Tagesbericht.
Lübeck, 20. Sepkember.
galtestellen der Lübcer Straßenbahn in det Moielnger
Allee. Man schreibt uns: Hingewiesen werden muß auf eine
Unbequemnchkeit, die in der Benutzung der Linie Markt — Mois-
linger Allee besteht. Sie betrifft das Fehlen einer Haltestelle
zwischen Lindenplatz und Hansatheater. Fahrgäste, die nach der
Nebenhofftrahe uder in die Nähe derselben wollen, müssen bis
zum Hansatheater durchfahren, wenn sie es nicht vorziehen, schon
Im Lindenplatz den Wagen zu verlassen. Es gehört nun nicht
zu den Annehmlichkeiten, eine verhältnismähig lange Strede
zu Fuß zurüchlegen zu müssen, die man mit der Elektrischen be—
fahren könnte, wenn eine Haltestelle vorhanden wäre, und so
ist denn die Freude, nun endlich eine Elektrische in der Mois-—
linger Allee zu haben, zum Teil wieder getrübt. Umgekehrt
aber kann man beobachten, daß das Publikum aus der unteren
Moislinger Allee auf dem Wege zur Stadt nicht erst auf die
Elektrische auf dem Lindenplatz wartet, sondern gleich zur Stadt
durchgeht. Es ist nicht zu verkennen, daß die Tirektion der
Straßenbahn sich von dem Bestreben leiten läßtt, durch mög—
lichst wenige Haltestellen für chnellere Verbindung zu sorgen,
und das ist auch sehr gut; hier aber liegt nach Ansicht vieler
Interessenten die Notwendigkeit einer Haltestelle vor, und für
Ddiese baldmöglichst zu sorgen, dürfte nicht zuletzt im eigenen
Dnlereffe der Straßenbahn liegen.
xxa. Für vierzig Mark monatl'ch. Unter welchen Bedingun⸗
gen kaufmännische Angestellte mitunter arbeiten müssen, wurde
durch eine Verhandlung ror der ersten Strafkammer des Ber—
liner Kaufmannsgerichtes der Oeffentlichkeit mitgetilt. Ein
Kaufmann engagierte einen Reisenden auf Probe für einen
Monat. Als Entgelt sollte dem Ange'lellten eine Provision
gezahlt werden, und zwar wurde ein Mindeslumsatz festgelegt,
bei dessen Erreichung dem Angestellten ganze 785 Mezufallen
follten. Dieser Mindestumsatz stellte nun auch nicht etwa eine
billige Anforderung dar, sondern seine Höhe war, wie später
pon einem Arbeitgeberbeisitzer auf dem Kaufmannsgerichte
festgestellt wurde, so bemessen, daß ein durchaus eingearbeiteter
Reisender Mühe haben würde, ihn zu erreichen. Nachdem
ein Monat um war,z zeigte sich, daß der Reisende den festge—
setzten Mindestumsatz nicht erreicht und somit nach dem Vertrage
auch keinen Anspruch auf das Mindesteinkommen von 75 M
hatte. Der Arbeitgeber bot dem Angestellten nur ein Entgelt
von 40 Meufür diesen Monat, eine Summe, die wohl
Zaum ausreichen wird, um dem Reisenden auch nur die Spesen
und Abnutzung der Kleidung zu ersetzen. Gegen dieses Ver—
Halten des Arbeitgebers rief der Angestellte nun das Gericht
vn. Die erste Kammer des Berliner Kaufmannsgerichtes
sprach zwar dem Angestellten nicht das vereinbarte Mindestein—
kommen von 75 Muzu, da juristisch unzweifelhaft die datan ge—
tnüpfte Bedingung nicht erfüllt sei. Auch zu der Anschauung,
dah ein solcher Dienstvertrag auf Probe, in dem krin festes
Entgelt festgesetzt ist, den guten Sitten zuwiderläuft, konnte
sich das Kaufmannsgericht nicht völlig durchringen. Es ent
schied aber, dah ein Vertrag auf Probe nur in der Wiis:
abgeschlossen werden könne, daß in jedem Falle dem Angestell—
ten ein Mindesteinkommen zur Bestreitung sei es nötigen Le—
bensaufwandes verblebe. Nach Ansicht des Kaufmannsgerichtes
könne unter den Berliner Verhältnissen mit 60 Mumonatlich
der nötigste Lebensaufwand bestritten werden. Das Urteil
sprach daher dem Angestellten zu den erhaltenen 40 Munoch
20 Mizzu. „Der kaufmännische Angestellte“ bemerkte zeu diesem
Arteil: Es ist hier durch Gerichtsurteil ein Anrecht des Ange—
stellten auf ein Mindestgehalt anerkannt worden. Wenn auch
die Si öhe dieses Mindestgehalts, 60 Mumonatlich, zu wünschen
übrig läßt, so beweist dieses Urteil doch, daß das Bestreben,
Mindestgehälter zur Anerkennung zu bringen, in der Oeffent
lichkeit an Boden gewinnt.
o. Verhaftet wurde ein Arbeiter von hier, der seitens der
hiesigen Staatsanwaltschaft zwecks Verbüßung einer Gefäng—
nisstrafe von 6 Wochen gesucht wird. — Ein Arbeiter aus
Exter wurde wegen Uebertretung der Gewerbeordnung fest
genommen.
0.· Diebstähle. Von dem Flur eines Hauses der Breiten
Straße ist am Nachmittag des 17. d. M. eine eiserne Kurbel, zu
einer Markise gehörig, abhanden gekommen und vermutlich
gestohlen worden. Die Kurbel ist ca. 50 em lang und mit
einem Solzgriff versehen. — In der Zeit vom 16. bis 18.
d. M. sind aus einem in den Anlagen am Burgfeld stehenden
Arbeiterschuppen ein langer Oelroc mit Hornknöpfen und zwei
blaue Barchentjacken mit Hornknöpfen gestohlen worden. —
In der Nacht zum Sonntag, 17. d. M, ist einem Hufner in
Utecht ein Schaf aus dem Stall gestohlen worden
b. Die große Gartenbauausslellung in der Stadthalle wird
am morgigen Donnerstag um 11 Uhr vormittags in feier—
lichster Weise eröffnet werden. Bereits heute mittag konnte
man sich ein Bild von der ganzen Veranstaltung machen
Der Hauptsaal bildet ein Blütenmeer von einzigartiger Farben—
pracht. Dazu der herrliche Duft aus den Tausenden vor
Blüten. Am Eingang und im Sintergrunde des Saales ver
einigen sich die erlesensten Palmen, Nadelholzbäume, Kirsch
lorbeer usw. zu weiteren prachtvollen Gruppen. Im weißen
Saale war dagegen noch alles im Werden begriffen. Die
Bindereien, fast durchweg wahre Kunstwerke, vertragen nicht
so leicht einen langen Stand. Sie werden morgen um se
herrlicher sich zeigen, und da sie immer wieder durch neue
ersetzt werden, wird diese Abteilung auch an den folgenden
Ausstellungstagen manches Schöne bieten. Die Obst- und
Gemũseausstellungsgruppen bringen ebenfalls das Beste, das in
unserer Gegend von kundiger Hand gezüchtet werden kann.
Der Garten der Stadthalle ist gar nicht wieder zu erkennen.
Dort ist ein Treibhaus gebaut worden, und sozusagen jeder
Winkel ist mit Baumschulerzeugnissen geschmückt worden.
Zweifellos wird die Ausstellung das Interesse der weitesten
Kreise Lühedcks finden.
Großherzogtum Oldenburg, Fürstentum Lubeck.
K. Ahrensbök, 20. Sept. Eine dringende
Gemeinderatssitzung wurde am Dienstag abgehalten.
Es handelte sich um die Anlage eines zweiten Tiefbrunnens.
Für diesen Tiefbrunnen soll ein sogenanntes Mammutpumpwerk
angelegt werden. Nach dem Ergebnis der bakteriologischen
Untersuchung des Wassers ist dieses einwandsfrei. — Ein
Missionsfest wurde am Dienstag in Sarau gefeiert.
Die Festpredigt hielt Missionsi ipektor Lucht, Husum. Weitere
Reden wurden gehalten von Pastor Zinzow, Eutin, und Pastor
Schröder, Rendsburg. Trotz des ungemütlichen Wetters war
der Besuch sehr aut. — Schulpersonalien. Die Stelle
eines Lehrers an der einklassigen Schule zu Wilmsdorf, deren
önhaber GBähnke) zum 1. Okt. in den Ruhestand fritt, ist
»on der Regierung dem Lehrer Schröder, zurzeit in Ricklingen,
bertragen. — Söppner, Hauptlehrer der zweiklassigen Schule
in Klein-Timmendorf, ist zum 1. Okt. an Stelle des in den
Ruhestand versetzten Elementarlehrers am Gymnasium in Eutin,
Schaap, zum Elementarlehrer dortselbst ernannt. — Lehret
Westphal, Stockelsdorf, ist zum Lehrer an der einklassigen
Schule in Gieselrade ernannt.
Sportnachrichten.
(mitgeteilt vom Sportbureau Joh. Ganzel,
Hamburg J. F.: IV. 3790/3791.)
Remnen zu Saint-Quen, 19. Sept. Prix Sukaras.
Prince de St. Taurin (A. Chapman) 1. Causerie 2.
L'Argentiere II 3. Tot.: 21: 10, Platz: 13, 18: 10.
Internationales Schachturnier. Karlsbad, 20. Sept
Stand des Turniers nach der 23. Runde: Teichmann 161.,
Rotlevi 14252 (1), Schlechter, Rubinstein 14126; Niemzowitsch
131/3, Marshall 13, Alechin, Vidmar 12, Tartacower 1II (I),
deonhardt 119/., Duras 11 (1), Spielmann 11 (1), Süchting 11,
Fohn, Perlis J0/, Chotimirsti 10, Burn 914 (1), Loewenfisch 9
1), Salve 9, Rabinowitch, Kostic, Johner 824, Fahrni 8 (2),
Jassò 74 (1), Chaies, Alapin 714. Heute werden die Hänmgee—
vpartien erledigt.
Luftfahrt.
Neuer Eindeder. Der Flieger Latham tritt jetzt mit einer
neuen Flugmaschine in die Oeffentlichkcit, die bedeutsame Neue—
rungen aufweist und zugleich in ihren Dimensionen alle bisher
bekannten Flugzeuge in den Schatten stellt. Lathams neuer
Eindecker, der von der Antoinette-Gesellschaft gebaut ist, ver
meidet in der Konstrultion alle Notwendigkeiten, Drahtseil
takelage zu benutzen, Katastrophen durch Reißen von Drahtseilen.
ind alle ausgeschlossen. An Stelle des bisherigen Unterze
tells aus Rädern treten zwei parallel laufende Metallunter
»auten, die in sich zehn Räder tragen. Die Flügelbreite des
neuen Flugzeuges mißt 15,90 m, die Flugflächen sind 56 am
zroß. die Länge der Maschine mit Steuer beträgt 11,50 m.
Das Gewicht der leeren Maschine ist 8800 und bei voller Aus—
rüstung im Fluge 1250 kg.
Paris, 20. Sept. Das Miletärluftschiff ist nach
2124stündiger Fahrt von der französischen Ostgrenze nach Issy—
es-Moulinedux zurückgekehrt. Die Fahrt führte über Verdun
ind Toul nach Epinal und Belfort, wo über den Forts Re—
kognoszierungen vorgenommen wurden. Das Luftschiff hat bei
3300 Kubikmetern Inhalt eine Länge von 94 Metern; die
Sondel ist 48 Meter lang. Zwel Motoren, deren jeder dreẽ
Schrauben antreibt, erzeugen je 120 Pferdekräfte.
Duas Luftscheff „Schwahen“. Das Luftschiff „Schwaben“
internahm Dienstag, wie aus Düsseldorf gemeldet wird, eine
zweshündige Fahrt. Es suhr in die Gesend von Krefeld, Glad
— VV—
jatt in die Halle gebracht. In der Gondel befanden sich acht
Lersonen. Es waren Passag'ere aus Wien, Antwerpen und
buenos Aires. In den nächsten Tagen sollen noch ein?ge
Fahrten unternommen werden. Am Freitag dieser Woche
ährt das Luftichiff nach Baden-Baden zurück, kommt aber
Ende Oktober wieder. Von Baden Baden sollen Fahrten mit
Zwischenlandungen in Franksurt unternommen werden.
—
Vermischtes.
Eine Syur der Mona Lisa. Der Matin berichtet, vah
er Untersuchungsrichter eine neue Spur gefunden hat, die
»u den Dieben der Mona Lisa führen soll. Er habe einen
Mann vernommen, der im Gefängnis von Fresnes eine Strafe
vegen des Diebstahls von Altertümern abbüßt, und dieser habe
ihm die Existenz einer internationalen Bande enthüllt, die
ich ausschließlich mit dem Raub und dem Vertrieb von Kunst—
verken beschäftigt. Die Gesellschaft habe Agenten in ganz
Suropa, besonders in Deutschland, und für ihre Beute zu
eder Zeit sichere Abnehmer in Amerika.
Wüiste Ausschreitungen bei einem Volksfest. In Corney-
Island fand Freitag, wie aus Newyork gemeldet wird, ein
zroßes Karnevaltreiben statt, an dem ca. 50 000 Menschen
leilnahmen. Die Ausgelassenheit der Menge artete schließlich
in Tätlichkeiten aus. Als nun der Mob sich das Vergnügen
nachte, dem Publikum Pfeffer in die Augen zu werfen, kam
es zu einer Panik. Bei dem Gedränge wurden zahllose
Frauen und Kinder verletzt. Die Taschendiebe machten sich die
Helegenheit zunutze und scheuten sich nicht, ohnmächtigen Frauen
und Kindern ihre Habseligkeiten zu entreißgen. Die Polize
mußkte »inschreiten und nahm 150 Nerhoftungen por
Neueste Nachrichten und Telegramme.
Zum Attentat auf Stolypin.
Ein kaserlches Reskript.
W. Klew, 20. Sept. Der Kaiser richtete an den General
jouverneur von Kiew, den Generaladjutanten Trepow ein Re
kript, in dem es heißt: Der uns während unseres Aufent
haltes in der a'ten Residenz“adt Kiew sonir in den anderen vor
ins aufgesuchten Ortschaften des Sudwestgebietes zuteil gewor⸗
dene herzliche Empfang seitens sämtlichr Schichten der Ge
ellschaft rührt mich und die Kaiserin tief. Unsere freudige
ind helle Stimmung wurde verdüstert durch das in meiner
Hegenwart verübte Attentat auf meinen treuen Diener und
nutigen Erfüller seiner Pflicht. dem Ministerpräsidenten Sto
ypin. Die uns von allen Seiten zugehenden Aeußerungen
ind d'e aufrichtige Entrüstung über das verübte Verbrechen
iberzeugen uns jedoch, dan die gesamte wohldenkende Be—
zölkerung Kiews sowie der anderen von uns aufgesuchten Ort
chaften, die von dem Wunsche beseelt ist, ihren Monarchen
eierlich zu begrüßen, die Gefühle des kummervollen Unwillens
nit uns teilt. Die uns ausgesprochene Liebe zum Vaterlande
uind dem Throne überzeugt mich davon, dah alle Schichten der
Bevölkerung meinen Hinweisungen gemäß ihre Kräfte und
Kenntnisse dem Nutzen ihres Geb'setes und unseres teuren
Vaterlandes Rußland widmen werden. Ich beauftrage Sie,
der gesamten Bevölkerung des Südwestgebietes und K'ews
neinen und der Kaiserin aufrichtigen Dank sür den uns er—
wiesenen warmen Empfang zu verkünden.
Die Ueberführung der Leiche.
W. Kiew, 20. Sept. Die Le'che Stolypins wird gemäß
seinem Wunsche am Mittwoch nach dem Klewer Petscher-kloster
überfübrt. Die Beerdiaung findet am Freitag um 10 Uß—
morgens im Klosterkirchhofe statt, wo sich bisher nun das
Grab der beiden bei Mazeppa hingerichteten Patrioten Ket.
schubei und Iskra befindet. Die Beisetzung auf di sem Fried⸗
hofe geschieht auf allerhöchsten Befehl.
Die Wirkungen des Attentats.
W. Petersburg, 20. Sept. Zahlreich eintreffende Mel—
dungen beweisen, daß das tragische Ende Stolypins überall
eine erschütternde Wirkung hervorgerufen hat. In vielen
Theatern wurden die Vorstellungen abgesagt und überalt in
den überfüllten Kirchen Bittgottesdienste zelebriert. Nach
Kiew reisen zahlreiche Deputationen, um Kränze am Sarge
des Verschiedenen niederzulegen. Die Witwe des Ermordeten
erhält fortdauernd Beileidsdepeschen, die die Entrüstung über
das Verbrechen ausdrücken. Eine allrussische Versammlung
beschloß, im ganzen Reiche eine Sammlung für ein Stolypin⸗
Denkmal zu eröffnen. In Moskau erließ der Oktobristenver—
band einen Aufruf, der alle Mämnner der Ordnung und Frei—
heit auffordert, sich zu vereinigen, um Rußland vor dem
Verderben zu retten, welches die politischen Parteien der
Linken ihm bereiteten. In Kiew ließ der Kaiser am Sarge
des Verschiedenen ein Kreuz aus weißen Blumen niederlegen.
Der Witwe gingen von der Kaiserin, der Kaiserin-Witwe,
den Großfürsten und Großfürstinnen Beileidsdepeschen zu.
Vorbeugungsmaßregeln gegen Ruhestörungen.
W. Kiew, 20. Sept. Der Generalgouverneur gibt be—
kannt, daß Maßregeln zur Vorbeugung von Ruhestörungen
getroffen seien. Jegliche Gewalttaten oder Ruhestörungen
werden auf das allerenergischste unterdrückt.
W. London, 20. Sept. Das Ministerium des Innern erKeh
an die höheren Polizeibeamten eine Verfügung mit dem
genauen Plan zur Einschreibung von Personen, die willens
sind, im Falle der Not als Spezialpolizeibeamte zu dienen.
Dadurch sollen die bei. der Polizei angestellten Reservisten
instand gesetzt werden, in Kriegszeiten zur Fahne einberufen
zu werden. Dem Publikum soll dadurch das Vertrauen ge—
geben werden, daß ohne Anrufen militärischer Unterstützung
Leben und Eigentum geschützt werden können, wenn Unruhen
entstehen.
Die Berliner Lusbarke tssteuet abgelehnt.
W. Berln, 20. Sept. Der Stadtvertordnetenausschuß von
Berlin lehnte die an ihn verwiesene Lustbarkeitssteuer mit
7 gegen 5 Stimmen ab.
D'e Verlener Mag'srate und die Linderuug der Teuerung.
W. Verhin, 20. Sept. Der WMiagistrat von Wilmersdorf be—
schloß. den Magistrat von Berlin zu bitten, die Gemeinden
Groß Berlins schnellstens zu einer Konferenz einzuladen, um
über die Maßnahmen gemeinsam zu beraten, welche zur Lin—
derung der Lebensmittelteuerung zu ergreifen sind.
Zur Wiederaufnahme des Eulenburgprozisses.
W. Berhin, 20. Sept. Der Voss. Z3tg. wird von wohl—⸗
informierter, dem Eulenburgprozeh nahestehender Seite mit—
Jeteilt, Culenburg sei eit drei Tagen bettlägerig. In seinem
Gesundheitszustand sei seit der letzten ärztlichen Untersuchung
keine Aenderung eingetreten. Er sei nach wie vor verhand—
hungsunfähig. Von der Anberaumung eines Ter—
mins köänne keine Rede sein.
Rückgang der spanischen Unruhen.
W. Madrid, 20. Sept. Canalejas erklärte gestern einigen
Berichterstattern, daß die Lage im allgemeinen gebessert sei,
obwohl die Gegend von Valencia noch immer von einer zwei—
»der dreitausend Mann starken Menge beunruhigt werde, die
ich bemühe, die öffentliche Ordnung zu stören. Viele Unruhe—
ttister seien jedoch ohne Waffen. Alcira sei in der Gewalt
der Truppen, Carcagente werde abends von Soldaten einge—
nommen. Barcelona, Saragossa und Valencia sind ruhig. Die
Vorsitzenden mehrerer Arbeiterdereinigungen nahmen beim
Seneralkapitän gegen die anarchistischen Umtriebe Stellung.
Sie erklärten, ihre Mitglieder seien bereit, die Arbeit wieder
aufzunehmen. In Bilbao verkehren die Straßenbahnen und
nnstige Fuhrwerke wieder zahlreicher. Der Eisenbahnverkehr
vollzieht sich ordnungsgemäß. Fortgesetzt werden zahlreiche
Verhaftungen vorgenommen. Gegeneine Schar von etwa
300 Ausständigen, die sich der Verhaftung eines ihrer Führer
widersetzen wollte, mußkte die Polizei die Schukmaffen er—
areifen.
Beschlagnehmung einer deutschen Zeitung in Pet rsburg.
W. Vetersburg, 20. Sept. Die heutige Nummer der
deutschen Zeitung „Petersburger Herold“ wurde wegen eines
Leitartikels über Stolypin beschlagnahmt. Der Redakteur soll
zur Verantwortung gezogen werden.
Zum Eisenbahnerstreil in England.
W. Dublin, 20. Sept. Der Vollzugsausschuß der ver—
einigten Eisenbahnverbände Grofßbritanniens beschloß in einer
gestern abend abgehaltenen Versammlung die Annahme von
Gütern solcher Firmen zu verweigern, deren Angestellte aus—
ständig sind. Wenn die Gesellschaften die Entlassungen oder
Bestrafungen in irgend einer Form nicht einstellen, und sollten
die Gesellschaften nicht alle Leute wieder einstellen, ohne sie
zu bestrafen. würde der Ausschuß allen Arbeitsverweigerung
empfehlen
FIOôOoOGwm nmuonn—nnſtrÊ'ysn'lajûctsi
W. Breslan, 20. Sept. Regierungspräsident v. Baumbach
ist der Volkszeitung zufolge gestern abend nach kurzer, schwerer
Krankheit gestorben.
W. Partis, 20. Sept. Dem Figaro wird aus dem Kriegs—
yafen Brest gemeldet: Die Revolutionäre machten, um den
cechtzeitigen Stapellauf des Panzers „Jean Bart“ zu ver—
hindern, den elektrischen Hebekran für Panzerplatten absicht—
lich unbrauchbar, indem sie Bolzen in das Zahngetriebe ein—
fübrten und mehrere Zähne des Rades ausbrachen.
W. Mailand, 20. Sept. Der Voss. Ztg. zufolge wurde
die Gegend von Asti von einem Wirbelsturm he i m⸗
gesucht, der die berühmten Astispumante-Weinberge verwüstete
Ter Schaden wird auf eine Million Lire geschätzt.
W. Petersburg, 20. Sept. Heute früh begann das
internationale Automobilrennen Petersburg-Sebastopol, an dem
mehr als 60 Automobile beinahe aus allen Staaten Europas
und Nordamerikas teilnehmen.
W. Warsichau, 19. Sept. Wegen Ermordung seines Neffens
wurde der Angeklagte Graf Roniker zu fünf Jahren
Zuchthaus verurteilt. Die Mitangeklagten Zavälsky und
Seminsky wurden freigesprochen.