Full text: Lübeckische Anzeigen 1911 (1911)

gehend in Vernachlässigung geraten zu sein, denn es iit g cich 
der Vorta Nigra in Trier etwas in den Boden gerutscht. 
Natürlich ist vom rheinischen Sandstein hier keine Rede. 
man nimmt, was man findet, und das ist Lehm, den man 
zu Ziegeln brennt, di eman dann zu Kunstzwecken allerdings 
mit einer verschiedenfarbizen Glafur umcibt. Auch heute über⸗ 
spannt Lübed seinen Bocen nicht: das stattliche Postgebãude. 
das hergestellte Burgtor mit den Anbauten hoben den Zieselstil 
lünstlerisch verwertet, und nur das alte Rat!kaus erinneit in 
Säulen, Mosaik und Schnitzerelen an die a'ten internationalen 
Sandelsverbindungen der Stadt. Uberaus eigenartig mutet 
dies Holstentor an mit seinen drei Stodwerlen. eins nach oben 
immer niedriger als das andere, auf dem massigen Unterbau 
mit dem gewölbten Durchlaßtor, vor alem aber mit den 
zwei Zipfeltürmen in seiner bunten Glasur. 
Wir schreiten die Stadt hinan. Sie trägt ein vorwiegend 
mittelalterliches Gepräge; die herrschende Note ist der Giebel⸗ 
bau. Man weiß, daß diese Giebel früher zu Speichern benutzt 
wurden; was sollen sie heute noch? Nun ja, mehr als 
Mansardenstuben und Wäschespeicher, die noch dazu sich der 
Giebelform notgedrungen anpassen müssen, lassen sich daraus 
nicht machen, und trotzdem bleibt noch genug toter Raum übrig. 
Aber der Lübeder hat nun einmal ein Herz für seine Ver— 
gangenheit, und die Stadtvertretung hat sogar, wenn ein 
charakteristisches altes Haus umgebaut werden soll und die 
Gelder durchaus nicht langen, eine offene Hand und stiftet 
Bauhilfen, dem netten Altertum zuliebe. Doch wird dabei 
die stlavische Nachahmung des alten Bauwerks gern vermieden: 
der Phönix setzt einige neue farbenprächtige Federn an. Das 
springt recht in die Augen, wenn man die alten nieder⸗ 
gerissenen Häuser mit den Neubauten vergleicht, wie bei der 
Erneslinenschule, die den alten Bau in freier künstlerischer Nach— 
bildung zeigt, wie beim Marienwerkhaus, bei der Löwen— 
Apotheke. Man hat das Gefühl, als ob bei der Umwand— 
lung der Zopf beseitigt und doch die früheren freundlich 
ernsten Gesichtszüge beibehalten worden wären. 
Auch solch ein Rathaus findet man in der Welt nicht 
wieder, und es ist zu verstehen, wenn Kaiser Wilhelm II. beim 
Verlassen der im ersten Stock über den zierlichen Arkaden 
gelegenen Kriegsstube ausrief: „Ja, meine Herren! so was 
kann ich Ihnen in meinem Echloß zu Berlin nicht zeigen.“ 
Wohin man sieht, ein Kunstwerk neben dem andern an Holz⸗ 
schnitzerei, an eingelegter Arbeit, ein kostbarer Sandsteinkamin, 
den ein Marmorreließ „Salomos Urteil“ krönt, an den 
Wänden Bildnisse der Senatoren, das ganze zusammenwirkend 
zu einem Raum von gediegener Pracht und Vornehmheit, durch 
dessen Herstellung sich Tönnies Evers der Jüngere verewigt 
hat. Welch ein Unterschied dennoch zwischen diesem Saal 
und den Prunksälen in den Schlössern Bayerns und zu 
Versailles! Es ist, als ob aus jedem Stück Fleiß und Arbeit 
spräche, als ob emsiger Bürgersinn dies geschaffen hätte, fremd 
und abhold jedem romantischen Schwärmen, jedem schwelge⸗ 
rischen Machtgefühl. Die übrigen Säle sind immerhin stattlich 
genug, daß die Lübecker Stadtbehörde, der Senat und die 
Bürgerschaft, sich's wohl darin sein lassen können und dabei 
stets an ihrer Vaterstadt verflossene Herrlichkeit zu kräftiger 
Anfeuerung erinnert werden. Besonders fallen dem Beschauer 
im Audienzsaal die allegorischen Gemälde Stephan Torellis, so— 
wie im Treppenhaus die neuen, auf Lübecks Geschichte bezüg⸗ 
lichen, wie Fresken wirkenden Gemälde Max Kochs auf. 
Ein Rathaus hat auch stets einen Ratskeller. Das 
Weinmonopol der Stadt ist zwar geschwunden, die Gänge 
vom Sitzungssaal und von der Marienkirche in das Wein— 
herren⸗- oder Brautgemach werden nicht mehr begangen. Hier 
nämlich wurden von den beiden Weinherren die Weine aus— 
probiert, hier schüttelten Ratsherren städtische Sorgen ab, hier 
tranken die drüben in der Marienkirche soeben Vermählten 
das erste Glas Hochzeitswein. Doch läßt sich's auch jetzt 
noch trefflich hier schmausen, und der Jecher fühlt sich be— 
ruhigt, wenn er erfährt, daß die Wappen der Hansestädte an 
den Wänden, die früher durch die salpetrige Ausschwitzung der 
Steine verblaßten, jetzt infolge der Einfügung von Glas— 
platten dem Salpeter Trotz bieten. 
Auch nur aus bescheidenen Baclsteinen aufgetürmt ist dicht 
daneben der Riesenbau der Marienkirche; aber welche 
erlesenen Altertumsschätze sind hier beieinander und erzählen 
uns von dem unauslöschlichen religiöosen Sinn, der die Men—⸗ 
schen einte, die Künstler zu kühnen Erzeugnissen begeisterte, 
legen Kunde ab von dem Gleichmacher Tod. Da zieht sich 
gerade in einer Sakristei ein Totentanz die Wände hin, der 
aus dem Jahre 1463 stammt und 1701 erneuert worden ist: 
sprache einer wohltiingenden Stimme auf dus angenehmite aus, 
während sein Spiel das leidenschaftliche Feuer des durch die 
Zaubermacht der Liebe zu äußerstem Wagemute entflammten 
Jünglings uns zu lebensvoller Wirklichkeit brachte. Auch sein 
nandersgearteter Freund Naukleros fand in Herrn Hoss eine 
lebendige Wiedergabe, wenn es mir auch schien, als habe der 
Darsteller das humoristische Element in dem Charakter ein 
wenig zu sehr unterstrichen und vor allem auch ein wenig 
zu äußerlich marklieren wollen — ich denke dabei 
besonders an sein fast trippelndes Umherlaufen. Auch 
MNaukleros spricht ebenso wie die anderen in Versen. Herr 
Soss ließ die Verse jedoch im Gegensatz zu den übrigen 
Darstellern nur verhältnismäßig wenig zur Geltung kommen. 
Sollte er etwa gemeint haben, daß die humoristische 
Art des Naukleros dies nicht vertrüge? Der Dichter, 
der die Verse doch schrieb, war jedenfalls nicht dieser Ansicht. 
Den Oberpriester gab Herr Brunow — eine Rolle, die der 
lonoren Kraft dieses bewährten Künstlers besonders gut liegt 
so erzielte er darin denn auch die erfreulichste Wirkung. 
Auch als Spielleiter bewährte sich Herr Brunow aufs neue, 
doch hätte das „Volk“ bei dem Tempelfest wohl 
etwas zahlreicher sein können. Die Szenerien waren bis auf 
Ddie unmöglichen Statuen des Eros und Hymenäos wirkungs— 
woll. So konnte die neue Direktion und mit ihr die Dar— 
steller auch mit dieser dritten Schauspielaufführung wohl 
zufrieden sein, wie dies der lebhafte, immer von neuem 
gespendete Beifall des Publikums ihnen bezeugte. Nur eine 
Frage an die Spielleitungen möge mir gestattet sein. Soll 
wirklich, wie es nach den drei ersten Aufführungen fast 
scheinen möchte, für den Beginn der Vorstellungen das 
Diodemisme Viertel gelten? Dann möge man wenigstens auf 
Dem Theaterzettel auch na ch gutem akademischen Brauche 
ein „e. t.“ nach der Stundenangabe anfügen, damit die 
Puünktlichen unter dem⸗ Publikum avertiert sind und sich nicht 
unnütz beeilen. Momos. 
Nene Bühnenrere. Das Herrenrecht“, ein nees 
Schauspiel von Leo Lenz, wurde von Geheimrat Bachur für 
hie Vereiniaten Bambutger Theater zur U:aufführung ange⸗ 
»oran der Vapst, dann Kaiser, Kaiserin, am Schluß das 
Kind. Fast erdrückend wirken die hohen Pfeiler und Ge— 
oölbe, verwirrend die Anzahl der Gemälde und Skulpturen. 
deerer war es freilich im Dom des Nachmittags, wo die 
Zerbstsonne hereinschien, die gleiche, die einst diese Gewölbe. 
ziese Uhr, auch diese Sarkophage hatte erbauen sehen. Und 
vie zu dem einsamen Menschlein da drinnen die Vergangen— 
zeit so vernehmlich sprach und ihm das Urgesetz aufging 
»om Werden und Vergehen und vom Vervollkommnungs— 
range in der Natur, da klopfte ihm wohl der Puls. Und 
nit dem aufgeregten Pulsschlag verband sich, als Rhythmus 
einer Gedanken, das ewig gleichmäßige Ticktack der großen 
rirchenuhr. 
Das Haus der Schiffergesellschaft muß man ge— 
fkehen habden, wenn man Lübed besucht. Den ganzen Raum 
ersüllt derbes Mobiliar, we aus Scisfsplanken hergestellt, 
von der Dicke betab hängen Scheffsmodelle, naive bil lische 
Gemälde bedecken dze Wäünde, die Wappen alter Handelb;sfädte 
aus der Hansezeit hänçen an den Pfeilern: man fühlt fast 
das Bedürfnis, Schifferstiefel anzuziehen und sich cin wenig 
einzuteeren. Früher Versammlungshaus der Schiffer, dient 
das Haus jetzt einem Wirtschaftsbetricbh. Doch sei dam verab— 
eichten Kaffee nachgerühmt, daß er nicht nach Teer, sondern 
ehr ordentlich nach gründlich gebrannten guten Bohnen 
chmeckte. 
An der Jakobikirche mit ihren vier Kugeln am Turm, in 
den der Blit eingeschlagen hat, vorüber, gelangt man ins Hei⸗— 
igegeist-Hofspital; auch ein Stück Allertum, wie es nur 
rübeck eigentümlich ist. Das ursprünglide Krankenhaus ist 
etzt in eine Altersversorgungsstätie umgewandelt worden. Hier 
ühren 150 hocbejohrte Damen und Herren ein stillvergnügtes 
Dasein. Im Gefängnis wird ija Einzelhaft als schrecklich 
mpfunden, hier nicht. Unter der etwa drei Stockwerke hohen 
Halle steht unten auf dem Boden ein Kabüschen neben dem 
andern, und in i dem hockt ein menschliches Wesen. Früher 
vohnten beide Geschlechter durcheinander, aber es stellte sich 
zeraus, dan der süßeste der Triebe selbst vor dem hohen Alter 
nicht Respekt empfand, und es gab Romane. Jeder ißt, trrinkt, 
chläft füt sich, und vor allem die Leute, für die dieVürger' 
der Stadt hier sorgen, fühlen sich glückich. 
Allmählich begreift man Lübecks Eigenart; und gçanz und 
jar, in einheitlich wirkendem a nziehenden Bi de, wird sie eirem 
lar, wenn man das Burgtor durchschritten hat und auf der 
Zurgtorbrück? Posto faße, wo als Gegenwart das Hafe büd, als 
Vergangenheit das Burgtor sebst ineinandergreifen. Dies 
8urgtor, das sich aus Schutt und Verfall zu eindrucksvoller 
kigenart erhoben hat, überall an alte Zeiten gemahnend und 
doch deren Verschnörkelung und Steifheit vermeidend. Wie 
n den Häusern an der Jakobikirche, so erfaßt auch den Be⸗— 
chauer hier ein Sich-⸗Verwundern, wieso die anstohenden 
Zäuser sich im Baustil so sehr dem hohen Nachbar angepaßt 
haben. Man wird die Einheikbchseit begreifen, wenn man 
zrfährt, dah es in der städtischen Bauordnung einen „ästhe— 
cischen“ Paragraphen gibt, der alle Neubauten an architekto— 
zisch wichtigen Stadtpunkten eiser Kunstkommission ur Prü— 
fung unterstellt. Daher der Stl! 
Auf der anderen Seite: der Hafen, das Wahrzeichen 
»er Neuzeit, in we'chem sich s.it Vo lendung des Elbe-Trave—⸗ 
Kanals 1900 frisch erwachtes Leben entwicket, das dem Handel 
Zübecks einen neuen Aufschwung verliehen hat. Zurüd durch 
„je Stadt, vorbei an den zwei stattlichen Löwen am BHotel 
Stadt Hamburg gelangen wir zu der Stesle, wo der Kanal 
inter der Wakenitz, die durchaus ein höheres Flußbett be— 
insprucht, hergeführt worden ist, und schreiten wieder zu den 
Anlagen empor, von wo aus wör das malerische Gesamtbild 
er eigenartig anz'ehenden Stesadt mit aihren spitzen Dächern,; 
rohen Türmen, ihrer ausgesprochen nordländischen Bauart in 
ins aufnehmen. Nur kann man in Zweifel sein, ob dies Bild 
icht noch schöner ist, wenn eine leichte Schneedecke Wege und 
Straßen bedeckt. Se bstverständlich darf man nicht in Lübeck 
zjewesen sein ohne ein ha bes Dutzend Spickaale und eine tüch- 
ige Schachtel Marzipan mit nach Hause zu bringen. 
Wiederaufnahme des Frachtgut⸗Verkehrs auf der Elbe. 
Aus Prag wird gemeldet: Die Elbschiffahrt ist versuchsweise 
m Frachtgutverkehr nach Magdeburg — Hamburg in be— 
chränktem Umfange wieder aufgenommen worden. Garantie 
ür Einhaltung normaler Transvportfristen wird indes nicht 
ibernommen. 
Gegen die Verteuerung des Pilsener Bieres. Der ge⸗ 
schättsführende Ausschuß des Deutschen Gastwirts⸗Verbandes 
— —— e—reeeeeeeeeerüeelrferfuef efefgeeeöefnereeeeeeeeee 2 2 2 — 
Finakter des Schweizer Dichters J. V. Widmann, den das 
dofburgtheater in Wien zur Uraufführung erworben hat. 
sSerbert CEulenbergs Tragödie „Simson“ wurde soeben 
vom Stutltzarter Hoftheater zur gle'chzeitigen Uraufführung 
mit dem Stadttheater in Düsseldorf angenommen. Die Ur— 
aufführung findet am 25. Nov. statt. 
Ur⸗ und Erstaufführungen. Die ungekürzte Auf— 
führung von Kleists Trauerspiel .Die Familie 
S5chroffenstein“ als Anfang des Klesst-Zyksus im Köonigl. 
Hoftheater, suür München übrigens eine Erstauf ührung, war, 
dank Dr. Kiliañns äußerst geschickter Inszenierung und der vor— 
züglichen Darstellung, von unerwartet guter Wirkung. 
Mendelssohns Oratorum , Elias“ wird in einem englischen 
Brovinzialtheater in der kommenden Woche als Oper zur 
lraufführung gelangen. Der Musifer Charles Manners wird 
dann voraussichtlich mit seiner Truppe nach London über— 
jiedeln und dort die Aufsührungen fortsetzen. 
Die Lutherfesisniele zu Worms finden jetzt unter Mitwirkung 
bon 250 Bürgern und Bürgerinnen statt. Am Sonntag kam 
Dtto Devrients „Luther“ erstmalig zut Aufführung. Die 
tommen. — „Der Kopf des Crassus“ he'nt ein neuer 
Titelrolle spielte Calm-Dessau charakteristisch; die Regie, der 
iamentlich die bewegteren Szenen trefflich gelangen, lag in 
den Händen von Oberregisseur Dalmonico. Es werden 
noch fünf Wiederholungen stattfinden. 
Kle'ne M'itte lungen. Die näch e Ausst-lblungder Ber— 
tiner Sezession, eine Ausstellung aus dem Gebieie der 
zeichnenden Künste unter gleichzeitiger besonderser Be— 
rücksichtigung der Plastik, wird am 4. Nov. eröffnet werden. — 
Bei dem von der Altiengesellschaft Leonhard Tietz in Köln 
wusgeschriebenen Wettbewerb zur Erlangung vo: Entwürfen 
ür e'n Bauprojekt im Werie von 15 Mill. Mhat der Düssel— 
dorfer Architekt Professor Wilhe'm Kreis den ersten Prris 
m Werte von 10000 Meäerhalten. Auch der zweite Preis von 
7000 M) wurde ihm zugesprochen. Den dritten Preis von 5000 
Mark erhielt Architet Baldauf-München und den vierten 
m Werte von 4000 MeHerr Jacobs-Bremen. Im ganzen 
waren 161 Entwürfe eingegangen 
erlätüzt Berliner Blättern zufolge, wie wir schon kurz tele— 
rraphisch berichtet haben, folgende Bekanntmachung: „Mit 
zeutigem Tage soll Zeitungsnachrichten zufolge der Bezugs⸗ 
reis der Pilsener Biere um 23 Muverteuert werden. Wir 
fordern alle unsere Kollegen auf, die Preizerhöhung strikt 
abzulehnen oder den Bezug des Bieres einzustellen, da diese 
Preiserhöhung nur eine neue Sondersteuer bedeutet und vom 
Publikum nicht getragen werden wird. Wir ersuchen des—⸗ 
halb, auch sofort das Publikum durch Anschlag auf diese 
VBerteuerung aufmerksam zu machen, damit schon die Forde— 
uung nach „Echt Pilsener“ unterbleibt, zumal unsere deut—⸗ 
schen Biere, und besonders die nach Pissener Art gebrauten, 
hinreichend Ersatz bieten und vollständig gleichwertig dastehen. 
Unsere Vereinsvorsitzenden wollen hiervon sämtlichen Kollegen 
ichleunigst Kenntnis geben. Berlin, 21. September 1911. Der 
Beschäftsführende Ausschuß: A. Ringel. A. Kuhn.“ 
S Zwangsverkãnfe. Im Termin vor dem Amtsgerichte am 
23. Sept. 1911 wurde zugeschlagen: das Grundstück Hansa— 
traße Nr. 29 der offenen Handelsgesellschaft J. J. Struve 
‚zu Lübeck für das am 22. Sept. abgegebene Gebot von 
25 000 M. 
M Eine gemeinschaftliche Uebung hielten Sonntag nachmittag 
nuf der Sedanwiese und in dem nahen Gehölz bei Ratzeburg 
die vereinigten Kriegervereins-Sanitätskolonnen: Lübeck, Ratze⸗ 
zurg, Mölln und Tüschenbeck ab. Hunderte von Zuschauern 
varen bei dem schönen Wetter hinausgewandert und folgten 
nit großem Interesse den einzelnen Vorführungen. Die ge— 
tellten Aufgaben wurden musterhaft ausgeführt, so daß den 
Kolonnen von allen Seiten die garößte Anerkennung zuteil 
vurde. 
V Die Gartenbauausstellung in der Stadthalle hatte sich 
am Sonntag eines ganz außerordentlich starken Besuches zu 
freuen, ein Zeichen, daß dem Garlenbau ein außerordentliches 
Interesse entgegengebracht wird. Es dürfte dieses nicht zuletzt 
zurch die Anlage von Gartenkolonien in den Vorstädten her— 
»ortgerufen sein. Die Veranstalter der Ausstellung —*— in 
seder Richtung mit dem Erfolg derselben zufrieden sein 
können. 
V Ehedrama. Der Schauplatz einer rohen Szene war am 
Sonntag der Vereinigungsgang in der Rosenstraße. Dort 
wohnt in dem Häuschen Nr. 6 eine von ihrem wegen Trunk— 
ucht entmündigten und der Armenanstalt überwiesenen Mann 
etrennt lebende Frau Grandt. Ber Mann war nun Sonntag 
sus der Armenanstalt entlaufen und hatte seine Frau auf— 
Jesucht, um sie zu bewegen, wieder mit ihm zusammen zu leben 
ind ihm nach Ahrensbök zu folgen, wo er angeblich Arbeit 
»ekommen habe. Die Frau lehnte das aber ab, da sie 
hrten Mann als einen Menschen kennt, welcher der Arbeit 
gern aus dem Wege geht, den Schnaps über alles liebt und 
hei jeder Gelegenheit Gewalttätigieiten begeht. Da infolge— 
dessen alles Zureden von seiten des Mannes nichts nützte, 
sorderte dieser schließlich 1.60 Mevon seiner Frau. Sie ver— 
weigerte aber diese Forderung, worauf Grandt, den übrigens 
auch die Eifersucht etwas plagen soll. ein Küchenmesser ergriff 
und damit seiner Frau mehrere Stiche, u. a. am Rücken und an 
Kopf, versetzte. Danach scheint Grandt einen Selbstmordversuch 
zemacht zu haben, indem er sich eine Verletzung am Halse bei— 
zrachte. Indessen sind erfreulicherweise die Verletzungen der 
Frau nicht lebensgefährlich, auch dieienige des Mannes ist 
nicht von Bedeutung. Grandt wurde von mehreren, von den 
Nochbarn herbeigerufenen Schutzleulen verhaftet. Er ist schon 
recht oft bestraft. 
J Straflammer III. Sitzung vom 23. Sept. Wegen 
jefährlicher Körperverletzung hat sich der Heizer 
Axel Ni. aus Tammerfors zu verantworten. In der Nacht zum 
22. Aug. zwischen 12 und 1 Uhr traf der Arbeiter Joachim Wi. 
hierselbst an der Ede der Untertrave und Engelsgrube mit zwei 
finnischen Matrosen, nümlich dem Angeklagten und einem Schiffs⸗ 
immermann, zusammen. Wi., der angetrunken war, wurde von 
»en beiden geschüttelt, dann aber wieder losgelassen. Während 
Wi. nun die Engelsgrube hinaufging. um sich nach seiner Woh— 
rung zu begeben, lief sdier Angellagte ihm nach und stieß ihm 
ohne jeden Grund sein Taschenmesser in die rechte Brustseite, 
so daß Wi. infolge der Verletzung in das Krankenhaus auf- 
zenommen werden mußte. Der Angeklagte ist geständig. Er 
vird zu einer Gefängnisstrafe von 1 Jahr verurteilt, quch wird 
mf Einziehung des zur Tat benutzten Messers erkaunt. — Wegen 
chweren Diebstahls steht der Monteur Georg D. unter 
Anklage. Er soll im Laufe dieses Jehres fortgesetzt im hiesigen 
utomaten-Restaurant Gelder, die der Automaten-Restaurant— 
Heselischast gehörten, aus den Automaten weggenommen haben 
ind soll dabei die verschiedenen Automaten mittels falscher 
zchlüssel Ooder anderer zur ordnungsmähigen Oeffnung nicht be— 
timmter Werkzeuge geöffnet haben. Zu oft wiederholten Malen 
st beobachtet, daß bei der Entnahme des Geldes aus den ver— 
chiedenen Kassen der Inhalt der Kassen mit dem durch die Zähler 
ingezeigten Sollbestande neht Übereinstimmten. Eine ganze 
Reihe von Umständen lenkten den Verdacht der Täterschaft auf 
»en Angeklagten und er soll auch, als ein Angestellter des 
Vestaurants ihn wegen der Diebstähle zur Rede stellte, diesem 
‚egenüber ein Geständnis abgelegt haben. Heute bestreitet der 
Ingeklagte entschieden, jemals einen Diebstahl begangen zu 
jaben. Durch die Beweisaufnahme wird festgestellt. daß die 
Zähler an den. Automaten oft unzuverlässig funktionieren, so 
daßz sie einen unbedingt zuverlässigen Anzeiger für den Bestand 
der Kasse nicht geben. Mangels hinreichenden Beweises wird 
der Angeklagte freigesprochen. 
VeLeichenfund. Bei der Mühlentorbrücke wurde heute vor 
mittag die Leiche eines etwa 60jährigen Mannes gefunden. 
Der Verstorbene, der fast regelmäßig jeden Morgen auf den 
WBällen spazieren ging, ist wahricheinlich freiwillig aus dem 
ꝛeben geschieden. Am Kanalufer fand man, anscheinend ab— 
ichtlich dort niedergelegt, Mütze und Stoch des Toten. Der 
Trauring des Ertrunkenen zeigt die Buchstaben W. M. und 
die Jahreszahl 1870. Der Name des Toten konnte noch 
nicht festgestellt werden. 
o- Koks gestohlen. Von einem Kohlenlagerplatz an der 
Wallstraße sind in letzter Nacht 10 bis 14 Säcke Koks 
gestohlen. Spuren lassen darauf schließen, daß die Täter 
sich zum Fortschaffen des Koks eines Kahnes bedient haben 
Travemünder Seewasserwärme. 
23. Sept. mittags 1522 Grad Cels., abends 15 Grad Cels. 
24. Sept. morgens 15 Grad Cels. — Süd-Wind. 
2Nusse, 28. Sept. Nachdem die Maul- und 
Klauenseuche hier schon so gut wie erloschen war, ist 
sie aufs neue unter dem Rindviehbestande des Halbhufners 
C. Kruse ausgebrochen. Bei den Schweinen des Hufners 
Brügamann wurde die Schweineseuche festagestellt.
	        
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