Full text: Lübeckische Anzeigen 1911 (1911)

Was die Zulassung der Frauen zu den Gesellen- und Meister⸗ 
prüfungen anlangt, so ist zu berücksichtigen, daß bis vor 
kurzem die Bestimmungen Über die Ausbildung und Anleitung 
von Lehrlingen sowie über die Ablegung der Gesellen- und 
Meisterprüfungen in bezug auf weibliche Personen meistens 
nicht beachtet sind. Es scheint daher billig daß die Frauen 
während einer gewissen Uebergangszeit zu den 
Prüfungen auch dann zugelassen werden, wenn 
sie die vorgeschriebene Lehr- und Gesellenzeit 
o der die Ablegung der Gesellenprüfung nicht 
rachzuweisen vermögen. Ebenso soll weiblichen Gewerbe— 
treibenden gegenüber, denen aus besonderen Gründen die Ab— 
legung der Meisterprüfung nicht zugemutet werden kann, von 
der in das Ermessen der Behörden gestellten Verleihung 
der Befugnis zur Anleitung vonLehrlingen ein 
wohlwollender Gebrauch gemacht werden. So— 
weit sich durch die Heranziehung der weiblichen Handwerker die 
Einrichtung vermehrtor Prüfungsausschüsse und Kommissionen als 
erforderlich herausstellt, soll Bedacht darguf genommen werden, 
datz für die Frauen vesondere Ausschüsse und 
Kommissionen gebildet werden, in welche auch 
weibliche Handwerker zu berufen sind. 
Schließlich sollen auch geeignete Kurse zur beruflichen Aus⸗ 
bildung der Frauen veranstaltet werden, und die Lehrstellen-— 
vermittlung soll auf weibliche Personen ausgedehnt werden. 
Der Minister ist bereit, hierfür staatliche Beihilfen 
zu bewilligen. 
Keueite Nachrichten und Telegramme. 
Der Kaiser in Wilhelmshöhe. 
W. Besse, 9. Aug. Heute morgen wurde bei Kassel eine 
Vefechtsübung von den Truppen des 11. Armeekorps vor dem 
Kaiser abgehalten unter der Leitung des Generalleutnants von 
Dertzen, Kommandeurs der 22. Tivbision. Teil nahmen die 
Ttuppen der Garnison Kassel, das 2. kurhess. Infanterie-Regi⸗ 
ment Nr. 82 aus Göttingen, das dritte Bataillon des Infanterie— 
Regiments von Mittich, 3. kurhess. Nr. 83, aus Arolsen, das 
kuthess. Jäger-Bataillon NRr. 11 aus Marburg, die 2. Komp. 
der 11. Pioniere, die reitende Abteilung des kurhess. Feld⸗ 
Autillerie-KRegiments Nr. 11 aus Fritzlar. Der Kaiser verließ 
um 512 Ahr das Schloß Wilhelmshöhe und stieg gegen 6 Uhr 
auf der Chaussee Elgershausen-Rordhausen am Fuße desBrauns— 
berges zu Pferde. Er begab sich über Altenritte in die Gegend 
von Besse. Das Gefecht entwickelte sich zwischen Besse und Lan—⸗ 
genberg und führte Generalmajor von Below gegen General- 
major Kluge. Nach 8 Uhr wurde das Gefecht abgebrochen. 
Der Kaiser hielt die Kritik ab und nahm den Vorbeimarsch 
sämtlicher beteiligten Truppenteile entgegen. DTas Wetter ist 
schön und heiß. 
W. Wilhelmshöhe, V. Aug. Der Kaiser nahm nach dem 
Vorbeimarsche der Truppen militärische Meldungen entgegen und 
begab sich um 10 Uhr im Automobil von Grohenritte nach 
Wilhelmshöhe zurück, vom Publikum mit herzlichen Kund- 
gebungen begrüßt. Der Kaiser verlieh eine Anzahl Ordens- 
auszeichuungen. Unter anderem erhielt Generalleutnant von 
Dertzen die Krone zum Roten Adlerorden 2. Kl., Generalmajor 
y. Below den Stern zum Kronenorden 2. Kl., Oberst Frhr. 
v. Humboldt-Dachröder den Kronenorden 2. KI., Oberst von 
Locow den Kronenorden 2. Kl. und Oberst Graf Beroldingen 
den Roten Adlerorden 3. KI. mit der Schleife. 
Automobilunfall des Prinzen Seinrich. 
W. Cloppeuburg, 9. Aug. Zu dem Automobilunfall ves 
Prinzen Heinrich berichtet die Cloppenburger Zeitung: Gegen 
9 Uhr 30 Min. passierte Prinz Heinrich, von Lenden über 
Arnheim kommend, die Stadt. Auf der Chaussee am Baum— 
weg, etwa um 10 Uhr, brach die Lenkporrichtung des Automobils, 
als es einem anderen Automobil ausweichen wollte. Hierdurch 
wurde das Fahrzeug steuerlos, schlug mit dem rechten Hinter— 
rad gegen eine Birke, federte dann mit dem linken Vorderteil 
gegen eine andere Birke und landete, ohne sich zu überschlagen, 
jenseits des Chausseegrabens. Ter Adjutant Korvettekapitän 
v. Usedom wurde aus dem Automobil geschleudert, erhielt eine 
Kontusion und befindet sich zurzeit wohl. Der Chauffeur Hans 
Hartz wurde ebenfalls herausgeschleudert und erheblich verletzt. 
Nian vermutet Schädelbruch. Der Prinz, welcher selbst führte, 
blieb im Wagen und kammitunerheblichen Verletzun— 
gen davon. Dr. Oskar Treplewitz und Frau aus Hamburg, 
welche in dem Augenblich vorbeifuhren, nahmen auf Bitten Seiner 
Königlichen Hoheit den Korvettenkapitän von Usedom nach Clop- 
venburg mit, von wo sie sofort ärztliche Hilfe in Gestalt des 
Herrn Dr. med. Bitter nach der Unfallstelle sandten, während 
Seine Königl. Hoheit bei dem Chauffeur verblieben war und 
dem Verunglückten die erste Hilfe leistete. Aus der Umgegend 
holte der Prinz weitere Hilfe und Gespanne herbei, die ihm von 
den Leuten gern und bereitwilligst erteilt wurde. Um 1 Uhr 
30 Min. wurde der Chauffeur in das hiesige Krankenhaus 
eingeliefert. Prinz Heinrich, der im Automobil des Weinhänd- 
lers Werner nach hier kam, und Korpettenkapitän von Usedom 
berblieben vorläufig im Zentralhotel. um den Zustand des 
Chauffeurs Hartz abzuwarten. 
Wt. Cloppenburg, 9. Aug. Vrinzessin Heinrich trifft der 
Münsterl. Tagesztg. zufolge heute abend zwischen 9 und 10 
Uhr, von Kiel kommend, im Automobil hier ein. Der Zustand 
des Chauffeurs hat sich gebessert. Die Aerzte hoffen, ihn am 
Leben zu erhalten. Er ist noch bewußtlos. 
Kein Besuch des Zarenpaares in Deutschland. 
W. Berlin, 9. Aug. Wie die B. 3. hört, steht es jetzt voll⸗ 
kommen fest, daß das Zarenpaar dieses Jahr nicht nach Deutsch⸗ 
land kommen wird. Die Zarin hat die Nauheimer Kur, die ihr 
im vorigen Jahre so gut bekommen war, in diesem Frühjahr in 
Petersburg wiederholt. Sie ließ sich einen Nauheimer Arzt 
dort hinkommen, und dieser ist nach mehrwöchentlicher Behand⸗ 
lung zu dem Resultat gelangt, daß der Zustand der Zarin 
nichts zu wünschen übrig läßt. Eine nochmalige Kur in Naubeim 
ist daher nicht mehr nötig. 
Abschluß der deutsch-belgischen kolonialen Grenzregulierungen. 
W. Berlin, 9. Aug. Die Ratifikationsurkunden zu dem am 
11. Aug. 1910 abgeschlossenen deuisch-belgischen Abkommen betr. 
die Feststellung der Grenzen zwischen Deutsch-Ostafrika und der 
belgischen Kongokolonie wurden am 27. Juli in Brüssel ausge- 
tauscht 
Der 52. Genossenschafistag. 
W. Stettin, O. Aug. In Gegenwart von Vertretern des 
Ministeriums, der. staatlichen und städtischen Behörden wurde 
heute vormittag der 52. Genossenschaftstag des Verbandes der 
auf Selbsthilfe beruhenden Genossenschaften (Schulze-Delitzsch) 
eröffnet. Als Vertreter des Handelsministeriums war Geh. 
Oberregierungsrat Dr. Franke erschienen. Er Überreichte dem 
Vorsitzenden des Aufsichtsrates der Stettiner VBank. Kurz, den 
Rrohenorden A QUlalf⸗— 
Die Meuterei auf der „Numancia“ dementiert. 
W. Berlin, 9. Aug. Die hiesige spanische Botschaft de— 
nentiert aufs energischste alle Mitteilungen, welche von den 
heutigen Morgenblättern mit Bezug auf die Vorkommnisse an 
Bord des Kriegsschiffes „Numancia“ veröffentlicht wurden. 
Wiederholt und nachdrücklich wird betont, daß es sich um die 
Insubordination von 13 Matrosen handelt, unter, denen sich 
reine Chargierten befinden, die streng bestraft werden. Der 
Vorfall entbehre tatsächlich jeden politischen Hintergrundes und 
verde nur von der radikalen Presse tendenziös aufgebauscht. 
Wt. Madrid, 9. Aug. Privatmeldungen zufolge, ver⸗— 
urteilte das Kriegsgericht in Cadix einen Matrosen der 
„Numancia“ zum Tode, mehrere andere teils zu lebens— 
länglicher Zwangsarbeit, teils zu geringen Sttafen. 
Proteste des deutschen und italienischen Konsulats auf Haiti. 
W. Newyork, 9. Aug. Nach einem Telegramm aus Cap 
zaitien erhoben der deutsche und der italienische Konsul da— 
gegen Protest, daß ihre Konsulate am Sonntag nachts durch 
die Menge, die den Einzug Lecontes in die Hauptstadt feierte, 
nit Steinen beworfen wurden. Die Behörden erließen eine 
Warnung, wonach Unruhen in der Nachbarschaft von Konsulaten 
ünftig streng bestraft werden. Die Ausschreitungen gegen die 
Konsulate sollen auf die Tatsache zurückzuführen sein, daß diese 
den Gegnern der Revolution Zuflucht gewährt haben. 
Das Befinden des Papstes. 
W. Rom, 9. Aug. Anläßlich der Jahreswende der Papst-⸗ 
rönung fand ein Gottesdienst in der Sixtinischen Kapelle statt. 
zIn Abwesenheit des leidenden Papstes hielt Kardinal Merry 
del Val ein feierliches Hochamt ab, dem 12 Kardinäle und das 
diplomatische Korps beiwohnten. Im Vatikan sind zahlreiche 
Glückwunschtelegramme eingetroffen. 
W. Rom, 9. Aug. Der Popst verbrachte die letzte Nacht 
uhig. Heute früh wurde er von den Professoren Petacci und 
Marchia⸗Fava besucht, die ihn viel besser fanden. Der Papst 
hütet noch das Bett. Sein Gichtanfall verläuft weiterhin 
normal. 
W. Rom, 9. Aug. Vita meldet, der Papst hütete gestern 
das Bett, da er Fieber hatte. Das Fieber ist nach Aussage der 
lerzte nicht auf eine Verschlimmerung der urämischen Erschei— 
nungen, sondern auf einen leichten Anfall von Bronchialkatarrh 
zurückzuführen. 
Deuischer Katholikentag. 
MVt. Mainz, 9. Aug. In der dritten geschlossenen Ver— 
jammlung der Katholiken Deutschlands wurde die Frage der 
hristlichen Arbeiterbewegung besprochen und ein Antrag betr. 
die obligatorische Einführung des konfessionellen Religionsunter⸗ 
richts in den Fortbildungsschulen einstimmig angenommen. Eine 
längere Aussprache entspann sich über die Mittelstandsfragen. 
Weitere Anträge betrafen den katholischen Frauenbund und 
die weibliche Jugendfürsorge. Auch das katholische Pressewesen 
wurde erörtert. Landtagsabgeordneter Marx erläuterte schließ— 
lich den Plan der Neuorganisation eines katholischen Bundes zur 
Verteidigung der christlichen Schulen und der christlichen Er— 
ziehung. Die Gründung wurde einstimmig beschlossen. 
Zionisten kon greß. 
W. Basel, 9. Aug. Der Zionistenkongreß wurde inAnwesen⸗ 
heit von 500 Delegierten von Dr. Wolffsohn erbffnet. Auf 
Antrag des Aktionskomitees wurde beschlossen, der türkischen 
Regierung ein Beileidstelegramm und 5000 Francs anläßlich 
des Brandes in Konstantinopel zu senden. Max Nordau hielt 
eine Rede über die Lage des Judentums. Zum Präsidenten 
des Kongreßbureaus wurde Nordau gewählt. 
Zum Eisenbahnunglück bei Niedergörs dorff. 
W. Dresden, 9. Aug. In einem Berliner Blatte war 
unter Bezugnahme auf das Eisenbahnunglüch bei Niedergörs— 
dorf die inzwischen auch in andere Zeitungen übergegangene 
Zuschrift eines Reisenden aufgenommen, die ein Gespräch mit 
einem sächsischen Zugschaffner zum Gegenstand hat und jenes 
Unglüch zum Anlaß von Vorwürfen gegen die sächsische Staats⸗ 
bahnverwaltung nimmt, die das ZQugpersonal so stark dienstlich 
iberlaste, daß man sich wundern müsse, dah nicht öfter Un— 
älle vorkämen. Hierzu geht uns von der Generaldirektion der 
ächsiscthen Staatseisenbahnen folgende Mitteilung zu: Wenn⸗ 
chon es befremden müsse, daß der Cinsender den Unfall bei Nie— 
ergörsdorf, den er dem sächsischen Personal beizumessen scheint, 
zuum Anlaß nehme, die an den Verhältnissen gänzlich unbeteiligte 
‚ãchsische Verwaltung zu kritisieren, dürfe man es geradezu frivol 
iennen, wenn auf Grund von waffenbar auch mißverständlich cquf⸗ 
zefaßten Gesprächen mit einem Cchaffner, der in Fragen der 
Betriebssicherheit gar nicht sachverständig ist, gegen die Verwal 
rung so schwere Vorwürfe erhoben und die Oeffentlichkeit beun— 
uhigt werde. Für die Betriebssicherheit komme bei dem Zug⸗ 
ersonal der Lokomotivführer, keineswegs das Schaffnerpersonal 
in Bettracht, dessen Verhältnisse übrigens auch nicht zutreffend 
jeschildert würden. Was die Frage der Ueberanstrengung be— 
treffe, so betrage die durchschnittliche tägliche Dienstschichtdauer 
zei dem Lokomotivpersonal rund 93 Stunden. Diese Angaben 
»ürften genügen, um zu charakterisieren, in welch leichtfertiger 
Weise der Verwaltung der Vorwurf gemacht worden sei, die 
Betriebssicherheit durch eine zu weitgehende Belastung des hier— 
kür in Betracht kommenden Zugpersonals zu gefährden. 
93 Personen bei einem Dampferuntergang ertrunken. 
W. Gibraltar, 9. Aug. Der französische Dampfer „Emir“, 
der heute früh um 3 Uhr von hier nach der marokkanischen Küste 
abging, ist 5 Meilen östlich Don Tarifa gesunken. 93 Versonen 
ind ertrunken. 
Wt. Gibraltar, 9. Aug. Eine weitere Meldung des Reuter— 
schen Bureaus über den Untergang des Dampfers „Emir“ be—⸗ 
agt: Infolge dichten Nebels stieß der englische Dampfer „Sil— 
oerton“ mit dem Dampfer „Emir“ zusammen. Der letztere 
sank. Von der Mannschaft sind 12, von der Vassaaieren 15 ge⸗— 
rettet. 
Kesselexplosion auf einem Rheinpassagierdampfer. 
W. Rotterdam, 9. Aug. An Bord des Dampfers „Guten— 
berg“ der Rheinischen Dampfschiffahrtsgesellschaft Köln—Düssel⸗ 
dorf, der außer Stückgütern 15 Passagiere an Bord hatte, er— 
ignete sich morgens eine Kesselexplosion, die auf dem Fahr— 
eug großen Schaden anrichtete. Der Schornstein wurde hoch 
n die Luft geschleudert, das ganze Oberdech, der Radkasten, die 
Küche und die Kajüten zerstört. Der Kessel wurde auf den Kai 
gjeworfen, die Außenwand 100 Meter weit weggeschleudert und 
eilweise schlugen Bruchstücke durch die Bedachung einer nahe— 
jelegenen Druckerei. Durch die Detonation wurden sämtliche 
Fensterscheiben der Umgebung zerstört. Soweit bekannt ist, 
vurden zwei Personen getötet, Adam Pohlmann, zweiter Steuer— 
nann, und der Matrose Heinrich Lehr, verwundet Kapitän Peter 
Seip und der Matrose Anton Wolz. Vermißt werden noch vom 
dersonal die Heizer Guthziek und Kerl und der Steward Rudolf. 
der Taucher fand im Boot keine weiteren Leichen vor, doch wird 
defürchtet. das noch mehrere Nersonen verunglückt sind. Von 
ven Passagieren weiß man bisher noch wenig. Auqh von diesen 
ind mehrere verletzt, aber ihr Verbleib nicht bekannt. Von 
den Personen, die sich auf dem Achterdeck befanden, als sich 
zie Explosion auf dem Vorderdeck ereignete, wurde leiner ge— 
ötet. 
WVt. Düsseldorf, O. Aug. Der Dämpfer „Gutenberg!,, auß 
dem kurz vor der Abfahrt von Rotterdam ein Kessel explodierte, 
ist Eigentum der Dampfschiffahrtsgesellschaft für den Nieder⸗ und 
Mittelrhein in Düsseldorf. Die Gesellschaft gibt die Liste der 
Toten und Verletzten bekannt. Getötet wurden der Steuer⸗ 
nann Pollmann-Bingen, der Leichtmatrose Lehr-Bacharach und 
er Heizer Glosseit-Warrus (Kreis Heydekrug), vermißt wird der 
zeizer Keil⸗Heppenheim, verletzt sind der Kapitän Seip, der 
erste Maschinist Müller, der Monteur Exel, der Kellner Rode, 
der Restaurateur Nordhern, der Matrose Wolz und von den 
Passagieren zwei Frauen aus Rotterdam. Ueber die Ursache 
der Explosion ist der Gesellschaft nichts bekannt. 
Wt. Rotterdam, 9. Aug. Die Leiche des Heizers Gethzeit 
st geborgen, die des Heizers Keil befindet sich bisher noch 
im Schiff. Ueber die Ursache der Katastrophe ist nichts gewisses 
bekannt. Es wird die Vermutung geäußert, daß die Wasser— 
menge in dem explodierten Kessel zu gering gewesen sei, wo— 
durch dieser teilweise glühend wurde, so daß eine unvorsichtige 
Beifüllung die Explosion herbeigeführt habe. Man weiß nicht, 
vieviele Passagiere sich an Bord befanden. Eine im Kranken⸗ 
hause liegende Frau erklärte, daß ihre Tochter mit einem vier— 
jährigen Kinde an Bord gewesen sei. Bis jetzt sind 10 Verletzte 
festgestellt, von denen der zweite Maschinist schwer verletzt ist 
Arbeiterbewegung. 
WMi. Dresden, 9. Aug. Der Verband der Metall 
industriellen in der Kreishauptmannschaft Dresden be— 
schloß, 60 Prozent der gesamten Arbeiterschaft zur Unterftützung 
der zurzeit vom Streik betroffenen Verbandsfirmen auszu⸗ 
perren. 
W. London, 9. Aug. Wenigstens 30000 Fuhrleutée 
streiken hier jetzt infolge der Aufforderung, die der Exekutivaus⸗ 
schuß der Tradeunion der Fuhrleute an diese ergehen ließ. In den 
Ztraßen der City Dency, von Ostende, Westende und Südlondon 
ind tatsächlich keine Güterwagen zu sehen. Auf den Haupt— 
zerkehrsstraßen werden meistens mit Erfolg die Fuhrleute von 
den Streikenden aufgefordert, die Wagen nach den Stationen 
zurückzubringen. Die Ausdehnung des Ausstandes auf die 
vüterbahnhöfe ist wahrscheinlich. Einige Eisenbahnfuhrleute 
tellten schon die Arbeit ein. Ungeheure Mengen an Früchten 
und Lebensmitteln liegen auf der Station London Bridge fest. 
da die Fuhrleute sich weigern, die Ladungen abzufahren. 
Wit. London, 9. Aug. Nach einer Blättermeldung erließ 
der Sekretär des Hafenarbeiterverbandes heute nachmittag einen 
allgemeinen Streikbefehl, der sich an Alle, die im Lon— 
doner Hafen beschäftigt sind, richtet. Dadurch würde sich, die 
Zahl der Ausständigen auf etwa 100000 erhöhen. 
Wt. Liverpool, 9. Aug. In dem benachbarten Birkenhead 
haben heute gegen tausend Lastträger die Arbeit niederge— 
legt. Gegenüber der Limestreetstation sammelte sich eine nach 
Tausenden zählende Menge an, die im Laufe des Nachmittags 
so aufgeregt wurde, daß berittene Polizei aufgeboten werden 
mußte. Die Schutzleute trieben die Menge unter deren Hohn⸗ 
rufen auseinander. Abends werden auch von außerhalb Po⸗— 
lizeimannschaften erwartee. 7* 
Der HSufnmer Viehmarkt geschlossen. 
W. Susum, 9. Aug. Auf dem hiesigen Fettviehmarkt 
wurde heute vormittag bei 6 Stück Vieh Maul- und Klauen- 
seuche festgestellt. Der Markt wurde fofort geschlossen. Der Ab⸗ 
trieb wurde um 154 Uhr nachmittags vom Regierungspräsidenten 
freigeneben. Die Preise sind 830 bis 50 Muäzurückgegangen. 
Die Cholera. 
— 
fälle an der Cholera, in Djakova 4, in Mitrovitza 7 Todes⸗ 
fälle bei 19 Erkrankungen. Zwei Fälle ereigneten sich bei 
Soldaten. 
Die Pest in Schanghai. 
W. Schanghai, 9. Aug. In einer Vorstadt Schanghais 
wurden 9 Fälle an Beulenpest festgestellt 
Wt. Stuttgart, O. Aug. Die Erfte Kammer nahm das 
Lotteriegesetz einstimmig an und stimmte dem Staats— 
dertrag zwischen Württemberg, Bayern und Baden einerseits 
uind mit Preußen andererseits zu. Damit ist das Gesetz end⸗ 
aültig angenommen. 
Wt. Bregenz, 9. Aug. Der deutsche Kronprinz 
ist auf seiner Rückreise aus Italien zum Jagdaufenthalt auf 
einem Revier Hopfreben im Bregenzer Walde eingetroffen. 
Wt. London, 9. Aug. Nach einer Lloydsmeldung aus St. 
Johns wurde der deutsche Dampfer „Calabria“ mit geplaßz⸗— 
tem Hauptdampfrohr eingebracht. 
Heer und Slotte. 
W. Berlin, 9. Aug. „Hertha“ ist anm 7. August vor 
delgoland eingetroffen und am 9. Aug. wieder in See ge— 
zangen. „Pelikan“ ist am 8. Aug. von Wilhelmshaven nach 
der Ems gegangen. „Grille“ itt am 3. Aug. von Kolberg 
nach Swinemünde gegangen. „York“ mit dem 2. Admiral der 
Aufklärungsschiffe ist am 9. Aug. in Bergen angekommen. 
W. Blissingen, 9. Aug. Das Kanonenboot „Panther“ 
st, von Aaadi kommend, hier var nfera⸗aangen. 
Bunte Chronik. 
Kühne Lebensrettung. Aus Berlin wird ge 
neldet: Ein fünfjähriger Knabe geriet beim Baden an ver— 
»otener Stelle in Sumpfboden und versank. Die Mutter, 
die vom Ufer aus den Vorfall bemerkt hatte, versuchte den 
Knaben zu retten, versank aber ebenfalls. Der Vizefeldwebel 
Witte vom zweiten Garderegiment sprang nach und lonnte die 
heiden mit eigener Lebensgefahr so lange über Wasser halten, 
bis sie vom Ufer aus an Land gezogen wurden. Mutter 
und Kind erholten sich erst nach längerer Zeit. 
Eisenbahnraub. Aus Catoralja-Ufhely wird 
gemeldet: Von dem Postwagen eines Personenzuges, der vor 
inigen Tagen nach Kaschan abging, wurden vierzehn Geld« 
»riefe mit insgesamt 34 620 Kr. auf bisher ungusaeklärte 
Weise entwendet. 
In diesen Tagen beinahe erfroren. Ein Fleischer— 
neister in Paderborn schickte seinen Gesellen abends ziemlich spät 
n das städtische Kühlhaus, um Waren von dort zu holen. Dis 
Anwesenheit des Gesellen muß dem Personal unbekannt ge— 
zlieben sein, denn das Kühlhaus wurde geschlossen, und der gant 
leicht gekleidete junge Mensch blieb darin zurück. Erst als er 
tachts nicht heimkehrte, kanr man auf den Gedanken, daß er sich 
im Kühlhause befinde, und befreite ihn. Er war vor Kälte schou 
halb erstarrt und wäre erfroren. hätte seine Gesangenschaft 
za06 Tůünde— ndodngeeärt
	        
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