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Beilagen: Vaterstädtische Blätter. — Der F amilienfreund.
Amtsblatt der freien und Hansestadt Lübeck 1614. Jahrgan Nachrichten für das Herzogtum Lauenburg, die
Beiblatt: Gesetz⸗ und verordnungsblatte ——— — Gürfstentümer Ratzeburg, Lübeck und das angren
SESESESSESSEMOSC COGSOSAOSSSSSSSAC.C-OMSSo n Rraus des veriage —ä———— zende medlenburgische und holfteinische Gebiet.
Drud und Verlag: Gebrüder Borchers G. m. b. S. in Lübed. — Geschäfitsftelle Adrekß haus Ksriastr 46). Fernisrecher 8000 u. 9001.
(Große Ansgabe) mittwoch, den 25. Januar 191.
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Ausgabe
Abend⸗Blatt Ur. 45.
Erstes Blatt. *
21444
Schließlich stellte der Abgeordnete Trimborn einen Antrag,
wonach die Städte, in denen sich Festungen befinden, bei der
Verteilung des Ertrages begünstigt werden sollten, weil sie
auch doch sonst viele Lasten zu tragen hätten.
Der schließliche Erfolg war, daß vier Fünftel aller Anträge
abgelehnt wurden. So bleibt es denn bei der Ver⸗
deilung des Ertrages, den die Kommission be—⸗
schlossen hat. Nur zu den Gemeindezuschlägen
nahm man eine einschneidende Veränderung nach
einem Zentrumsantrag an, wonach die Gemeindezuschläge nach
Hundertteilen zu berechnen sind und im einzelnen Falle 100 00
des der Gemeinde zufließenden Betrages nicht überschreiten
dürfen, aber zusammen mit den Reichssteuern höchstens 30 00
der Wertsteigerung ausmachen sollen. Zu dieser einen Materie
drauchte man die ganze Nachmittagssitzung; und da man
sjich vor langen Debatten bei den folgenden Paragraphen
fürchtete. vertagte man die Sitzung auf heute.
Gegen das Selbstverwaltungsrecht der Orts—
krankenkaffen.
Unter dieser Spitzmarke wendet sich der Lübecker Volks—
hote gegen einen Artikel unserer Zeitung, in welchem wir ganz
allgemein Stellung nahmen zu dem bisherigen Einfluß der
Sozialdemokratie auf die Krankenversicherung. Damit haben
wir scheinbar den Volfsboten schwer gekränkt; denn er ist
der Ansicht, daß, wenn auch in Lübeck die Verhältnisse
zisher zu Klagen keinen Anlaß gaben, dies auch für ganz
Deutschland der Fall gewesen sei. Das stimmt aber nicht;
denn gerade aus den vielen üblen Erfahrungen heraus, die
nan bei der jetzigen Stimmenverteilung an zahlreichen deut—
chen Plätzen gemacht hat, sind die Bestrebungen im Reichstag
nach Abhilfe entstanden. Ansere Beweise, die wir allerdings
rur fkizzenhaft bringen konnten, enthalten nur einzelne Bei—
räge zu den von uns verurteilten Auswüchsen. Damit nun,
daß man einfach behauptet, das angeführte Inserat besage
jar nichts, und die Aeußerungen eines sozialdemokratischen
Arztes, die wir zitiert haben, bewiesen ebensowenig wie die
Feststellungen des Leipziger Schöffengerichtsurteils, hat man
insere Ausführungen leicht abgetan, aber nicht widerlegt.
Venn wir gewollt hätten, so wären wir noch in der Lage
ewesen. einige weitere Belastungsmomente herbeizufuühren.
Wir hätten beispielsweise berichten können über den Zu—
ammenhang von Streiklisten, Streikleitern, Ortskrankenkassen—
beamten und Amtsgeheimnis. Jedych nehmen wir an, daß
ier Volksbote auch hierüber unterrichtet ist. Sonst könnten
vir ihm mit Stimmen zu diesem Thema aus Samburg auf—
varten. Im übrigen möchten wir doch noch die weiteren
Ausführungen im Reichstage zu diesem Gegenstand abwarten.
ẽks ist u. E. unnütz, so eifrig abzuleugnen, was in der Praxis
etrten Endes doch geübt wird: denn gerade das kännt-
—
Jverdächtig werden. Wie gesagt, was für Lübed erträglich,
war bisher für viele andere Plätze unerträglich, und gerade
auf die letzteren Fälle und auf die Reichstagsverhandlungen
waren unsere Ausführungen gemünzt.
Inland und Ausland.
Deutsches Rach.
Der Kaiser empfing gestern vormittag den türkischen
General Schewlet-⸗Pafcha. Darauf hörte er die Vorträge
des Chefs des Militärkabinetts, Generals der Indanterie
FIrhry. v. Lyncker, des Chefs des Admiralstabs der Marine,
Admirals v. Fischel und des Chefs des Marinekahbinetts
Admirals v. Muüller.
Der Bundesrat versammelte sich gestern zu einer Ple—
narsitzung; vorher hielten die vereinigten Ausschüsse sür
Handel und Verkehr und für Justizwesen eine Sitzung.
Pemsionsversicher ung der Angestellten. Der Zentralaus⸗
chuß der Prinzipalverbände in Sachen der Pensionsver—
icherung der Privatangestellten hielt gestern unter dem
Lorsitßz von Emil D. Feldberg, Hamburg, und Geheimrat
Simon, Berlijin, eine Sitzung ab, um zu dem soeben
oeröffentlichten Entwurf eines Versicherungsgesetzes für An—
jestellte Stellung zu nehmen. Es gelangte einstimmig fol—
zende Erklärung zur Annahme: I
„Ungegachtet der schwerwiegenden und begründeten Be—
„enken, die gegen die Richtlinien der im Jahre 1908 ver—
zffentlichten Denkschrift des Reichssamts des Innern nicht
rur mit vollständiger Einmütigkeit aus den Kreisen der
Prinzipalität, sondern auch von maßgeblichen Gruppen der
AngestelltenOrganisationen geltend gemacht worden sind, hält
der „Entwurf eines Versicherungs-Gesetzes für Angestellte“
an den Grundsätzen der Denkschrift fest. Die Durchführung
der Versicherung auf dem Wege der Sonderkasse Hhafft
eine Reihe aus dem Rahmen und den Grundlagen der
Invalidenversicherung heraussallender Sondervergünstigungen,
wie die Doppelversicherung für-Angestellte mit einem Ein—
ommen bis zu 2000 M, die Errichtung einer versiche-
ungsberechtigten. Einkommengrenze bis zu 5000 M, die
zerabsetzung der Altersgrenze auf 65 Jahre, sowie die
kinsührung des Begriffes „Berufsinvalidität“. Hierin liegt
nicht nur eine sozialpolitische Ungerechtigkeit gegenüber den
nicht unter dieses Gesetz fallenden Angestellten, sondern
auch ein äuherst bedenkliches Präjudiz, das sehr bald zu
Berufungen der minder begünstigten Angestellten-Kategorien
führen muß. Namentlich aber bedinge die Lösung des
Problems auf dem Wege der Sonderklasse die Schaffung
eines neuen, höchst verwickelten und zu den Leistungen
der Verficherung in gar keinem Verhälinis stehenden Ver—
waliungs⸗Appara!“es (Reichsversicherungs-Anstalt, Direktorium,
Nerwaltunasrat. Verwaltungsausschub Rentenausschüffe. Ver.
— — ⸗
sehr wohl in der Wiedingharde, und er ist auch dort gut
verpflegt. Dorret versteht es ausgezeichnet, ihn zu unter—
halten und Etke Thornsen ist ein sehr weit gereister und viel
belesener wenn auch etwas wunderlicher Mann.“
Ich will diesem Mädchen aber nicht verpflichtet sein.
Sie zeigt mir so deutlich und unverhohlen ihre Abneigung,
als wäre ich ein verkappter Verbrecher. Und das paßt
mir nicht.“
Undine lächelte nachsichtig.
„Sie ist meine Freundin, Reimar, das erklärt wohl alles.“
Er sah sie einen Augenblick mit leeren Augen an.
„Ja, sie hetzt dich auf gegen mich!“ rief er dann mit
einem tiefen Grollen in der Stimme. „Glaubst du, ich spürte
nicht, wie sie jeden deiner Schritte, jeden deiner Blicke bewacht,
aus Furcht, du könntest dir ersauben mir einen solchen zu
schenken?“
Wieder lächelte Undine. Mit den schlanken Händen itrich
sie die rotgoldenen Lochken zurüch, die der Abendwind in ihre
weiße Stirn wehte, und in ihrer Stimme war etwas von
nachsichtiger Milde, als sie sprach:
„Wie kann dich das irritieren? Dorret zittert sür mich.
Sie sieht in dir einen Feind und sie glaubt, mich schützen
ju müssen. Trotzdem sie einige Zahre jünger ist, hat sie
oielleicht mehr Festigkeit als ich. Die hat ihr das ltille,
ernste Leben mit dem alten wunderlichen Großvater gebracht,
und ich liebe sie.“
„Das ist alles ganz gut und schön, aber das blonde
Mädel soll nicht täppisch in meine Rechte eingreifen.“
„Rechte?“
Groß und fragend sahen die dunklen Augen Undines zu
ihm auf. Der Graf biß sich, unwillig über sich selbit. die
Lippen.
„Verzeih, der Ausdruch war schlecht gewählt. Ich weiß, daß
ich leine Rechte habe, und ich bin weit davon entfernt, solche
von dir zu fordern, aber ich meine, daß wir doch wenig!iens
auußkerlich alle nur denkbare Rücsicht gegenseitig nehmen sollten,
unsere Ehe, die doch nun mal nach außen hin besteht, vor der
Welt mokellos zu halten.“
Hait du dich üher mich zu beklagen? Hobe ich je eines«
— —— e—⏑
eil.
das Reichswertzuwachssteuergesetz in der
gestrigen Reichstagssitzung.
O Lübecdc. 25. Januar.
Der 8 49 des Reichswertzuwachssteuergesetzes mußte, das
war vorauszusehen, die Debatte gestern noch einmal lange
iesthalten. Bestimmt er doch die Verteilung des aus der
Steuer zu erwartenden Millionensegens. Die Kommission
hat nach langer Beratung genau nach dem
Regierungsentwurf beschlossen, daß 60 90 dem
Reiche, 10 0 den Bundesstaaten und 40 490 den
Gemeinden oder Gemeindeverbänden zufallen sollten.
Während aber der Regierungsentwurf den Gemeinden das Recht
zugestanden hatte, Zuschläge zu der Reichssteuer in be—
liebiger Höhe zu erheben, schränkte die Kommission
das ein und bestimmte, daß diese Zuschläge nur von 58 bis
10 00 der Wertsteigerung betragen sollten und daß Reichs⸗
teuer und Gemeindezuschlag zusammen 30 vom Hundert der
MWoertsteigerung nicht übersteigen dürften.
Ein weiterer Paragraph des Gesetzes bestimmt, daß die
Hemeinden, die jetzt schon eine Zuwachssteuer eingeführt haben,
die Erträge aus derselben noch bis zum Jahre 1915 ausge—
zhlt bekommen, auch wenn die Summe, die die neue Steuer
auf ihren Teil ausmacht, nicht die alten Einnahmen der be—
reffenden Städte ergibt. Aber der Reichstag war trotz
den Beschlüssen der Kommission über alle diese Fragen sehr
jeteilter Meinung. Allein etwa 15 Anträge lagen über diese
Bestimmungen vor. Hauptsächlich wollten die Volkspartei und
die Sozialdemokratie den Gemeinden mehr Anteil an der
Steuer geben. So wollte die Volkspartei dem Reiche 40
und den Gemeinden 50 0o geben. Die äußerste Linke aber
gestand dem Reiche nur 30 und den Gemeinden 60 zu.
Es fiel bei der Debatte noch manch scharfes Wort. „Dieses
ganze Gesetz ist einfach städtefeindlich in seiner heutigen Ge—
staltung!“, rief der elsässische „Genosse“ Böhle, und er
fügte hinzu, wenn man in das Herz des Schatzsekretärs schauen
fönnte, so würde man jedenfalls die bange Sorge entdecden,
ob das Gesetz in seiner jetzigen Form die angeforderten
20 Millionen überhaupt bringen könne. AMAuch der
nationalliberale Redner, Dr. Weber, hatte noch
grundsätzliche Bedenken und meinte, es wäre weit
pesser gewesen, die Steuerstufen des Gesetzes mäßiger zu halten
uind nur das Reich am Ertrag zu beteiligen, dagegen den
Hemeinden zu überlassen eigene Zuwachssteuern einaufükran
Die Nebelfraau.
Roman von Anny Wothe.
(17. Fortsetzung.) Machdruch verboten.)
„Verzeihe mein Eindringen, Undine,“ nahm Graf Reimar
bas Wort, langsam den Sessel nehmend, den ihm Undine
zuwies. „Ich hätte dich gewiß in deiner selbstgewählten
Einsamkeit nicht gestört, wenn ich dich nicht unbedingt noch
—DD
drach er sich, die dunklen Augen sinnend in die Ferne richtend.
„Ich kannte diesen Platz norh gar nicht. Er paßt zu dir.
Wie Schön-Edda von König Helgos Schloß blidit du hinaus
ins Meer. Es ist nur schade, dal dich kein Junker Ajobald,
vie es in der Sage heißt, vom Meere aus hier auf dem
Söller erspähen kann. Der Weg ish zu weit.“
„Bijt du gekommen, mir das zu sagen?“ fragte Undine
lalt, ihr Antlitz unwillig von ihm abkehrend.
„Nein, verzeihe. Ich kam, um dich zu fragen, ob du
etwas dagegen einzuwenden hättest, wenn wir meinen Bruder
Timm, der sich noch gar micht von seinem Anfall' erholen
ann, hier auf dem Gorlingshof einquartieren ?“
„Entbehrt er in der Wiedingharde etwas?“
Undine' sagte es kurz und hart, so daß Graf Reimar
»iwas bestürzt zu ihr hinüber sah.
„Du wünschest es also nicht? Ich hätte es mir ja denken
sönnen. Ich weiß, daß es dir und vielleicht auch Timm
peinlich sein muß, hier seine Genesung abzuwarten, nachdem
du damals seine Werbung abgeiehnt halt. Aber der Arzt
dedeutete mir, daß er hier doch vielleicht mehr Bequem⸗
sichkeiten haben könnte, als in dem einfachen Fischerhaus, und
und da meinte ich, wir wären es Timm vielleicht schuldig,
ehn hierher zu nehmen. Natürlich nicht gegen deinen Willen,
denn es ist dein Haus und dein Recht, zu bestimmen, wer hier
ꝛis Galt einziehtä Jccc·.
„Timm hat bereits mein Anerbieten abgelehnt““
„Abyelehnt? Halt du ihn denn gesprochen ?“
„Ja, ich war in der Wiedingharde, um nach feinem Er—
rehen zu fragen.“ e7
Ennört sprase Graf Reimar auf, Eine scharfe Falle⸗
furchte seine Stirn und wie Zorn bebte es in seiner Stimme,
us er hervorstieß:
„Du, du hast ihn aufgesucht? Du hast mit ihm gesprochen,
ind ich durfte ihn nicht sehen?“ Das blonde Mädchen, das
nich mit seinem Haß beehrt, stand wie der Engel mit dem
'eurigen Schwert in der Tür und wehrte mir den Eingang,
und dich, dich ließ sie zu ihm?“ *
„Dein Bruder wünscht Feine Gemeinschaft mit dir.“
„Und warum, denkst du, daß er sie nicht will?“
Undine zuckte die Achseln. Ihre Augen hingen weit drüben
in den Meéreswellen, die purpurn dahinrollten.
„Was du denkst, will ich wissen!“ forderte er.
Erstaunt sah Undine zu Reimar auf. Kühl trat sie weit
pon ihm zurück.
„Mein Denken gehört mir allein. Wenn du aber so viel
Gewicht darauf legst, so kann ich dir ia auch sagen. was
ich glaube, daß er dich haßt.“
Mit einer Art grausamer Genugtuung hatte sie ihrem
Hatten die Worte ins Gesicht geschleudert. Jetzt erschrak sie
iber vor der Wirkung, die sie auf ihn ausübten. Bleich,
mit sahlem Gesicht, starrte er sie einen Augenblich an, dann
aber kehrte langsam das Blut in sein Antlik zurüc unß
tonlos erwiderte er:
„Es war von jeher mein Schichsal, da, wo ich Liebe
täte, Haß zu ernten. Ich kann natürlich meinen Bruder
aicht zwingen, in mir seinen besten Freund zu sehen, und da
sch ihm ja auch scheinbar etwas genommen habe, indem ich
dein Gatte wurde, kann jch seine Stimmung wohl begreifen.
Aber ich will nicht, hörst du wohl? ich will nicht, daß das
Volk da draußen seine Glossen über uns macht. Timm gehört
nn den Gorlingshof und nicht in die Wiedingharde, und ich
wünsche, daß du es durchsetzest, ihn, wenn nicht als meinen
Hast, so doch als den deinen hier zu beherbergen.“
Undine wurde plötzlich brennend rot. Wie gleichgültig
nußte sie doch Reimar sein, daß er darauf bestand, einen
Mann bei sich aufzunehmen, von dem er wußte, daß er sie
iebte. e e Fc We
Sie zuckte gleichmütig die weichgerundelen Schultern und
migegnete ablehnend: r !
Ich hobe Teinen Einfluß quf deinen Brußer Er fünsf sich