Full text: Lübeckische Anzeigen 1911 (1911)

3 79 4 —3 7 —— J 8 4. —* —42 
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S2 —1B 13824 — Ek7— — 34138 
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8 
Ausgabe 4. 
Morgen⸗Blatt Nr. 445. 
Tagesberich. 
Lübed, 3. September. 
XDen Vorlitz in der Justizkommission, sowie in der Vor⸗ 
—D Dr. 
Fehling wieder übernommen. 
X Zum Mitgliede des Disziplinarhofes für Beamte hat 
der Senat an Stelle des in den Ruhestand getretenen Herrn 
Landgerichtsrat Dr. Sommer das bisherige stellvertretende 
Mitglied Herrn Landgerichtsdirektor Dr. G. Meyer bis 
zum Ablauf des Jahres 1915 ernannt. 
Mineralwasser im Schlafwagen. Ein rheinischer Indu— 
strieller hatte dem Eisenbahnminister folgendes Schreiben zu— 
gesandt: „Dem Wunsche vieler Reisenden entsprechend, welche 
gezwungen sind, nachts zu fahren, und dazu die im übrigen 
trefflichen Schlafwagen der preubischen Staatsbahnen benutzen, 
möchte ich Ew. Exzellenz doch bitten, wieder, wie es früher 
allgemein üblich war, zu gestatten oder besser zu verlangen, 
daß die Schlafwagenschaffner Mineralwasser führen, was, wie 
sie behaupten, ihnen seit einiger Zeit verboten worden ist 
Es ist im hygienischen Interesse dringend nötig, daß die Rei— 
—DD0 
ralwasser zur Verfügung haben, damit sie nicht gezwungen 
jind, den Durst mit dem Wasser zweifelhafter Herkunft zu 
tillen, das in den Karaffen des Schlafwagens mitgeführt 
wird.“ Darauf ist folgende Antwort erfolgt: „In früheren 
Jahren wurde in allen von preußischen Verwaltungen ge— 
tellten Schlafwagen Mineralwasser durch die Schlafwagenwärter 
vorrätig gehalten. In einzelnen Wagen wurde von dieser 
Einrichtung seitens der Reisenden jedoch so wenig Gebrauch 
gemacht, daß sie zum 1. Okt. 1909 aufgehoben wurde. Vom 
1. Maisd. J. ab ist indes auch in diesen Wagen der Wirt— 
schaftsbetrieb wieder eingerichtet worden, so daß nunmehr wie— 
der in allen preußischen Schlafwagen Mineralwasser geführt 
wird.“ 
Verein gegen den Mißtbrauch geistiger Getränke. In 
den 7 Verkaufsstellen wurden vom 1. bis 31. August 1911 
abgegeben: 
im Interesse des beteiligten Publirums, sondern auch der Be⸗ 
vörden, und das Publikum kann im allgemeinen darauf rechnen, 
zaß die eingelegten Briefe und Schriftstücke unmittelbar nach den 
neslgesetzten und auf den Kasten vermerkten Leerungszeiten 
in die Hände derjenigen Stellen gelongen, für die sie bestimmt 
sfind. Ällein aus diesem tatsächlichen Verhältnis kann noch 
nicht hergeleitet werden, daß schon die Einlegung rechtlich 
als die Cinreichung bei der betreffenden Stelle zu er— 
achten ist. Zu dieser gehört, dak das einzureichende Schrift⸗ 
tüd in den Besitz des betreffenden zuständigen Beamten 
zelangt, und die Zeit, wo dies geschieht, ist mnaßgebend 
ür die Frage der Wahrung der Notfrist, die durch die 
kinreichung bedingt ist. Die Partei, die sich zur Uebermittelung 
ines Schriftstückles an die Behörde des für diese eingerichteten 
Zriefkastens bedient, tut es auf ihre Gefahr. Auch 
u den Fällen, in denen der vor Ablauf der Frist in den 
Zriefkasten gelegte Schriftsatz verspätet in die Hände des zu— 
fändigen Beamten gelangt, obschon nach dem ordnungsmäßigen 
zeschäftsgang angenommen werden onnte, daß dies recht⸗ 
eitig erfolgen würde, kann die Frist nicht als gewahrt er— 
ichtet werden. Ta aber im vorliegenden Falle eine Leerung 
es Briefkastens nach 8 Uhr abends überhaupt nicht mehr er— 
dartet werden konnte, wie der Absender aus dem Vermerk 
zer Leerungszeiten jederzeit hätte ersehen können, so mußte 
zie Frist als nicht gewahrt erachtet werden. 
V Das Sedanturnen der Lübeder Volksschulen am gestrigen 
Tage, worüber wir bereits an anderer Stelle berichteten, 
zatte folgendes Ergebnis: Dreikampf der Schulen: 
. Preis: II. St. Lorenz-Knabenschule mit 472 Punkten, 
2. Preis: Hĩ. St. Lorenz-Knabenschule mit 467 Punkten, 
. Preis: Dom-Knabenschule mit 428 Punkten, 4. Preis: 
V. St.Lorenz-Knabenschule mit 418 Punkten. Als Höchstleistung 
ind in den einzelnen Uebungen zu verzeichnen: Dreisprung: 
Im, Schlagballweitwerfen 61,60 m und Lauf (100 w) 1344 
Zek. — Stafettenlauf um den Wanderpreis der 
Aberschulbehörde: Sieger: II. St. Lorenz-Knaben⸗ 
chule in 2 Min. 3255 Sek. — Schlagballwettspiel: 
ZJetri-Knabenschule gegen J. St. Jürgen-Knabenschule, 78: 30 
Lunkte. Wettspiele im Faustball: II. St. Lorenz-Knaben— 
chule gegen J. St. Gertrud-Knabenschule, 48: 31, IV. St. 
dorenz-Knabenschule gegen J. St. Lorenz-Knabenschule, 47: 35, 
II. St. Lorenz-Knabenschule gegen II. St. Lorenz-Knabenschule. 
53 (abgekürzte Zeit). 
Ausnahmetarif für Futter⸗ und Streumittel. Der auf 
en preußischen und einigen andern Staatsbahnen eingeführte 
Lusnahmetarif für bestimmte Futter- und Streumittel in 
WPagenladungssendungen findet vom 1. Sept. d. J. ab auch 
m Binnenverkehr der Lübeck-Büchener Eisenbahnen 
uind im Verkehre mit Stationen anderer Eisenbahnverwal 
ungen Anwendung. Die Güterabfertigungen der Lübeck 
Büchener Eisenbahnen erteilen auf Befragen nähere Auskunft 
bitr. Die Zuneigung der Tiere. Um Liebe bei den Tieren 
u erwecken, muß man ihnen mit Liebe entgegenkommen. Ihre 
Intelligenz kann nur der studieren und wahrnehmen, der sit 
ntelligent behandelt. Roheit macht die Tiere wild und führt 
sie zum Zweck. Jedes Tier hat Gütle, jedes besitzt eine Er— 
ebenheit. aber all dies wird der nur erfahren, der ihnen 
reundlich entgegenkommt. Es gibt Leute, die den Tierfreund, 
der von den Tieren Gutes, lobende Eigenschaften vorzubringen 
veih. der Parteilichkeit zeihen, weil sie seibst den Tieren 
zegenüber nicht unparteiisch sein können. Ein Tier rerstehen 
'ann man nur, wenn man es lieb hat. Und nur Liebe 
ann Gegenliebe finden. 
Eleltrisches Licht auf der Eisenbabhn. Nachrichten ausEisen— 
»ahnkreisen zufolge scheinen nunmehr die preußisch-hessischen 
Staatsbahnen das elektrische Licht zur Zugbeleuch⸗ 
tung heranziehen zu wollen. In den vrergangenen Jahren 
waren infolge durch Gasaustritt vorgekommene Unglücksfälle 
bereits die Schlafwagen mit dem Beleuchtungssystem der Ge— 
seilssaft für elektrische Zugbeleuchtung in Berlin ausgerüstet 
worden. Nunmehr soll in gleicher Weise eine großke Anzahl der 
neuzubeschaffenden D-Zugwagen statt mit Gaslicht elektrisch 
ausgerüstet werden. Dies wäre ein Fortschritt gegenüber der 
unzulänglichen und nicht ungefährlichen Gasbeleuchtung. Jeden 
Wagen wird seine eigene Dynamomaschine nach Bauart Rosen⸗ 
herg kragen, die von der Achse des Wagens aus mittels 
Riemen angetrieben wird. Es hat also die Lokomotive außer 
der Zugtraft, der Heizkraft und der Bremskraft nunmehr 
auch noch die Kraft für das Licht herzugeben. Die Eigenart 
der Rosenberg-Dynamomaschine besteht darin, daß lie bei jeder 
beliebigen Umdrehungszahl die gleiche Klemmenspannung er— 
zeugt. Dies ist von Wichtigkeit, damit das Licht bei allen 
Feschwindigkeiten gleich hell brennt. Für die Beleuchtung des 
Wagens während des Stillstandes ist eine besondere Akku⸗ 
nulatorenbatterie eingebaut. die sich während der Fahrt selbst⸗ 
ätig auflädt. 
5v8 Fansatheater. Nach den Ringkämpfer⸗ und Varietẽ— 
rummern des letzten Monats ist Freitag abend die amerika— 
uische Sensationskomödien-Company unter der hier bereits 
zestens bekannten Direktion Arthur Taeger zu einem 14tägigen 
Gastspier eingezogen. Die Schauspielzeit des Hansatheaters 
wurde dadurch recht vielversprechend eingeleitet. Die Gesell— 
chaft brachte das nach dem bekannten gleichnamigen Roman 
don Stevensen für die Bühne von Adolf Steinmann bear— 
beitete Schauspiel , Der Selbstmordklub“ zur Auffüh— 
ung, das bereits an anderen Bühnen, u. a. in Berlin, viele 
jundert Male gegeben wurde. Auch hier in Lübeck war die 
lufnahme des Stückes eine recht beifällige. Das Schauspiel 
— 
elbst spielt in ihm eine Hauptrolle. Das Publikum wird vom 
ersten bis zum letzten Akt in die gröhte Aufregung versetzt, 
eine Szene ist effektvoller als die andere. Das Ende wird aber 
vieder versöhnend. Den Inhalt wollen wir nicht verraten, um 
den Besuchern den Nervenkitzel nicht zu verderben. Gespielt 
vurde recht gut, besonders sind die Leistungen des Herrn Edgar 
Preuß (Sherlock Holmes), Richard Dürfeld (John Vander— 
gould), Arno Hofmann (Triggs) und Robert Zimmer-— 
nann (Vräsident des Selbstmordklubs) sowie der Damen Claire 
Helliot) (Schwester des Vandergould), Gertrud Walter 
Dolores) hervorzuheben. Hoffentlich, werden die folgenden Vor⸗ 
ttellungen besser als die erste am Freitag abend besucht werden; 
ein Besuch ist allen denen zu empfehlen, die Freude an Sensa— 
tionskomödien haben. 
Gläser Tassen Stück Fher Tassen 
Butterm. Suppe Brot Milch Kaffee 
Markt 263216 163 is 4380 
Struckffähre 527 164 2100 281 1790 
Lastadie 7386 80 2024 1622 3595 
Markthalle 237 127 2167 477 6158 
Untertrade 140 106 921 267 1777 
Hartenfeld Genineritr. — 8 882 177 142 
Holstentor 273 198 2809 291 2004 
2226 899 12528 3296 19936 
Außerdem wurden abgegeben: 308 Portionen Speise, 634 Por⸗ 
lionen Wurst, 170 Gläser Selterwasser, 486 Gläser Limonade. 
S Kohleneinfuhr. Für die Firma Heinrich Diestel werden 
demnächst die beiden Dampfer „ Horneborg“ mit 1800 To. und 
„Staala“ mit 1500 To. Kohlen erwartet. 
Mit der Einlegung eines Briefes in den Sausbriefkasten 
einer Behörde ist nach einer lürzlich ergangenen Reichsgerichts— 
Entscheidung die Einreichung des in dem Briefe enthaltenen 
Schriftstücke; an die Behörde noch nicht erfüllt. Das Kammer— 
gericht Berlin hatte in einem Berutungsurteil ausgeführt, die 
Notfrist für die Einlegung der Berufung sei nicht dadurch 
zewahrt worden, daß die Berufungsschrift am letzten Tage 
der Berufungsfrist zwischen 7 und 8 Uhr abends in den am 
Kammergericht angebrachten Briefkasten eingeworfen worden 
sei. Tas Reichsgericht hat diese Auffassung folgendermaßen 
bestätigt · Die Einlegung eines Schrijtstückes in einen für amt— 
liche Schriftstücke bestimmten, am oder im Amtsgebäude oder 
in der Nähe befindlichen Briefkasten bildet nicht den Rechts- 
ikt der Einreichung bei der Bebörde. Solche Briefkasten 
dienen zwar azur Erleichterung des Geschäftsverkehrs nicht nur 
Nochmals Heilung der Maul⸗ und Klauenseuche. Herr 
Regisseur Ernst Albert ersucht um Aufnahme folgender 
zeilen: „Die Anfragen, Belobigungen, Angriffe, Anerbietungen 
isw. über meine auf genaue Naturbeobachtungen gestützte 
Vermutung, daß der Erreger der Maul- und Klauenseuche 
ine kranke Fliegenart, häufen sich aus aller Herren Länder 
derart, daß mir eine Beantwortung ganz unmöglich ist. Ich 
teile daher auf diesem Wege mit, daß die bakteriologischen 
Intersuchungen hier in gewissenhafter Weise im Gange sind. 
zedenfalls hat meine Beobachtung in wissenschaftlichen Kreisen 
»iele und begeisterte Anhänger gefunden, die nun, zu meiner 
zrößten Freude, nach dieser Richtung hin weiterforschen, wo— 
nit der Zweck meiner Beobachtung erreicht ist. So schreiben 
inter vielen anderen Berufenen Herr Dr. Carl Bott und 
derr Dr. E. Ostermann, Herford: Auch wir sind der Ueber—⸗ 
eugung, daß die Insekten bei der Uebertragung der Maul—⸗ 
uind Klauenseuche eine große Rolle spielen und sind be— 
zierig, festzustellen, ob sich in Ihren kranken Fliegen die— 
elben Abweichungen finden, die wir im Blute kranker Tiere 
iachgewiesen haben.“ — Dagegen bleibe ich, trotz der aus— 
gezeichneten Besprechung des Herrn Arsztes in Allenstein, bei 
J 
hängnis weiter um sich, bis schließlich, wie es bei Busch heißt, 
alles blank ist. Da gilt es, beizeiten vorzubauen und seine 
Mitmenschen rechtzeitig an das Unabwendbare zu gewöhnen. 
Man soll, wie ein Humorist in einer amerikanischen Zeitschrift 
ausführt, die beginnende Glatze nicht verdecken, sondern sie 
mannhaft tragen und 'demgemäß sein Haar schneiden und 
lämmen. Zwei Arten gibt es, die der Verfasser (der wahr— 
cheiklich längst „eine bis auf die Schultern herabwallende 
Hlatze“ trägt) besonders empfiehlt, nämlich den Seitentrick 
und den Rückentrick. Der erste — vom Berliner als 
Sardellenfrisur bezeichnet — besteht darin, daß man das 
Haar auf einer Seite lang wachsen läßt, während es auf der 
anderen kurz geschnitten wird; dann wird in bekannter Weise 
das lange Haar quer über den Schädel hinweg gelegt, 
wobei dafür zu sorgen ist, daß es sich nicht unbotmäßig 
aufrichtet und auf die Schulter herabhängt. Man muß es 
mit den groben Zinken des Kammes noch einmal durchpflügen, 
damit es hübsch gleichmäßig verteilt wird; es schadet gar 
nichts, wenn sich der Kopf hierbei einige Blößen gibt, denn 
es kommt ja nicht darauf an, diese unsichtbar zu machen. 
Auf die andere Art erreicht man das Gleiche von der Rüc— 
eite her; man läßt die Haare, soweit sie noch vorhanden; 
am Hinterkopfe lang wachsen und schneidet die vorderen Haare 
kurz. In der Mitte kann bei dieser Frisur eine große Lücke 
bleiben, an den Seiten dagegen legt man die Haare bogen— 
förmig nach den Schläfen zu, ja wenn noch genug vorhanden 
ind, kann man auf der Stirn eine Napoleonlode anbringen. 
Bei dieser Frisur ist die Symmetrie die Hauptsache. Wer 
eine dieser beiden Arten wählt, kann der Zukunft getrost 
ins Auge blicken, denn seine Nebenmenschen werden nicht ver— 
wundert sein, wenn eines Tages auch das letzte Haar ver⸗ 
schwunden iĩñt 
Mode und Ehrlichkeit. 
Ich entsinne mich noch, wie mir in meiner Kindheit die 
Großmutter eine mollig warme Kopfbedeckung gestrickt hatte, 
die Ohren und Hals umschloß und für meinen Schulweg über 
Feld in die Stadt im Winterwind unzweifelhaft recht prak— 
tisch war. Da ich aber in der Schule der einzige war, 
der ein solches Kleidungsstüch trug, so gab es bald Gehänsel 
und Geneck, und die Folge war, daß ich die schöne warme 
Mütze, die Großmutter mit so viel fürsorglicher Liebe für 
mich gestrickt hatte, nicht mehr aussetzte. Da half kein Bitten, 
Zureden noch Drohen. 
Der Herdentrieb! oder moderner ausgedrückt: Massen— 
suggestion! Das Geneck hatte nun einmal das allgemeine 
Urteil zustande gebracht, der Vernunft zum Trotz, und dem 
Fluche der Lächerlichkeit wollte ich nicht verfallen. Bewundert 
auffallen, das lockt schon; aber lächerlich? Das Lächerliche 
jürchten die meisten Menschen mindestens ebensosehr wie das 
Unmoralische. 
Angenehm ist's in der Tat auch für den Verständigsten 
nicht, durch seine Kleidung aufzufallen. Sich durch eine neue 
Mode berühmt machen zu wollen, ist ihm selbstverständlich 
zu kleinlich. Das überläht er leeren Köpfen, die für wich— 
tigere Zwedde sowieso verloren sind. Aber durch allzu un— 
modernes Aeußere aufzufallen, ist auch lästig und störend. 
Will man von seinen Mitmenschen möglichst ungeschoren seines 
Weges gehen, so paßt man sich ihnen am besten soweit 
an, als zum Zwecdh des Nichtauffallens nötig ist, auch in 
der Kleidung. Das Sprichwort, daß man mit den Wolfen 
heulen müsse, hat nach dieser Seite hin einen harmlosen 
Sinn, den man gelten lassen kann. 
Deshalb braucht man aber doch nicht ohne weiteres jede 
Dorheit der rasch wechselnden Mode mitzumachen. Man kann 
ein Selbst trotz einer gewissen äußeren Anpassung auch hier 
„»ewahren. Das gilt für die Frau nicht minder wie für 
»en Mann. Vor allem ein Grundsatz gilt da auch für die 
Kleidung wie für alle anderen Gebiete des Lebens: Nicht 
nehr scheinen zu wollen, als man ist! Man wähle seine Klei⸗ 
»ung so, wie sie nicht nur cefällig, sondern auch zweck⸗ 
mnähig und den Aufgaben der eigenen Lebensstellung ent— 
sprechend ist. Das Dienstmädchen mit dem weißen Häubchen und 
der sauberen Schürze sieht besser aus als die mit Federhut 
und Samtjackett aufgedonnerte Köchin. Und das erstere spart 
sich und anderen Enttäuschungen, die verhängnisvoll werden 
können. 
In Frauenzeitungen las ich schon den Rat, getragene 
Kostüme zu verkaufen. Die Damen erleichterten dadurch sich 
'elbst finanziell die Anschaffunge neuer Festgarderobe und er—⸗ 
nöglichten anderen, sich Kleider billig zu erwerben, für die 
onst ihre. Mittel nicht ausreichen würden. Das ist kein ge— 
undes Prinzip. So wenig, als wenn sich jemand Bücher 
aufte, um sie später wieder loszuschlagen. Es gibt ja gewiß 
Lagen, in denen einer einmal so zu verfahren gezwungen 
rein kann. Aber Regel darf es nicht sein. 
Es ist gewiß nicht jeder in der Lage, sich seinen persön— 
lichen Stil auch in der Kleidung nach dem Muster des fran— 
zösischen Stilmachers Poiret auszubilden. Aber das ist doch 
das Natürliche, daß jeder sein Kleid sich nach seinem Körper, 
Geschmack und Bedarf wählt. In diesem Sinne kann das ein⸗ 
fachste Gewand — ja selbst das fsertig gekauste — etwas Per— 
önliches bekommen. Aber fremder Leute Kleider auftragen, das 
ut entweder nur die Not, die alles entschuldigt, oder die 
Großtuerei, die nicht zu entschuldigen ist, die mit einem Glanz 
renommieren will, dem ihre Mittel eigentlich nicht gewachsen 
siind. Ganz abgesehen von dem Unhygienischen eines solchen 
Kleideraustausches. 
TDas Ehrliche — es ist das durchaus nicht gleich dem Ge— 
schmadlosen! — hat auch in der Kleidung Wert und Geltung. 
R. Strecker. 
Buntes Allerlei. 
Wie man mit Anmut und Würde kahl wird. Ueber dieses 
üür manchen ziemlich knifflige Thema plaudert das Neue Pester 
Journal:. Nur wenigen Männern ist es beschieden, daß ihr 
»londes, braunes oder schwarzes Haar im Laufe der Jahre, 
ohne an Fülle einzubühen, grau oͤder weiß wird. Im Gegen— 
teil, früh, viel zu früh, weicht die Haargrenze an Stirn und 
Schläfenecken rudwärts, auf dem Scheitel entsteht der bedenk⸗ 
iche kahle Fleck und von beiden Stellen aus greift das Ver— 
αQα 
ur. Gut gesagt. Als die Gattin des preußischen Staats— 
kanzlers Freiherrn v. Hardenberg, eine bürgerliche Kaufmanns— 
fochter, zum ersten Male bei Hofe erschien, richtete ein Prinz 
saut die Frage an sie: „Womit handelte doch Ihr Herr 
Vater?“ — „Mit Einsicht und Verstand, Hoheit!“ war die 
reffende Antwort. Die Bedrängte war gerettet und am Hofe 
egitimiert,
	        
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