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Beilagen: Vaterstädtische Blätter. — Der F amilienfreund.
Amtsblatt der freien und Hansestadt Lübeck 164. Jahrgang Nachrichten für das Herzogtum Lauenburg, die
heiblatt: Gesetz und Verordnungsblatt eeephne en egicenar gürftentũmer Ratzeburg, Lubec und das angren
— —— zZende medlenburgische und holsteinische Gebiet.
Oruck und Verlag: Gebrüder Borders G. m. ». 8. in Lũbec. — Geichãftsftelle Adreß baus (Koniastr. a4ß). Fernipreder goco u —
Mittwoch, den 6. September I1911.
Abend⸗Blatt Ur. 451.
Ausgo
(Geoße Ansdgabe)
rcu
schließen. Das sinnlose Kreischen, das man hier immer,
wenn die deutsche Politik einen Zug tut, in gewissen Kreisen
hört, muß den Deutschen wie das Knurren eines
Hundes am Futtertros vorkommen“
Die Leiden des Ingenieurs Kichter.
Frankfurt a. M., 5. Sept. Ter Vertreter der Frankf.
Ztg. in Saloniki hatte ein Interview mit dem Ingenieur
Richter, der ihm folgende anschauliche Schilderung seiner Ge—
fangennahme und seiner Leiden gab:
Weil ich mich im Olympgebirge des gefallenen Neuschnees
alber zwei Tage in Kokinopole aufhalten mußte, benutzte ich
en 27. Mai zu einer Rekognoszierung, wobei mich vier Gen—
darmen begleiten sollten. Ich unternahm den Aufstieg östlich
jon Kokinopole mit zwei Gendarmen. Während des Rückweges
rfolgte 300 Meter oberhalb des Dorfes der Ueberfall, wobei
ie tödlich getroffenen Gendarmen noch 4 bis 5 Schüsse ab⸗
aben, leider erfolglos. Die Räuber nahmen sodann den
Leichen und mir die Waffen und das Geld ab. Einer von
hnen namens Strati beendete einen scheinbar schon vorbereiteten
Zrief, der meine Gefangennahme anzeigte. Die Räuber glaub⸗
en, ich sei ein Oesterreicher. Als sie hörten, daß ich Reichsa
eutscher sei, meinten sie, dann würden sie ein höheres Löse⸗
jeld erlangen. Die Räuber boten mir Essen und Trinken an,
vorauf die Flucht angetreten wurde. Sie waren 6 an der
zahl. Nachts *erreichten wir das Torf Selos, wo der Brief
xpediert wurde. Die Fortsetzung der Flucht wurde immer zur
dachtzeit unternommen, wobei Strati große strategische Kenntnisse
eigte. Am zweiten Tage hatten wir schon die Ebene von
zlossona erreicht. Während der Rast mußte ich die ganze Zeit
illiegen, was mir sehr schrecklich watr. In der dritten Nacht
imgingen wir in weitem Bogen den Miluna-Paß, überschritten
ann die griechische Grenze und rasteten auf einer Anhöhe.
Am nächsten Tage kamen 5 griechische Gendarmen und riefen:
zermanos! Ich durfte aber nicht antworten. Dann wurde
ie Flucht nach dem flachen Lande angetreten, wobei mir, als
bir unten angekommen waren, die Augen verbunden wurden.
die Räuber durchstreiften das Dorf Ziler, wo wir 12 Tage
lieben. Dann wurde nachts weiter marschiert und auf felsiger
öhe eine Höhle bezogen, die ich bis zu meiner Freilassung
icht mehr verließ. Ich verdanke es meinen geographischen Er—
ahrungen, daß ich den eingeschlagenen Weg feststellen
onnte. Das untätige Leben war mir schreclich;
abei stellte sich das furchtbare Gefühl des Ge—
angenseins ein. Mein Aufenihalt in der Wildnis⸗
öhle gestaltete sich entsetzlich; ich mußte den Tag über
iegen. Als die Gesangenschaft immer länger wurde, wurde
ich imme: zaghafter. Schließlich, zur Verzweiflung getrieben,
internahm ich zwei Selbstmordversuche, die mißlangen. Darauf
rfolgte dumpfe Resignation. Das Ungeziefer schien mich zu
erzehren und die schrecksiche Nongomeile erdrückte mich. Ein
Flimmernd, in nordischer Pracht, stand das Heer der
Sterne am schwarzblauen Firmament.
Wieder erstrahlte der Park in magischem Schein.
Girlanden von leuchtenden Lampions zogen sich von Baum
u Baum, farbige Glühlämpchen leuchteten aus den Bosketten.
Es war eine unendlich schöne, warme Juninacht, die Addys
Polterabend verherrlichte.
Die ganze Gegend war zusammengeströmt zu dem glänzen⸗
jen Fest auf Eggelow.
Wagen auf Wagen fuhr in schlankem Trab die Rampe
inan und hielt vor der alten Sandsteintreppe. Und die Ge—
indestube vermochte die fremden Kutscher und den Tabaks-
ualm kaum mehr zu fassen.
Im großen Saal empfing die alte Baronin ihre Gäste.
Mit unnachahmlicher Würde stand sie, im weithin schleppenden
»ioletten Moirékleide, inmitten des schönen Raumes. Eine
Fürstin hätte nicht fürstlicher Cercle halten können.
Von dem pompejanischen Rot der Wande grüßte die lange
keihe der Ahnen. Seit Jahrhunderten war ihre Umgebung
die gleiche geblieben, die steifbeinigen, wenigen WMöbel, dia
mmer mehr erbleichende Seide der Vorhänge und Bezüge
zild hatte sich an Bild gereiht, und immer neue Geschlechtet
achten oder weinten, tanzten oder trauerten unter den gewala
igen Augen der Dahingeschiedenen. Hochzeiten, Taufen und
„ie letzte Feier am dunkelgebeizten Cichensarg hatten von bicg
hren Ausgang genommen. 7.55 J
An vergangene Zeiten, „an die Geschichte dieses Saales
zachte freilich heute niemand. Jeder lebte nur der frohen
Segenwart.
Fenster und Türen, die auf die Terrasse hinausführtem
varen weit geöffnet, und breit und warm flutete die dunste
Jeschwängerte Soinmerabendluft herein. Sie vermischte sich mit
jem traulichen Wohlgeruch der Kerzen, die in großer Anzabl
ruf dem alten Messingkronleuchter und ringsum auf den
Wandarmen angebracht waren, und versuchte erfolgreich die
oerschiedenen Parsüms zu übertäuben, die die Festaewänden
usströmten.
Wenige Schritte hinter der Großmutter stand das
Brautvaar.
Mit immer neuer Lust empfing Addy die ihr dargebrachten
Erstes Blatt. hierzu z2. Blatt.
Amfang der heutigen Nummer 63 Seiten.
—n———————“—„ tsαααιαααααααααααιαα
Nichtamtlicher Teil.
Die Gefahren des Friedens.
Vom Generalleutnant z. D. von Alten.
„Der ewige Friede ist ein Traum, und nicht einmal ein
schöner.“ Der greise Marschall Moltke sprach das Wort. Wer
»en Krieg gesehen hat, der weiß, welche Leiden er schafft,
»er weiß aber auch, welch wunderbare, stählende und be—
ebende Kraft von dem Kampfe um das geschichtliche Recht
»es Staates ausgeht. Durch keine andere Ursache wird der
Mensch derart aus dem Getrkebe der Alltäglichkeit, der Sorge
um Geld und Gewinn, der Einseitigkett des Berufes und
einer beschränkten Pflichten aufgerüttelt. Der Ruf zu den
Waffen eint Parteien und Fraktionen, die eben noch als
inversöhnlich galten; aus den Einzelnen, die ihren Weg im
Hewühl suchen, unbekümmert um den Nächsten, schafft er
eine feste Masse, in der jeder treulich zum anderen steht,
aAlle getragen von dem erhebenden Bewußtsein, Blut und
deben der Gesamtheit zu weihen. Auf dem Schlachtfelde
chmilzt die harte Kruste der Selbstsucht; die Todesnot einigt
ind reinigt die Herzen. Unter dem Donner der Geschütze
und dem Pfeifen der Kugeln sprießen Mannhaftigkeit und Ent—
chlossenheit auf, das dürre, zähe Friedensunkraut der Weich—
——
iber den Tod des Gatten, des Vaters, des Bruders lindert
und läutert das Bewußtsein, daß er fürs Vaterland auf dem
Felde der Ehre fiel.
Wer auf der Walstatt furchtlos dem Tode ins Auge
ah, der lehrt auch seine Kinder und Enkel, daß Treue, Hin⸗
gebung und Ehre mehr wert sind, als das Leben. Die
reudige Bereitschaft, es für das Gesamtwohl zu opfern, ist
der unentbehrliche Kitt der Volksgemeinschaft. Wie aber soll
ie gepflegt und erhalten werden, wenn schlaffe Friedseligkeit
den kriegerischen Tugenden die Wurzel abgräbt?
Oft genug hat die Geschichte den Völkern schlagend be—
viesen, welche Gefahren der Frieden birgt. Wer sein Recht
auf Erden nicht von einer über den Parteien stehenden Ge—
valt erlangen kann, der muß es erkämpfen, wenn er nicht
tnecht werden will. Wehe darum dem Volke, das seine
Waffen rosten läßt. Die traurigen Erfahrungen von Jendä und
IRlmütz sind für unser Vaterland scharfe Mahnungen gewesen.
Wir haben zwar nach unserem letzten großen Siege über
Frankreich die Rüstung nicht abgelegt, unsere militärischen Ein—
richtungen nicht verkümmern lassen, aber die fortwährende
Betenerung unserex Friedensliehe unserer Friedenssehnsue
A—
—A
unseres Friedensbedürfnisses bedeutet eine bedenkliche Schwäche.
die Vortrefflichkeit der militärischen Organisation, der Waffen
ind der Ausbildung ist die unentbehrliche Grundlage kriege—
ischer Leistung, doch sie allein verbürgt den Erfolg noch
iicht. Zu ihr muß sich der kriegerische Geist gesellen, den
in Zukunftskrieg nicht nur von den Männern unter der Fahne,
endern vom ganzen Volke fordern wird. Soll die Kraft
es im Felde stehenden Heeres nicht erlahmen, so muß es
hissen, daß hinter ihm ein unerichütterlicher, standhafter Volks—
ville steht.
Der Glaube an unsere Friedfertigkeit reizt unsere Nachbarn
wur zu Uebergriffen, die, früher oder später, unsere Hand
chließlich doch noch an den Schwertgriff zwingen werden.
Wir aber brauchen einen stolzen, glorreichen Frieden, der
—
insere Tatfraft lähmt und uns beschämende Opfer auferleat!
r
tin vernünftigeres englisches Urteil über Deutschland
ällte — scheinbar unter dem Einfluß der ernst entschlossenen
?timmung, die im deutschen Volke durch die englischen
reistigkeiten und Drohungen erzeugt worden ist, — gestern
er Observer, der sonst zu den schärfsten Blättern gehört.
dach dem B. JW. ermahnt er seine Landsleute vor der
kendenz, überall, wo Deutschland sich zu expansieren sucht,
ritische Interessen bedroht zu sehen.
Solche Tendenzen seien das Werk von Finanzleuten
nd Konzessionsjägern, die für die pätriotische, aber
venktfanle Masse Vogelscheuchen, wie ein angebliches
iesiges deutsches Reich in Afrika, das den eng⸗
ischen Süden von dem englischen Norden ktrenne und den Süden
urch eine Kannibalenarmee bedrohen würde, errichten.
das Blatt kommt zu folgendem Schluß: „Wenn wir, wie
»ir es tun, mit Deutschland in Frieden leben wollen,
rüssen wir vernünftig sein. Unsere Interessen erstrecken
ich über die ganze Welt. Es gibt kein Gebiet, wo nicht
rößere oder kleinere Interessen mit dem Anspruch éiner
remden Nation auf den Platz an der Sonne zu—
ammenprallen. Wir müssen entscheiden, welche Interessen vital
ind und welche nicht, nicht auf Grund finanzieller In—
eressen, sondern auf Grund der Reichssicherheit. Letztere
zürde durch den deutschen Erwerb eines marokka—
ischen Hafens bedrohrt, jedoch nicht durch irgend etwas,
zas Deutschland im Kongo erwirbt. Wir setzen dabei vor—
rus, daßß das nicht von Frankreich erpreßt wird. Wir
ollten Deutschlands Wünschefördern. Wir sollten
ber nicht hier Halt machen. Deutschland hat Ambitionen
n anderen Teilen der Welt, gleich unschädlich für
ins und unsere Freunde. Es ist sogar der Mühe wert,
deutschland in diesen Richtungen zu beschäf—
igen. Wir besitzen bereits die meisten erstrebenswerten Punkte
t der Erdoberfläche und haben genug zu tun, um sie aufzu-
Der Liebe Götterstrahl.
Roman von Marga Rayle.
06. Fortsetzung.) WMachdrud verboten.)
Plötzlich, wie aus der Pistole geschossen, stürzte Breesa
uf die Dame seines Herzens zu und überreichte ihr, das
nie beugend, die Rosen. W
Nini warf das reizende Köpfchen stolz in den Nacken
Solche Huldigung! J
Wenn sie das der Cousine schreiben konnte, die sich so mit
vem Prinzenbild groh tat! Sie beschloß sofort, ihr, um
den Triumph noch zu erhöhen, eine Photographie Josas zur
Ansicht beizulegen. Denn das mußte ja dann selbst ihr ärgster
Feind einsehen, was das heißen wollte, neben solcher Schön—
jeit den Parisapfel zu erringen! Cin Jammer, daß die Cousine
im Genfer See weilte und diesen hisstorischen Moment hier nicht
nit erlebt hatte.
Nur ungern entließ sie das Sträußchen wieder aus der
sand, das ihr Ingeborg fast ungestüm entriß.
Herausfordernd trat sie vor den Vetter hin.
„Hier, Hans!“ J J
„J, ich werd'n Deubel tun und mir die Finger verbrennen !d
veterte der Riese sich. ‚Und außerdem — ich sehe hier sechs
Damen, da wird einem die Wahl denn doch zu schwer!“—
Mit diesem gutmütigen Scherz brach er Ingeborgs Takt—
osigkeit die Spitze ab, die auch Josa länast veinpvoll
mopfand.
Aber was hätte sie zu tun vermocht? Nur Ingeborgs
Witze herausgefordert durch eine Einsprache, und das vermied
nan besser. Sie konnten gar zu leicht peinlich werden für alle.
Ingeborg war ltief enttäuscht. Der ganze Spaß fiel ins
Wasser. Um das ersehnte Schauspiel, wie der Graf sich aus
zer Afsäre ziehen würde, ward sdie schnöde betrogen “!.
Säütte sie geahnt, daßz sein Plan längst hinter seiner un—
vewegten, schwermütigen Miene festitand!:!: —
Sein Weltmännertum war ilbrer naiven Harmlosigkeit denn
»och über. J
Sehr scharf hatte sein verschleierter Blick bereits die Rosen
ms Auge gefaßt. Ohne Schwierigleiten würden sie sich drei—
teilen lassen, und die passenden Worte dazu gab der Moment.
Nun wandte er sich achselzuckend an Josa.
„Schade,“ sagte er mit eigentümlicher, vielsagender Be—
onung, „sehrt schade!“
Sie würde ja begreifen, was das heißen sollte. „Dir,
zu Schönste, hätte ich anbetend den Preis zuerkannt!“.
Gewarnt durch ihren abweisenden Blick von vorhin, sprach
r Gleichgültiges zu ihr, aber der Klang seiner Stinme offenbarte
alles, was das Wort verschwieg.
Er hatte ein weiches, etwas verschleiertes Organ, das
inmittelbar zu den Sinnen des Förers sprach. Durch die
»analsten Worte konnte der Gegenstand seiner momentanen Ver⸗
hrung sich förmlich eingehüllt fühlen in schwüle, verborgene
zärtlichkeit. Und durch dieses Mansver wollte er jetzt Ein—⸗
ruch zu machen versuchen. Die Scharte von vorhin mußte
vieder ausgewetzt werden. 0
Doch blieb sie kalt.Ohne unfreundlich zu sein, verharrte
sie in kühl-freundlicher Zurüchaltung.
Staunend sah es die kleine Gräfin mit an, die an ihrer
inderen Seite durch die sonnige Dorfstraße dem Herrenhause
uschritt.
Das war so neu.
Sollte es wirklich Frauen geben, bei denen das Werben
hres Mannes keinen Widerhall fand? So lange sie ihn kannte,
atte sie es nicht erlebt. Er hatte immer Glück gehabt
— immer. Er war nun einmal eine Siegernatur. Man konnte
hm nicht widerstehen!
Mit ungläubigem Lächeln blidte sie zu Josa auf. Sie
ätte vor ihr niederknien, ihr danken, sie sednen mögen.
Und dennoch! O ihr rätselhaften Tiefen in einer lie—
venden Frauenseele!
Von Stund an besaß Josa eine Feindin in der Gräfin
hanzau. Hatte sie sich doch eitühnt, dem vergötterten Manne
ine Niederlage zu bereiten! —
J VII.
J In gigantischer Schönheit, mondlichtumflossen, glänzte das
?ẽchloßß von seiner stolzen Höhe hinüber zun silberschimmern -
en. leise atmenden Meer