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Ausgabe A.
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Aus den Nachbargebieten. —
Hansestädte. J 5
Samburg, 27. Sept. Der Vize-Admiral 3. D.
Fruhr. v. Bodenhaufen Exz, der im Auftrage des
Staatssekretärs des Innern seit dem 1. April 1902 an dem
Hamburgischen Seeamt als Reichskommissar tätig
ist, ist von seinem Posten abberufen worden. Er nahm gestern
zuletzt an einer Sitzung des Seeamts teil und wird nun Ham—
buig verlassen, um in Berlin seinen Wohnsitz aufzuschlagen
und sich ins Privatleben zurückzuziehen. Es verlautet, daß der
Koapitän z. S. Louran aus Kiel, der sich zurzeit noch im
aktiven Dienst befindet, mit der Ausübung der Funktionen
des Reichskommissars in Hamburg betraut werden wird. Zu⸗
nächst wird der hier schon bekannte Kapitän z. S. Broeker
aus Flensburg bei den hiesigen Seeamtsverhandlungen als
Reichskommissar tätig sein.
14 Edison in Hamburg. Edison kam Dienstag nach—
mittag, wie schon kurz gemeldet, mit dem 5-Uhr-Zuge von
Berlin hier an; seine ursprüngliche Absicht, im Automobil
zu reisen, hatte er aufgegeben. Gegen 61 Uhr traf er mit
Jeiner Frau und seinen beiden Kindern in einer Droschke vor
dem Esplanade⸗Hotel ein. Es hatte sich ein Spalier Neugieriger
gebildet, die Edison begrüßte. Der Erfinder schmunzelte sichtlich
erfrent über den Empfang. Ein heiteres Mißverständnis hatte
es vorher gegeben. Vor dem Hotel hatten Photographen
und Kinematographen Aufstellung genommen. Da kam die
Daroschke vorgefahren und ihr entstieg eine Dame, dann folgte
ein Herr, die charakteristische Erscheinung eines Amerikaners.
Die Photographen-Apparate knipsten, die Kinos rasselten und
dann zogen die Photographen befriedigt ab, denn „Edison“
hatte recht lange auf der Straße zugebracht, so dan er in
allen Stellungen und von allen Seiten „geknipst“ werden
konnte. Nur schade, daß die Photographen den Verkehrten
erwischt hatten; der Herr, den sie auf die Platten und auf die
Films gebraächt haben, ist zwar ein Amerikaner, aber nicht
Edison. Dieser traf erst eine Viertelstunde später ein. Ein
Kinobesitzer hat dann aber doch noch eine Aufnahme des
richtigen Edison gemacht, denn eine mitleidige Seele, die von
der Verwechselung gehört hatte, war ihm nachgelaufen und
hatte ihn zurückgeholt, so daß er Edison noch „treffen“ konnte
*DTiie Mastviehausstellung, die wegen der Maul—
und Klauenseuche in diesem Jahre ausfällt, soll bis 19 14
verschoben werden. —
Gleine Nachrichten) 8000 Meunterschlagen.
Ein Seemann, der bei einer in Eppendorf wohnenden Frau
RK. logierte, sandte seiner Logiswirtin seine Ersparnisse, um
sie in sein Sparkassenbuch eintragen zu lassen. Dae Frau
unterschlug aber das Geld und änderte schließlich, als der
Seemann einmal nach Hamburg kam, die von der Sparkasse
im Sparkassenbuch verzeichnete Sparsumme von etwas über
1000 Miin 7000 M. Der Seemann war nun zufrieden und gab
der Frau, da er die Fälschung nicht entdeckt, weiter seine
Ersparnisse, bis er etwa 9000 M. zusammen hatte. Als
er nun vor einigen Tagen etwas von dem ersparten Gelde
abheben wollte, machte er die unangenehme Entdeckung, daß
er nur noch ein Guthaben von 8 Miauf der Sparkasse hatte.
Der Betrogene erstattete bei der Polizei Anzeige gegen seine
Logiswirtin, die darauf in Haft genommen wurde. Der
Ehemann der Verhafteten hatte von der Straftat der Frau
leine Ahnung. Bisher ist noch nicht festgestellt, wo das
Geld abgeblieben ist. Der Angabe der Festgenommenen, das
unterschlagene Geld für sich verbraucht zu haben, schenkt man
leinen Glauben.
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Echleswig⸗Holstein.
Wandsbek, 27. Sept. Ein Ruhmestag der
Wandsbeker Husaren. Die Schlacht bei El Bodon am
25. Sept. 1811 bildet einen der hervorragendsten Ruhmestage
des vormals Kgl. Garde-Husaren-Regiments, jetzigen Husaren—
Regiments Königin Wilhelmina der Niederlande (Hannoversches)
Nr. 15, in Wandsbek, das als 1. Husaren-Regiment der Legion
sich besonders hervortat. Drei Schwadronen des Regiments
WPoten, Bergmann und v. Gruben) hatten unter Führung des
Regimentskommandeurs Obersten v. Arentschildt, mit zwei
portugiesischen Batterien unter Major von Arentschildt und
einem englischen Bataillon die vorgeschobene Stellung bei
El Bodon besetzt. Gegen diese schickte General v. Montbrun
14 Bataillone und 30 Schwadronen mit 12 Weschützen vor
Der Kampf gegen den Rausch.
Das Bedürfnis, sich einmal, wenn auch nur für kurze
Stunden, aus allen Sorgen und Plagen des Alltags heraus—
zureißen, sich vorübergehend in eine andere Welt zu versetzen,
liegt tief in der Menschennatur. Und so entstanden all die
Mittel, die ein solches Herausreißen rasch und gründlich be—
sorgen. Der Christ hat seinen Alkohol und der Mohammedaner
sein Opium. Und während der eine das Mittel des anderen
verabscheut, weiß er von seinem eigenen nicht genug Rühmens
zu machen, Religion und Poesie wetteifern von altersher
in der Anerkennung der Rauschmittel.
J In der modernen Zeit bekommt die Sache freilich ein
anderes Gesicht. Man findet heraus, daß jener glückliche
gZustand der Berauschtheit — die Turhonie, um wissenschaftlich
zu werden — auch seine Kehrseiten hat. Nicht bloß den
Katzenjammer des nächsten Tages. Der ließe sich mit etwas
Gaigenhumor noch als nicht zu teurer Preis betrachten. Aber
die hygienische. die soziale und die volkswirtschaftliche Seite
dab immer ernster zu denken. So entfaltete sich unter den
hhristlichen Kulturvölkern ein fortschreitender Kampf gegen den
Mißbrauch geistiger Getränke“, von einer kleineren Zahl sogar
mit der Waffe des Trinkstreiks, der völligen „Abstinenz“,
gefühtt. Und so schreitet innerhalb der islamischen Welt die
Zurückdrängung des Opiums fort.
Als das klassische Land des Opiumgenusses gilt China.
Aber es kennt dieses „Laster“ erst seit dem 17. Jahrhundert.
Es ist allerdings heutigen Tages in China am weitesten ver—⸗
breitet. 90 bis 965.0 der Bevöllkerung huldigen ihm hier,
waͤhrend man in Indien nur etwa die Hälfte dieses Prozent—
sJatzes an gewohnheitsmähigen Opiumgeniebern schätzt. Die be—
ñuhenden Wirkungen des Mohnes, aus dem das Opium
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Abend⸗Blatt Kr. 490.
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Mittwoch, den 27. September 191.
Abern v. Arentschildt hielt ruhig vor seinen Reitern, denen er
ruf plattdeutsch die Worte zurief: „Heute muß ich wohl mal zu—
zacken, jeder von euch muß heute für drei hauen, aber ich
veiß, daß ihr das könnt.“ Als die Feinde auf fünfzig Schritte
jerangekommen waren, warf sich die Schwadron Poten blitzschnell
iuf die Franzosen. Rittmeister Bergmann jagte sofort zur
Interstützung seiner Kameraden herbei und es gelang den beider
S„chwadronen, die feindliche Uebermacht zum Stutzen zu bringen
Dder Schwadron v. Gruben gelang es, die feindliche rechte
dolonne zurückzuwerfen. Gegen die feindliche Uebermacht konnte
ich natürlich das UNeine Häuflein nicht halten. Wellington
ordnete um 3 Uhr den Rückzug an, auf dem die Susaren noch
nehrere Attacken ritten. Leider waren die Verluste der Husarer
ehr schmerzlich. Rittmeister Beramann wurde ein Bein abge
chossen, woran er am 17. Oktober starb. Rittmeister Poten
zerlor einen Arm. Außerdem fielen 1 Wachtmeister und vier
zusaren. Das 1. Husaren-Regiment durfte hinfort das Wort
„El Bodon“ an seinen Pelzmützen tragen. Von ihm erhielten
s die Verdener Gardehusaren und seit 1899. trägt es nach dem
Traditionserlasse des Kaisers das Wandsbeker Husaren-Re—
niment. h
AHeide, 27. Sept. Die Stadtkollegten bewilligten
Theaterdireklor Krebs vom. Itzehoer⸗Heider Stadttheater eine
Subvention von 400 Muägegen die Verpflichtung, mindestens
wanzig Vorstellungen und einige Volksvorstellungen zu er—⸗
näßigten Preisen zu geben.
Eidelstedt, 27. Sept. Die Eingemeindungs⸗—
rage wurde Montag abend in der Gemeindevertretung ver—⸗
handelt. Die Vertretung lehnte es endgültig ab, mit Altona
über die Eingemeindung in Verhandlungen zu treten.
Großherzogtum Oldenburg, Fürstentum Lübeck.
X. Ahrensbök, 27. Sept. Ein Unglüdcsfall er—
ꝛignete sich im Dorfe Lebatz. In der Dunkelheit hörte ein
KRind auf der Straße ein Stöhnen. Es holte Erwachsene herbei,
und man fand die betagte Wwe. Steen auf der Straße liegen.
Fin Radfahrer hatte sie überfahren und sich nicht weiter um
ie gekümmert. Ein Arzt stellte einen Beinbruch fest. Es ist,
wie man hört, gelungen, den Täter in der Person eines Schlachter⸗
zjesellen von hier festzustellen. Es it Anzeige erstattet. — Ver—⸗
auft hat Wwe. Reimers ihr Haus an ihren Bruder, Zigarren—
nacher Rud. Jähnke. — Gekauft hat Bauunternehmer
Wittern einen Bauplatz an der neuen Chaussee nach Schwochel
von Hotelbesitzer France.
Großherzogtümer Medlenburg.
Schwerin, 27. Sept. Der Grobherzog reist heute
nach Gmunden ab und kehrt am 8. Okt. hierher zurück.
Rostock, 27. Sept. Bürgervertretung. Unter den
Ratsvorlagen, die die Bürgervertretung Montag beschäftigten,
tand im Vordergrunde des Interesses diejenige, die sich mi'
»er Wahl eines besoldeten nichtrechtsgelehrten Ratsherrn be
chäftigte. In dieser wird erklärt, der Rat sei der Ansicht,
daß der Bürgervertretung Zeit genug gelassen sei, zu der Auf⸗
orderung des Rates, unter den drei ihr für die Stelle eines
besoldeten Ratsherrn präsentierten Herren zu wählen, Stellung
zu nehmen, und daß sie sehr wohl in der Lage gewesen
wäre, vor dem auf den 28. Sept. angesetzten Wahltag ihre
Entschließung zu fassen. Der Rat wolle jedoch in weiterem
Entgegenkommen gegen die Wünsche der Bürgervertretung noch⸗
mals die auf den 28. Sept. anberaumte Versammlung zur
Woahl eines besoldeten nichtrechtsgelehrten Ratsherrn absetzen.
Da aber eine baldige Wiederbesetzung der schon seit dem 1. April
d. J. vakanten Ratsherrnstelle im Interesse einer ordnungs⸗
mäßigen Erledigung der Ratsgeschäfte geboten sei, so ersuche
oer Rat die Bürgervertretung,, ihce Entschliekung auf die Auf—
forderung zur Wahl tunlichstt beeilt zu fassen. In der bürger—
chaftlichen Kommitte, die in der lebten Woche über diese Ange—
egenheit beriet, hatte man beschlossen, in einer Ratskommitte
unächst darüber zu verhandeln, ob der Bürgervertretung von
dem Rate die Zusage gemacht worden sei, daß ihr bei der nächsten
Ratsherrnvakanz Kaufleute oder mitten im Erwerbsleben stehende
derren als Kandidaten präsentiert werden. Die Bürgerver—⸗
tretung nahm einen dahingehenden Antrag der Kommitte an.
TDoberan, 27. Sept. Unter dem Verdacht der
Brandstiftung festgenommen und in das Rostoder Ge—⸗
fängnis übergeführt wurde ein ia Vorder-Bollhagen bedien⸗
teter fremder Arbeiter. In der Nacht zum Montag brannte
das Viehhaus des Oekramijierats BRurmeiter in Vorper-atl.
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hagen. In dem Gebäude befanden sich außer fünf Pferden,
die gerettet wurden, noch Futtervorräte, die leider verbrannten
Dieses Feuer soll der Verhaftete vorsätzlich angelegt haben.
Malchin, 27. Sept. Unglücksfall. Der Malerlehr-
ling Sch. bei Malermeister Sch. in der Chausseestraße entlud
Montag eine Platzpatrone. Er erhielt dabei eine Schuß—⸗
wunde an der Stirn. Da im Hause niemand anwesend war,
prang der Nachbar, durch den Knall— herbeigelockt, über die
Sofmauer und brachte dem Schwerverwundeten die erste Hilfe,
um ihn dann zum Arzt zu bringen.
qo Dassow, 27. Sept. Liedertafel. In vorgestriger
Generalversammlung erstattete der Kassierer Bericht. Nach dem-
selben betrug die Einnahme 489,62 M, die Ausgabe 331,14 M,
der Bestand 108, 48 M. Der bisherige Vorstand wurde wieder⸗
gewählt. — Die Kartoffelernte ist hier jetzt in vollem
Gange und fällt, abgesehen von den leichteren Feldern, besser
aus, als man erwartete. Besonders gute Erträge lieferte
Magnum bonum. Die Preise sind aber trotzdem recht hohe;
die genannte Sorte wird hier mit 6Miüfür die To. (200 Pfd.)
bezahlt.
BSportnachrichten.
(Mitgeteilt vom Sportbureau Joh.“Ganzel—
Hamburg J. F.: IV. 3790,3791.)
Rennen zu Berlin-Strausberg, 26. Sept. Preis von
Alt-Landsberg. Fichte (Printen) 1. Bieselberg 2. Leib⸗
Husar 3. Tot.: 44: 10, Platz: 15, 20, 16: 10. — Preis von
Werneuchen. Lord Forfar (Graf Holch) 1. Malmaison 2.
Miranda 3. Tot.: 34: 10, Platz: 15, 16, 50: 10. — Stadt—
Preis. Red Orange Geiffert) 1. Rothkäppchen 2. Tot.:
15: 10, Platz: 10, 10: 10. — Waldmeister-Jagdrennen.
Jonathan (v. Egan-Krieger) 1. Mirette 2. Special Brand fF 81
Lollege *— 8. Tot.: 162: 10, Platz: 31, 30, 9, 12: 10. —
Preis vom Mühlenfließz. Angola (Torke) 1. Door—
Mat 2. Banagher 3. Tot.: 22: 10, Platz: 12, 13, 14: 10.
— Wolfshagener Bürdenrennen. Leon Chandon
(Martin) 1. Kozak 2. Harzburgerin 73. Revolte 73. Tot.:
25: 10, Platz: 13, 14, 8, 10: 10.
Rennen zu Maisons-Lafitte, 28. Sept. Prix de la Manche.
10 000 Frs. Jarretiere (G. Stern) 1. Granite 2. Donaldina 3.
Tot.: 19: 10, Platz: 13, 15, 21: 10. — Handikap de la
Tamise. 25000 Frs. La Montagnola (Roupnel) 1. Per—
venche III 2. Foliosa 3. Tot.: 677: 10, Platz: 159, 38,
86: 10. 4 3 all
Internationales Schachturnier in Karlsbad. Karlsbad,.
25. Sept. Der Schlußstand der Teilnehmer ist: Teichmann — 18
Rubinstein, Schlechter je 4 17. Rotlevi 4 16, Marshall, Niemzo—⸗
witsch je 4 1522, Vidmar 4 15, Alechin, Duras, Leonhardt, Tarta⸗
cower je 4 1336, Spielmann — 13, Perlis 4 12, Cohn, Süchting.
Löwenfisch 4 1156, Burn, Salwe — 11, Johner, Kostic, Rabinowitsch
— 105. Chotimirsti 4. 10, Alapin, Chajes, Fahrni, Jaffe — 838
Als Sieger aus den Turnieren geht demnach der Deutsche Nichard
Teichmann hervor, dem als erster Preis 3000 Kr. zufallen. Den
2 und 3. Preis 2000 und 1400 Kr. teilen Akiba Rubinstein
(Warschau) und Karl Schlechter (Wien). Den 4. Preis 1009 Kr.
erhält Rotlevi (Kodz), den 5. und 6. Preis teilen Frank Marshall
(New NPYorkh) und Niemzowitsch (Riga). 7. Preisträger ist Vidmar
Bukowina), während Alechin, Duras, Leonhardt und Tartalkower
hei gleichem Schlußstand die übrigen 8.—10. Preise teilen.
Luftfahrt.
W. Triest, 26. Sept. Der Flieger Widmer, der
gestern nachmittag um 5 Uhr in Venedig zu einem Ueber⸗—
meerfltug aufgestiegen war, landete nach zwei Stunden in
Monfalcona, von wo er heute nach Tr'est weiterfliegen wird.
Protest gegen die Enischeidung im Schwabenflug. Jeannin
will gegen die Entscheidung, dah ein „totes Rennen“ vorliege,
Einspruch e rheben. Die Zeitnehmung soll eie äußerst man—
gelhafte gewesen sein.
Vom Flugplatz Johannistal. Montag wurden sehr gute
Leistungen erzielt. Fast alle 42 Konkurrenten machten Flüge.
Die besten Le'stungen erreichten Caspar 140 Min., Pietschker
138, Jahnke 131, Witte 130 und Frl. Beese 124 Min. fliegend.
Zeitweise waren 17 Apparate mit dem Luftschiff „P 6“ in
der Luft. Suvelac erreschte eine Höhe von 1400, Witte von
400 m. Das Wetter ist prächtig.
gewonnen wird, war schon den Griechen bekannt, und schon
ie verwandten das opios medizinisch. Als gewohnheitsmäßiges
Henußmittel aber verbreitete es sich hauptsächlich mit dem
Issam. In Indien und China spielt es vollständig die Rolle
inseres Alkohols. Kinder bekommen es zur Einschläferung,
Soldaten und Arbeiter zur Stärkung bei besonderen Anstren⸗
vungen. Kranke als Heilmittel, Gesunde als Freudenbringer.
luch der Opiumgenießer kann alt und grau werden, wie der
drinker. Freilich werden andere auch durch das Opium ebenso
vie bei uns durch den Alkohol ruiniert. In China wird das
ZIpium geraucht und man erklärt das Essen für ungesund.
In Indien. wo die Opiumphagie mehr verbreitet ist, urteilt
nan umgekehrt. Auch der Türke verachtet die Opiumesser,
die „Theriakides“. Während der Alkohol bei unmäßigem
Henuß vielfach aufschwemmt, wirkt das Opium zehrend. Es
erzeugt blasse, magere Gestalten mit stumpfen Augen und
tammelnder Zunge.
Taß das Opium eine Volksgefahr ist, haben die Chi—
nesen schon früher erkannt, so sehr sie kulturell eingeschlafen
waren. Heute, wo sich das alte Mandarinenreich gänzlich re—
organisieren will, richtet es natürlich sein Augenmerk auch
wieder auf diese Aufgabe, ohne deren Lösung in der Tat alle
ibrigen Modernisierungsanstrengungen so gut wie aussichtslos
escheinen. Erschwert aber wird die Lösung einmal dadurch,
datß von den ausführenden Organen des Staates selbst die
meisten Opiumraucher sind, daß ferner die Bauern vieler
Provinzen, namentlich im Osten von Tibet, nur auf den
Mohnbau eingerichtet sind und daß endlich noch eine aus—
wärtige Macht, nämlich England, zu berüchsichtigen ist.
England hat in Indien einen hochentwickelten Mohnbau
der zum großen Teil auf den Export nach China angewiesen
ijt. Rund 1200000 indische Bauern haben die Lizenz. Dae
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indische Regierung hat daraus eine Jahreseinnahme von etwa
13-14 Mill. M. Kein Wunder, daß ein volkswirtschaftlich
so stark verankertes Interesse nicht ohne weiteres von heute
auf morgen aufgegeben werden kann. Als 1820 die chinesische
Regierung die Opiumeinfuhr verbot, führte ja England eigens
deswegen einen Krieg, durch den es den Wiedereinlaß seines
Dpiums erzwang. Mit so drastischen Mitteln läßt sich diese
Frage heutigen Tages wohl nicht mehr entscheiden. Und auch
ie englische Regierung wird schließlich den Chinesen das mora⸗
ische Recht nicht mehr bestreiten wollen, sich von einer als
oerderblich erkannten Volksgewohnheit nach Möglichkeit zu be—
reien. Rein wirtschaftlich sogar wäre diese Regeneration Chinas
»om modernen Standpunkte aus auch von den fremden
Staaten nur zu begrüßen, denn ein opiumfreies China wirdi
hne Zweifel arbeitskräftiger, kulturell anspruchsvoller und
damit auch kauflustiger werden. Der Welthandel ist heutzutage
international genug geworden, um einzusehen, daß auch wirt—
schaftlich kein Volk am Verderben des anderen ein Interesse
haben kann. Es gehört deshalb zu den Zeichen der Zeit,
daß England in die Erhöhung der Zollsätze auf Opium ein—
gewilligt hat.
Die völlige Befreiung Chinas vom Opium steht deshalb
freilich immer noch in weiter Ferne, was bei der Groͤße
einer solchen Aufgabe ja auch nicht weiter zu verwundern ist.
Wir wiesen schon oben auf die anderen Schwierigkeiten hin,
die die chinesische Regierung bei der Unterdruckung des Mohn⸗
baues im eigenen Lande findet. Nimmt man die leichte Mög⸗
lichlett des Schmuggels an Chinas qusgedehnten Grenzen hinzu,
so wird man nicht erstaunt darüber fein, daß die Abnahme
des Opiumgenusses in China bis jetzt noch erst wenig in Er⸗
icheinunag aetreten ist 1.