Full text: Lübeckische Anzeigen 1911 (1911)

Im Laufe dieses Sonmers hat ie Wasserentnahme aus 
dem Leitungsnetz der Wasserkunst — 
an e'nzelnen Tagen 20 000 000 Lte. 
sage und schreibe zwanzig Millionen Liter, betragen, 
das sind durchschnittlich mehr als 200 Liter pro 
Kopf der Bevölkerung. Bei einer so kolossalen täg— 
lichen Wasserentnahme aus der Wakenitz und dem nur geringen 
Zuflutz von Quellwasser aus dem Ratzeburger See ist es 
aͤllerdings kein Wunder, daß für die Müller kein Wasser 
für den Betrieb ihrer Mühlen übrig blieb, die Straßen⸗ 
besprengung auf das alleräußerste Maß eingeschränkt, schließlich 
sogar ganz eingestellt, die Wakenitz aufgestaut und das Polizei⸗ 
amt jegliche Wasservergeudung mit Strafe bedrohen mußte. Ferner 
ergibt sich aus dem ungeheuren Wasserverbrauch, daß die 
technischen Einrichtungen des Wasserwerkes wochenlang bis zum 
ãußersten haben ausgenutzt werden müssen, um das Leitungsnetz 
allezeit unter vollem Drudk zu erhalten. J 
Mit dem Fortschreiten der Jahreszeit und der Abnahme 
der Hitze ist natürlich der Wasserverbrauch gleichfalls allmählich 
zurückgegangen. Er beträgt a ber auch jetzt immer noch täg⸗ 
lich etwa 15000 000 6is 16 000 000 Liter und wird 
auch mit dem weiteren Fortschreiten der Jahreszeit kaum 
wesentlich weiter sinken. Die Erfahrung lehrt, daß der Waiser⸗ 
verbrauch pro Kopf der Bevöllkerung hier nicht oder nur un— 
wesentlich unter 150 Liter täglich heruntergeht. Auch dieser 
Verbrauch ist noch ein sehr großer zu nennen, der durch 
nichts zu rechtfertigen ist, denn ein nicht unwesentlicher Teil 
des Wassers wird einfach verschwendet. Das hi: sige Publikum 
ist hinsichtlich des Wasserverbrauchs ganz außeordent ich ver⸗ 
wöhnt. Es weih offensichtlich nicht, wie es anderwärts in dieser 
Beziehung aussieht, dah z. B. ein Kubikmeter Wasser 
mit 1Mebezahlt werden muß. daß die Wasserwerke 
täglich nur zu bestimmten Stunden Wasser 
Jie fern, und wie sparsam man darum anderwärts mit dem 
Leitungswasser wirtschaften mun und auch kann. Das muß 
bis zu einem gewissen Grade auch hier angestrebt werden, 
und ist auch hier durchführbar, ohne dan deswegen der Rein— 
lichkeit irgendwie Abbruch getan zu werden braucht. Infolge 
der ständig wachsenden Bevölkerungszahl Lübecks ist es ganz 
außer Zweifel, daß das Wasserwerk unter den gegenwärtigen 
Verhältnissen im Wasserverbrauch gar bald die Grenze seiner 
Leistungsfähigkeit orreicht haben und dann eine kostspielige 
Vergrößerung des Werkes notwendig werden wird. Andererseits 
kann sie aber noch auf längere Zeit vermieden werden, wenn 
der Wasserverbrauch auf ein vernünftiges Maß herabgemindert 
wird. Kann sich das Publikum hierzu nicht aus eigenem An— 
trieb verstehen, bleibt nichts anderes übrig als die allge— 
meine Einführ ung von Wassermessern, gegen die 
sich die Bürgerschaft hisher hekanntlich ablehnend verhalten hat. 
In den Ruhestand versetzt hat der Senat zum 30. Sept. 
d. J. die Handarbeits- und Turnlehrerin an der Ernelstinen— 
schule Frl. Johanna Wehner. 
O Die Teuerung und die Frauen. Ueber dieses Thema 
sprach am Sonnabend abend Frau Henriette Fürth— 
Frankfurt im Verein für Frauenstimmrecht. Mehrere hun— 
dert Gäste, vorwiegend Frauen, waren der Einladung des ver— 
anstaltenden Vereins nach den Zentralhallen gefolgt, um die be— 
tannte Vorkämpferin in der Frauenbewegung über ein augenblick 
lich sehr aktuelles Thema sprechen zu hören. Die Referentin ver 
breitete sich in ihren Ausführungen über die allgemeine Teurungs 
lage. Sie ging dann den Ursachen nach, die Ke zur Hauptsache 
in der Haltung der Agrarier überhaupt, insbesondere aber bei 
der Abstimmung über die Reichsfinanzreform und den Zolltarif 
von 10906 erblickte. Ueber die Folgeerscheinungen der Dürre, 
sowie über die internationale Teuerungskalamität ging 
sie jedoch recht schnell hinweg, um, wie das in dem Frauenstimm- 
rechtsverein so üblich zu sein pflegt, über alle möglichen, zum 
eigentlichen Thema laum gehörenden Dinge so ausführlich wie 
möglich zu plaudern. Als erster Diskussionsredner sprach Dr. 
Schlomer, der, sich mit den Ausführungen der Referentin identi— 
fizierend, die Gelegenheit einmal wieder benutzte, um eine sehr 
ausgedehnte sozialdemokratische Keilrede von Stapel zu lassen. 
Wir haben uns gewundert, daß die Geschäftsleitung sich dieser 
unerwartet geschaffenen Situation absolut nicht gewachsen zeigte 
Zwar wissen wir nicht, wie eng der Verein jetzt mit der Sozial⸗ 
demokratie liiert ist. So viel ist sicher, daß viele bürgerliche 
Besucher daurch dien Verlauf der Versammlung arg vor den 
Kopf gestoßen worden sind, und wir können wohl mit Recht 
annehmen, daß der Verein für Frauenstimmrecht von dieser 
Seite nur wenig oder üihersanunt kboinon Me 
y —9— — 
erfundene visionärisch-efrömmelnde Schwester aus dem Klost 
heraus als weinerliche Geburtshelferin seines Entschlusses zur 
Seite stellt! Aber auch König Hakon, der sonnenhafte, ist 
in Wahrheit nichts anderes als ein Held der großen und 
schönen Worte, dessen „Größe“ wir gleichfalls nur ihm und 
den anderen glauben müssen, der aber selbst vor unseren 
Augen nichts Großes wirklich tut, der zwar mit schöner Geste 
die Mutter, die für ihn das schwerste getragen, in die 
Verbannung schickt, „weil ein König niemand um sich haben 
darf, der seinem Herzen allzu teuer ist“, der sie dann aber 
doch gerührt wieder in die Arme schließt, der sich aus dem— 
selben Grunde von der Heißgeliebten seiner Jugend trennt 
und dann, ehe noch im eigentlichen Sinne des Wortes die 
Tinte des Absagebriefes trocken geworden, schlankweg mit der 
Zeugin dieses Vorganges, der Tochter seines Gegners, verlobt, 
der vor allem nach langen akademischen Auseinanderseßungen mit 
seinen Mitbewerbern um das Reich mit deren bedeutendsten, dem 
Jarl, sich verträgt, wieder erzürnt und trotz stärkster Heraus⸗ 
forderung immer wieder von neuem verträgt, ihm erst das 
Königssiegel entzieht, dann ein Drittel, endlich gar die Hälfte 
des Reiches überläht, und statt entschlossen zu handeln, sogar den 
schon Abgefallenen immer nur zu versöhnen hofft. Nein, „der 
Stoff, aus dem Könige gemacht werden“, — das soll der 
Titel des Stückes in der Ursprache bedeuten —, er war 
dauch bei der Formung des Hakon dem Dichter noch nicht 
zur Hand. Ueber alle diese dramatischen Schwächen, die 
übrigens meistens gerade da liegen, wo sich die Stärken des 
alten Dichters finden, können dann auch nicht einzelne wahr⸗ 
haft packende Momente, wie das Sterben des Bischofs, auch 
nicht einzelne bewegte und lebendige Massenszenen hinweghelfen. 
Doch genug für den, der mit mir froh ist, daß die „Welt— 
literatur“ doch noch recht viele andere, viel größere Dramen, als 
dieses hat! Man könnte sich nun fragen, warum Direktor 
Fuchs die neue Spielzeit gerade mit diesem Stück habe er— 
öffnen müssen. Aber warum nicht? Die ihm anhaftenden 
Mängel wären auch durch ein schon mehr zusammen einge— 
arbeitetes Schauspielerpersonal nicht auszugleichen gewesen, sie 
mußten mit der Aufführung selbst, die man doch ja nicht 
entbehren wollte, eben in Kauf genommen werden. Auf der 
anderen Seite gaher gaob das Setijck einem aroßen Teile der 
ruf seiner herumgehenden Liste hat feststellen können. Uebrigens 
and das Verhalten des Herrn Tr. Schlomer von einem 
peiteren Diskussionsredner, Herrn Posisekretär Klein, eine ge— 
ührend scharfe Zurechtweisung. 
SKreistag des Kreises Lübeck⸗Wesimedlenburg des deutscht 
nationalen Handliengsgeh lfenverbandes. Sonntag wurde in 
Lübeck im Restaurant Fredenhagen der zweite Kreistag des 
treises Lübeck Westmecksenburg im D. H.V. abgehalten, der 
ich eines außerordentlich zahlreichen Besuches zu erfreuen hatte 
Der Kreisvorsteher Haack-Lübedk eröffnete die Tagung mit herz 
ichen Begrükungsworten, Woltmann-Hamburg als Vertreter 
des Gauvorstandes überbrachte die Grüße des Gauvorstandes 
und der Verwaltung, der Vorsitzende der Lübecker Ortsgruppt 
ewillkommte die auswärtieen Kollegen namens seiner Orts— 
Iruppe und Gramann-Neu'tadt i. Ho st. im Kreise Ostholstein 
jkermittelte die Grüße der Nusädter Verbandsbrüder. Aus 
»en Berichten der Ortsgruppenvertreter, die von erfreul'chem 
Fortschritt zu erzählen wußten, sei hervorgehoben, daß Schlu⸗ 
up für den Anschluh an das Kaufmannsgericht Lübeck çe 
irbeitet hat, Lübtheen wirkt ganz hervorragend für die Spar 
asse und neben anderen Ortsgruppen namentlich Lũbeck ein 
beraus regsame soz'a politische Tätizkeit entfadtt hat. Der 
zreisvorsteher erstattete darauf seinen Jahresbericht, aus den 
hervorging, dah die Mitg'iederzahl im Kreise ständig im 
Wachsen begriffen ist und zur eit etwa 700 beträgt. U berall 
m Kreise herrscht arbe'tsfreudise Stimmung. Der Kaisenbe 
icht des Kreisrechners fand nach Anhörung der Rechnungs 
prüfer einstimmige Genehmigung. Eine lbhafte Aussprach 
intspann sich über die beabsichtigte Verlegung der Gaugschästs 
telle von Hamburg nach Kiel und die Neuregelung der 
treisgrenzen im Gau. In den Kreisvorstand wurden gewählt: 
zaack-Lübeck, Albrecht-Lübtheen. Clasen-Lübeck, Blohm-Lübeck 
ind Ebel-Wismar. Der nächstjährige Kre'stag soll in Wismar 
tattfinden. Ortsgruppen des Kreises bestehen in Lübeck, Schlu— 
lup, Wismar, Schwerin, Lübtheen, Ludwigslust, Grabow, 
Parchim, Lübz und Schönberg i. M. 
S Zwangsverkäuse. Am 15. September 1911 wurde im 
Termin vor dem Amisgerichte versteigert: J1. Das dem 
kestaurateur C. F. Leukefeld, Lübeck, gehörige, mit 52500 M 
zeschwerte Grundstück Fleischhauerstraße Nr. 34. Meistbieten— 
der war der Privatmann A. H. W. Jack, Schwartau, mit 
einem Gebot von 33800 M. Zuschlag 22. Sept. 19117 
2. das Wirtschaftsinventar als Zubehör des Grundstücke 
Mühlenstraße Nr. 46, früher dem Restaurateur H. H. Wullen— 
veber, Lübeck, gehörig. Meistbietende mit einem Gebot von 
30 Meublieb die Witwe des G. W. A. Kiesewetter geb. 
Bevilaqua, Lübeck, welche im früheren Versteigerungsverfahren 
auch das Grundstück erworben hatte. Der Zuschlag wurde 
sofort erteilt. — Bezüglich des dem Werkführer J. H. Pagel, 
Hamburg, gehörigen Grundstücks Hüxstraße Nr. 48 wurde 
der Termin aufgehoben, weil die betreibenden Gläubiger teile 
den Versteigerungsantrag zurückgenommen, teils die einst 
veilige Einstellung des Verfahrens bewilligt hatten. — Zu— 
Jgeschlagen wurde 1. das Grundstück Marlistraße Nr. 42 
zem Frl. E. J. Ph. v. Melle, Lübech, für das am 1. Sept, 
1911 von dem Weinhändler J. G. G. v. Melle, Lübeck, 
Wgegebene und nachträglich an Frl. v. Melle abgetretene 
Sebot von 13000 M; 2. das Grundstück Falkenstraße 
Nr. 16, dem Landmann W. Hauschild, Schlagresdorf bGei 
Schlagsdorf i. M. für das am 1. Sept. 1911 abgegebene 
Gebot von 80000 M. 
Travemünder Seewasserwärme 
16. Sepk., mittags 1694 Grad Cels., abends 16/ Grad Cel. 
17. Sept. morgens 15954 Grad Cels., mittags 16 Grad Cels. 
abends 16 Grad Cels. 
18. Sept. morgens 15124 Grad Cels. — Wind: Süd-West. 
Lauenburg. 
Ratzeburg, 18. Sept. Der auf der Hochzeits— 
reise befindliche Kaufnann J. Koch aus Hamburg starb 
Sonnabend morgen im Hotel „Ratzeburger Schweiz“. wo er 
logierte, an Herzschlag. 
ARatzeburg, 18. Sept. Sine neue wichtige Be— 
stimmung enthalten die neuen allgemeinen Versicherungs— 
bedingungen der Schleswig-Holsteinischen Landesbrandkasse zr 
Kiel, welche am 1. Sept. d. J. in Kraft getreten sind 
Kraft dieser Bestimmung gelten die Versicherungsverträge be 
der Landesbrandkasse von jetzt ab, salls nicht im einzelnen Falle 
e?ns andere Noreinharung getroffen wird Wue moitaras ale 
neugewonnenen Künstler Gelegenheit, sich dem Publikum vor— 
zustellen. Da kann denn erfreulicherweise berichtet merden, 
daß wir in Herrn Nowacdk einen Charakterspieler bester Art 
vewennen zu haben scheinen. Sein Bischof von Oslo — 
vie schon oben gesagt, die weitaus bestgezeichnete 
Figur des ganzen Stückes, — war eine fein ausge— 
rrbeitete, durchgeistigte, von wildem, unheimlichen Leben 
rfüllte künstlerische Darbietung, die nicht sobald dem Gedächt— 
nis des empfänglichen Zuschauers entschwinden wird. Auch 
zerr Hoß bemühte sich, wenn auch in einer etwas zu 
chablonenhaften Siegfriedmaske, mit bestem Erfolge um die 
sdolle des Hakon. Wir lernten in ihm, wie in der Ver— 
reterin der Tochter Skules und Gemahlin Hakons, Irl. 
Vuttke, sympathische Bühnenerscheinungen mit angenehmen 
Irgane kennen. Eine schwierige und wenig lohnende Auf— 
jabe hatte Herr Brunow, den wir erfreulicherweise wieder 
n unserm Künstlerverbande begrüßen konnten, in der Rolle 
des Skule zu erfüllen. Er bestrebte sich leider auch ver— 
jebens, mit seiner in wenig unterhaltsamem Wechsel zwischen 
orte, più forte und fortissimo schwankenden Deklamation aus 
»iesem Herzog mit dem kranken Herzen so irgend etwas 
vie einen Helden zu machen. Mit Lebhaftigkeit und Feuer 
varf sich Herr Schürer auf die Darstellung des jugend— 
ichen Sohnes des Jarl, dieses norwegischen Euphorions. Er 
nachte aus ihr, was daraus zu machen war. Die übrigen 
Mitspielenden traten nicht so sehr hervor, als daß man, be— 
onders bei einer ersten Aufführung der Spielzeit, über sie 
in Urteil hätte gewinnen können. Die Spielleitung lag 
nuden altbewährten Händen des Herrn Fuchs. So braucht 
s denn kaum gesagt zu werden, daß die Massenszenen, gleich 
u Anfang die Szene vor der Kirche, dann die in der 
Zurghalle usw., vortrefflich gestellt waren und sich gut be— 
degten. Nur hätte das aufrührerische Volk vor dem Königs 
chlosse und nachher vor dem Kloster sich nicht nur so 'in 
zwischenräumen mit Pausen gänzlichen Verstummens bemerk 
ich machen dürfen. Doch sind das kleine Anstände, deren An— 
aß bei weiterm Einspielen des Personals sich kaum wieder— 
holen dürfte. Also frisch voran, und möge das Publikum 
er neuen Direktion bei ihren Bemühungen um die Förderung 
»es Schaulniels treu hleih⸗— Moma« 
auf die Tauer von 10 Jahren abgeschlossen. Diese Bestimmung 
rnitt mit Beginn des nächsten Versicherungsiahres in Kraft und 
war stillschweigend. Jeder Versicherte, welcher etwa aus Un⸗ 
kenntnis oder Unachtsamkeit nicht bis zum 30. Sept. d. J. 
der Landesbrandkasse in Kiel gegenüber diese Bestimmung aus—⸗ 
drücklich kündigt, begibt sich für die nächsten 10 Jahre des 
Rechts, dort austreten zu knönen. 
MASandesneben, 18. Sept. Zum stellvertreten 
den Gemeindevorsteher in Lüchow wurde der Vollhufner 
Heintich Koop daselbst auf die gesetzliche Dauer von sechs Jahren 
zewählt. — Personalnachricht. Für den verstorbenen 
Lehrer und Organisten Brockmann zu Seedorf wurde Lehrer 
Voß, welcher die Stelle bereits interimistisch verwaltet, vom 
»ortigen Schulvorstand zum Lehrer und Organisten gewählt. — 
Folgen der Maul- und Klauenseuche. Der Hufner 
5. Lembcke zu Schiphorst hatte, als auf seiner Hofstelle die 
Maul-⸗ und Klauenseuche herrschte, die auf einer Koppel wei— 
»enden Kühe umgeweidet. Er erhielt deshalb von dem Amts- 
vorsteher einen Strafbefehl von 15 Muäevent. 3 Tagen Saft. 
zäierauf beantragte L. richterliche Entscheidung und erklärte vor 
em Schöffengericht zu Steinhorst, daß ein Notstand vorge— 
egen habe. Wegen Futter- und Wassermangel seien die Tiere 
uicht mehr gewaltsam auf der alten Weide zu halten gewesen. 
das Schöffengericht trug diesem Umstand Rechnung und er— 
näßigte die Strafe auf 5 Meevent. 1 Tag Haft. Hiergegen 
egte der Staatsanwalt Berufung ein und verlangte, daß die 
rolizeiliche Strafverfügung wiederhergestellt werde. Die Straf—⸗ 
ammer zu Altona kam aber nach einer glänzenden Verteidigung 
»es L. durch Rechtsanwalt Dr. Sürgens zu dem Erkenntnis, 
»ie Berufung des Staatsanwalts zu verwerfen, da offenbar 
in Notstand vorgelegen habe. Bedauerlich sei, daß nicht auch 
ber Beklagte Berufung eingelegt babe, da er sicheérlich freige— 
prochen Iorden wäre. — Der Schützenverein feiert am 
Sonntag, dem 24. Sept. sein Sommerfest, bestehend in Preis— 
chießen und Ball im Hotel Lauenburger Hof hierselbst. Am 
Preisschießen können auch auswärtige Schützen teilnehmen. 
Großherzogtümer Medlenburg. 
Ludwigslust, 18. Sept. Tödlicher Unglücksfall. 
Beim Bau der Kleinbahn Brahlsdorf—Neuhaus wollte ein 
34jähriger galizischer Arbeiter auf einen an ihm vorüber— 
fahrenden Kippwagen springen, glitt aber aus und kam unter 
die Räder des Wagens. Im Stift Bethlehem, wohin er 
gebracht wurde, mußte das verletzte Bein abgenommen wer— 
den, doch ist der Verunglückte bald darauf seinen Verletzungen 
erlegen. 
Parchim, 18. Sept. Im Streite erstochen. Als 
Freitag abend gegen 9 Uhr der Bäarbierlehrling Schröder aus 
zagenow in der Langenstraße spazieren ging, wurde er von 
„wei Männern angehalten, die versuchten, ihmm die Tabaks⸗— 
ofeife aus dem Mund zu schlagen. Schröder versuchte fortzu— 
aufen, wurde aber von den beiden, und besonders von dem 
25jährigen Maurer Schohhnecht aus Demmin am Kopf fest—⸗ 
zehalten. In seiner Angst zog Schröder nun sein Dolchmesser, 
zon dem aber das Futteral abfiel, so daß er, als er damit 
im sich stieß, dem Schohkknecht eine klaffende Wunde anr 
Iberarm beibrachte, an der Sch. noch bevor ärztliche Hilfe 
zur Stelle war, verblutete. Eine breite Blutspur be— 
zeichnete auf der Straße die Stelle, von der der Verletzte sich 
noch in ein Haus geschleppt hatte, wo er sehr schnell an 
Verblutung star Schrador jist ia Saft genommen. 
Neueste Rachrichten und Telegramme. 
Die Wiener Teuerungskrawalle. 
W. Wien, 18. Sept. Gegen 11 Uhr nachts ist im Bezirk 
Dttakring Ruhe eingetreten. Ein Aufruf der sozialdemo— 
kratischen Parteileitung fordert unter Hinweis, daß nach der 
ruhigen Arbeiterkundgebung disziplinlose Elemente Kämpfe 
nit der Polizei und dem Militär begonnen hätten, die Ar—⸗ 
beiter auf, sich jeder weiteren Demonstration zu enthalten 
und Montag früh wie gemöhnlich die Arbeit wieder auf—⸗ 
zunehmen. 
Zwei Uhr morgens. Nach den bisherigen Fest—⸗ 
tellungen wurden bei den Ausschreitungen in Ottakring eine 
Person durch einen Baionettstich des anrückenden Militärs 
zetötet und durch die von den Truppen abgegebene Salve 
nehrere Unruhestifter schwer verletzt. Die Zahl der mehr 
»der minder schwer Verwundeten, einschließlich der Sicher— 
heitswachmannschaft und des Militärs, beträgt 58. 
W. Wien, 18. Sept. Bei den Angriffen der Kavallerie 
auf die widersetzliche Masse auf der Schmelz wurden, wie 
verlautet, sechs Personen getötet. Abends nahmen die Exzesse 
mm Bezirk Ottakring einen ernsteren Charakter an. Die 
Demonstranten zertrümmerten in den Hauptstraßen die Gas— 
aternen, so daß die Beleuchtung nicht funktionierte, und 
errichteten Barrikaden, um das Militär am weiteren Vor— 
rücken zu hindern. Als aus den Reihen der Demonstranten, 
ceils aus finsteren Wohnungen verschiedene Wurfgeschosse auf 
das Militär geschleudert wurden, gebrauchte das Militär 
die Schußwaffe. Bis 10 Uhr abends hieß es, eine Person 
sei getötet, vier schwer verletzt und gegen 80 Personen 
nehr oder minder verletzt. Seitens des Militärs wurden 
leichfalls mehrere Mann verwundet und auf seiten der 
Bolizeimannschaft mehrere schwer verletzt. Im Laufe des 
Tages wurden in der inneren Stadt 70 und in Ottakring 
100 Personen verhaftet. Die Exzesse blieben auf den Bezirk 
Ottakring beschränkt. 
W. Berlin, 18. Sept. Als in Tegel gesitern abend 
um 7 Uhr ein aus drei Wagen bestehender elektrischer Straßen— 
bahnzug einlief, standen etwa 250 Personen an der End—⸗ 
haltestelle, die dem Zuge entgegenrannten, um sich einen 
Platz zu sichern. Bei dem großen Gedränge wurde die Sliährige 
Frau Krebs von der nachdrängenden Menge gegen den erjlten 
Anhängewagen gedrückt. Obwohl die Frau mit aller Kraft 
die hinter ihr stehenden Personen zurückzudrängen versuchte 
und rief, man möge ihr Raum geben, wurde sie so heftig 
zescheben, daß sie den Halt oerlor und zwischen den zweiten 
und dritten Anhängewagen geriet. Die Frau stürzte so 
uinglücksich daß sie unter den Schutzrahmen kam und, da das 
Straßenbahnpersonal in dem furchtbaren Durcheinander den 
Unfall nicht soaleich pbemerken konnte. zu Tode geaguetschf 
wurde. 
Der Direktor der Siemens-Schuckert-Werfké 
und Siemens C Halske A.G. Geheimer Baurat 
Schwieger, als Pionier der elektrischen Bahnbauten weit 
belannt. ist gestern in Wiesbaden, wohin er sich zum Kur— 
aufenthalt begeben hatte, im Alter von 66 Jahren plötzlich 
an einem Herzschlag gestorben. 
DTet bekannte Direktor des Residenztheaters, 
Richard Alexander, legt dem B. T. zufolge am 1. Sep. 
teniber 1912 die Direktion des Residenztheaters nieder. 
Er wils von da ab nur seiner künstlerischen Tätigkeit leben.
	        
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