Full text: Lübeckische Anzeigen 1911 (1911)

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w— 4— 4 34 20— e se⸗ d4 
ausgabe 4. 8. —8 
Morgen⸗Blatt Kr. 484. 
Zwei neue Fußwege sind aus dem am Süxterdamm 
degenüber der Badeanstalt gelegenen unbebauten Grundstücke 
angelegt worden, da sich gezeigt hat, daß alle Einfriedigung 
desselben doch nichts nützte. Der eine Fußweg führt von der 
hüxstrahße in der Diagonale über das Grundstück nach der 
Kanalstraße und der andere vom Straßenreinigungsdepot nach 
der Hüxtertorbrücke. 
S CEine Signallaterne in der Straßenbahnleitung ist über 
der Kreuzung der Hüxstraße mit dem Balauerfohr angebrach? 
vorden. Sobald sich ein Straßenbahnwagen vom Hüxterdamm 
»der der Königstraße auf etwa 100 Meter genähert hat, leuch⸗ 
et in der Laterne eine Flamme auf und es erscheint nach beiden 
Zeiten des Balauerfohr hin in weißer Schrift auf rotem 
Srunde das Wort „Halt“. Die Einrichtung ist für den Fuhr⸗ 
werksverkehr zweifelsohne ganz praktisch. 2 7 
B Eine neue größere Bedürfnisanstalt wird in der Nähe 
der Hüxtertorbrücke an Stelle der bisherigen kleinen erbaut. 
*Schöffenamt. Das für 1912 aufgestellte Verzeichnis der 
hier wohnhaften Personen, welche vom Schöffenamt berufen 
werden können, liegt vom 2. bis9. Okt. d. J. einschließlich 
»on 10 Uhr vormittags bis 1 Uhr mittags im Statistischen 
Amt, Feischhauerstrahr 18, 2. Stock, zur Einsicht aus. Ein⸗ 
prachen gegen die Richtigkeit und Vollständigkeit der Liste sind 
in der angegebenen Zeit schriftlich zu erheben oder zu Proto— 
koll zu geben. (S. Bek. im amtl. Teil.) t 
Zur Warnung für Milchpanscher. Ein Landmann von 
der Insel Fehmarn wurde, wie die Fehmarnsche Ztg. be— 
richtet, am letzten Donnerstag vom Schöffengericht in Burg 
vegen Betruges zu 3 Monaten Gefängnis und außerdem 
wegen Nahrungsmittelverfälschung zu 500 MuGeldstrafe ver— 
urteilt. Er hatte seine Milch wiederholt mit mehr oder 
weniger Wasser verdünnt. 
»Die Wasserwärme in den städt'schen Badeanstalten betruo 
am 23. Sept. im Krähenteich 1524 Gr. Cels.z auf dem Falken- 
damm 152/ Gr. Cels. 
3 J 
Cagesberichtt. 
Zdübeck, 24. Sepkember. 
Bedingungen fur Lieferung von Gas und 
Clektrizitar durch die städtischen Gemeindeanstalten. 
Wie schon vor einigen Tagen mitgeteilt, hat die Bürger⸗ 
ausschuß⸗Kommission zur Vorprüfung der Senatsvorlage betr. 
Neuregelung der Bedingungen für Lieferung von Gas und 
Elektrizität durch die städtischen Gemeindeanstalten Bericht er— 
jtattet und wir haben auch fchon die wesentlichsten Anträge der 
Kommission nach dem Protokoll der letzten Sitzung des Bürger⸗ 
ausschuffes mitgeteilt. Jetzt liegt uns auch der Bericht der Kom⸗ 
mission vor, aus dem nachfolgendes wohl allgemein interessieren 
dürfte: 
Der Kommission sind zwei Cingaben vom Vorstand des 
Lubegischen Detaillisten ⸗Vereins und vom Verein „Innere Stadt“ 
zugegangen, die zum Gegenstand eingehender Erõörterungen ge⸗ 
macht, find. Die Kommission schließt sich auch in ihrer verän— 
derten Zusammensetzung den Ausführungen der bisherigen Kom— 
mission in dem vorläufigen Bericht vom 24. Nov. 1910 an. 
dvinsichtlich des Gaspreises war sie ebenfalls der Auf⸗ 
fassung, daß der Einheitspreis unter 14 Pfg. für das Kubik— 
meter herabzusetzen sei. Von der Crwägung ausgehend, daß 
einmal von einer Herabsetzung des Gaspreises auf 12 Pfg. 
ein zu großer Ausfall für die Staatskasse zu befürchten sei, 
daß aber annderseits der Preis für diejenigen, die bisher das 
zu technischen Zwechen verwandte Gas bereits mit 12 Pfas. be— 
zahlt haben, nicht wesentlich erhöht werden dürfe, hat die Kom— 
nission sich auf einen Preis von 1222 Pfq. für das Kubikmeter 
geeinigt. 
Der vom Senat mit 17 Pfg. vorgeschlagene Gaspreis „bei 
Verwendung von Gasautomaten, deren Leitungsanlagen nebst 
Gebrauchsgegenständen dem Gasabgehmer leihweise überlassen 
ind“, ist alsdann ebenfalls herabzusetzen, und zwar auf 165 Pfgs. 
Wenn der Senat weiterhin die Verwaltungsbehörde für 
tädtische Gemeindeanstalten ermächtigen will, Großabnehmern 
don Gas auf ihren Antrag Rabatte in angemessener Höhe zu 
gewähren, so kann die Kommission angesichts des von ihr vor— 
zeschlagenen niedrigen Preises dem nicht schlechthin zustimmen 
Sie verkennt nicht, daß es für anser Gaswerk unter Umständen 
bon Interesse sein kann, Großabnehmer durch Gewährung von 
Rabatten heranzuziehen. Sie hält es aber für zweckmähßig, daß 
dies nur dann geschieht, wenn die Abnahme 10 000 ebm jähr⸗ 
sich übersteigt. Weiterhin erachtet sie es als ein Gebot der 
Billigkeit, diese Rabatte alsdann nicht nur einzelnen Abneh— 
mern auf ihren Antrag zu gewäsren, sondern allen Großab— 
nehmern mit einem 10 000 cbm übersteigenden Jahresbedarf Ra— 
batt gewährt würde nach einer ror der Verwaltungsbehörde 
aufzustellenden Staffel. 
Die Kommission regt endlich an, ebenso wie die Elektrizitäts— 
messermiete auch die Gosmessermiete durch Gesetz festzulegen und 
bei dieser Gelegenheit zugleich die Gasmessermiete, die allge— 
mein als zu hoch angesehen wird, zu ermäßigen, und zwar für 
Zflammige von 4,40 auf 2,40 M, für 5flammige von 6 auf 
3,60 M. für 10flammige von 8 auf 4,80 M, für 20flammige 
von 10,80 auf 6 M, für 30flammige von 13,60 auf 8,40 M, für 
qoflammige von 18,80 auf 10,80 M, für 5oflammige von 18,80 
auf 13,20 M, für 60flammige von 25,20 auf 15,60 M, für 
100flammige von 40,40 auf 24 M, für 150flammige von 60 
auf 36 M, für 200flammige von 80,80 auf 48 M. 
Zu den Bedingungen für den Anschluß elektrischen 
Lichtes und due Lieferung eleltrischen Stromes ist im ein— 
zelnen noch folgendes zu bemerlen 
Der Entwurf sieht nur die Lieferung elektrischer Energie 
in den mit Kabeln belegten Straßen vor. Darüber, wie es mit 
der Legung von Kabeln in anderen Straßen bestellt ist, fehlt 
eine Bestimmung. Das Elektrizitftätswerk legt bereits heute Kabel. 
und zwar, falis eine genügende Stromabnahme gewaäaͤhrleistet 
wird, auf seine Kosten, andernfalls auf Kosten der Interessenten. 
kiner Regelung bedarf hierbei vor allem die Entschädigung oder 
Abfindung der ersten Interessenten, auf deren Antrag und Kosten 
as Kabel gelegt ist, wenn späterhin weitere Anschlüsse an dieses 
Zabel erfolgen. Es ist nur billig, daß alsdann den ersten In- 
eressenten die von ihnen verauslagten Kosten ganz oder teil⸗ 
veise zurückerstattet werden, sei es vom Staat oder denjenigen, 
velche weiterhin das Kabel mitbenutzen. 
Nach dem Entwurf soll der Anschluß von der Straßenhaupt- 
eitung bis an die Elektrizitätsmesser für Rechnung der Ab— 
nehmer erfolgen. Tie Anschlußleitungen gehen, soweit sie auf 
zffentlichem Grund und Boden legen, nach Absatz 2 in das 
kigentum des Elektrizitätswerkes über, richtiger der Stadtge— 
meinde Lübed, da das Elektrizitätswerk keine juristische Person 
jt. Schon aus diesem Grunde erscheint es nicht angemessen, die 
Abnehmer mit den Kosten dieser Leitungen zu belasten, son— 
dern das Kabel auch bis an die Grundstücksgrenze auf öffent— 
iche Kosten zu führen: Hierdurch würde zugleich eine Unbillig- 
eit beseitigt werden, die bisher vielfach unangenehm empfunden 
st; da die Straßenhauptleitungen in manchen Straken nicht 
in der Mitte der Straße verlegt sind, sondern auf einer Seite, 
o haben nämlich bisher die Anwohner dieser Seite für die 
degung des Kabels bis an die Grundstücksgrenze weniger zu 
ahlen als die Anwohner der anderen Seite. 
Wenn nunmehr in der Folgezeit der Anschluß von der 
—traßenhauptleitung bis zur Grundstücksgrenze auf öffentliche 
dosten hergestellt wird, ist zu besorgen, daß die Grundstücks— 
igentümer, die dann lediglich die Kosten von der Grundstücks⸗ 
tenze bis zum Elektrizitätsmesser zu iragen haben, den Anschluß 
Zerstellen lafsen, um ihre Wohnungen ijederzeit mit elektrischem 
ꝛricht ausstatten zu können, ohne daß dann aber auch tatsächlich 
die Leitung benutzt wird. Tas Werk würde in einem solchen 
Falle die Kosten der auf öffentlichem Grund und Boden zu 
berlegenden Leitung zu tragen, aber von dieser Leitung keinen 
Nutzen haben. Es erscheint daher zwedmäbig, einen Zusatz zu 
nachen, wonach kie Verwaltungsbehörde befugt sein soll, falls 
»er Stromverbrauch in den ersten sünf Jahren nach dem An— 
chluß nicht mindestens jährlich 2050 der Anschlußkosten erreicht, 
die Erstattung der Anschlußkosten ron der Straßenhauptleitung 
bis zur Grundstücksgrenze zu verlangen. 
Zu den Bestimmungen des Entwurfs über Be Elektrizitäts— 
messer und die dafür zu zahlende Miete hat die Kommission 
m allgemeinen nichts zu bemerken. Es kommen aber Fälle 
»or, in denen die Elektrizitätsmesser offenbar unrichtige An— 
jaben machen, ohne daß sich bei einer Prüfung die Unrichtigkeit 
des Messers feststellen ließe. Auch in einem solchen Falle muß 
die Verwaltungsbehörde in der Lage sein, den Abnehmern an— 
statt der offenbar unrichtigen, vom Elektrizitätsmesser ange— 
zeigten Strommenge den angemessenen Verbrauch in Rechnung 
u stellen. 
Die Kommission war ferner der Auffassung, daß der Grund⸗ 
preis der Senatsvorlage von 55 Pig. für die Kilowattstunde 
zu hoch ist. Der für den Mehrverbrauch über eine durchschnitt- 
liche Benutzungsstundenzahl von 350 in jedem Betriebsjahre fest— 
zesetzte Preis von 30 Pfg. für die Kilowattstunde wird praktisch 
bon sehr geringer Bedeutung sein, da die durchschnittliche 
Zenutzungszahl von 350 in jedem Betriebsjahr nicht oft über— 
chritten werden wird. Es würde auch ein Durchschnittspreis 
von 50 Pfg. für die Kilowattstunde erst bei einer durchschnitt— 
ichen Benutzungszahl von 4371 Stunden, von 45 Pfg. bei 
58314 und von 40 Pfg. bei 875 Stunden erreicht werden. 
Die Kommission empfiehlt einstimmig einen Preis von 
10 Pfg. Was die Rabatte anbetrifft, so schlägt die Kom— 
mission vor. diese aus denselben Gründen wie beim Gas bei einer 
Entnahme von mehr als 10000 Kilowattstunden zu gewähren, 
und zwar für sämtliche Abnehmer gleichmäkig. 
b. Stadttheater. Aus der Theaterkanzlei schreibt man uns? 
Heute wird „Glaube und Heimat“ zum 3. Male gegeben. 
Morgen findet die Erstaufführung der Oper „Königskinder“ 
von Engelbert Humperdinck statt. In Vorbereitung „Kyritz⸗ 
Pyritz“, Posse von Wilken und Justinus, Musik von Michaelis. 
b. Konzert Erika Besserer. Die Geigenvirtuosin Frl. Erika 
Besserer aus Schwerin veranstaltet Sonnabend, den 14. Okt. 
m Logensaal (St. Annenstraße) ein Konzert, zu dem sich die 
Künstlerin ein äußerst interessantes und vornehmes Programm 
usammengestellt hat. Durch die Mitwirkung in einem geist— 
ichen Konzert in der Marienkirche und als Lehrerin am 
tonservatorium ist Frl. Besserer, hier aufs beste bekannt. 
Ueber ein Berliner Konzert äußert sich die Allgem. Musik— 
Z3tg. sehr anerkennend. — Am Flügel wird Herr Musikdirektor 
Andreas Sofmeier seines Amtes walten. 
b. Teeabend. Heute abend 6 Uhr findet im Gemeinschafts— 
derein E. V., Hüxstr. 115, der erste Teeabend dieses Winters 
jtatt. Mehrere Redner halten Ansprachen, sowie 2 Gesangchöre 
und ein Posaunenchon wirken mit. 
b. Das Kaiser-Panorama bringt in dieser Woche eine groß 
artige Bilderserie vom St. Gotthard und dem Rhonegebiet 
Sowohl in der Stadt als auch in der Umgegend wird 
das Kaiser-Panorama vom Publikum hochgeschätzt, da seine 
Besitzerin großen Wert, auf nur gute Serien legt und stets 
bestrebt ist, Ansichten aus den schönsten Gegenden der Erde 
und solche von den neuesten Weltereignissen zu bringen. 
Ddiesem Gründsatze wird auch in diesem Winter treu geblieben 
verden. Die mancherlei Vorkommnisse der jüngsten Zeit 
haben Gelegenheit zu den aktuellsten Aufnahmen gegeben, 
die sämtlich zur Ausstellung gelangen sollen 
fusschau auf den Winter. 
Eine Modeplaunderei. 
Won unserem Korrespondenten.) 
Paris, im Sept. 
nge. Wie in Bienenkörben saust und schwirrt das Leben 
etzt in den Schneiderhäusern. Und obwohl jedes Atelier noch 
eifersüchtig seine Geheimnisse bewahrt, dringen, infolge Be— 
lagerung Madame Paquins auf den „Planches“ von Trouville 
und Bestürmung Herrn Redferns auf den Deauviller Renn— 
tribünen so viele Indiskretionen durch, daß man die Winter— 
mode in ihren Hauptzügen schon überblicken und beurteilen 
lann. Es wird zu einem großen Kampf zwischen Schneidern 
und Kundinnen kommen, denn die 1äägen Modedamen, die den 
leißigen Bienen, den Arbeiterinnen, ihren Lebensunterhalt er—⸗ 
möglichen, werden sich entschließen müssen, den ihnen lieb ge— 
wordenen und die Körperformen so schön zur Geltung brin— 
nenden „Fourreaux“ Lebewohl zu sagen. Die Röcke werden 
vxeiter und länger, die Taille rüdtt auf ihren normalen Platz 
und die Aermel sind oben breit und unten eng. Nur muß man 
zicht denken, daß diese einschneidende Umwandlung mit einem 
Ruck vor sich geht. Der Franzose ist viel zu liebenswürdig, 
is daß er Tatsachen brüskieren sollte, die er mit ein paar 
ibereinandergesetzten Volants, Rüschen und Bands oder Samt— 
treifen leicht und kleidsam vertuschen kann. Eingesetzte Spitzen 
und kostbare Stickereien sollen den Frauen über den ersten 
Trennungsschmerz vom fußfreien, hyperengen Rock hinweg— 
zelfen. Kenner weiblicher Seelen aber setzen auf anziehende, 
reiche Kombinationen vielverzweigter Guipurezeichnungen, auf 
vergilbte antike Points und jahrhundertealte Wunderwerle der 
Nadelkunst ihre Hoffnung. Aus Vorsicht und ihrer Kostbarkeit 
halber verwendet man sie als Bordüre für die drei überein— 
andergebauten, platten Rocketagen, deren oberster Teil zur Taille 
suzugehören scheint. Die wird sich in Zukunft nun wieder zur 
„Wesrentaille“ umformen müssen, und die Korsettmacherinnen 
zaben alle Hände voll zu tun, vorn, hinten und an den 
Seiten Rundungen anzubringen. Ja, man scheint sogar auf 
»em besten Wege zu sein, die vorn und hinten eingeknickte 
Amozonenfotm wieder einführen zu wollen, wobei der zur 
nreslaurationszeit von Frauen und Männern so viel getragene 
Spencer zu neuen Ehren kommen soll. Und der amüsanten 
Phantasie der unten breit ausgezachten Röcke, die 1830 den 
weißen Strumpf so verführerisch schen liehen, wird ein weiter 
Spielraum geboten werden, obwohl man sie nicht so kurz wie 
»amals, sondern gerade den Erdboden berührend trägt. Spitze, 
unde, viereckhige, mit Samt oder Pelz umrandete Zacken bilden 
ine hübsche Abwechselung gegen die schmucklosen, glatten 
-chneiderkleider, wenn wir auch in diesem Winter noch nich! 
u den ausgezackten Volantkleidern unter Louis Philippe zurück 
ehren. Abendmäntel und Abendtoiletten lassen sich von byzan— 
inischem Luxus beeinflussen und veisen auf schweren Stoffen 
ostbare Garnierungen auf. Für einfache Kostüme nimmt man 
chöne, feste Tuche, die oben einfarbig und am Rochkssaum kariert 
ind. Etwa: oben schwarz und unten schwarz und weiß, oder 
»ben braun und unten braun und blau. Aufschläge an Kragen 
ind Jackenärmeln werden dann mit demselben karierten Stoff— 
nuster verziert. F 
Was nun die Pelze anbetrifft, so versichern die Händler, 
vaß sie noch nie mit so viel Bestellungen und Anfragen über—⸗ 
zäuft worden sind, wie in diesem Jahre. Und die Natur, 
die mit dem putzsüchtigen weiblichen Geschlecht nicht meht 
Schritt halten kann, legt ihr Amt, neue Tiere mit wärmenden 
Fellen zu schaffen, vertrauensvoll in die geschickten Haãnde 
der Pariser Pelzhändler. Genau so, wie Federn gearbeitet 
werden, bei deren Anblich sich die Vögel, von denen sie stammen 
ollen, betroffen von allen Seiten besehen, um zu entdecken, 
velchem ihrer Körperteile dieser Schmuck entnommen sein soll, 
o werden Frauenkörper sich in Tierfelle von Füchsen, Biber, 
Zobel und Chinchilla hüllen, die zu Lebzeiten in nicht weit von 
dühnerställen entfernten Käfigen aufwuchsen. Ist der Besatz an 
em weißseidenen Abendmantel Marabout oder Kaninchen? Wer 
ermag das zu sagen! Die Hauptsache ist, daß er zu dem 
Hesicht, das er einschließt, pabt und ihm steht. Alles ist er— 
aubt, nur nicht häßlich und alt zu scheinen! 
Bei den Hüten herrscht der weiße Filz vor, der viel 
nit schwarzem Samt garniert wird, obwohl sich die Pa— 
iserinnen an schwarzem Samt bereits im Sommer etwas 
att gesehen haben. Etagenförmig werden die Formen, mit 
Belzwerk und Spiken umrandet. zum Himmel emporragen. Die 
Ropfbedeckungen, bie so tief in die Stirn getragen werden 
sollen, daß man bloß die allgemein angenommene Frisur der 
Ponys hervorlugen sieht, sind kleine Helme, deren Bischofs— 
»lau eigenartig von den gefärbten Haaren abstechen wird. 
Große Hüte haben das Zeitliche gesegnet, um wohl erst 
im nächsten Frühjahr aufzuerstehen. Infolgedessen ist auch der 
Umfang der Frisur zurückgegangen: an Stelle ver Locken, Tou— 
pets und Randeaux treten Zöpfe und Flechten. Zu Ende ist 
die Herrschaft der Bänder und Samte, die den Kopf umgaben, 
der vielen Kämme, Spangen, Broschen. Es bleiben nur schöne, 
breite Schildpattnadeln übrig. 
Auf Schuhwerk legt die Paciserin sehr viel Wert und 
die Mode der Fußbekleidung unterliegt der Abwechselung ebenso 
wie die übrige Mode. Im 18. Jahrhundert war es ein Vor— 
recht der Männer, besonders der Hofgeistlichen, an ihren 
Schuhen Schmuchstücke zu tragen. In Platina gefaßte Dia— 
manten und Perlen werden sich in diesem Winter al— kleine 
zlitzernde Kränze auf den Gefellschaftsschuhen der Weltdame 
breit machen, ferner goldene Mistelzweigchen mit Perlenbeeren, 
Blumen und Blättchen aus durchsichtigem. weißem, blauem 
oder rosa Email. 
Die Pariserin ist nun einmal ein Luxus⸗ und Modege⸗ 
chöpf, das mit seinem Körper einen wahren Schönheitskultus 
neibt. Szenen auf der Straße, die sie in ihrer graziösen 
Fitelkeit zeigen, bilden das Entzücken der Vorübergehenden. 
Schläft da ein junger Bursche, müde von dem Ziehen eines 
hdandwagens, auf dem ein hoher, breiter Spiegel steht, auf 
iner Bank in den Champs-Elysées ein. Ein Auto kommt 
esaust, in dem vier hübsche, von einem Ausflug heim— 
ehrende, zerzauste Pariserinnen sitzen. Den Spiegel erblicken 
ind aussteigen ist eins. Man stelit sich vor das hohe Glas, 
‚olt Kamm. Bürste, Puderbüchse und Lippenstift aus der 
kandtasche und nimmt, unbekümmeit um die Zuschauer, di 
Auffrischung seiner Toilette vor. Der inzwischen aufgewachte 
Lehiling macht galant die Honneurs seines — „Cabinet de 
Joilette“ im Freien, und die Tamen klefern nach vollbrachter 
Arbeit wieder in ihr Auto.... Pariser Chit! 
Madeleine.
	        
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