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Amtsblatt der freien und Hansestadt Lübed 6. Jahrgan Nachrichten für das Herzogtum Lauenburg, die
Beiblatt: Gesetze und Verordnungsblatt tẽ Jahtga — an Fürstentümer Ratzeburg, Lübeck und das angren⸗
3 Sσαιασασοαοο —*— e aece zende medlenburgische und holsteinische Gebiet.
deuc und Verlaa: Gebbrüber Borrees G. m. 8. S. in Lübea. — Geschäftsstelle Adrek baus (Königitr. 46). Fernipresser Sond u. 8001.
— —— — —
GGroße Ausgabe) Montag, den 25. September 19141. Abend⸗Blatt Nr. 486.
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Erstes Blatt. hierzu 7. Blatt. 1
iιαοσIα àααιιιαααααιασαααν— XXXXEXEEAE
Amfang der heutigen Nummer 6 Seiten.
nichtamtlicher Teil.
Hherr v. Kiderlen⸗Waechter.
Won einem inaktiven Diplomaten erhalten wir folgende
interessante Charakteristik Kiderlens, die geeignet ist, auch
auf den Gang und Stand der deutsch-französischen Verhand⸗
lungen ein eigenartiges Licht zu werfen. Er schreibt uns:
Setr v. Kiderlen-Waechter pflegt sich selbst gern als
einen modernen Staatsmann zu bezeichnen. Gewiß hat er
darin auch recht, denn von dem steifleinenen, zugeknöpften
Wesen der Diplomaten der alten Schule ist bei ihm keine
Spur zu finden. Er gibt sich natürlich mit all der Bonhomie,
die ihm als Süddeutschen angeboren ist; seine Sprache trägt
den Grundton der Aufrichtigkeit und in den zur Diskussion
ltehenden Fragen sucht er den Anschein der Geheimniskrämerei
zu vermeiden, wennschon er natürlich nur das sagt, was er
eben sagen will. Er ist ein sehr angenehmer Tischnachbar,
weih amüsant und gemütlich zu plaudern und verträgt auch
gelegentlich einen derben Spaß. Genug, „er kann reizend
ein, wenn er nur will“, wie es in jenem, in den liehziger
Jahren oft gesungenen Couplet heißt.
Manchmal „will“ er freilich nicht, und dann kann er
auch sehr ungemütlich sein, wovon seine Umgebung manch
diedlein zu singen weiß. Denn, um es gleich zu sagen, er
äht sich mitunter auch von seinen Launen beherrschen. In
solchen unvergnüglichen Stunden faßt er bisweilen über Per—
onen und Sachen ein schiefes Urteil, bei dem er dann auch
päter beharrt. Es ist fast unmöglich, ihn von einem einmal
eingenommenen Standpunkt abzubringen, ihn zu belehren, —
und das kann bis zur Ungerechtigkeit gehen. Den Verkehr
mit der Presse sucht Herr v. Kiderlen-Waechter gern, doch
ereignet es sich, daß er heute einen Journalisten nicht mehr
empfängt, den er gestern noch mit großer Freundlichkeit bei
sich begrüßt hat. Durch irgend ein ihm nicht schmackhaftes
Wort irritiert, bricht er brüsk jeden Verkehr mit dem Unglück—
lichen ab, und selten gelingt es diesem dann, den jäh abge—
rissenen Faden wieder zu knüpfen. Seine besondere Passion
ist die Jagd, und er darf wohl unter allen unseren Diplomaten
als der erste und erfolgreichste Nimrod bezeichnet werden. Der
Jagd widmet er zumeist auch all die Zeit. die er vom Dienste
ablommen kann.
Während seiner gesandtschaftlichen Tätigkeit bei den
fleineren Höfen, bei denen er akkreditiert war, nahm er sich
der deutschen Interessen mit Eifer an, und bei Beschwerden,
die er bei der betreffenden Regierung anzubringen hatte,
lonnte er mit großer Wuchtigkeit auftreten und dem kleinen
Sitaate die Macht des deutschen Reiches recht deutlich hemerkbhar
machen. Er forderte dabei zuweilen die Kritik seiner Kollegen
im diplomatischen Korps heraus, die sich zuraunten, daß Herr
o. Kiderlen-Waechter wohl nicht so klirrend mit Kürassier⸗
tiefeln einhergehen würde, wenn er eine Großmacht vor sich
zjätte, — ein Urteil, das aber wohl der Neid eingegeben
zaben mag, der unter den Diplomaten ebenso zu Hause ist,
vie unter den übrigen Sterblichen. In seiner Ausdrucksweise
st Herr v. Kiderlen-Waechter oft burschikos und in manchen
Ddingen von einer Wurschtigkeit, die an sein berühmtes Vor—⸗
ild, den Fürsten Bismarck, erinnert, als dessen Schüler er
ich gern bezeichnen hört.
Hat Kiderlen wieder nachgegeben?
Deutschland hat nach den Mitteilungen des Pariser
Daily TelegraphKorrespondenten in der Frage der marokkani—
chen Schutzgenossen den stärkeren Argumenten der Fran—
osen nachgegeben. Die Franzosen machten geltend, daß
ie fremde Schutzgenossenschaft zahlreicher steuerkräftiger
narokkanischer Familien dem Machsen zu großen finanziellen
S„chaden bringe, als daß dieses Verhältnis, das zu einer
Plage geworden, weiter bestehen könne. Deutschland kämpfe
mr dafür, daß die aus der Schutzgenossenschaft entstandenen
sechtsverhältnisse (Kandabtretungen) nicht einfach kassiert wer—
en, sondern unter dem neuen System eine Sicherung er—
vorbener Rechte gewährt werde. In der Frage der
donsulargerichtsbarkeit habe Kiderlen ebenfalls
rachgegeben; er wolle die französische Gerichtsbarkeit an—
iehmen unter der Bedingung, daß die streitenden Zivilpar—
eien oder die strafrichterlich Verurteilten gegen das fran—
ösische Urteil an ein Konsulargericht appellieren können.
kin weiterer Vorschlag Kiderlens geht dahin, daß Streitig—
keiten über Kontrakte, die vor dem Abschluß der gegen—
värtigen Verhandlungen zustande gekommen, den Kon⸗—
ulargerichten überwiesen werden sollen.
Eine Bestätigung dieser Nachricht deutscherseits fehlt bis—
her. Wir wollen hoffen, daß sie sich in diesem Umfange
nicht bewahrheitet. —
Die Bilanz des Maroklkohandesl3
ziehen bereits in nicht gerade sehr erfreulichem Sinne die
Leipziger Neuesten Nachrichten, wenn sie schreiben:
„Der Vertrag mit Frankreich ist so gut wie abgeschlossen,
der Friede ist gesichert, und in den Armen liegen sich beide
und weinen vor Schmerzen und Freude. Was steht bisher
iest? Was haben wir erreicht, seit wir dem Lohengrinschiff
n der Gestalt des „Panther“ den fliegenden Holländer nach—
andten? Man hat uns konzediert, daß wir auf Marokko
»öllig verzichten dürfen. Am 31. März 1905 hat der Kaiser
n Tanger erklärt, daß er stets für die Souveränität des
Zultans und für die Unabhängigkeit seines Landes eintreten
verde, und das Vertrauen des gesamten Islam war unser
dohn. Hierauf dürfen wir auch verzichten. Wir forderten
»inen Anteil von dreikig Vrozent an allen nffentflichen Mr—
C
beiten und geben die Forderung auf —, auch hier haben
wir einen Sieg zu verzeichnen. Denn der Sieg über sich
selbst ist der schönste Sieg, und wer des Herren Joch
nicht trägt, darf sich mit seinem Kreuz nicht schmücken. Wir
forderten auch sonst wirtschaftliche Vorrechte, und wir haben
doch immerhin erreicht, daß uns nichts dergleichen gewährt
vird: Der größte Gewinn liegt im Verzicht. Ein gemischter
Ausschuß soll die Angebote für ausgeschriebene öffentliche
Arbeiten prüfen, das haben wir erreicht. Das bestand aben
ruch schon vorher, denn dieser Ausschuß ist seit Jahren
n Tanger tätig, und auch jetzt schon fällt sein Votum stets
ugunsten der Franzosen aus. Aber die Liste unserer Er—
folge ist noch nicht beendet: Bisher durften wir marokkanische
Intertanen in unseren Schutz aufnehmen, der Vertrag von
Madrid sicherte uns in dieser Richtung manchen Vorteil.
Ddas alles dürfen wir aufgeben, auch das Recht, mit dem
Sultan Sonderverträge abzuschließen, eigene Konsulargerichte
u halten, oder auch nur mit Spanien für den Teil be—
ondere Vereinbarungen zu treffen, in dem der Sidalgo
valtet. Hatten wir früher noch Hypotheken auf Marokko, so
dürfen wir sie jetzt triumphierend löschen. Wer nicht be—
greift, daß dies große Gewinne lind, dem ist eben nicht zu
helfen“
— —
Caillaur' Rede ũüber die gegenwärtige Lage.
Ministerpräsident Caillaux hielt gestern in Alençon bei
»inem aus Anlaß der Einweihung des neuen Postgebäudes
zeranstalteten Festessen eine Rede, in der er betonte, man solle
die Schwierigkeiten der gegenwärtigen Lage nicht überschätzen.
FJrankreich wird, sagte er, sich bemühen, die durch die Folge
der Ereignisse in Marokko geschaffene Lage zu klären und
zwar in einer Weise, die Frankreich volle Aktionsfreiheit in dem
Landstriche gibt, der wichtige Teile seines afrikanischen Be—
sitzes berührt. Frankreich betreibt diejenige Lösung, die ihm
allein seiner würdig scheint. Es brachte in die Verhandlung
den weitherzigen Geist der Versöhnung und des Ver—
tändnisses für die Interessen der Gegenpartei mit, eifrig
bemüht, seine eigenen Interessen zu wahren. Wir zweifeln
nicht, daß die beiden großen Nationen, deren Rolle als Kultura-
träger in der Welt so groß ist, und die beide den Willen
um Frieden und die gleiche Sorge haben, ihn zu sichern, zu
einem dauernden Einvernehmen gelangen werden, das kein
chmerzliches Gefühl hinterlassen wird, wenn jeder das Wort
bedenkt: „Geschäfte — und es handelt sich hier um ein
Geschäft — sind nur gut, wenn sie zum Vorteil beider
Parteien sind“. Ministerpräsident Caillaux schloß: „Die jetzige
Zeit der Ueberlegung wird die glückliche Wirkung haben, uns
zu zeigen, wie unerläßlich für ein Land der Zusammenhang
der Bestrebungen aller ordnungsliebenden Elemente in der
tändigen Sorge für das allgemeine Wohl ist.“ Die Rede
wurde mit lebhaftem Boifal— oufaennommen.
Der Liebe Götterstrahl.
Roman von Marga Rayle.
(32. Fortsetzung.) — Machdrucdk verboten.)
Ja, einmal wollte sie wieder frei atmen, die schöne,
jlüchtige Stunde genießen und träumen ... träumen. .. Gab
es nicht auch wonnige, beseligende Träume. die die Wirklich-
leit vergessen machen?
Da — ein Ruf!
„Gnädiges Fräulein — Fräulein Ehrenbera!“
Unwillig sah Josa sich um.
Also auch diese frühe Stunde gönnte ihr kein Alleinsein.
Auf der Düne stand mit winkenden Armen eine hünenbafte
hestalt.
„Nehmen Sie mich mit, bitte, bitte!“
Ergeben seufzend ruderte sie wieder dem Ufer zu. Ge—
wandt sprang der blonde Recke in das nette Fahrzeug und
schüttelte dem jungen Mädchen die Hand.
„Ich freue mich so riesig über diesen glücklichen Zufall!“
agte er und seine treuen blauen Augen strahlten voll Sonnen⸗
chein auf sie herunter. „Im Stall, wo ich mir ein Pferd
atteln lassen wollte — denn ich konnte absolut nicht mehr
scchlafen — hörte ich, daß Sie schon an den Strand gegangen
wären. Da konnte ich natürlich der Versuchung, Ihnen zu
solgen, nicht widerstehen! Störe ich Sie aber auch nicht?“
Das klang so bescheiden, so demutsvoll, daß Josa mit
ftreundlichem Kopfschütteln verneinte: „Aber gewiß nicht!“
Trotz seiner lebhaften Gegenwehr behielt sie die Ruder
Feiernde Hände schafften auch den Gedanlken freie Bahn.
Und das wollte sie um jeden Preis verhüten. Diese fried⸗
gpolle, mühsam erkämpfte Ruhe sollte ihr keiner rauben.
Zweifelnd blickte der Mann auf die zarten, schlanken,
geliebten Hände.
„Ich kann es nicht ansehen, wie Sie sich quälen.“
Sie lächelte. „Ich quäle mich doch nicht! Rudern ist
reine gesunde Bewegung.“
Nach wenigen weiteren Worten verfielen sie in Schweigen.
Josa fühlte kein Bedürfnis, nichtssagende Phrasen zu wechseln,
uind ihrem Begleiter war das Herz so voll von dem, was
er hätte sagen mögen. und was doch nicht so leicht den
Weg über seine schweigsamen Lippen fand. Verzehrend ruhten
seine Bliche auf ihr. Noch nie war ihm dieses reizvolle Ge-—
schöpf so schön, so lieblich erschienen. wie in dieser taufrischen
Morgenfrühe. J
Ihre Augen sahen träumerisch ins Weite. Eine unbe—
rußte, sütze Schwermut lag über ihrem ganzen Wesen aus—
zegossen. — J—
„Was denkt sie?“ dachte der Mann gequält, „warum
»arf ich kein Recht haben, ihr holdes Haupt an meine Brust
u betten? Warum darf ich nicht sagen, hier ist dein Platz,
zu Süße, lah mich deinen Kummer teilen? O du ... du ..
vie ich dich liebe!“!;—
So glitten sie weiter, unmerklich fast. Die Minuten ver—
rannen — eilig, unaufhaltsam. Höher und höher hob sich
»as Tagesgestirn über dem unabsehbaren, glitzernden Wasser⸗
piegel. Da sprach Rohn endlich zögernd in die lautlose
Stille hinein:
„Müßten wir nicht wenden?“
Wie aus anderen Welten zurückkehrend, irrte ihr dunkler
Zlick über ihn hin. Sie hatte seiner Gegenwart nicht mehr
zedacht. Nun beunruhigte sie der Gedanke, daß sie mit ihren
Phontasien nicht allein gewesen, daß man sie ihr von der
ztirn gelesen haben könnte. Eine zarte Röte der Verwirrung
und Scham entzündete sich auf ihrem Angesicht. Mit einem
leisen Seufzer wendete sie das Schiff..
„So geht auch diese göttliche Stunde zu Ende,“ stieß
er plötzlich leidenschaftlich hervor.
„Ja, es ist schön,“ sprach Josa sanft.
Seiß, überwältigend, stieg es ihm zum Herzen. Diese
einzig:, vielleicht die letzte Gelegenbeit, das bezaubernde Ge⸗
chöpf allein für sich zu haben, — sollte sie ungenutzt ver—
treichen?
Nein, nein — wozu war er sonst der riesenhafte, uner—
chrodene Mann, wenn ihn im Augenblick, wo es galt, sich
ein Lebensglück zu sichern, der Mut verließ?
Und Hals über Kopf sprang er in die Gefahr.
„Erinnern Sie sich noch unseres ersten Gespräches, gnä—⸗
diges Fräulein?“
Sinnend ließ das junge Mädchen die Ruder sinken und sah
ihn ungewiß. fragend an.
„Sie zweifelten in einer jtöhlichen Stunde nach dem
übermütigen Tanz auf dem Rasenplatz an meinem Glück und
Stern,“ half er ihrem Gedächtnis nach, „und daß ich Glüch
jatte, erkannte ich doch sofort in dem Augenblick, da ich Sie
sah und erfuhr, daß Sie meine Tame für die Hochzeits—
tage sein sollten. Ich — sehen Sie, ich bin ein unbeholfener
Geselle, und schöne Reden zu drechseln ist mir gar unmöglich.
Aber — daß ich's nur gestehe, etwas abergläubisch bin ich,
und so kam's mir vor wie ein ungutes Wort damals —
weder Glüch noch Stern!“ — ein banger Ton durchzitterte
seins Stimme. „Nehmen Sie es zurüch, das böse Wort,
Fräulein Josa, strafen Sie es Lügen, beweisen Sie mir,
daß ich beides habe, Glüch und Stern, indem Sie mich zum
Heißbeglückten machen — werden Sie mein Weib!“
Schrankenlose Leidenschaft, glühende Hingebung klang aus
dem Stammeln eines jeden Wortes und drang in das Ohr
der entgeistert Lauschenden.
„Es ist nicht wahr, ach, sagen Sie, daß es nicht wahr ist!“
ächzte sie nach atemraubender Stille auf, so jammervoll, so
schmerzzerrissen, daß es ihn eisig durchschauerte.
„Es ist wahr!“ sprach er fest. „„Ich liebe Sie mehr als
mein Leben — seien Sie barmherzig!“.
Seine Worte waren vergeblich, er wußte es nun schon,
sein Geschich besiegelt, ohne Hoffnung.
Ein bitteres Lächeln legte sich um seinen Mund. Wozu
noch Worte, wozu noch Kampf, wazu noche all die Pein fün
die Heißgeliebte und für sich selbst?
Waährend er, über den Rand des Bootes geneigt, ins
Wasser starrte, während er dachte, wie wohl ihm wäre, wenm
er da unten läge, wo das Meer am tiefsten ist, vernahm
er Josas dumpf geflüsterte Worte:
„So bin ich denn hierher gekommen, um Unglück zu säen
... zur Räuberin zu werden eines jeden Glückes an denen,
die ich liebe.“
Er verstand sie, nur zu gut verstand er sie. War er doch
schon einmal Zeuge ihrer Verzweiflung gewesen. Und er be—
griff, wie tief ihre Erschütterung sein muhte ... zumal sie
ihn nicht liebte. An ihrem warmen, gütigen Herzen ounte
oergleichen nicht eindruckslos vorübergehen.
Hassen hätte er sich mögen, daß nun auch er sie in einen
solchen Abgrund von Bitternis und Seelenqual gestürzt. Und