Full text: Lübeckische Anzeigen 1911 (1911)

peste den schweizerischen Postschedbureaus und der belgischen 
Postverwaltumg wurden fast 454 Mill. M umgesetzt, und 
zwar auf 2120 Uebertragungen in der Richtung nach und auf 
doz0 Uebertragungen in der Richtung aus dem Auslande. 
Was ist Neisegepãck? Das Reichsgericht hat vor lurzer 
HBeit uüber die Frage: Was ist Reisegepäck? eine Entscheidung 
gefällt, die besonders jetzt zur Reisezeit zur Verhütung 
dieler unbegründeter Beschwerden von allgemeiner Bedeutung 
ist. Aus Anlaß eines Falles — aus einem Behälter wurde 
Geld gestohlen — bestimmte das Reichsgericht, dah eine Sache 
ur dann als Reisegepäck angesehen werden könne, wenn 
ie sich auf dem Beförderungsmittel (Eisenbahn, Schiff usw.) 
ofsenbar zu dem Zwed befindet, um durch dieses Beförde⸗ 
wingsmittel von einem Ort zum anderen gebracht zu 
wherden und in dem Zielort verwendet zu werden. Es werden 
dagt Koffer und Gepäcdhstücke gehören, die einen derartigen 
Inhalt haben. Eine Beförderung von Geld durch die Eisen⸗ 
bahn oder Schiff komme im allgemeinen nicht in Betracht. 
Trotzdem könne auch Geld als Reisegepäck angesehen werden, 
wenn der Reisende es in einem Behälter verfrachte, um es 
don einem Ort zum anderen befördern zu lassen. Dann darf 
es aber nicht vorher benutzt werden (z. B. bei längerem Auf⸗ 
enthalt eines Schiffes im Zwischenhafen) und es darf auch 
nicht zu dem Zwed befördert werden, um unterwegs verwendet 
hi werden. In diesem Falle ist ein Gegenstand nicht als 
Reisegepäck zu betrachten und es kommen auch dann nicht die 
gesetzlichen Bestimmungen in Betracht, die für Reisegepäck 
gzelten. Dadurch wird die allgemeine Ansicht berichtigt, dahi 
jeder Gegenstand, der sich auf einem Beförderungsmittel, 
gleichgültig zu welchem Zwech, befinde, schon dadurch als 
Reisegepäck anzusehen sei, daß es sich in dem von dem 
Reisenden benußten Beförderungsmittel befinde 
d. Lübeder Vacht-⸗Club. Der Vorstand teilt uns mit, daß 
am Sonnabend, 12. August, abends 8243 Uhr ein Herrenabend 
im Kurhause zu Travemünde stattfindet. 
ve — — 
CLustfahrt. 
Inspektionsreise auf dem Luftwege. General Roques, der 
Leiter der aviatischen Abteilung der französischen Armee, unter⸗ 
nahm, wie aus Paris gemeldet wird, Donnerstag seine erste 
Inspektionsreise auf dem Luftwege, indem er sich 
auf dem Zweidecker des Hauptmanns Eteve von St. Cyr 
nach Etampes begab. 
Ein neuer HSöhenrelord für Passagierflüge wurde von dem 
Engländer de Montalent auf dem Flugplatz von Brooklands 
mit einem Breget-Zweidecker aufgestellt. Der Flieger er— 
reichte eine Höhe von 2250 m und schlug damit den auf dem 
Johannisthaler Flugplatze von Schendel aufgestellten Rekord 
von 1680 m, bei dem Schendel mit seinem Monteur t5dlich 
oerunglückte. 
Das Luftschiff „Parseval IX“ blieb am Mittwoch bei 
seinen Nachmittagsaufstiegen, wie aus Zoppot berichtet wird, 
zweimal unter sehr gefährlichen Verhältnissen an Bäumen 
hängen. Anscheinend hat eine Motor-Havarie stattgefunden. 
Weitere Aufstiege sind in Frage ⸗tια 
hermischtes. 
Zum Brande des Carltonhotels in London wird noch be— 
richtet: Die amerikanische Schauspielerin Burke, die gerade 
Toilette machte, wurde in Decken gewickelt und aus dem 
Fenster gelassen. Die Polizei hatte zahlreiche Matratzen und 
Decken herangeschafft, da mehrere Gäste nur aus den Fen⸗ 
stern gerettet werden konnten. Der bekannte amerikanische 
Industrielle Isidor Most saß beim Ausbruch des Feuers 
jerade in der Badewanne und mußte völlig nackt mit den 
Hotelgästen flüchten. Der Brand ist in dem Fahrstuhl⸗ 
schacht ausgebrochen, der die im sechsten Stock liegenden 
Küchen mit den Restaurationsbetrieben im Erdgeschoß ver— 
bindet. Dieser Fahrstuhl ist im Zentrum des Hotels einge⸗ 
baut, und von hier aus verbreitete sich das Feuer über die 
drei ersten Stodwerke. Zerstört sind nur zwei Stod⸗ 
werke, während die Restaurationsräumlichkeiten erhalten 
dlieben. Als Gast des Hotels weilte auch der Präsident der 
Newyorker Stadtverwaltung Mitchell in London, wie über— 
haupt die Mehrzahl der vom Feuer Betroffenen Amerikaner 
cind. Der Minister Winston Churchill eilte, als er von 
dem Brande hörte, selbst an die Unglücksstätte. Das Hotel— 
personal benahm sich sehr tapfer und rettete soviel 
wie möalich vom Gepäd der Reisenden. Zur Zeit des Aus— 
— u 
Tas sollten sich unsere Dramatiker, insonderheit die jungen, 
zesagt sein lassen und ihre beste Kraft nicht mit Ehestands⸗ 
urungen und Perversitäten verzetteln! Freilich, den rechten 
Stoff zu finden, dazu gehört schon ein echter dramatischer 
Dichter, und den gefundenen zu meiltern, dazu gehört wieder 
einer. Schönherr hat den glüdlich gefundenen Vorwurf ge— 
meistert, schlicht und kecht, wie es seiner Kraft entsprach. 
Aus seinem Schauspiel spricht alies, was gut und kräftig, 
was gesund und zukunftsfroh ist, zum deutschen Volke. Nicht 
die Gedankentiefe, nicht der Zauber der Poesie machen seine 
Stärke aus, sondern die Tiefe der Ueberzeugung und der 
Zauber. den ganze, vollsaftige Menschenschöpfungen eines Poeten 
siegend ausüben. 
Die Darstellung war durchweg vor üglich. Der Unverträglich- 
keit zwischen Schminke und Sonnenlicht waren die Kuntler 
geschidt aus dem Wege gegangen, indem sie das Schminken 
kunlichst einschränkten. Auch Perücken und Bärte wirkten echt, 
bis auf die Perude des Sandpergers mit ihrem vadernelben 
Scheitel. Dabei kam ihnen allerdings zuftatten. daß die 
Sonne in ihrem Rüden schien und nicht die Gesichter traf. 
Ueber die Einzeldarstellungen bann ich mich leider nur sehr 
kurz fassen. Sie waren zum Teil ganz hervorragend, wie 
der Christoph Rott von Alexr Otto. Besonders ergreifend 
war die innige Heiterkeit, die nach Ablegung des Bekenntnisses 
sein Wesen stützte. Frl. Marner spielte sein Weib herb 
droßzügig und wahrhaftig. Sehr fein herausgearbeitet wat 
der Alt⸗Rott des Dr. Pöschko und Frl. S0ppeden stellte 
einen frischen, trotzigen Bengel hin von großer Natürlichkeit. 
Motzdem scheint mir erwägenswert, ob man den ,Spatz“ 
nicht doch lieber männlich besetzt. Rotted war ein Peter 
Rott von ergreisender Eindringlichkeit. Fri. Sprengel spielte 
die Sandpergerin tief innerlich und heroisch Otto Bredow 
fand sich mit der häufig ins Weatermähige hinüberreichenden 
Gestalt des wilden Reiters ausgezeichnet ab, indem er sich nach 
jeder Richtung vor Uebertreibungen hütete. Ueber die Berech 
tigung des Vagantenpaares im Schönherrschen Drama kann 
hier nicht a baehandelt werden. Die Wucht der Tragödie und 
die zwingende Stimmungsmacht ihrer künstlerischen Wiedergabe 
waren es, welche gestern auf der Travemünder Parkwiese trotz 
allen Etbrungen des Ortes und der Zeit einen glänzenden Sieg 
bruchs des Feuers befanden sich ungefähr tausend Per— 
fonen in dem Gebäude. Das Dach st ürzte ein und zer— 
törte viele Räumlichkeiten im vierten und fünften Stockwerk 
In eine eigentümliche Situation kam der amerikanische Gene— 
al Suddleston, der leicht bekleidet in seinem Zimmer 
mit Schreibarbeiten beschäftigt war, als er plötzlich das Feuer 
dbemerkte. Durch die Tür konnte er nicht mehr, da die 
Flammen schon durch den Korridor schlugen. Er stieg zum 
Fenster hinaus und rief um Hilfe. Zehn Minutenhing 
er schwebend am Fensterkreuz, bis endlich zwei An— 
Jestellte des Hotels ihn aus seiner Lage befreiten. Staats 
ekretär Dernburg reiste vor einigen Tagen allein nach 
London. Seine Familie befindet sich im Ostseebade Ahrens 
hoop. Dernburg hat vorläufig im Savoyhotel Unterkunft 
gefunden. Gleichzeitig war in dem Hotel der amerikanische 
Frfinder Thomas A. Edison abgestiegen, der ebenfalls 
vertvolles Gepäck verloren hat. Im ganzen wird der Schaden 
auf ungefähr eine Million Mark festgesetzt. Ueber 
zie Ursache des Brandes ist noch nichts Genaues festge— 
tellt worden. Wie ferner aus London gemeldet wird, war 
das Feuer im Carltonhotel gegen 11 Uhr abends völlig 
gelöscht. In den ausgebrannten Räumen wurde bei den Auf— 
umungsarbeiten die verkohlte Leiche des amerikanischen 
Zchauspielers Finney gefunden. Drei Feuerwehrleute mußten 
wegen Ueberanstrengung ins Krankenhaus gebracht werden, 
doch ist ihr Zustand nicht bedenklich. Das herrliche Ge 
bhäude ist einer der imposantesten Hotelbauten der Gegen— 
wart. Es liegt an der Ecke des Hawymarket in der Pall 
Mall neben dem Haymarket⸗-Theater im Herzen der Stadt 
Seine Gäste rekrutieren sich aus der vornehmsten inter 
nationalen Gesellschaft. Es wird vornehmlich von Deutschen 
besucht. Auch der Kronprinz und andere deutsche Prinzen 
haben gelegentlich ihres Aufenthaltes in London im Carlton—⸗ 
hotel gewohnt. 
Ueber das Grubenunglück in Bochum machte ein Bergmann, 
der sich auf dem verunglüdcktten Förderkorb befand, aber un— 
verletzt geblieben ist, über den Hergang folgende Mit— 
eilungen: Das Unglück ereignete sich um 5 Uhr, als eben 
mit der Einfahrt begonnen worden war. Vorschsriftsmäßig 
vurde bei dem ersten Transport nur einer der beiden 
Förderkörbe besetzt, der andere suhr leer. Der erste Trupp 
Bergleute war ungefährdet in die Grube eingefahren, beim 
zweiten Transport geschah das Unglück. Es hatten quff dem 
einfahrenden Förderkorbe 48 Bergleute Platz genommen, die 
tich auf mehrere Etagen verteilten. Während der Fahrt von 
der dritten zur vierten Sohle spürten die im Korbe Bekind— 
lichen, dan etwas nicht in Ordnung sein mußte. Der Korb 
fuhr schneller als gewöhnlich und sauste von der vierten 
Sohle ab plötzlich mit rasender Geschwsindigkeit in die Tiefe 
Eine dichte Wolke von Kohlenstaub wurde aufgewirbelt. 
Man hörte Holz splittern und in die Tiefe stürzen. Durch 
die Reibung wurde an der Zimmerung ein wahrer Sprüh 
regen von Funken erzeugt. Dann ein hartes Aufschlagen 
das Wimmern der Schwerverletzten und Verletzten. Das 
Unglück war çechehen. Die Zahl der Schwerverletzten wird 
auf 25 geschätzt. Ein Teil der Leichtverletzten lonnte 
sich zu Funß nach Hause begeben. Nach neuerlichen Meldungen 
— 
doch befinden sich unter den Schwerverletzten einige. an deren 
Aufkommen gezweifelt wird. 
Zweifacher Mörder eingeliefert. Montag vormittag wurde, 
wie der Bote aus dem Riesengebirge meldet, in das Ge 
richtsgefängnis in Bunzlau ein 28jähriger Mann einge— 
iefert, der unter dem Namen Wilhelm Schmidt bei einem 
Gutsbesitzer in Eichberg im Bunzlauer Kreise als Stall— 
chweizer in Diensten war. Der Verhaftete steht in dringendem 
Verdachte, zwei Morde verübt zu haben, nämlich den einen 
vor drei Jahren an einem Schutzmann in Chemnitz und den 
anderen an einem Schiffer in Bromberg. Er soll sich dieser 
Verbrechen seinen Mitarbeitern gegenüber gerühmt haben. 
75 000 Frls. unterschlagen. Die Polizei in Marseille 
oerhaftete einen Deutschen namens Walter v. Salvisberg, 
der als Vertreter einer deutschen Reederfirma seit mehreren 
Jahren in Marseille ansässig ist und Gelder im Betrage von 
75 000 Frks. unterschlagen hat. v. Salvisberg behauptet 
Ichweizerischer Staatsaugehöriger zu sein, ist aber, wie die 
Marseiller Polizeibehörde festgestellt hat, geborener Münchner 
Erdrosselt. In Taurin haben nachts zwei Bersaglieri 
einen in der Kaserne beschäftigten Kantinengehilfen auf das 
Anstiften seines eifersüchtigen Kollegen im Schlafe er dros— 
selt;, beraubt und die Leiche über die Kasernenmauer nach 
EF — —————— —cÜh—uttoueeeüegeüeüececüxc XX 
davontrugen, nicht aber die Idee des Freilichttheaters. Meine 
Bedenken hiergegen als künstlernsche Institution an sich sind durch 
die gestrige Aufführung keineswegs widerlegt oder aus der Welt 
geschafft 8. 0F 
Ein Industrieller als Ehrendoktor. Geh. Kommerzienrat 
Louis Ravené; der Vizepräsident der Berliner Handels— 
lammer, ist, wie die „Textil-Woche“ erfährt, von der philo— 
sophischen Falul:ät der Universität Erlangen zum Ehren— 
doktor ernannt worden. Die'se Ehrung soll nach Mitteilung 
des genann‘en Blattes wegen der Verdienste erfolgt sein, d'e 
siich Geheimrat Ravens um die Orcçanisation der drutschen Ab 
leihung der Brüsseler Weltausstellung erworben hat. 
Der Berliner Bildhauer Reinhold Boeltzig hat vom Prinz⸗ 
regenten von Bayern die Prinzregent-Luitpold-Medaille in 
Silber erhalten. — Ferner wurde dem Künstler für ein Mar— 
norwerk die Medaille der Stadt Saszbura in der dortigen 
Ausstellung zuerkannt. 
Kumstgewerbeausstellung in Darmstadt. Wie die groß— 
»erzoliche Kabinettsdirektion mitteilt, ist mit Genehmigung 
des Grokherzogs beschlossen worden, im Sommer 1013 eine 
zrohe Ausstellung der Künstlerkolonie in Verbindung mit 
einer Ausstellung für Kunstindustrie und Kunstgewerbe zu ver—⸗ 
anstalten. Die Ausstellung wird im Ausstellungshauie auf 
»er Mathildenhöhe stattfinden und in erster Linie künstlerische 
Wohmungseinrichtungen Jür Mietwohnungen von Familien 
mittleren Einkommens zeigen. Die Rezierung wird eine An— 
ahl Staatsmedaillen zur Prämiierung von Firmen zur Ver— 
iugurng stellen. Die gesamte Leitung der Ausstellung hat auf 
Anordmuing des Grohßsherzoas die großberzogliche Kabinetts— 
direktion selbst übernommen. 
Beschaͤdigaung der Lichstetnwarte durch Erdbeben. Die 
berühmte Lidssternwarte hat nach einer Meldung der 5.Science“ 
durch ein Erdbeben erheblichen Schaden gelitten. Das grohe 
Fernrohr von 90 em Oeffming ist um mehr als 2 em auf seinewn 
jesten Zementpfeiler verrudt worden. Ferner wurde eine wert⸗ 
volle astronomische Uhr unbrauchbar gemacht, von kleineren 
Schäden abgesehen. Glücklicherweise ist es geungen, das Fern 
rohr schon in burzer Zeit wieder in seinen vorigen Stand 
uurũckzuversetzen 
vem nahen Exerzierplatz geschleppt. Die beteiligten Ber⸗ 
saglieri sind sämtlich geständig und werden sich vor dem Kriegs- 
gericht zu verantworten haben. 
Panik bei einer Kinderparade in Newyork. Während einer 
Kinderparade im Badeort Rocawan bei Newwork brach 
ein Plankensteg am Strand ein. Es entstand eine großbe 
Panik. 75 Frauen und Kinder stärzten von dem Steg 
herab und wurden verwundet, feltsamerweise niemand 
schwer. Der Anblick der durcheinandergeworfenen Menschen 
erschien zuerst als ein großes Unglüd,, jedoch verhütete der 
weiche Strandsand und die geringe Söhe des Falles eine 
schwerere Katastrophe. 
Vier Mülliarden französische Spargelder. Der statistische 
Ausweis über das französische Sparkassenwesen des Jahres 
1909, der soeben vom Arbeitsminister dem Präsidenten der 
Republik übermittelt worden ist, zeigt ein bedeutendes An⸗ 
vachsen der Depots. Das in den Sparkassen devponierte 
Kapital beträgt nicht weniger als 3 Milliarden 833 Mill./ 
die Zahl der Einleger beträgt 8 116 270. Der größte Teil 
dieses Sparkapitals ist in französischer Staatsrente und Immo⸗ 
Zilien angelegt; 5 Millionen haben zum Bau billiger Ar— 
zeiterwohnungen »odien 
Neueste Nachrichten und Telegramme. 
Das Ende der englischen Parlamentiskrisis. 
W. London, 10. Aug. Das Oberhaus nahm die Parla⸗ 
mentsbill mit 131 gegen 114 Stimmen an. Die Krisis ist 
damit beendet. 
Nach der Verkündung der Abstimmungsziffern eilten viele 
liberale Mitglieder des Unterhauses rasch aus dem Ober—⸗ 
haus ins Unterhaus zurück, um diesem die gute Nachricht 
zu überbringen. Die Ministeriellen erhoben sich von ihren 
Plätzen und brachten Hochrufe aus. 
Ueber die Sitzung im Oberhaus heißt es in einer anderen 
Depesche weiter: 
Im Oberhaus verlief die Debatte bis zum Schluß höchst 
dramatisch. Nach einem leidenschaftlichen Appell durch Lord 
Zelbornes und Lord Curzon, der Vertreter der beiden in 
der Opposition herrschenden Anschauungen, schritt das Haus 
ur Abstimmung Über die Frage, ob das Oberhaus auf den 
Amendements Lansdownes beharren solle oder nicht. Das 
war die Frage, und wenn der Antrag Morley, das Haus 
iolle auf die Amendements nicht bestehen, verworfen worden 
wäre, wäre die Parlamentsbill gefallen und das Land 
hätte sich gegenüber einer neuen Krise befunden. Das Ergeb⸗ 
nis der Abstimmung war lange zweifelhaft; allmählich wurde 
jedoch klar, daß die Regierung gewonnen hatte, obwohl 
Halsburys Anhänger viel zahlreicher waren, als man er— 
partet hatte. Aber auch die Regierung fand unerwartete 
Unterstützung. Mehrere Bischöfe und eine Anzahl unionistischer 
Peers stimmten mit der Regierung. In und vor den Wandel— 
zängen drängten sich die Menschen und begrüßten Haldane 
und Morley laut, als diese hinausgingen. Lansdowne und 
seine Anhänger verließen nach der Abstimmung den Saal. 
um ihr Ergebnis draußen abzuwarten. Als die Abstimmungs⸗ 
ziffern verküundet wurden, brachen die liberalen Peers in Hoch— 
rufe aus, während einige unionistische Peers zischten. 
Die Entgegnung der „Post“. 
W. Berlin, 11. Aug. Tie Poll veröffentlicht die Ent— 
gegming auf den Brief des Fürsten Hatzfeldt, worin sie davon 
ausgeht, daß es nicht in der Absicht des Schreibers gelegen 
Fabe, diesen Brief zu veröffentlichen. Tann heißt es u. a.: 
Im Interesse der Freikonservativen und der Reichspartei liegt 
die Veröffentlichung sicher nicht und wird deshalb auch von 
maßgebender Seite der freikonservativen Partei bedauert. Was 
die Post selbst anbetrifft, so gehört sie seit dem 1. Juli 1910 
nicht der freikonservativen oder Reichspartei, sondern einem Kon— 
'ortium, dessen Mitglieder sich über das ganze Reich verteilen. 
Die Post krieb aber freikonservative Politik, weil das Pro⸗ 
aramm der freikonservativen Partei zugleich das Programm 
der jetzigen Besitzer der Post ist. Eanz unabhängig davon. 
ob die Reichspartei dem Vorschlage ibres Vorsitzenden zustim⸗ 
men witd oder nicht, wird die Post auch fernerhin freikonservative 
Politik treiben. Der Artikel selbst ist während des Urlaubs 
des Haupfischriftleiters geschrieben und in seinen Schärfen miß⸗ 
billigt worden. 
J Der Londoner Fuhrleuteausstand brigeleg?. 
W. London, 11. Aug., 1 Uhr 15 Min. früh. Der Streil 
der Fuhrleute ist beigelegt. 
Melallarbeiierausstand in Berlin. 
W. Berlin, 11. August. Dreitausend Elektromonteure und 
Helfer GroßBerlins, die im deutschen Metallarbeiterverband 
organisiert sind, beschlossen gestern. in eine Lohnbewegung 
einzutreten. 
Passagierjahrten des Luftschifses Schwaben“. 
W. Baden-Dos, 11. Aug. Das Lustschiff „Schwaben“ isl 
unter Führung Dr. Eckeners heute morgen 6 Uhr 35 Min. 
mit 9 Passagieren zur Fahrt nach Frankfurt aufgestiegen 
Die Reise geht über Rastatt, Karlsruhe und Heidelberg die 
Berigstraße entlang direkt nach Krankfurt, von wo ein Ab— 
stecher nach den Taunusbäüdern çemacht und dann die Rüch— 
fahrt über Kneuznach die Haardt entlang unternommen werden 
soll. Abends zwischen 5 und 6 Uhr wird das Luiftschiff ir 
Baden-ODos zurückerwartet. 
Waldbrände. 
W. Chemnitz,. 11. Aug. Durch Lokomotivfunken entstand 
gestern auf dem Revier Hetzdorf ein großer Waldbrand, dem 
ein beträchtlicher Fichtenbesiand zum Opfer fiel. 
W. München, 11. Aug. In der Nähe von Kichstädt breitete 
sich ein Waldbrand aus, und zwar längs der Bahnlinie 
München —Berlin. Der Brand war so gewaltig, dak offene 
Güterwagen nicht verkehren durften. 
W. Köln, 11. Aug. Waldbrände sind auch in der hiesigen 
Umgebung an der Tagesordnung. Aus dem ganzen Westen 
werden Hitzschläge. besonders auch von Landleuten, gemeldet. 
Am Oberrhein wurden gestern drei Frauen wahnmsinnia. 
W. Dresden, 11. Aug. Auf einer Studienfahrt 
durch Deutschland trafen die Bürgermeister sämtlicher 
Städte Ungarns, etwa 120 Personen, zum Besuch der 
Hygiene-Ausitellung und verschiedener kommunaler Einrichtungen 
hier ein. 
W. London, 11. Aug. In Colchester erbhielt die 
ganze Garnison gestern abend plötzlich Befehl, sich 
bereit zu halten, um augenblicklich nach London 
abgehen zu können. In Aldershot sind ebenfalls 10 000 
Mann marschbereit. Militär und Polizei bewachen die Weicher 
der Regierungsbahn und haben Befehl, jedermann fernzuhalten 
der von den Vorbereitungen etwas sehen will. Man glaubte, 
daß die Truppen noch während der Nacht nach London ab— 
marichieren werden
	        
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