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Beilagen: Vaterstädtische Blätter. — Der Familier reund.
Amisblatt der freien und Hansestadt Lübed 161. Jahrgan
.Jahrgang
Beiblatt: Gesetz⸗ und VBerordnungsblatt t — ige 8
6SSSESSασ ασο I — ⏑ ⏑ ⏑Â⏑——⏑— — —
Nachrichten für das herzogtum Lauenburg, die
gfürstentümer Ratzeburg, Lübeck und das angren⸗
zende meclenburgische und holsteinische Gebiet.
Hruck und Verlag: GBebrüder Borchers G.m. b. S. in Lübed BGeschãftsstelle Mreßz baus GKoniastr. 46). Sernprecher vooo 2 9001.
Ausagaabe
6BGroße Aunsgabe)
Daonnerstaq, den 10. August 1911.
Abend⸗Blatt Ur. 401.
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Erstes Blatt. hierzu ⸗ Rlatt.
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Umfang der heutigen Nummer 6 Seiten.
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—II
Die Amerikaner und Marokko.
Lübeck, 10. Aug.
Obgleich Amerila den ganzen Marokkoperhandlungen
elbst naturgemäß fernsteht und sie eigentlich nur als unbe—
eiligte Partei verfolgt, so hat sie doch die Presse in nicht
gerade sehr deutsch-freundlichem Sinne dazu geäußert. Sie
und die von ihr gemachte öffentliche Meinung stehen ent—
chieden auf Seiten Englands und Frankreichs. Diese Tat—
ache ist um so unerfreulicher, als man gerade durch Aus—
ausch von Professoren, Besuche usw. namentlich in letzter Zeit
emüht war, die deutsch-amerikanischen Beziehungen zu bessern.
Diese Bemühungen werden aber keineswegs gefördert durch
»ie Auslassungen des Newyorker Sun, der im amerikanischen
zZeitungsleben eine führende Rolle einnimmt und dessen Echo
nden vielen anderen Zeitungen widerhallt. Es heißt dort
n einer Darstellung, welche die Sun in dem neuesten in Europa
ingetroffenen Postexemplar bringt:
„Nun wird es offenbar, daß Deuftschland in der Tat
o ziemlich den ganzen französischen Kongo und außerdem
zie französische Anwartschaft auf den Kongofreistaat für sich
jefordert hat. Ein Blick auf irgendeine neuere Karte von
gentralafrika zeigt genau, wonach das Begehren der Deut—
chen steht. An der Ost- und Westküste haben sie gegenwärtig
ansehnliche Kolonien in Kamerun und Deutsch-Ostafrika. Zwi⸗—
chen diesen beiden Besitzungen liegt der lange schmale Arm
des französischen Kongos, der die französischen Niederlassungen
entlang des Kongos mit denjenigen am Tschadsee und der
Hauptmasse der französischen Besitzungen, die sich sonach vom
Mittelmeer bis zur Kongomündung erstrecken, verbindet. Dann
iegt da das große Viereck des Kongofreistaates, der zwar
etzt belgisch ist, auf den Frankreich aber Anwartschaftsan—
pudhe. ein Vorkaufsrecht, hat. falls Belgien ihn aufgeben
ollte.
Sollte Frankreich den deutschen Forderungen will—
sahren, so würde Kaiser Wilhelm auf diese Weise ganz
Zentralafrika für Deutschland gewinnen. Die atlantische Seite
sieses Gebietes würde sich vom Golf von Guinea bis zur
Kongomündung erstrecken; auf der Seite des Indischen
RBeans würde die Grenze mit der gegenwärtigen Küstenlinie
»on Deutsch-Ostafrika zusammenfallen. Das dazwischen liegende
veite Land des Kongotales würde den Deutschen zur Ent—
vichlung offen stehen. Der Kongostaat würde zwar sicherlich
ioch belgisch bleiben, aber der belgische Widerstand gegen
»eutsche Angriffsgelüste würde gering sein. Für Frankreich
vürde das soviel bedeuten wie den Rückzug aus Zentralafrifa
—
Die abgetretenen Gebiete würden Hunderttausende von Qua—
dratmeilen umfassen. Die große, von de Brazza errichtete
dongokolonie, der lange Landstrich vom Kongo zum Tschad—
ee. die Häfen von Libreville und Loango, all das würde
ibergeben werden. .*
Das ist der Preis, den, wie es heißt, Deutsch-
and dafür gesetzt hat, daß es seinem Nachbar freie
zand gewährt in Marokko, wo der deutsche Handel noch nicht
inmal 4 Mill. Muim Jahr erreicht und wo Deutschland bis
um Erscheinen des „Panthers“ vor Agadir niemals den kleinsten
dandanspruch gehabt hat. Die deutschen Forderungen be—
ühren die Franzosen zuerst und am nächsten, weil fran—⸗
ösisches Gebiet in Frage steht. Aber die britischen In—
eressen sind kaum weniger vital. Als vor einigen
zahren eine französische Expedition unter Maijor Marchand
Ufrika durchquerte und sich in Faschoda festsetzte, ließ Eng⸗
ind Frankreich nur die Wahl zwischen Rückzug oder Krieg.
zerade so wie Faschoda in französischen Händen die Linie
wischen dem Kap und Kairo unterbrochen und die trans—⸗
frikanische Verbindung zwischen Aegypten und Südafrika
bgeschnitten haben würde, so würde ein deutscher Kongofrei—⸗
aat, Deutschland eine Siedlungsfläche von Küste zu Küste
seeben, und die Linie vom Kap nach Kairo würde ein deut⸗
ches Zwischenstück habbeeee.
Man kann sonach sehen, daß die deuitschen For—
erungen für marokkanische Zugeständnisse — die
brigens alle lediglich in der Einbildung bestehen, zu—
nal Deutschland nichts besitzt und in Marokko keine andern
techtstikel hat als diejenigen, die auf seinen Bajonettspitzen
eruhen. — internationale Verwicklungen nach lich ziehen, die
hwerlich geringer sind als diejenigen, die sich aus der
»eutschen Besitzergreifung von Agadir selbst ergeben.“
der deutsch⸗russische Freundschaftsvertrag perfekt?
(Privattelegramm der Lübeckischen Anzeigen.)
Berlin, 10. Aug. Wie die offiziöse Petersburger
zeitung Invalid erfährt, ist am Sonnabend abend der end⸗
zültige Abschlußßz des deutsch⸗russischen Freundschaftsvertrages
rfolgt. Die Hauptbestimmungen des Vertrages werden dem
Invalid zufolge geheim gehalten.
Wir geben diese Nachricht, deren Bestätigung deutscher—⸗
eits zurzeit noch nicht vorliegt. nur unter Vorbehalt wieder.
Wenn sie sich bewahrheiten sollte, so wären jetzt endlich
och die mit der Potsdamer Entrevue angebahnten Ver—
sandlungen zum Abschluß gebracht. Vor allem hatte die un—
‚etlärte politische Lage in Marokko, die erneute Einmischung
dußlands in die Balkanpolitik und die persischen Wirren
uf den Fortgang der schwebenden Verhandlungen bisher
cark hemmend gewirkt. Deutschland würde gerade in diesem
Moment durch den Abschluß des Vertrages einen großen
»olitischen Vorsprung gegenüber Frankreich gewinn—«—
————————— 4
Ddie Einberufung des Ausschusses für auswärtige
Politik.
WVon unserem Berliner Korrewpondenten wird uns hierzt
berichtet:
Hier und dort ist bereits in der deutschen Presse die Mel⸗
dung gebracht worden, daß der Ausschuß für auswärtige Po—⸗
itil beim Bundesrat jetzt einberufen werden soll, um ver—
'afsungsmähig über sein Urteil in der Marokkofrage gehört
u werden. Man weiß, daß Bismarck diese Institution geschaffen
atte, um Bayern, das in diesem Ausschuß den Vorsitz führt,
iine ihm willkommene Ehrung zu erweisen. Pralktisch hat der
Ausschuß bisher keine Bedeutung gehabt, da er erst dreimal
vährend der ganzen Zeit seines Bestehens einberufen worden
st. Was die Meldung von seiner neuen Einberufung zunächst
chon von zweifelhaftem Werte machte, war die Tatsache, daß
»ie „Post“ sie zuerst brachte. Tenn dieses Blatt, das erst
ieulich von der Nordd. Allg. Ztg. eine starke Abfuhr für seine
inverantwortlichen Quertreibereien erhalten hatte, muß alles
»aran setzen, die Scharte auszuwetzen, sei es auch auf Kosten
neuer Falschmeldungen. Ein halboffiziöses Organ hat auch
bereits aus Berlin die Nachricht bringen können, daß an den
ziesigen amtlichen Stellen von einer Einberufung des Aus⸗
schusses nichts bekannt sei. Wir selbst sind in der Lage,
ruf Grund bester Informationen mitteilen zu
können, daß eine solche Absicht auch für die Zu—
klunftenicht besteht. Denn es liegt weder ein äußerer
ioch ein innerer Grund vor, um den Zusammentritt Oes Aus⸗
chusses zu verlangen. Zunächst ist die Hochspannung aus der
europäischen Situation bereits gewichen und die Marokko—
verhandlungen gehen, wenn auch langsam, so doch einem
erfreulichen Ende zu. Zum anderen aber wäre es töricht, zu
lauben, daß die einzelnen Bundesstaaten, die dem Ausschuß
ür auswärtige Politik angehören, erst in diesem selbst ihre
Ansicht äußern oder über ihr Urteil gefragt werden könnten.
zn Bismards Gedanken und Erinnerungen sind einige Briefe
on ihm an den König Ludwig von Bayern veröffentlicht, in
enen der Reichskanzler den bayerischen König von dem Gange
wichtiger politischer Verhandlungen persönlich unterrichtete. Mit
zieser Tradition ist auch heute noch nicht gebrochen, sofern
wischen den Bundesfürsten und dem Kanzler persönliche Be—
iehungen bestehen. Zum anderen aber findet auch ein rein
zeschäftlicher Meinungsaus:ausch zwischen den einzelnen Bundes—
egierungen statt, so daß die Mitglieder des Ausschusses in
einem Falle in ihrem sommerlichen Urlaub gestört zu werden
brauchen. d.
Gegen das freie Kündigungsrecht des Großz⸗
unternehmers
ieht Dr. Heinz Potthoff in der demnächst erscheinenden
dummer der Sozialen Praxis im Interesse der Unab—
hängigkeit irn Privatangestelltenverhältnis zu Felde und be—
„Mariechen,“ sagt er zärtlich, „er ist als ein anderer,
besserer Mensch heimgekehrt; wir wollen ihm ein heiteres
Hesicht zeigen.“
Sie umarmen sich, die beiden, die ein Leben hindurch
aebeneinander gestanden in ehe ichet Treue und Gemeinschaft.
Bruno hält die Augen geschlossen. Es ist ihm wie ein
Traum, daß er wieder in Schornstätten weilt, mitten unter
seinen Lieben. Elfriede sitzt aun seiner Seite. Die Kinder sind
mit Gustav fortgesprungen und jagen um den Rasenplatz.
Der junge Ossizier schlägt die Lider auf, er blick sich
nichend um, dann wieder auf die Schwester.
„Was willst du, Bruno?“ sregt sie, „soll ich dir etwas
holen?“
„Ja,. Emmy — wollte sagen — Fräulein. Isjt sie nicht
hier? Ich glaubte — ich dachte, daß —“
Er spricht nicht weiter.
„Ja, sie iit in Schorntätten. Soll ich sie rufen?“ *
Bruno nickt bloh. er ist unfähig, zu sprechen. Auch als
ie in Trauer gekleidete Gestalt neben seinem Ruhelager sieht,
tredt er nur die Hand nach ihr aus und umfaßt die ihre
natt, aber es tritt etwas von dem früheren Leuchten in seine
ugen.
„Wie geht es Ihnen, Herr Baron?“ fragte Emmy
ergriffen.
„Gut, kleiner Kamerad.“ J
Er hat ihr den Namen gegeben, der für ihn etwas sehr
diebes bedeutet, unter dem er an sie gedacht unter der
Rlühenden Sonne der Tropen. in den Gefahren des Krieges
nit den Herero, im Lazarett auf seinem Schmerzenslager!
Alles, was sie ihm geworden ist, liegt in dieser Bezeichnung. —
Baron von Schorn und seine Frau kommen wieder, der
Zaffee wird eingenommen. Noch will die Unterhaltung nicht
echt in Fluß kommen. Bruno ilf zu angegriffen von der
sFeise und läßt die anderen sprechen; ein glückliches Lächeln
iegt auf seinem gelblich blassen Gesich. — J
Erit am solgenden Tage erzählt er von seinen Erlebnissen
n Afrika, von dem Mut der deutschen Truppen und der Grausam—
eit und Hinterlist des schwarzen Vollsstammes.
—8 bin im Rang befördert und Oberleutnant geworden,
Zater.“
Sonnensehnsucht.
Roman von G. von Schlippenbach.
(22. Fortsetzung.) Machdrucd verboten.)
Elfriede holte Emmy in der Ponyequipage von der Bahn
ib. Die in tiefe Trauer gekleidete Freundin sah so ange—
zriffen aus. daß Elfriede erschrakt und sich vornahm, sie
recht zu pflegen.
„Er fehlt. Voriges Jahr war Ernst noch hier.“
Oft dachte Baronesse von Schorn es still und traurig. Ein
Ausdruck nachdenklichen Ernstes lag jetzt auf den Zügen des
e Mädchens, und sie lachte nicht mehr so oft wie
rüher. —
Frau Marie bereitete alles zum Empfang des Sohnes vor,
oer erst gegen Mitte Juli eintreffen konnte. Seine Verwun—⸗
dung hatte ihm den linken Fuß gekostet und das Fieber
»er Tropen hatte ihn gepackt. Troßdem schrieb er heitere
Briefe nach Hause. Ein kleiner Lettel lag einmal in einem
Brief an Elfriede; er war für Enmmy bestimmt und lautete:
„Mein treuer, kleiner Kamecad, ich kehre als ein anderer
Mensch nach Deutschland zurück, als Krüppel, aber innerlich
zesundet, frei von dem, was mir früher anhaftete. Ich
habe die Schule des Lebens durchgemacht, und nicht umsonst!
Daß ich Sie in Schornstätten finde, ist mir eine große
Freude! In herzlicher Freundschaft
Ihr Kamerad
Brunovon Schorn.“
„Freundschaft!“ dachte Emmy. „Ist es Freundschaft, was
nein Herz so schnell pochen macht beim Gedanken an das
Wiedersehen! Er ist mir durch unseren Briefwechsel mehr
geworden, viel mehr. Und doch, ich muß es mir aus dem
Sinn schlagen, es darf ja nimmer sein. Ich die kleine graue
Motte, die Schattenblume, und er der Aristokrat, der Sohn
leicher Eltern!“ —
So befreundet Elfriede und Emmy waren, sie sprachen
aie über das, was sie in bezug auf ihre Brüder bewegte.
Wohl hatte Emmy die istill verschwiegene Liebe Ernsts geahnt,
.ud in letzter Zeit war auch der Baronesse manches aufgefallen:
ner schnelle Wechsel der Farbe auf dem Gesicht Emmys, wenn
von Bruno die Rede war, die sehnsüchtige Traurigkeit, wenn
ie sein Bild anschaute. Sollte auch sie lieben? Es konnte
a nie etwas daraus werden, die Eitern würden es nicht zu—
zeben. —
Graf Leopold Rombeck war noch auf der Reise, niemand
ruhzte, wann er heimkehrte —
Baron Schorn holte den Sohn aus Kiel ab; Mutter
ind Schwester hatten alles zu seinem Empfang vorbereitet und
iwarteten ihn voll banger Sehnlucht.
Emmy hatte sich zurückgezogen, als die Stunde der Ankunft
iahte; ihr feines Taktgefühl verbot es ihr, beim ersten
Wiedersehen der Familie zugegen zu sein.
Sich schwer auf den Arm seines Vaters lehnend, verließ
»er junge Offizier den Wagen. In der Hand hielt er eine
Tdrücke, auf die er sich stützte; das rechte Hosenbein hing
chlaff herunter, der Fuß fehlte ja. Und wie mager und
jelb war das blühende, Jebensfrohe Gesicht geworden! Das
Fieber leuchtete aus den tief eingesunkenen Augen, das Haar
ag feucht und gelichtet an den Schläsen, die straffe Gestalt
var zusammengefallen.
„Bruno,. mein armer Junge!“
Frau Marie ist weinend bis an den Fuß der Treppe
geeilt, sie schlingt die Arme um den Sohn und preßt ihn
in sich. Elfriede steht daneben und unterdrüdt ihr Schluchzen.
„Na, na,“ poltert Baron Schorn in seiner rauhen Art. die
edesmal eine Rührung verbitgt, „um alles in der Welt.
Viutting, Friedel, seid froh, daß wir ihn überhaupt wieder
aben! Alles andere findet sich! Wir werden dich schon
och bringen, mein Junge!“
Bruno sieht seine Lieben an, dann das alte Schloß; ein
Zeufzer der Befriedigung hebt seine Brust.
„Der verlorene Sohn kommt heim,“ sagt er, „wie wohl
as tut.“
Nun liegt er auf der schattigen Veranda, alle sind bemüht,
hmüetwas Liebes zu erweisen. Tie Kinder Irmgards sind
nerst scheu. dann werden sie zutrausicher, als Gustav ihnen
uredet. Sie reichen dem Onkel die weichen Händchen und
laudern mit ihm.
Baronin Miarie ist ins Haus gegangen. den Kaffee zu
bestellen; iht Mann folgt ihr, er umfaßt sie liebevoll.