Full text: Lübeckische Anzeigen 1911 (1911)

der Privatangestellten anzustreben. Am Abend fand eine Be— 
arühßungsfeier statt, wobei Justizrat Dr. Albrecht-Wiesbaden 
‚sum Vorsitzenden und die Verbandsdirektoren Kurz-Stettin 
und Wilscher-Karlsruhe zu seinen Stellvertretern gewählt wur— 
den. In der ersten Hauptversammlung waren vorgestern 
rußer den Delegierten zahlreiche Ehrengäste anwesend. So 
ah man den Oberpräsidenten der Provinz Pommern Freiherrn 
o. Maltzahn, dann Vertreter des Staatssekretärs des Innern, 
des preußischen Handelsministers, des Kaiserlichen Kanalamts, 
des Reichsbankdirektoriums, der Stettiner Regierung, den 
Polizeipräsidenten und den Oberbürgermeister von Stettin, 
inen Vertreter des japanischen Handelsministeriums, ferner 
IWgesandte der schweizerischen und englischen Genossenschafts⸗ 
verbände, sowie zahlreiche Vertreter großer Bankfirmen. Ueber 
den Verlauf der Versammlung wird berichtet: 
Der erste Vorsißende Justizrat Albrecht-Wiesbaden be— 
grühte die Erschienenen und betonte, daß den Genossenschaften 
der Gedanke fern liege, Dinge anzustreben, die gegen den 
Staat gerichtet seien. Man lehne die Beihilfe des Staats 
nur deshalb ab, weil man die damit verbundene Aufsicht 
nicht tragen wolle und weil man sich davon keinen Vorteil 
verspreche. Die Entwicklung der Dinge in Deutschland habe 
die Berechtigung in der Auffassung erwiesen. Dann hieß 
niamens der Staatsregierung Oberpräsident Freihert v. Maltzahn 
den Genossenschaftstag willlommen. Er betonte, daß der 
gegen die Staatsunterstützung gerichtete Gedanke sich im 
Laufe der Zeit abgeschliffen habe und daß die Genossen⸗ 
chaften im Gegensatz gegen den Staat nichts leisten können 
und wollen. Namens des preußischen Handelsministers be—⸗ 
zrütßzte Oberregierungsrat Dr. Francke-Berlin den Genossen⸗ 
chaftstag und erklärte, daß er sich zu den Grundsätzen be— 
senne, auf die Schulze-Delitzsch das deutsche Genossenschafts⸗ 
wesen gestellt habe, in der Gewißheit, daß in ihnen die 
Gewähr für eine erfreuliche Entwicklung des deutschen Ge— 
nofsenschaftswesens gegeben ist. Nach weiteren Begrüßungs⸗ 
insprachen wurde in die Tagesordnung eingetreten. Der 
Unwalt des Verbandes Prof. Dr. Crüger erstattete den Be— 
eicht, aus dem hervorgeht, daß zu Beginn dieses Jahres 
im Deutschen Reich 30555 Genossenschaften bestanden mit 
1471721 Mitgliedern. Davon entfallen auf die Genossen— 
chaften des Allgemeinen Verbandes 930 466 Mitglieder. Das 
Vermögen der Genossenschaften beläuft sich auf rund 840 
Mill. M. Der Umsatz sämtlicher Genossenschaften beziffert 
ich in der Gewährung von Kredit, Lebensmitteln usw. auf 
und 2224 Milliarden. Der Anteil der Genossenschaften des 
Allgemeinen Verbandes hieran beträgt rund 13 Milliarden 
Mark. Ungünstig für die Entwicklung des Genossenschafts— 
vesens sei es gewesen, daß sich die Wissenschaft bisher nur 
ehr wenig mit dem Genossenschaftswesen beschäftigt hat. Man 
müsse deshalb den Handelshochschulen Dank sagen, daß sie 
das Genossenschaftswesen unter die Lehrgegenstände aufge— 
nommen haben. Sehr bedauerlich sei die fortdauernde wilde 
Agitation gegen die Konsumvereine, die die Arbeit derer 
erleichtett, für die das Genossenschaftswesen Kampf-⸗ und 
Tlassenorganisation sein soll. Die einzige befriedigende 
dösung wäre die völlige Gleichstellung der Konsumvereine 
mit den Gewerbetreibenden, sowohl was die Rechte wie 
die Pflichten anbelangt. In den Handwerkerkreisen sollte 
den Beschlüssen der Allgemeinen Genossenschaftstage mehr 
Beachtung geschenkt werden. Aufklärung und Belehrung wären 
hier die einzigen Mittel der Förberung. Erfreulich sei es, 
»aß bei den Baugenossenschaften die Erkenntnis Platz greife, 
daß man geschäftliche Grundsätze anwenden müsse. Die wirt⸗ 
chaftliche Entwicklung wollen wir nicht aufhalten. Stellung 
iber nehmen wir gegen jeden unlauteren Wettbewerb, gegen 
Mißbrauch der Gesetzgebung, gegen die Varteinahme der 
Behörden im Gegensatz zu den Genossenschaften. Sollen die 
Senossenschaften ihre sozialen und nationalen Aufgaben voll 
erfüllen, dann muß die praktische genossenschaftliche Arbeit 
zetragen sein von edlen ethischen Ideen. 
Zu Beginn der Nachmittagssitzung referierte Direktor 
Fünther-Rastatt über Revisionserfahrungen bei den Handwerker⸗ 
jenassenschaften. Er empfahl auf Grund seiner pieliährligen 
kriahrungen mit den badischen Genossenschaften dringend die 
Anwendung des Musterstatuts des allgemeinen Genossenschafts⸗ 
vecbandes. Dem Handwerk ist nur zu helfen durch Vervoll⸗ 
ommnung seines Betriebes, die nur durch genossenschaäftliche 
Zuganisation zu erreichen ist. Verbandsanwalt Professor 
De. Crüger erklärte, selbstverständlich müsse jedes Mitglied 
iner Rohstoff- oder Maschinengenossenschaft auch Mitglied einer 
Zreditgenossenschaft sein. Er lönne nur bedauern. daß nicht 
8lumen Frau von Lörsbach entgegen. Die Männer schu. n 
lich die Hände. RX 
„Ich brauche wohl nicht zu fragen, wie es dir geht?“ 
sagte der Oberlehrer, einen schnellen, prüfenden Blick auf 
den Freund werfend. 
„Gut, sehr gut, mein Alter.“ 
Mit so hellem, frohem Ton hatte der Hauptmann sonst 
arie gesprochen, und dazu lachte sein tief gebräuntes Gesicht. 
Die beiden Frauen umarmten sich herzlich, zeigten sich ihre 
Kinder, des Fragens und Erzählens war kein Ende. 
Wunderhübsch, sauber und wohnlich war alles in den 
Stuben; Frau Margarete hatte wie eine gute Fee im Nach— 
zarhause gewaltet. Die blütenweißen Gardinen an den Fen— 
tern, grohe Sträuße bunter Herbstblumen, der gededte Kaffee— 
isch mit dem leckeren Kuchen. — alles sah so heimlich und 
jemütlich aus. 
„Ich danke dir, Gretchen,“ sagte Irmgard immer wieder. 
Sie hatten das Du angenommen, seit der Hauptmann so 
schwer ktrank gewesen und Frau West wie ein hilfsbereiter, 
quter Geist Irmgard beigestanden hatte. Die Freundschaft 
der Männer verband nun auch die Frauen. 
Auch von den Rameraden stand eine hübsche Jardinière 
ruf dem Tisch, und der brave Bursche des Hauptmanns 
hatte ein „Herzliches Willkommen“, kunstvoll gemalt, über 
der Haustür angebracht. Zwei neue, nett aussehende Mädchen 
hatte Frau West gemietet und vorher angelernt. Alles er— 
schien Irmgard schön und anders als früher; sie hatte sich 
selbst verändert, daran lag es. — 
„Es hat sich hier auch manches im Regiment zugetragen, 
das weißt du wohl, lieber Reiner?“ sagte der Oberlehrer. „An 
Stelle des ältlichen Majors ein neuer, eben erst hier ein— 
getroffen; er soll ein liebenswürdiger Vorgesetzter und heiterer 
Hesellschafter sein. Auch seine noch junge Frau vpaßt darin 
miihm. Sie scheinen die Absicht zu haben, G. durch fröhliche 
Beranstaltungen, Liebhabertheater, Bälle, Ausflüge, Pidnicks 
und Maskeraden beleben zu wollen.“ 
„Halten Sie ein,“ lachte Irmgard, „es wäre zu viel des 
buten.“ 
„Leutnant Overberg ist verlobt und heiratet demnächst, 
iad DOherleutnant Christiani wird es ihm. wie gemunkelt wird— 
senug Meisterkurse stattfinden. Er habe das Empfinben, als 
b man bei der Regierung ein gewisses Mißtrauen gegen die 
Meisterkurse hätte. Geh. Rat Franke sagte, in der Wert— 
—E 
Imschlag eingetreten. Wahrscheinlich werde man in Zukunft 
die großen Meisterkurse als Ausbildungskurse für junge Hand⸗ 
verker beibehalten. Es sei vielleicht nicht ganz richtig ge— 
vesen, überall selbständige Werkstätteneinrichtungen zu schaffen, 
ie doch während eines großen Teils des Jahres nutzlos da⸗ 
iegen. Deshalb sollen die großen Meisterkurse an Fachschulen 
ingegliedert werden. 
Der nächste Punkt der Tagesordnung betraf die Angelegen⸗ 
zeiten der Baugenossenschaften. Verbandsrevisor Scheidt- 
Zhannover empfahl folgenden Autrag: „Der allgemeine Ge⸗— 
ossenschaftstag empfiehlt den Baugenossenschaften, die in den 
Außenbezirken der Städte oder auf dem Lande eine Kolonie 
„on kleinen Wohnhäusern errichten wollen, bei Ausarbeitung 
»er Bebauungs⸗ und Baupläne tüchtige Sachverständige heranzu⸗ 
iehen. Soweit Mittelwohnungen in Frage kommen, sollen sich 
»ie Genossenschaften darauf beschränken, Bauplätze zeu per⸗ 
aufen und sich auf die Bauart Einfluß zu sichern.“ Ueber 
diesen Antrag entwickelte sich eine längere Diskussion. 
Inland und Ausland. 
Deutiches Neich. 
Die Konservativen und die Post. Zu der Kundgebung 
»es Fürsten Hatzfeldt bemerkt die Kreuzzeitung: „Eine solche 
Stellungnahme der Reichspartei war zu erwarten. Die 
dundgebung der Post hat außer bei einigen ebenso voreilig 
ind ebenso illoyal urteilenden Menschen keinen Rückhalt.“ 
HRie Post selbst scheint von dem Brief des Fürsten Hatzfeldt 
soch nichts zu wissen. Sie erwähnt ihn gar nicht, während 
hn die übrigen Abendblätter meist ohne Kommentar ab⸗ 
rucken. Auch die Berliner Ortsgruppe des Alldeut⸗ 
chen Verbandes rücktt nunmehr von der Post ab. Sie 
rklärt, daz der bekannte Artikel der Post, in dem 
naßlose Angriffe gegen die Regierung erhoben worden seien, 
richt aus alldeutschen Kreisen stamme. Unange—⸗ 
racht wäre es, wenn heutzutage alle mißliebigen Aeuße—⸗ 
ungen aus nationalen Kreisen als alldeutsche maßlole An— 
riffe bezeichnet würden. 
Schlug des Deutschen Katholikentages. In der gestrigen 
S„chlußversammlung des Deutschen Katholikentages wurde die 
Ibstinenz und Mäßigkeitsfrage erörtert. In der öffentlichen 
ßersammlung sprach zunächst Abt Schachleiter-Kloster Emmaus 
nei Prag über „christliche Kunst“. Dann hielt Reichstagsabge— 
rdneter Fürst Alois zu Löwenstein einen kirchenpolitischen 
Vortrag über das Pontifikat Pius“ X. Hieran knüpfte Prä—⸗ 
ident Graf Galen seine Schlußrede, in der er die Ergebnisse 
der viertägigen Versammlung zusammenfaßte und seinen Dank 
allen aussprach, die sich um die Tagung verdient gemacht 
zätten. Schließlich erteilte der Bischof von Mainz, Kirstein, 
nit neun anwesenden Amtsbrüdern der Versammlung den 
Zzegen und richtete an die Anwesenden die Mahnung, in 
reuer Anhänglichkeit an die katholische Kirche fortzufahren. 
Mit Choralgesang schloß der offizielle Teil des Katholiken⸗ 
ages. 
Zur Enteignungsfrage. Die Nationalzeitung schreibt: In 
»en Erörterungen der Presse über die Stellungnahme der 
Regienrng zur Enteignungsfrage wird meist Nachdruck auf 
»ie Hal'ung des Landwirtschaftsministers gelegt; der angeblich 
zie treibende Kraft geçcen den Ostmarkenver in u d die von 
viesem verlangte Enteigming sein soll. Demgegerüber darf 
man nicht außzer acht lassen, daß die Frage der Ostmarken⸗ 
olitik in erster Linie das gesamte Staatsministerum aneht, 
in dessen Spitze der preußische Minifterpräsident steht, der 
ich über seine Auffassung von der Notwendigkeit einer kon⸗ 
equenten Politik mehr als einmal deutlich geäuhert hat. Erst 
n zweiter Linie ist die Ostmarkenpolitik eine Ressortfrage. 
daher widerspreche es den Tatsachen; von einem geaͤnderten 
durs der Regierung zu schreiben; wie es neuerdings viel— 
ach geschehe. Die Enteignungsfraze wird stets die ultima ratio 
bleiben, deren Anwendung sich das Staatsministerium vor—⸗ 
hehält, wenn es mit dem Ministerpräsidenten die Zeit für 
zekommen erachtet, im Interesse der Ansiedhingspolitik zu 
ainderen Maknahmen Überzugehen. 
bald nachtun. In den Lehrerkreisen scheint auch das Ehefieber 
anzufangen. Ein Kollege von mir war bis vor kurzem auf 
der Hochzeitsreise und ein zweiter eben verheirateter ist hierher 
zersetzt worden.“ 
„Na, da kann es flott heraehen. Freust du dich. Irm— 
rard?“ 
„Ja, — aber to Hus is to Hus, wie die alte Frau sagte, 
die wegen wiederholter Strafen ins Gefängnis kam. Als der 
Wärter ihr deshalb Vorstellungen machen wollte, gab ihm 
die Alte die Antwort: To Hus is to Hus.“ 
„Ach so, also du vergleichst dein Heim mit einem Ge— 
iänanis.“ neckte Lörsbach seine Frau. 
Fortsetzung folgt.) 
Theater. Kunit und Wissenschaft. 
Lübeck, 11. Aug. 
Freilicht-Theater ir Cravemünde. 
Erstes Gastspiel I, 
des Hamburger Deutichen Theaters. / 
Direktor: Otto Fischer. 5 
„Glaube und Heimat'“, 
Tragsdie eines Volkes von Karl Schönherr 
Ein Bad nach dem anderen gründet zu sommerlicher künstlerischer 
Erbauung seiner Kurgäste ein Freilicht-Theater. So lonnte auch 
inser mächtig aufstrebendes Bad dieser neuesten Kulturerrungen⸗ 
chaft nicht länger entraten. Ich hatte bisher noch kein 
jreilicht-Theater gesehen und stand der Sache sehr stkeptisch 
egenüber. Lebende Bäume und Pappe-Felsen, bemalte Leine— 
oand und leuchtender Himmel. Sqhminke, falsche Bärte und 
-zonnenscheii — wie kann das zusammen stimmen? Und 
veiter: ich konnte mir wohl denlen, daß etwa der „Sommer⸗ 
nachtstraum“ in herrlicher Gegend bei schönem Wetter, wenn 
ufällig der Mond die Freundlichkeit hat, zu scheinen, einen 
iiefen Eindruck machen kann, aber dieser Todeslkampf der 
utherischen Tiroler auf der Travemünder Kurparkwiese? Mit 
olchen Erwägungen näherte ich mich dem Theatergebäude, 
»as von weitem einem Wanderzirkus nicht ganz unähnlich 
ieht. Die Unterbringung der sehr zahlreich. aber auch viel— 
Deutscher Sprachumterricht in Ungarun. Die Regierung ver. 
sAgte, da vom 1. September ab in den Bildungsanstalten 
ür Lehrer und Lehrerinnen die deutsche Sprache als einzige 
jremde Sprache in sämtlichen Klassen obligatorisch gelehrt 
werden soll. Der Lehrer soll von der ersten Stunde an mit 
seinen Schulern ausschliehlich in deutscher Sprache verkehren 
und die Schüler deutsch sprechen lassen. 
d. Kaiser Franz Josef und der Thronfolger. Aus Wien 
commt die Meldung, dah der bevorstehende Rüctritt des 
Reichskriegsministers Baron von Schönaich die Verabschiedung 
des Erzherzogs Franz Ferdinand aus seinen militärischen 
Aemtern nach sich ziehen würde, weil zwischen diesem unb 
dem Kaiser Unstimmigkeiten herrschen sollen. Man kann dkese 
Nachricht mir mit allem Vorbehalt wiedergeben und wird 
nähere Einzelheiten abwarten müssen. Immerhin spricht einiges 
dafür, daß die Dinge sich tatslächlich so verhalten könnten, 
wie die Neue Freie Presse sie angibt. Der Thronfo! ger 
ist, soweit bekannt geworden, ein Gegner der letzten Militär— 
ceform, und diese Stellungnahme dürfte auf Umwegen auch 
dem Kaiser bekannt geworden sein. Bei dem Werte aber, den 
auch die jetzige Regierung auf die Reform legt, scheint es 
selbstverständlich dah alle Beamten, die ihr widerstredan, 
fallen müssen, selbst auch der Thronfolger. 
Großbritannien 
Die Lords und die Parlamentsbill. Der Lordpräsident des 
Geheimen Rats, Morley, gab gestern in seiner Erwiderung 
auf Anfragen Lansdownes und Midletons folgende Erklä— 
rung: „Wenn die Parlamentsbill heute abend fallen sollte, 
vird Seine Maiestät einwilligen, soviele Peers zu ernennen, 
»aß die Zahl hinreicht, um jeder möglichen Kombination der 
Dppositionsparteien zu begegnen, durch welche die Parlaments— 
hill einer Niederlage zum zweiten Male ausgesetzt werden 
könnte. Jede Stimme, die gegen den Vorschlag 
1ubgegeben wird, daß die Lords auf ihren Amende— 
ments bestehen, wird zugunsten einer ausgedehnten, be⸗ 
schleuniaten Ernennung von Lords abgegeben.“ 
Amerila. 
Abnahme der Einwanderung. Ein vorzügliches Barometet 
rür die allgemeine wirtschaftliche Lage in den Vereinig— 
ten Staaten bilden die Statistiken der Einwan— 
derungsbehörden über Ein- und Rückwanderung. Die 
weite Hälfte des letzten Fiskaliahres weist einen erheb— 
dichen Rückgang der Einwanderung gegen die zweite 
Zälfte des vorhergegangenen Jahres auf. Danach sind im 
etzten Fiskaliahre 163 318 Einwanderer weniger in Newyork 
ingetroffen als im vorhergegangenen Rechnungsjahre; die 
Ziffern für das Kalenderiahr werden noch viel ungünstiger 
usfallen, weil die Einwanderung beständig in der Abnahme 
hegriffen ist. Dieser Umstand wird auf die minder günstige 
wirtschaftliche Lage in den Vereinigten Staaten zurüdgeführt. 
Als Beweis dafür gilt auch die stärkere Rückwanderung aus 
den Vereinigten Staaten, die in der ersten Hälfte dieses 
Jahres eine Zunahme von fast 60000 Personen im Ver— 
gleich mit dem Voriohre aufzuweisen hatte 
Taaeshericht. 
Lübecdck, 11. August. 
x Den Vorsitz in der Zentral⸗Armendeputation hat waͤh— 
rend der Abwesenheit des Herrn Senators Dr. Eschenburg 
Herr Senator Kulenkamp übernommen. 
Die zweite Wahlpredigt in Genin hält am 13. Aeust 
Hilfsprediger Bünz ous Alt-Rahlstedt. 
Militãr isches. Zur militärtechnischen Akade⸗ 
nie berufen worden sind zum 1. Oktober 19113 und zwar zur 
ersten Stufe der Abteilung für Waffenwesen Lt. Bosse 
zom Infanterie-Regt. Nr. 163, zur ersten Stufe der Ab— 
teihing für Verkehrswesen Lt. Leonhardt vom Inf.Regt. 
Nr. 163. 
* Vom Postschedverlehr. Im Reichspostgebiet ist die Zahl 
der Kontoinhaber im Postschedverkehr Ende Juli 1911 auf 
57870 gestiegen. Der Zugang im Monat Juli allein betrug 
380. Auf diesen Postscheckkonten wurden im Juli gebucht 
Oo69 Mill. MeGutschriften und 1057 Mill. MuLastschriften. 
Das Gesamtgithaben der Kontoinhaber betrug im Juli ducch⸗ 
ichnittlich 121 Mill. M. Im Verkehr der Reichspostscheckämter 
mit dem Poitsnarkassenamt in Mien. der Noftsnartofse in Buda—⸗ 
fach recht spät erscheinenden Hörer diente nicht dazu, die 
Stimmung zu erhöhen, ebensowenig die vielen riesigen Hüte 
der Damen, welche zu Genidsverrenkungen zwangen. „Erlaubt 
st — was nicht polizeilich verboten ist“, heißt's im „Tasso“. 
Der Himmel scheuchte zwar jeden Gedanken an Regen durch 
sein wolkenloses Blau, aber das heitere Licht zeigte erbarmungs— 
los das Nebeneinander von Leinwand, Vappe, Farbenflecken 
und Natur. Um den Szenenwechsel zu vermeiden, der zu einem 
ganz unmöglichen Vorhang oder zu Umbauten vor versammel⸗ 
tem Publikum geführt hätte, ließ Direktor Fischer das ganze 
Stüch im Hofe des Bauerngutes sprielen. Die Dekoration war 
an sich klug und zwecdentsprechend. Sie zeigte nur das absolut 
Notwendige. Links das Haus, dabei ein abgestorbener Baum⸗ 
tamm, in der Mitte das Brunnenbeden mit dem Muuttergottes— 
—I 
droßer, natürlicher Bäume. 
Und nun begann das Spiel. Anfangs befremdete jeder 
chärfere Laut, jedes Stöhnen. Das, was man im Theater⸗ 
saal als selbstverständlich hinnimmt, befremdete hier in Sonnen4 
licht und freier Luft. Nach und nach aber wurde es im Publikum 
ganz still. Am Schlusse des ersten Aktes ward wenig applau—- 
diert. Die Leute hätten gern ihrer tiefen Ergriffenheit Aus« 
druck verliehen, aber das Händeklappen schien hier so wenig 
am Platze. Und mehr und mehr nahm die Aufführung ge— 
fangen. Man vergaß das Rangieren eines Bahnzuges im 
Hintergrunde, man vermißte die hohen Berge nicht mehr— 
die man anfangs an die Stelle dieses Zuges wünschte. Und 
der Schlußbeifall, der erst Zeit brauchte, um hervorzubrechen⸗ 
ieß in seiner Herzlichkeit, seinen Zurufen keinen Zweifel, daß 
die Darstellung von „Glaube und Heimat“ ein großer Erfolg 
war. Der Erfolg einer echten Dichtung in vorzüaglicher Dar⸗ 
stellung. 
Hier ist nicht der Ort, das Drama „Glaube und Heimat“ 
u analysieren. Nur soviel sei gesagt: Schönherr hat bes 
der Wahl seines Stoffes einen überaus glücklichen Griff getan.— 
Diese Tragödie der Ueberzeugungstreue greift ans Herz und 
dewegt au?, den Blasiertesten. Ein großer Stoff hat auch 
»eute noch hinreißende Kraft in sich selbst, und wenn er den, 
rechten Bildner findet, so entsteht ein Trama, das sich un« 
videistehlich seinen Meg üher die deutschen Bühnen bahnt.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.