Full text: Lübeckische Anzeigen 1911 (1911)

isieren, lsondern erst das einheitliche Ganze im Unterrichts⸗ 
fjesetz abwarten. 
Senator Kulenkamp?: Werstehen könne er nicht, daß 
jach Fertigstellung des Beamtenbesoldungsetats gesagt werde, 
etzt sollen keine neuen Stellen mehr bewilligt werden. Die 
Ablehnung einer Vorlage dürfe nur aus sachlichen Gründen 
erfolgen. Er teile nicht die Ansicht, dah bis zur Revision des 
Anterrichtsgesetzes gewartet werden könne. 
B.M. Dr. von Brocken: Er werde gegen die Vorlage 
stimmen und es würde ihm leid tun, wenn daraus ein Mangel 
an Vertrauen zu der Oberschulbehörde gefolgert werde. Das 
Gegenteil sei der Fall. Es empfehle sich, das nächste Budget 
ꝓbzuwarten, bevor neue Stellen geschaffen würden. So wie 
die Verhältnisse lägen, würde jeder zugeben müssen, daß ganz 
starke Gründe gegen neue Stelen sprächen. Man täte ent— 
schieden gut, die Ergebnisse der neuen Steuern abzuwarten. 
Damit wolle er nicht sagen, daß er schlechte Ergebnisse er— 
warte, im Gegenteil sei er der Meinung, Lübed gehe besseren 
Zeiten entgegen. Der Staat stehe vor großen Aufgaben, die 
ihn finanziell sehr belasten. Es müsse einmal alles zurückstehen, 
bis das neue Budget fertiggestellt sei. Auch diesem Grunde 
bitte er auch die Kommissionsberatung: abzulehnen. 
Senator Dr. Fehling: Den vorgetragenen Standpunkt 
halte er für vollkommen verkehrt. Es müsse unterschieden 
verden zwischen großen gewaltigen und unter Umständen sich 
aicht rentierenden Ausgaben und der Schaffung einer Stelle, 
die im Interesse eines bestimmten Kreises nötig scheine. 
Dieses müsse immer für die Beurteilung maßgebend und ent— 
scheidend sein. Darüber könne n'cht hinweggegangen werden 
nit der allgemeinen Behauptung, d'e Finanzlage des Staates 
sei eine schwierige. Auch das Finanzdepartement habe ge⸗ 
vrüst und keine Bedenken gehabt. 
B.⸗«M. Dr. v. Brodcken: Es solle nichts stagntert werden, 
Wer eine Pause könnte nach seinem Dafürhalten veranwortet 
werden. 
BeM. von Scha vermag keine Vortelle aus der An⸗ 
ttellung eines Schulinspektors zu erkennen, der nur alle zwei 
Jahre eine Schatle inspiziere. Auch fananzielle Bedenken be— 
tänden gegen die Vorlage und er bitte um Ablehnung der 
Vorlage und des Antrages auf Kommissionsbératung. 
Die Bürgerschaft lehnt darauf sowohl den 
üntrag auf Kommissionsberatuns; als auch— 
ie Senatsvorlage mit Mehrheit ab 
eues Moment in die Beratung hinein. Herr Coleman vergesse, 
aß die Gewerbesteuer erst bei einem Einkommen von 
000 Meäeintrete. Aber wo erreiche ein Beamter ein Nebenein⸗ 
ommen von 3000 Mꝰ Die übrigen Nebeneinnahmen würden 
urch die Einkommensteuer gefaßt. .* 
B.M. Coleman: Sein Vorredner habe seine Ankräge 
alsch aufgefaßt. Er habe nicht angeregt, diese Personen der 
zewerbesteuer zu unterwerfen, sondern ein Spezialgesetz zu 
haffen. 
Senator Dr. Vermehren: Die Steuerbehörde habe sich, 
bgesehen von grundsätzlichen Bedenken, sagen müssen, daß die 
inanziellen Vorteile nicht genügend seien, um ein neues Spe— 
ialgesetz zu rechtfertigen. 
B.eM. Dr. Schlomer: Die bisherigen Ausführungen 
sätten gezeigt, daß das Gewerbesteuergesetz nicht alles erfassen 
önnte und es sei daher der Zeitpunkt gekommen, dieses Gesetz 
dieder aufzuheben, und ein allgemeines Einkommensteuergesetz 
u beschließen. 
9. 
Antrag von Dr. Schlomer : 
Die Bürgerschaft ersucht den Senat, ihr einen Gesetzent⸗ 
vurf entgegenzubringen, durch den für die Wahlen zur Bürger- 
chaft das allgemeine, gleiche, geheime und direkte Wahlrecht 
üv alle lübedischen Staatsangehörigen ohne Unterschied des 
sbeschlechts vom vollendeten zwanziasten Lebensjahre an einge- 
ũhrt wird. 
B.«M. Dr. Schlo mer: Vor drei Jahren sei zuletzt dieser 
Intrag von ihm gestellt worden, und er werde immer wieder 
iese Forderung der Bürgerschaft unter die Nase reiben. Bei 
jer Beratung des jetzt geltenden Wallgesetzes sei u. a. gesagt 
jorden, wie sehr trotz des beschränkten Wahlrechts für die In— 
eressen der Minderbemittelten gesorgt werde, ersehe man aus 
er Tatsache, daß noch die Freischulen beständen. Aber das 
uste neue Gesetz sei schon die Aufhebung der Freischulen gewesen. 
lber die Bürgerschaft könnte auch nicht hre eigene Würde 
bahren auf Grund eines solchen Wablgesetzes, das habe sie 
adurch bewiesen, daß sie vor jedem energischen Schritt des 
enats zuruckweiche. (Lebhafter Widerspruch.) Das jetzige Wahl- 
echt sei deshalb nicht allgemein, weil es die Frauen von der 
sReitarbeit ausschliehe, obgleich diese immer mehr eindringen in 
slle Gebiete des Lebens eine wirtschaftliche Selbständigkeit er— 
angten. In den Berufen der Arbeiter sowohl wie in den 
dohnverhältnissen erreiche man schon beim 20. Lebensiahre fast 
as Endziel, das kaum überstiegen werde. Bei Begründung 
es jetzigen Wahlgesetzes sei immer betont, die Grundlage zum 
Vahnecht mühßte die wirtschaftliche Selbständigkeit bilden. Die 
rbeiter erlangten diese Selbständigkeit bereits mit dem 20. 
ebensjahre. Die Bürgerschaft abe jetzt die Verpflichtung, 
iesen Personen das Wahlrecht zu vewilligen und durfe nicht 
o lange warten, bis die Empörung der Lübecker Arbeiterschaft 
en Siedepunkt erreicht hätte. (Bravo! bei den Sozialdemo- 
caten.) n 
B.“M. Klein: Schon am Sonnabend habe man im 
ßZolksboten diese Rede lesen können. Nur unterschied sie sich in 
en Tonarten. Die erste Auflage, die für das Volk bestimmt 
eldgier des Bürgertums, Vearchtung und Hak der bürgerljichen 
ewesen sei, enthalte Ausdrücde wie: der herrschende Klüngel, 
klassen ac. Herr Dr. Schlomer habe hier in der Bürgerschaft 
a etwas verbindlicherer Form gesprochen. Was in dem Artikel 
m Volksboten alles gesagt sei, sei nicht mehr zu verantworten. 
Bitte Namen dafür zu nennen, dan in der Bürgerschaft die 
inträge der Sozialdemokraten mit Sohn und Spott empfangen 
ien. Die Aeußenumngen im Volksboten seien so amglaublich, 
aß darauf gar nicht weiter eingegangen werden könne, und ebenso 
nglaublich sei der Sa daß die Bürgerschaft heute schon ar— 
eitsunfähig sei. Artikel dieser Art dönnten nur ganz niedrigen 
Hiotiven entspringen und sie würfen auf das Innenleben des 
zerfassers ganz bedenkliche Schatten. Und wenn der Volks— 
ote Jage, die Bürgerschaft sei krank bis an die Wurzel und 
oͤnne nur gesunden durch Annahme des Antrages De. Schlomer, 
o seien das alles nur Schlagwörter, welche zur Betörung der 
Nassen dienten. — Wie solle ein 20jähriges Mädchen, das 
ielleicht noch von auswärts lomme, schon nach kurzem Auf- 
alt beurteilen können, wo es not tue im Staate Lübech (GHeiter- 
eit.) Er sei der Ueberzeugung, dah der heutige Antrag, ebenso 
ꝛie die vor Jahren gestellten, von der Bürgerschaft abgelehnt 
erde. Wenn bedacht werde, daß die Sozialdemokratie feit 
wei Jahren mit heißem Bemühen bestrebt sei, die Burgerschaft 
nit einem neuen Entwurf der Verfassung zu beglücken, und wenn 
ieser Antrag als das Ergebnis dieser heißen Arbeit angesehen 
erden Jolle, so müsse freilich das Ergebnis als ein recht klägliches 
ezeichnet werden. Der vorliegende Antrag sei nichts weiter als 
in Stüd aus dem sozialdemokratischen Parteiprogramm. Er 
ꝛi futz vor den Reichstagswahlen hervorgeholt, um seine alte 
igitationskraft zu erproben. Der Antrag sei nichts weiter als 
me Demonstration. Herr Dr. Schlomer wisse ganz gut, daß 
Ränner erst nach Uem vollendeten 21. Lebensjahre zur Heirai 
chig seien; d er Antragsteller habe nun anscheinend die Auffassung, 
aß zum Wählen weniger Verständnis gehöre als zum Hei— 
aten. Dah die Sozialdemokraten Anregungen in der Bürger— 
chaft gegeben hätten, sei ihre Pflicht und Schuldigkeit gewesen. 
Veshalb werde das hier extra hervorgehoben? Auch von der 
inderen Seite seien nicht minder Anträge und Anregungen ge— 
ymmen. In einem Artiklel des Volksboten sei anknüpfend an 
inen Bericht gesagat, dah Soldaten, die in bezug auf Intelli— 
enz und Verantwortlichkeitsgefühl nicht den bescheidensten An— 
rüchen genügten, auf Wachposten die Waffen in die Hand 
edrücht würde, mit der fie, ohne lange zu überlegen, das größte 
Inheil anrichteten. Jetzt werde mit einem Male wieder be— 
auptet, dah junge Leute von diesem Alter wie die Soldaten 
olle politische Erkenntnis hätten. Die Sozialdemokratie sei für 
ein Ausnahmegesetz, hier aber wolle sie beschränkt Geschäfts- 
ähigen das Wahlrecht verleihen. Es sei eine alte Weisheit, 
besprechung des Senatsdekretes vom 15. JZukf 
y. J.e betr. besondere Besteuerung der Erträge 
rus nebengewerblicher Tätigkeit von Personen, 
deren Jabreseinkommen 3000 Munbersteigt. 
B.⸗M. Heinsohn: Nur mit Erlaubnis des Senats könne 
den Beamten die Erlaubnis zur Nebenbeschäftigung erteilt wer— 
den. Es gehe der Wunsch der Gewerbertreibenden im allge⸗ 
meinen dahin, daß den Beamten der Nebenerwerb untersagt 
werde. Die Beamten seien durch die neuen Gehälter so gestellt, 
)daß sie auf die Nebenbeschäftigung verzichten könnten und die 
wewerbetreibenden hätten es auf sich genommen, den Ausgleich 
in den Ausgaben durch die Gewerbesteuer zu tragen. Sein 
Wunsch gehe dahin, daß von der Erteilung der erwähnten Er— 
aubnis möglichst wenig Gebrauch gemacht werde. —4 
Senator Dr. Vermehren: Die Ausführungen des Vora— 
edners deckten sich nicht mit dem früheren Antrage zu dieser 
Frage aus der Bürgerschaft. Herr Heinsohn wünsche also eine 
Abänderung des Beamtengesetzes. Im Beamtengesetz sei gesagt, 
daß ein Beamter eine Nebenbeschäftigung oder ein Gewerbeé 
aur mit Genehmigung des Senats ausüben dürfe. Eine solche 
Genehmigung sei bisher niemals erteilt. Außerdem sei jede Be— 
hörde in der Lage, die Ausübung einer Nebenbeschäftigung zu 
hindern, sobald die Hauptbeschäftigung des Beamten darunter 
— 
BeM. Coleman: Die Baltung des Senats, daß er die 
Besteuerung der Nebenbezüge wegen der Geringfügigkeit ablehne, 
bedauere er. Wenn Untersuchungen durch die Steuerbehörde an—⸗ 
gestellt worden seien, hätten sie auch der Bürgerschaft im Er—⸗ 
jebnis mitgeteilt werden können. Er gäbe manchen Rentner in 
dübed, der als Agent Nebenerwerb hätte und zur Steuer her⸗ 
mgezogen werden könnte. Auch gäbe es sehr viele Lehrer, 
die Pensionen betrieben, die Privatstunden gäben oder sich schrift- 
tellerisch betätigten, alle diese Nebenbezüge könnten zur Steuer 
herangezogen werden. Das Senatsdekret befriedige ihn in 
leiner Weise und er bitte, der Sache noch einmal nachzugehen. 
⸗»Senator Dr. Vermehren: Der Senat habe noch nie— 
nals seine Genehmigung erteilt, daß ein Beamter eine Neben⸗ 
beschäftigung mit fortlaufender Remuneration oder ein Ge— 
werbe betreibe. Nebenbeschäftigung hätten natürlich die Be— 
amten, das sei aber durchaus im Rahmen des Gesetzes. Der Se— 
nat habe auch grundsätzliche Bedenken gegen die Einführung 
dieser neuen Steuer, sie würde zu einer Spezialeinkommensteuer 
führen. Ein Einkommen, das auf Arbeit beruhe, speziell noch 
einmal zu besteuern neben der allgemeinen Steuer, das sei sehr 
»edenklich und eine solche Steuer gebe es in keiner Stadt. 
kine drückende Steuer dürfe es auch nicht werden und das Er⸗ 
jebnis aus einer solchen Steuer würde also nur ein geringes 
ein. Redner bittet, sich bei dem Bescheide des Senates zu be— 
cuhigen. J 
B.“M. Heinsohn: Es sei notwendig, dah den Beamten 
vie nebenamtliche Tätigkeit als Gewerbetreibende verboten würde. 
die Beamten könnten billiger arbeiten, weil sie ihre Beamten⸗ 
telle als Rückgrat hätten. J 
Senator Dr. Fehling weist darauf hin, daß hiermit eine 
Jenderung des Beamtengesetzes angestrebt werde. Ein Antrag, 
in Gewerbe als Nebenbeschäftigung zu betreiben, sei bisher noch 
nie an den Senat gestellt. 3 
B. M. Mühsam: Die Antwort des Dekretes beziehe sich 
mur auf den Antrag Coleman. Herr Heinsohn werfe ein ganz 
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Jab das, was einmal unlogisch und verkehrt Jei, auch nicht durch 
ortwãhrende Wiederholungen vogisch und richtig werde. Ei 
jabe deshalb keine Veranlassung, seinen Standpunkt vom Jahre 
906 zu ãndern. Er erkläre: weil der Antrag beschränkt Geschäfts 
ãhigen Rechte geben wolle, die ihnen nicht zuständen, lehne er 
hn ab. Und wer solche Anträge stelle und in seinem Leib— 
und Magenorgan selbst die Leute, für die er das höchste öffent 
iche Recht fordere, als zu jung und unerfahren hinstelle, der 
öonne und dürfe nichts anderes als eine Ablehnung seines An⸗ 
rages erwarten. (Bravo!)“) 
B.M. Stellins: Herr Klein habe sich gemähigt ge— 
sehen, auf einen Artikel im Volksboten einzugehen. Er 
wolle auf diesen Artikel weniger eingehen (Aha!), und zwar 
deshalb nicht, weil er nicht zur Debatte stehe (Zuruf Klein: 
stennen Sie Namen!) Das, was der Artikel enthalte, treffe 
Vort für Wort zu, und es sei betrüblich, dah das Begriffs— 
ermögen einzelner Herren schon soweit gelitten habe, daß sie 
nicht wüßten, daß im Artikel Tatsachen und Wahrheiten be— 
jauptet seien. 
Wortführer Konsul Dimpker: Er nähme an, daß diese 
letzte Aeußerung lich nicht auf ein Mitglied der Bürgerschaft 
be õge. 
—— Stelling ortfahrend)!: Als unser Antrag auf 
kinführung der Arbeitslosenversicherung hier eingebracht wor⸗ 
den sei. wurde er in zynischer Weise bekämpft und belächelt. 
Lebhafter Widerspruch! Zuruf Dr. Görtz: Nennen Sie 
samen!) Er bedaure, dah so wenig Gerechtigkeitsgefühl in 
»er Bürgerschaft herrsche. Es werde immer wieder an das Ge— 
vissen der Bürgerschaft appelliert und dieses allgemeine und 
gleiche Wahlrecht gefordert werden, und wenn garnicht anders, 
so werde die Sozialdemokratie sich stützen auf die große Mase 
des werktätigen Volkes. 
B.M. Klein: Herr Stelling habe wohl daran getan, auf 
eine (Redners) Ausführungen über den Artikel des Voitsboten 
nicht einzugehen, denn er habe den Gegenbeweis unweigerlich 
chuldig bleiben müssen. Zu den Ausführungen des Herrn 
Stelling müsse er bemerken, daß der sozialdemokratische An— 
rag, betreffend die Arbeits!'osenversicherung krineswegs nur 
dohn und Spott in der Bürgerschaft gefunden habe, viel— 
nehr seien sehr ernste Anregungen dazu gegeben worden. Herr 
Schiemann, Dr. Wittern und er edner), vielleicht auch 
Zherr Thiele, hätten zu dem Antrage gesprochen. Herr Schie— 
nann, der mit großem Ernste die Sache bebandelt habe, sei 
u dem Ergebnis gekommen, daß die Materie von großer 
Tragweite sei, daß man fie daher eingehend prüfen mü'se und 
licht im Rahmen einer Etatsdebatte erledigen könne und die 
Bersicherungs auch wohl von reichswegen eingeführt werden 
mnüfsse. Herr Stelling habe dann selbst dazu bemerkt, dah 
man darüber streiten könne, ob die Arbeit s⸗ 
losenversicherung am Platze sei oder nicht. Nicht 
ganz mit Unrecht hat Herr Schiemann gesagt, dak diese Ver— 
icherung Sache des Reiches sei. Hirraus ergebe sich doch klar 
ind deutlich, daß die Bürgerschaft keineswegs mit Hohn und 
3pott die Arbeitslosenverficherung abgelehnt habe. Wenn 
herr Stelling nun diese Tatsachen ins Gegenteil zu verdrehen 
uche, so werde er damit bei allen denkenden Leuten doch 
ein Glück haben. Im großen und ganzen seien seine (Redners) 
Ausführungen, nach keiner Richtung hin von den Sozialdemo— 
raten widerlegt worden. In einem Punkte habe Herr Stelling 
auch den Artilel des Volkshoten etwas zu beschönigen ver⸗ 
ucht. Während es in diesem heihe, die Bürgerschaft sei 
nicht arbeitsfähig, habe er vorhin nur gelagt, sie fei man ch⸗ 
nal nicht arbeitsfähig. Aber auch damit könne se sich nicht 
erausreden. Die Sozialdemokraten hätten somit die Schlacht 
nuch nach außen hin vollständig verloren. * 
B.M. Dr. Schlomer: bemängelt im Schlußworte, daß 
berr Klein zu seinem (Redners) Antrag gesprochen habe, alle 
anderen Bürgerschaftsmitglieder aber der Sache nicht eines 
Wortes gewürdigt hätten. 
In der nun folgenden Abstimmung wurde der Antrag 
Dr. Schlomer mit allen gegen die Stimmen der 
Sozialdemokraten abgelehnt. 
Schluh der Sitzung 10 Uhr 15 Minuten. 
Oermischtes. 
Die „schreckhafie“ Grete. Das Wiesenthalplakat 
zerboten. Grete Wiesenthal wird dieser Tago in dem 
Theater in der Königgrätzer Strahe zu Berlin kamen, und zu 
den Vorbereitungen gehört auch, daß das künstlerische Ereignis 
vorher durch Plakate angezeigt wird. Der Maler Erwin Lang, 
der Gatte der Frau Wiesenthal, hat diese Affiche gezeichnet, 
ind man sieht sie an allen Litfaßsäulen Berlins. Nur in 
en Bahnhöfen sieht man sie nicht, und auch nicht in den 
Stationen der Hoch- u nd Untergrundbahn, die in gewissen 
Ddingen der Aufsicht der Eisenbahndirektion Berlin 
intersteht. Im Kreise dieser Behörde hat man das Plakat 
ils z3zu schrecdhaft“ empfunden und es in zarter Rück— 
icht auf die Nerven des fahrenden Publikums verboten. Bahn⸗ 
jöfe sind nun zwar im allgemeinen keine Sanatorien und 
ein beschaulicher Aufenthaltsort für Neurastheniker, aber darum 
elibt es im Prinzip von der Behörde doch verdienstvoll, daß 
ie mit sanfter Hand alles Störende fernhält. Diesmal aber 
jeht ihr mütterlicher Trieb zu weit. Das Plakat ist nämlich 
jar nicht „schreckhaft“. Man sieht auf schwarzem Hintergrund 
inen zurückgelehnten bleichen Frauenkopf mit verzückt ge⸗ 
chlossenen Augen. Weiter nichts; nicht um eine Linie ist das 
Maß des Künstlerischen überschritten, und selbst der gern zi⸗ 
ierte Normalmensch, ja der am wenigsten, wird etwas „Schreck⸗ 
aftes“ darin finden können. Es zeigt sich hier nur wieder, 
atz unsere Bahnverwaltung künstlerischen Dingen mit einer 
jeradezu „schreckhaften“ Unsicherheit gegenübersteht, und man 
»enkt von neuem an jenen Rechenschaftsbericht des Eisenbahn⸗ 
ministers, gegen den von allen Kunstsachverständigen Vreußens 
io energisch protestiert worden ist. 
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