nicht froh würden. Es hat schon den Franzosen große Schwie—
rigkeiten gemacht, das Hinterland von Algier und Tunis in Bot⸗
maäßigkeit zu bringen; Unsummen wurden durch das Unternehmen
verschlungen, und das geldarme Italien wird schwerlich gleiche
Leistungen vollbringen können. Bei einem Krieg mit der Türkei
hätte Italien nur zu verlieren. Die südländische Macht würde
wohl die Küsten brandschatzen, einige Städte beschießen können,
weitere Erfolge dürfte sie wohl nicht erzielen. Sie würde in einen
Jangwietigen Koloniallrieg verwickelt werden, der nicht den Lohn
bringen würde, den die Italiener erhoffen. Außerdem ist es ab—
solnt ungewiß, ob es den Italienern überhaupt gelingen wird,
in Tripolitanien auf die Tauer festen Fuß zu fassen.
Abselute Zahlen über das, was die- Türkei im Kriege über—
haupt an Truppen aufstellen kann, sind nicht zu erhalten. 1907
wurde das Kriegskontingent auf etwa 14940 000 Mann ausge—
bildeter Mannschasten geschätzt. Italien hatte 1910 eine Kriegs—
stärke des stehenden Heeres von 796 560 Mann, dazu an Reserven
etwa 214 Millionen Mann. Natürlich kann bei der Lage der
beiden Länder zu einander nur ein verhältnismäßig Teiner Bruch-
teil der Armee verwandt werden. Ueber die Tinziehung ita—
—DDDDDD——
Mailand, 28. Sept. In ganz Oberitalien ist die Stellung
der Jahresklasse 1888 ohne Ruhestörungen vor sich gegangen.
Ausgenommen wurden von der Mobilisierung die Reservisten der
Alnenjäger, der Kavallerie und einiger Spezialformationen der
Genie-Regimenter.
*
W. Rom, 29. Sept. Die Agencia Stefani meldet aus Va—⸗
lona: Die türkischen Offiziere und der Klub der Partei für Ein—
heit und Fortschritt beriefen heute die einflußreichsten Personen
des Landes und der Kaufmannschaft zusammen und forderten
sie auf, den Boykott gegen Italien zu erklären. Unter
Tarlegung der Gefühle der Bevölkerung erklärten jedoch die
Versammelten einmütig, sich im Hinblick auf die freundschaftlichen
Beziehungen und Interessen, die Albanien an Italien knüptfen,
dem vorgeschlagenen Bonhkott sich nicht anschließen zu können.
V. Konstantinopel, 29. Sest. Es laufen Gerüchte um,
die einen Ministerwechsel nicht ausgeschlossen erscheinen
lassen. Man spricht über die mögliche Bildung eines Kabinetts
unter Kiamil oder Said. — General Robilant und die übrigen
in türkischen Diensten befindlichen italienischen Gendarmerie—
ofsiziere sollen heute Konstantinopel verlassen. Nach griechischen
Meldungen begannen auf türkischer Seite Vruppenkonzen—
trationen an der thessalischen Grenze. Achtundzwanzig
Kanonen sind in Elassong eingetroffen.
Wt. Walta, 29. Sept. Ein eben eingegangenes Hri⸗
vattelegtamm meldet, daß 12 italienische Kriegs—
schiffe vor Tripolis Anker warfen. Man erwartet, daß
lie nachmittags Mannschaften landen werden.
Wt. Nom, 29. Sept. Sonderausgaben der Blätter mel—
den, daß die italienischen Schiffe vor Tripolis auf hoher See
kreuzen und ihre Scheinwerfer auf den Hafen richten. Der
Dampfer „Herkules“ ist heute früh mit 500 Europäern von
Tripolis abgegangen. Der Dampfer „Adria“ mit dem aposto—
lischen Präfekten Pater Bresciania ist dort angekommen.
Wt. Rom, 29. Sept. Giornale d'Italia meldet: In der
Consulta sowie in der türkischen Botschaft blieb man gestern
abend sehr lange auf und wartete auf das Eintreffen von De—
peschen aus Konstantinopel. In der Consulta bereitete mar
die diplomatische Tätigkeit für die beiden Möglichkeiten vor, die
durch die türkische Antwort auf das Ultimatum geschaffen werden
könnten. Morgens wurde der türkische Botschaltsrat Seij
Eddin Bei von di San Giuliano empfangen. Ueber die Unter—
redung wird das strengste Stillschweigen beobachtet. Heute
vormittag fand ein Ministerrat statt.
Giornale d'Italia veröffentlicht eine Reihe Dokumente, die
sich auf Zwischenfälle beziehen, die die Türkei gegen Italien
herdorgerufen hat. Die Zusammenstellung wurde von der Con—
—
Zusammenstoß der plötzlich zwischen Italien und der Türkei zu
erfolgen scheint, sei nichts als die Folge einer Reihe von Be—
lästigungen, die sich die türkischen Behörden gegen Italien und
Italiener hat zu Schulden kommen lassen.
Die Tribuna sagt, die künftigen Operationen würden jetzt
durch die Schiffsladre begonnen werden, die in den tripo—
litanischen Gewässern kreuzt. Demnächst würde eine militärische
Expedition unter dem Befehl des Generals Kanvava folgen.
Der heutige Ministerrat beriet von neuem über die durch
das Vorgehen der Türkei betreffend Tripolis geschaffene Lage
Alle militärischen politischen und finanziellen Fragen betreffend
die militärische Besetzung von Tripolis und Cyrenaika wurden in
vollkommenem Einvernehmen aller Minister gelöst. Die Re—
gierung beschloß die militärischen und fanziellen Mittel, die
nötig sind, um einen vollständigen Erfolq au sichern, in reichem
Maße abzusenden.
Die Tribuna meldet aus Tripolis: In der vergangenen
Nacht herrschte ununterbrochen die größte Aufregung unter
den Türken und Arabern. Nachdem sich die italienische Eskadre
zuerst dem Hafen genähert hatte, begab sie sich wieder auf die
hohe See, doch sind mehrere Schiffe sichtbar. Die Bevölkerung
lagert am Strande. Die Terrassen aller Säuser sind dicht
von Menschen besetzt, die die italienischen Schiffe sehen wollen.
Heute vormittag um 11 Uhr versammelten sich alle Italienec
auf dem Konsulat. Sie bereiten sich für eine etwa notwendig
werdende Verteidigung vor. Der Konlul hat allen empfoh—
len abzureisen.
Wi. Rom, 29. Sept. Die italienische Regierung wird für
die Italiener sowie die Angehörigen der anderen Nationali—
täten in Tripolis und der Cyrenaika mit allen ihr zur Ver—
fügung stehenden Mitteln sorgen.
Wt. Rom, 29. Sept. Die Berliner Korrespondenz der
Tribunag und der Giornale d' Italia teilt mit, daß Deutsch—
land den Schutz von Leben und Eigentum der in der Türkei
lebenden Italiener übernommen habe. — Tribuna und Gior—
nale d'Italia heben die völlige Loyalität Deutschlands sowie den
freundschaftlichen und sympathischen Charakter seiner Saltung
hervor.
W'it. Rom, 29. Sept. Die Tribuna erklärt, die chiffrierte
Depesche, die das Ultimatum enthält, war von Rom am
26. Sept. um Z3 Uhr morgens abgegangen, in Konstantinopel
um 1 Uhr 45 Min. am 27. Sept. angekommen und dem ita—
lienischen Geschäftsträger de Martino um 3 Uhr früh am 28.
zugestellt worden. Der Iweck dieses Manövpers sei gewesen.
einen Tag zu gewinnen.
MWt. Toulen, 29. Sept. Dem Vanzerkreuzer „Ernest Re—
nan“ ging der Befehl zu, anläßlich des italienisch-tür kischen
Konflikts im Laufe des Nachmittags alle Vorbereitungen
zur Ausfabrt au treffen.
Zum Stand der deutsch—französischen Verhandlungen.
Caillaux neueste Erllürung.
WM. Paris, 29. Sept. Ministerpräsident Caillaux erklärte
zgestern auf eine Anfrage betreffend die deutsch-französischen
Unterhandlungen, die neuen Forderungen Deutschlands seien
in seinen Augen nicht derart, daß sie den endgültigen Abschluß
der Verhandlungen in Frage stellen. Im übrigen handle es sich
eijgentlich mehr um Abänderungen der Formeln, über die eine
kinigung noch nicht erzielt sei, als um neue Forderungen.
Es sei nicht die Rede davon, daß man auf die bereits festge—
legten Punkte, insbesondere auf den Teil des Abkommens, der
sich auf die wirtschaftliche Herrschaft in Marokko beziehe, zurück—
kommen werde.
Die letzten Differenzpunkte.
W. Paris, 29. Sept. Die nationalistische Presse zeigt
zinige Unzufriedenheit, weil die deutsche Antwort auf die
Note der französischen Regierung noch nicht die definitive Be—
endigung der Marokkoverhandlungen bringt.
Der Figaro, der in dieser Angelegenheit die Stimmung
der Regierung stets getreu wiedergab, erklärte hierzu: Nach
Erkundigung an beflunterrichteter Stelle muß man sich hüten,
»ie Dinge zu schwarz zu sehen. In offiziellen Kreisen weigers
nan sich, in dem deutschen Verlangen etwas zu erblicken, was
die Besprechungen irgendwie zum Scheitern bringen könnte.
der Ministerpräsident, der gestern eine lange Unterredung mit
dem Minister des Aeußern hatte, beschloß übereinstimmend *1
diesem, die Antwort der französischen Regierung nach Berd?n
ju senden, ohne daß der Ministerrat darüber zu beraten brauche
Wir kömnnen uns zu dieser Beschleunigung Glück wünschen. Das
Blatt will ferner wissen, dah bei den letzten Differenzen
zwischen der deutschen und der französischen Regierung es sich
jauptsächlih um die Bergwerksfrage in Marokko
sandle.
— ——
zu den Unfällen in der franzöfischen Marine.
W. Patis, 29. Sept. Das Panzerschiff „Suffren“ wird
die Stelle der „Liberté“ im Geschwader der, Vatrie“Klasse
einnehmen. — Der Abgeordnete und ehemalige Marineminister
de Lanesson hat im Matin in einem offenen Briefe an den
Ministerpräsidenten angekündigt, daß er nach dem Wieder
zusammentritt der Kammer einen Antrag auf Bewilligung eine⸗
Kredites für den Bau eines Ersatzpanzerschiffes für
die „Liberté“ einbringen werde.
Die Reede von Toulon bietet wegen der zahlreichen
Trümmer, die infolge der „Liberté“-Explosion umhergestreut
ind, große Gefahr für die Bewegungen der Kriegsschiffe. Das
Panzerschiff „Jauréguiberry“ ist gegen eine gesunkene Panzer—
Alatte gestoßen und leicht beschädigt worden. Dem ersten Ge
ichwader, das in den Hafen einlaufen wollte, wurde mitge—
keilt, daß die Reede wegen der zahlreichen Trümmer jetzt keine
Sicherheit bietet. Das erste Geschwader bleibt vorläufig in
zalins d'HSyères. Man hofft, das Wrack der „Liberté“ in
wei Monaten beseitigen und und dann mit den Aufräumungs
irbeiten beginnen zu können. Die meisten Schiffe im Tou⸗
oner Hafen klagen, daß die Präzisionsinstrumente infolge der
Explosionserschütterungen beschädigt sind und nicht mehr funk—⸗
tionieren.
Meldungen aus Toulon besagen, daß die Beschãdigungen
des Torpedobootszerstörers „Ddousqueton“ bei dem Zu
sammenstoh mit dem Torpedobootszerstörer, Tridem“ viel schwe
cer sind, als zuerst angenommen wurde. „Mousqueton“ ist
zorläufig dienstunfähiq.
Eiune bedeutsame Rede Tafts gegen die Monopole
W. Waterloo (Jowa), 29. Sept. Der bedeutsamen Rede,
die Präsident Taft hier über die Beziehungen zwischen
Regierung und Geschäftsinteressen gehalten hat
ah man mit ungewöhnlichem Interesse an der Newyorker Börse
entgegen. Der Präsident wiederholte unzweideutig die Rüsck
kehr zum freien Wettbewerb. Er erklärte, daß die
Regierung unmöglich einen Unterschied zwischen solchen Mono
polen, die „reasonable“ seien, und solchen, die es nicht seien,
nachen könne. Die Anerkennung der Monopole sei
tens der Regierung führe unweigerlich zum Staats—
rozialismus. Der Präsident sprach sich günstig über eine—
Tarifreform in der Richtung einer Ermäßigung der Zollsätze au⸗
und befürwortete eine Reform des Geldumlaufes und des Bank
ystem des Landes, indem er Senator Aldricks Plan in einzelner
childerte. Er plädierte für eine vernünftige, maßvolle Be—
jandlung der großen Gesellschaften, um zur Anlage von Kapita
zu ermutigen und den Wohlstand zu heben. Der Präsiden!
nißbilligte ausdrücklich die Abneigung gegen die Eisenbahn—⸗
gzesellschaften und gegen den Wettbewerb seitens der Trusts
iachdem diese sich den Gerichten, die sie aufgelöst, gefügt hätten
kr verurteilte ferner die Abneigung gegen eine vernünftige Be
jandlung der geschäftlichen Unternehmungen, die vom Zoll—
rarif abhängig seien und gegen die Lösung der Geldfrage,
die alle verständigen. erfahrenen Männer angehe.
Der preußische handelsminister über die Schieds⸗
gerichtsklausel der handelsverträge.
Der preußische Handelsminister gibt in einem soeben be
kannk werdenden Erlaß eine authentische Auslegung des Sinnes
und der Bedeutung der sogenannten Schiedsgerichtsklausel. Der
Erlaß lautet:
Aus mehrfachen Eingaben habe ich ersehen, daß in den
Treisen unseres Handels- und Erwerbsstandes über Zweck und
Tragweite der sogenannten Schiedsklausel, die sich in ver—
chiedenen, neuerdings von dem deutschen Reiche mit fremden
Staaten abgeschlossenen Handelsverträgen vorfindet, vielfach
rrige Auffassungen bestehen. Der Inhalt dieser Klausel
vergl. z. B. Artikel 2 des Zusatzoertrags vom 25. Januar 1908
zunt Handels- und Zollvertrage zwischen Oesterreich Ungarr
ind dem deutschen Reiche vom 6. Dezenber 1891) ist folgen
»et: Wenn zwischen den vertragschließenden Teilen, d. h.
den beiden Vertragsstaaten, eine Meinungsverschiedenheit über
die Auslegung oder Anwendung der zwischen ihnen verein
harten Vertragstarife oder über die Anwendung der Be—
zünstigungsklausel, soweit es sich um sonstige Vertragstarife
eines jeden der beiden Staaten handelt, entsteht, soll sie
auf Verlangen eines der beiden Staaten durch Schi⸗dsspruch
erledigt werden.
Mit dieser Vereinbarung ist nicht beabsichtigt, dem ein⸗—
zelnen Gewerbetreibenden neben den ihm gegen die
Entscheidung der Zollbehörden nach der innerstaatlichen Gesetz—
gebung zustehenden Rechtsmittel noch ein weiteres Rechtsmittel
zu gewähren. Der Zweck der Vorschrift ist vielmehr, in solchen
Fällen. in denen sich die beiden vertragschließenden Staaten
über die nach den Vertragsabmachungen auf zolltarifarischem
Hebiet begründeten Rechte und Verpflichtungen durch Verhand
lungen auf diplomatischem Wege nicht einigen können, die
Austragung der Meinungsverschie denheit durch eine unabhängige
Instanz zu ermöglichen. Dabei ist davon ausgegangen worden,
was auch die Erfahrung bestätigt hat, daß die Notwendigkeit
eines Schiedsspruchs sich nur ausnahmsweise in vereinzelten
Fällen ergeben werde. Deshalb ist auch kein ständiger Ge—
richtshof gebildet, sondern die Errichtung eines besonderen
Schiedsgerichts für jeden Fall der Anwendung dieses Rechts—
behelfs vorgesehen worden. Mit jedem Zusammentritt eines
Schiedsgerichts sind, wie aus den Vereinbarungen über dessen
Zusammensetzung und Tagung ohne weiteres erhellt, für beide
Staaten erhebliche Kosten verbunden.
Aus dieser Sachlage ergibt sich zunächst, daß die Herbei—
führung eines Schiedsspruchs nicht in das Er—
messen eines mit einer Zollentscheidung unzufriedenen
Interessenten gestellt ist, sondern ausschließlich
von dem Antrag eines der beiden beteiligten
Stadten abhängt. Eine weitere Voraussetzusz für das
schiedsgerichtliche Verfahren ist, daß nicht nur die auf der
inneren Gesetzgebung beruhenden ordentlichen Rechtsmittel in
Zollangelegenheiten bis zur höchsten Instanz erfolglos ange—
wandt worden sind, sondern auch ein diplomatischer Meinungs—
rustausch zwischen den beiden Regierungen zu keiner Ver—
tändigung geführt hat. Der Eigenschaft des schiedsgerichtlichen
Verfahrens als einer Ausnahmemaßregel und dem mit seiner
Anwendung verbundenen Kostenaufwand entspricht es schließ⸗
lich daß nur solche Streitfälle der schiedsgericht⸗
lichen Entscheidung unterworfen werden, bei denen es
sich entweder um bedeutende Geldbeträge oder
um Fragen handelt, denen eine grundsätzliche oder
1roße voltswirtschaftliche Bedeutung inne—
vohnkf.
leueste Nachrichten und Telegramme.
Reichs tagsstichwahß in Düsseldorf.
Wt. Düsseldorf, 29. Sept. In der heutigen Reichstags⸗
ersatz⸗Stichwahl erhielten Haberland (Soz.) 39 264 Stimmen,
Dr. Friedrich (Zentrum) 36 111 Stimmen. Haberland ist
somit gewählt.
Das Urieil des Mainzer Prozesses.
W. Mainz, 29. Sept. In dem Prozeß der Polizeiassistentin
Schapiro und des Beigeordneten Berndt gegen den Chefredak—
teur des Mainzer Neuen Anzeigers, Heinrich Hirsch, wurde heute
vormittag das Urteil verkündet. Hirsch wurde zu sechs Monaten
Gefängnis und zur Tragung der Kosten des Verfahrens verur—
teilt. Der Staatsanwalt beantragte J Jahr 8 Monate Ge—
fängnis. Hirsch wird Revision einlegen.
Arbeiterbewegung.
Wt. Berlin, 29. Sept. Im deutschen Steindruck
gewerbe ist eine allgemeine Arbeiterbewegung im Gange. Die
über die Einreichung neuer Lohn- und Arbeitsbedingungen
gepflogenen Verhandlungen, in denen die Prinzipale bezüglich
der Arbeitszeit und des Mindestlohnes ein Entgegenkommen
gezeigt haben, sind resultatlos verlaufen. Die Gehilfenorga—
nisation ist darauf außer in Leipzig, wo der Streik bereits
ausgebrochen ist, auch in anderen großen Druckstädten mit dem
Angriff vorgegangen. Die Prinzipalsorganisation, der Schutz-
verband deutscher Steindruckereibesitzer, beschloß daher als Ab—
wehrmaßnahne der lokalen Streiks, in allen Betrieben Deutsch—
lands, wo bisher eine Kündigung seitens der Gehilfen noch
nicht erfolgt ist, die allgemeine Kündigung aussprechen zu
lassen. Diejenigen angegriffenen Steindruckereibetriebe, welche
der Prinzipalsorganisation noch nicht angehörten, erklärten sich
mit ihr solidarisch.
Wt. Chicago, 29. Sept. Heute vormittag um 10 Uhr
sind 35 000 Werkstättenarbeiter der Harrimanlinien und
der Illinoisbahn in den Ausstand getreten. Die Streikorder
wurde nach der Sitzung des Präsidiums der Union-Pacific-Bahn
ausgegeben.
Unglücksfall bei der Berliner Flugwoche.
CIC. Berlin⸗Johannisthal, 29. Sept. Der Teilnehmer an
der Berliner Flugwoche, der bekannte Aviatiker Kapitän Engel—
hardt, ist abgestürzt und bald darauf den bei dem Absturz er⸗
littenen Verletzungen erlegen.
Wt. Johannisthal, 29. Sept. Mit dem Kapitän Engel—⸗
hard verunglückte der 19jährige Passagier Sedlmayr-Gotha.
Beide stürzten infolge eines Propellerbruches aus einer Höhe
bon 30 Meter ab. Sedlmayr ist bedenklich verletzt; er dürfte
sedoch mit dem Leben davonkommen. Das Fliegen wurde
sofort für heute abgebrochen. Engelhard kam unter dem Motor
zu liegen. Seine Leiche ist schrecklich verstümmelt. Sedlmayr
scheint einen Schädelbruch und verschiedene Kontusionen erlitten
zu haben
Diebstahl von 400 000 Fres.
W. Trieft, 29. Sept. Ein von „Credito Italiano“ in
Florenz zur Post gegebenes, an die Filiale der Anglobank in
Triest adressiertes Kistchen, dessen Geldinhalt mit 25000 M
deklariert war, ist hier des Inhalts gänzlich beraubt und mit
Eisenstücken gefüllt eingetroffen. Das Kistchen hatte tatlächlich
400 000 Fres. in Pfund Sterling-Rollen enthalten. Die Sen—⸗
dung langte ohne Anzeichen einer gewaltsamen Eröffnung, also
auch mit intakten Siegeln in Triest an. Auch das Gewicht
stimmte mit dem bei der Aufgabe angegebenen Gewicht überein.
Man vermutet, daß eine Unterschiebung vor der Absendung vor—
liegt, und daß das Originalkistchen mit dem Gelde und die in
Triest eingetroffene Kiste vertauscht sind.
Die mexrikanische Präsidentschaftezfrage.
W. Mexiko City, 29. Sept. Bernardo Reyes, der endgültig
von der Kandidatur um die Präside chaft zurückgetreten ist,
erklärte, er wünsche der Regierung keine Verlegenheiten zu
bereiten. Er ist nach Newyork abgereist.
Wt. Berlin, 29. Sept. Reichskanzler v. Beth—
mann-Hollweg ist hier eingetroffen.
W. Berlin, 29. Sep Dr. Julius v. Michel, Direktor
der königlichen Unibersi ätsklinik. iit in veraangener Nacht ge—
storben.
V. Germershein (Pfalz), 29. Sept. Zwei Personen
wuden hier wegen Spionaneverdachts verhaftet.
Sie hatten einem Soldalen 200 Mversprochen, wenn er ihnen
Zünder von einem Jehnzentimetergeschoß verschafse. Der Soldat
tat, als ob er auf die Sache einginge, verabredete eine
Zusemmenkunst mit den Beiden und benachrichtiate die Be—
hörde. die sie festnahm.
W. PVetersburg, 29. Sept. Vorgestern nacht wurde ent—
dedt. daß Diebe die Fenster des kaiserlichen Palais
in Kraßnoje Selo erbrochen und den inneren Gemächern einen
Besuch abgestattet hatten. Die Diehe scheinen mehrer? Tage
unbemerkt inn Volgis gewohnt zu haben.