschlossen, daß die Freunde der gemein⸗ 
amen Liebe wegen beschlossen, gemeinsam aus dem LSeben zu 
heiden. Es ist jedoch auf Grund des Leichenbefundes auch 
e Möglichkeit nicht von der Hand zu weisen, daß der Buch⸗ 
alter zuerst seinen Freund in den Kopf schoß und dann 
ch selbst zwei Schüsse beibrachte. Der Revolver, der auf 
em Fußboden des Eisenbahnabteils lag, ist ein gewöhnlicher 
rommelrevolver. In ihm befanden sich noch drei Geschosse. 
zolle Klarheit wird in die dunkle Angelegenheit wohl nie 
ebracht werden können, da die beiden Freunde vor ihrem Tode 
icht mehr vernehmungsfähig waren. Die Leichen wurden 
imdie Leichenhalle des Naumburger Friedhofes geschafft, 
»o ihre Obduktion stattgefunden hat. 
C. K. Eine Pflauze, die lachen macht, wächst in Arabien 
ind bringt eine leuchtend gelbe Blume hervor, deren schwarzer 
amen in der Form an schwarze Bohnen gemahnt.“ Die 
zingeborenen trorͤnen und pulverisieren diesen. Samen. Eine 
leine Dosis dieses Pulvers, so berichtet eine englische Wochen⸗ 
hrift, bringt bei dem nüchternsten Menschen eine wunderliche 
zerwandlung hervor: der Betreffende beginnt sich wie ein 
rlown oder wie ein Wahnsinniger zu benehmen, tanzt, singt 
nd lacht schallend und setzt diese Heiterkeitsgusbrüche etwa 
ine Stunde lang fort. Dann folgt ein schwerer Schlaf, 
ind wenn der Erschöpfte schließlich wieder erwacht, hat er 
eꝛde Erinnerung an sein verrücktes Gebaren verloren und 
reiß nicht. was er geftan und was mit ihm geschehen ist 
seueste Nachrichten und Telegramme. 
Der italienisch-türkische Krieg. 
Details zur Kriegserklärung. 
W. Rom, 30. Sept. Die Tribuna schreibt: Die italienische 
degierung notifizierte die Kriegserklärung in Konstantinopel 
elegraphisch und erteilte dem italienischen Geschwader abends 
en Befehl, in Aktion zu treten. — Giornale d' Italia meldet: 
die Antwort der Türkei ist nachmittagss um 5 Uhr in 
dom eingetroffen. Sie antwortete auf die unaufschiebbaren 
zorderungen Italiens nicht. Das Verhalten der Pforte 
zrde vorausgesehen. Der Entschluß der Regierung, den 
Zrieg zu erklären, sei das einzig Logische und Notwendige. 
Die Landung der Italiener in Tripolis. 
W. Rom, 30. Sept. Corriero d'Italia meldet aus Tri— 
olis: Um 10 Uhr näherten sich die italienischen Panzer 
en Kais. Ein Torpedoboot mit einer weißen Fahne fährt 
uf das Land zu und unter Vorantragung der Fahne ent— 
leigen ihm mehrere Marineoffiziere, die den türkischen Be— 
örden das Ultimatum Italiens verkünden. Es ist unmög—⸗ 
ch, den Eindruck dieser Erklärung wiederzugeben, den die 
ztaliener mit Jubel aufnehmen. Ein Zwischenfall hat sich 
isher nicht ereignet. 
Nach einer Meldung der Tribuna ist der Torpedo— 
zootszerstörer „Garibaldi— um 11 Uhr vormittags 
nden Hafen eingelaufen. Die Ankunft machte auf 
ie Türken und Araber einen ungeheuren Eindruck. Die 
nwesenden Italiener begrüßten ihn mit Hüteschwenken und 
tufen „Hoch Italien!“ Ein Offizier begab sich an Land 
ind wurde vom Vizekonsul Galli begrüßt. Nach einer Unter⸗ 
edung mit dem Offizier ordnete der Vizekonsul die Ein— 
chiffung der Italiener, die auf dem Konsulat versammelt 
varen, an Bord des Dampfers an. 
W. London, 30. Sept. Der Daily Chronicle meldet aus 
ripolis: Als gestern vormittag ein Offizier des italieni— 
hen Torpedobootszerstörers „Garibaldino“ mit einem Ma— 
rosen, der eine weiße Flagge krug, an Land kam, wurden 
eide von türkischen Soldaten umringt. Der Offizier fragte 
ach dem türkischen Befehlshaber, dem er in aller Form an— 
ündigte, die italienische Flotte habe Befehl, die Stadt zu 
esetzen. Deshalb verlange er sofortige Ueber— 
abe der ganzen Garnison. Der ktürkische Komman— 
ant erwiderte, er sei nicht in der Lage, der Aufforderung 
achzukommen und lehne entschieden die Uebergabe ab. 
W. London, 30. Sept. Die Daily News berichtet noch 
ber die Unterredung zwischen dem italienischen Offizier und 
em türkischen Kommandanten in Tripolis. daß diese in den 
öflichsten Ausdrücken geführt wurde. Es ereignete iy 
abei kein Zwischenfall. Der Kommandant versorach, 
uwenigen Stunden endgültigen Bescheid zu geben. Darauf 
rklärte der italienische Offizier, den Nichtkämpfern würde 
ine Frist von sechs Stunden zum Verlassen der Stadt ein— 
eräumt werden. Nachdem höfliche Grüße ausgewechselt waren, 
ehrte die italienische Abordnung zur Flotte zurück. 
Die Jagd auf türkische Tranzportdampfer. 
W. Athen, 30. Sept. Der Ministerpräsident erhielt qdus 
Bonitsa, aus dem Meerbusen von Arka, eine Depesche, nach 
zer italienische Kreuzer zwei türkische Transportdampfer, die 
ruppenladungen an Bord hatten, verfolgt und beschossen 
saben. Die kürkischen Schiffe flüchteten an die Küste von 
Revesa im türkischen Epirus. 
Die ensleschen Offiz ere verl ssen die türichen Kr'eg schiffe. 
W. Konstantinovel, 30. Sept. (Meldung der Agenzia 
Stefani.) Die englische Regierung erteilte den in Diensten 
»er türkischen Flotte befindlichen Offizieren den Befehl, die 
ürkischen Kriegsschiffe zu verlassen. 
Drohender Boykott gegen Italien. 
W. Saloniki, 30. Sept. Das Komitee für Cinheit und 
Fortschritt droht jetzt öffentlich mit cinem wirtschaftlichen 
Kampf gegen alle ital'enischen Enrichtungen. Es wird nach 
er Eröffnung der Feindseligkeiten alle italienischen Staats— 
mgehörigen ausweisen. Bis dahin fordert es das Volk zur 
kKuhe und Besonnenheit auf. Da sich unter der hiesigen 
üdischen Bevölkerung an viertausend italienische Schutzbe— 
ohlene befinden, wird die Lage als überaus ernst empfunden, 
umal diese Israeliten sehr großen Grundbesitz haben und 
ervorragend an den Handelsunternehmungen beteiligt sind. 
Itallenische Konsuln und die erregte türkische Vevel erung, 
W. Tunis, 30. Sept. (Meldung der Agence Havas.) Moch 
inem aus Malta stammenden unbestätigten Gerücht soll 
er englische Kreuzer „Medea“ abgecçcangen sein, um Bomba, 
inen natürlichen Hafen zwischen Derna und Alexandrien zu 
‚esetzen. 
Die Stimmung in Rom. 
W. Rom, 30. Sept. Die Zeitungen gaben abermals Extra— 
usgaben heraus, die den Austrägern vom Publikum förmlich 
ntrissen wurden. Zahlreiche Manifestanten veranstalteten einen 
lmzug und zogen unter den Rufen „Hoch Italien, hoch das 
Reer und hoch die Marine!“ zum Quirinal, dem Ministerium 
es Aeußern, dem Ktriegsministerium und dem Viktor-Emanuel— 
Denkmal. Die Ordnung wurde nirgends gestört. Der hiesige 
türklische Geschäftsträger reist morgen ab. 
Türkische Note an die Mächte. 
W. Konstantinopel, 80. Sept. 2 Uhr früh. Der Minister⸗ 
at bleibt im Palais versammelt. Die Pforte richtete einen 
Ippell an die Mächte, in welchem sie ihre peinliche Ueber— 
raschung über das Vorgehen Italiens ausspricht und sich 
an die friedlichen und humanitären Gefühle der Mächte 
wendet, damit ein unnützes Blutvergießen verhindert wird. 
Zur Zerstörung des türkischen Torpedobootes. 
M. Konstantinopel, 30. Sept. Ueber den Kampf in Prevesa 
zerichtet das Wiener k. k. Tel. Korr.Bureau: Ein italieni— 
ches Kriegsschiff griff gestern mittag um 2 Uhr zwei türkische 
Torpedoboote an, von denen eines getroffen wurde und 
trandete, während das andere entkam. Die Mannschaft des 
zestrandeten Torpedobootes ist gerettet. Wie hier verlautet, 
'oll eni italienisches Kriegsschiff bei Tripoli« 
restrandet sein. 
Zum Todessturz des Kapitänleutnants Engelhardt. 
W. Berlin, 30. Sept. Ueber den Todessturz des Fliegers 
Zapitän Engelhardt und die lebensgefährliche Verletzung seines 
Schülers Sedlmayr berichtete Engelhardt: Er legte die letzte 
stunde wieder in geringer Höhe von etwa 20 bis 30 Metern 
auück, als plötzlich seine Maschine stark schwankte und gleich 
arauf seitlich vorwärts herabschoß. — Obgleich sich der 
spparat nur in verhältnismäßig geringer Höhe befunden hat, 
ildeten die Tragdecken des Doppeldeckers nur einen Trümmer⸗ 
aufen und ein wirres Durcheinander von zerbrochenen Trag⸗ 
lützen, Spanndrähten und sonstigen Teilen der Flächen. Der 
dühler des Motors und der Propeller waren vollständig 
ꝛntrümmert. Kapitän Engelhardt lag unter den Trümmeri 
egraben, sein Passagier, der junge Sedlmayr, lag daneben, 
chon nach wenigen Augenblicken waren von den Flieger— 
huppen hilfsbereite Hände zur Stelle und von der Unfall— 
ation sauste ein Automobil mit einem Arzt herbei. Beide 
flieger waren bewußtlos. Bei Sedlmayr wurden ein Schädel— 
ind ein Armbruch festgestellt; er wurde in das Krankenhaus 
ebrocht. Seine Verletzungen sah der Arzt nicht für unbedingt 
ödlich an. Bis zur späten Abendstunde hatte er, dem 
zerliner Tageblatt zufolge, das Bewußtsein noch nicht wieder— 
rlangt. Für den Kapitän Engelhardt kam die ärztliche Hilfe 
u spät. Eine der abgebrochenen Streben, die die beiden 
tagflächen des Doppeldeckers miteinander verbinden, war 
hm in den Leib gedrungen und hatten diesen vollständig 
rusgerissen. Im Aerztezimmer bei den Tribünen starb Engel— 
jardt nach wenigen Mimiten. 
Die Wahlen im Großherzogtum Oldenburg. 
W. Oldenburg, 30. Sept. Im Großherzogtum Olderburg 
anden die Landtagswahlen erstmalig nach dem allgemeinen, 
leichen Wahlrecht statt. Nach den bis 1 Uhr nachts vorliegen— 
en Ergebnissen findet in den meisten Wahlkreisen eine Nach— 
zahl statt. Definitiv gewählt sind bisher drei Vertreter der 
dechten, drei Nationalliberale, zwei Liberale. fünf Vertreter 
des Zentrums und fünf Sozialdemokraten 
Ein Banklehrhing mit 144000 Maugeflüchtet. 
W. Saarbrücken, 30. Sept. Ein 19jähriger Beamter der 
derpositenkasse Sulzbach des Saarbrücker Bankhauses Gebrüder 
äöchling ist gestern nachmittag mit 144 000 M, die er von der 
zaarbrücker Hauptkasse nach Sulzbach bringen sollte, flüchtig 
eworden. 
Englischer Kohlenarbeiterstreik in Aussicht? 
W. London, 30. Sept. Nach einer Blättermeldung ist die 
jer abgehaltene Konferenz zwischen den Alebiteebern und Arbeit— 
ehmern der britischen Kohlengruben gescheitert. Es wurde leine 
inigkeit über die Veschwerden der Arbeiler erzielt. Die Be— 
orgnis, datzes zu einem Streik kommt, wächst. Das Publitum 
eeilt sich, Kohlenvorräte einaukaufen. da es cine Preissteigerung 
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