Full text: Lübeckische Anzeigen 1911 (1911)

bes Friedens und greifen nur im äãukersten Notfalle zu den 
Waffen, doch waren wir bisher das Opfer aller Verwickelungen. 
Der Handel stocht an der Grenze, wir erleiden aber auch noch 
anderen Schaden.“ Das können wir nicht lange ertragen; eine 
asche Lösung tut not. Vorläufig überlassen wir die Lösung 
anderen Mächten. Wenn wir sehen, daß sie vergeblich ist, wer- 
den wir uns selbst an die Lösung machen. Schädliche Folgen 
rüichten wir nicht, haben doch die Großmächte auch die terri— 
oriale Intearität Marokkos garantiert. 
So — 
Das französische Oberkommando. 
(Telegramm.) 
W. Varis, 1. Aug. Kriegsminister Messimy erklärte einem 
Berichterstatter, er könne mit Befriedigung feststellen, daß die 
»on ihm durchgeführte Umgestaltung des Oberbefehls nirgend 
iner ernsten, grundsätzlichen Kritik begegnet sei. Durch die Neu— 
organisation habe Frankreich etwas erhalten, was es bisher 
rnicht besessen. Der Oberbefehl sei jetzt in Friedenszeiten ebenso 
eingerichtet wie in Kriegszeiten. „Ich bedauerte,“ fuhr der 
riegsminister fort, „daß General Pau mein Anerbieten abge— 
ehnt hat, aber noch erstaunter war ich, als ich sah, daß die 
janze Partei, die die neue Einrichtung mit General Pau als be— 
wundernswert bezeichnet hatte, mit einem Male erklärte, daß 
ie ohne ihn nichts tauge. Beweist das nicht, daß nicht wir, 
ondern unsere Gegner in alle Fragen die Politik hineintragen? 
Die Regierung verlangt nun von den Generalen, denen sie die 
yöchsten Posten verleiht, eine loyale Gesinnung. Im Kriegs⸗ 
alle würde der Oberbefehlshaber der Ostarmee mit dem Ge— 
ieralstabschef an die Grenze abgehen, während General Dubail 
in Paris beim Minister bleibt, und mit diesen drei Männern 
derde ich mich bemühen. die Offenside zu enfwideln. 
Neueste Nachrichten und Telegramme. 
Der Kaiser in Swinemünde. 
W. Swinemunde, 1. Aug. Der Kaiser unternahm gestern 
achmittag eine Ausfahrt im Automobil. Zur Abendtafel war 
Frau Konsul Staudt aus Heringsdorf mit Familie geladen. 
Der Kaiser wohnte heute vormittag von 1d Uhr ab dem 
Schießen nach See des ersten Bataillons des Fußartillerie⸗ 
regiments von Hindersin (J. pommersches Nr. 2) bei und hörte 
snäter an Bord den Vortrag des Chefs des Militärkabinetts, 
Senerals der Infanterie Frhrn. v. Lynder. Zur Frühstücksstafel 
varen geladen: Graf und Gräfin Arnim auf Zichow und die 
Offiziere des genannten Artilleriebataillons. Der Kommandant 
des laiserlichen Hauptquartiers, Generaloberst v. Plessen, ist hier 
eingetroffen. Der Kaiser gedenkt heute abend 10 Uhr von 
hier nach Altengrabow abzureisen. Im Gefolge werden sich 
befinden: Hausmarschall Frhr. v. Lyncker, die Generala diu⸗ 
anten Generaloberst v. Plessen, General der Kavallerie —XXXV 
Heneral der Infanterie Frhr. v. Lynder, Oberstallmeister Frhr. 
v. Reischach, General à la suite Generalmajor v. Chelius, Flü⸗ 
zeladiutant Maior Dommes, Oberstabsarzt Dr. Niedner und 
Gesandter v. Treutler. 
Maroklo. 
Wit. Köln, 1. Aug. Der Spezialberichterstatter ber Koln. 
Ztg. meldet aus Agadir unterm 31. Juli: In Agadir befinden 
ich zurzeit noch vier Deutsche und zwei Spanier. Der Kreuzer 
„Berlin“ ist heute nach Teneriffa zum Kohlen abgefahren und 
vird inzwischen hier durch „Eber“ ersetzt. Dank der Anwesen⸗ 
hjeit der deutschen Kriegsschiffe herrscht im ganzen Gebiet von 
Mogador bis zum äußersten Süden größte Ruhe. Selbst in 
Tarudant wurden einige aus Marrakesch kommende Deutsche 
jut aufgenommen. Dieser Tage besuchten Scheichs aus dem 
zefürchteten Bergstamm der Utanen den Kommandanten des 
Kreuzers „Berlin“ und erklärten ihm, daß überall Genug⸗ 
tuung über die Anwesenheit der Kriegsschiffe herrsche. Die 
ltanen luden den Kommandanten und die Offiziere ein, in ihr 
Sebiet zu kommen. Kommandant Löhlein empfahl ihnen, stets 
ür die Erhaltung der Ruhe des Landes zu wirken. 
Wit. Teneriffa, 1. Aug. Der Kreuzer „Berlin“ ist aus 
Agadir hier eingetroffen und vor Anker gegangen. 
Zur medlenburgischen Verfassungsfrage. 
we Rostock. 1. Aug. Der Großherzog empfing gestern 
m Palais in Rostock die aus dem ritterschaftlichen Konvent 
am 18. Juli erwählte Deputation. Nach Entgegennahme der auf 
dem Konvent gefaßten, in der Presse bereits bekanntgegebenen 
Beschlüsse eröffnete der Großherzog den Deputierten nach— 
tehendes: Er glaube in dem Vorgehen der Ritterschaft den 
Wunsch erblichen zu sollen, ihrerseits zu einer Verständigung 
iber die Verfassungsfrage beizutragen. Ohne auf die Einzel— 
seiten des von der Ritterschaft gefaßten ihm soeben überreich— 
en Beschlusses einzugehen, müsse er doch darauf hinweisen, daß 
oerselbe sich im wesentlichen mit den Vorschlägen dedt, welche 
bereits bei den kommissarisch deputatischen Verhandlungen des 
ietzten Landtages gemacht wurden, welche aber schwerwiegenden 
Bedenken begegneten. Er nehme jedoch an, daß durch den Be— 
schluß der Ritterschaft nur eine Grundlage für weitere Verhand—⸗ 
sungen geboten werden soll, so daß für die Frage Raum bleibe, 
»b es möglich sei, durch eine Modifikation der Vorschläge den 
ezeichneten Bedenken Rechnung zu tragen. Von dieser An— 
niahme aus sei er bereit, die Prüfung der Vorschläge zu ver— 
inlassen. 
Das Recht auf Aussperrung und Ausstand in Portugal 
abgelehnt. 
W. Lissabon, 1. Aug. Die konstituierende Versammlung 
lehnte mit 78 gegen 76 Stimmen den Varagraphen der Ver— 
fassung ab, durch den das Recht auf Ausstand und Aussperrung 
anerkannt wird. 
Die Lage in Persien. 
Wi. Teheran, 1. Aug. Das gegen den früheren Schah 
Mohammed Ali ausgerüstete Detachement besteht aus tausend 
Infanteristen, ungefähr zweihundert Bachtiaren und dreihundert 
Fidais. Es verlautet, daß die Fidais planen, mit ihrem Chef 
Muis es Saltaneh zum Scheine auf die Seite Mohammed Alis 
überzugehen und ihn zu töten, um die auf seinen 
Kopf ausgesetzte Belohnung zu erhalten. In Tehe— 
ran wachsen die Sympathien für Mohammed Ali, 
doch verbergen sich die Anhänger aus Furcht vor 
den Demokraten. 
Der englische und der russische Gesandte richteten gleich⸗ 
lautende Noten an die persische Regierung, in denen die eng⸗ 
lische und die russische Regierung anerkennen, daß der fruühere 
Schah keinen Anspruch mehr auf die Pension habe, nachdem 
er nach Porien zurückgekehrt sei, trotz der ihm zu wiederholten 
Malen seitens der beiden Regierungen erteilten Mahnung, 
ich von der politischen Agitation fernzuhalten. Beide Re— 
gaierungen erklären, lie könnten. solange der frühere Schah 
lich auf persischem Boden befände, nicht intervenieren, folglich 
auch in dem gegenwärtigen Zwist nicht Partei ergreifen. 
Es wird berichtet, daß Mohammed Ali Asterabad verlassen 
und sich mit unbekanntem Ziel in Gumeschtepe eingeschifft habe, 
doch ist die Nachricht unbestätigt. 
Professor Duden F. 
W. Wiesbaden, 1. Aug. Der Geheime Regierungsrat 
Professor Duden, Altmeister der deutschen Rechtschreibung, ist 
heute früh in Sonnenberg im Alter von 83 Jahren gestorben. 
Arbeiterbewegung. 
Wt. London, 1. Aug. Viertausend Hafenarbei— 
ker und 1500 Kohlenträger sind auf der Themse in den 
Ausstand getreten. Die von dem Ausstand betroffe— 
ien Firmen beherrschen tatsächlich die gesamte Schiffskohlen— 
ndustrie der Themse und umfassen fast alle ersten Schiffsfirmen, 
Die Arbeiter weigern sich, die Arbeit aufzunehmen, bis die 
Arbeitgeber die Gewähr leisten, daß sie das am letzten Donners⸗ 
ag erzielte Abkommen einhalten werden. 
We Petersburg, 1. Aug. Seit gestern streiken die hie— 
igen Hafenarbeiter, die Aenderung der Arbeitstarife und 
dohnerhöhung fordern. Heute morgen erschienen 2000 Arbeiter 
m BGafen, nahmen jedoch nicht die Arbeit auf. Ihnen gesellten 
ich 1000 Hafenarbeiter aus Gutujewskij und anderen Bassins zu. 
Wt. Reval, 1. Aug. Auf nahezu sämtlichen Dampfern 
ind die Arbeiter und Lastträger, die eine Lohnerhöhung for—⸗ 
dern, in den Ausstand getreten. 
Eloro (Mexiko), 1. Aug. Truppen erdffneten auf strei— 
sende Bergarbeiter der Esperanzo⸗Mine, welche Gefangene aus 
inem Gefängnis befreiten, ein Feuer, töteten 9 Personen und 
erwundeten 32. Die Arbeiter der Mexiko-Mine stellten die 
Irbeit gestern ein. Man erwartet, daß die Arbeiter der Eloro— 
Nine heute ihrem Beispiel folgen. Die Arbeiter fordern die Er— 
jöhung der Lohnsätze. Bisher befinden sich 4000 Arbeiter im 
Lusstand. Die Fremden sandten ihre Frauen mit der Bahn 
ach Mexiko-City. Die genannten Minen befinden sich haupt— 
ächlich im Besitz von Engländern und Amerikanern. 
Räheres über den Brand des Pyrmonter Kurhauses. 
W. Pyrmont, 1. Aug. Der durch den Brand des fürst— 
ichen Kurhauses verursachte Schaden wird auf 224 Millionen 
Mark geschätzt. Die Ursache des Brandes war wahrscheinlich 
Zelbstentzüundung von Feuerwerkskörpern, die auf dem Boden 
agerten. Die Gäste konnten mit knapper Not ihr Leben retten. 
Seit Sonntag wird auf dem Königsberg bei Pyrmont ein 
Schützenfest abgehalten, das durch die Kunde von dem Brande 
des Kurhauses einen jähen Abschluß fand. Einer der Kur— 
jäste, der noch morgens gegen drei Uhr an dem Sützenfest 
eilnahm, sah plötzlich aus dem neben dem Kurhause liegenden 
Maschinenhause Rauch aufsteigen. Er wies die Nächst'tehenden 
»arauf hin, und in wenigen Sekunden hatte sich die Nachricht 
iber den ganzen Festplatz verbreitet. Mit dem Rufe: „Das 
turhaus brennt!“ stürzten die Menschen der Brandstätte zu. 
Als die Feuerwehr erschien, stellte sich heraus, daß das Wasser 
inen vollkommen ungenügenden Druck hatte, um auszureichen. 
Die Kurgäste logieren nun mit ihrem gesamten Gepäck in den 
amliegenden Parkanlagen. Viele von ihnen wurden erst durch 
hen Feuerlärm aus dem Schlafe gesichreckt und mußten in der 
Nachtkleidung ins Freie flüchten. Von der Kurverwaltung, wurde 
im Laufe des Vormittags ein Anschlag veröffentlicht, in dem 
nitgeteilt wurde, daß keine Verletzungen vorgekommen sind 
ind daß es gelungen sei, die im neuen Kurhotel untergebrachten 
Altertümer zu retten. Mittags 12 Ubr konnte der Brand 
ils gelöscht betrachtet werden. 
Gewaltiger Waldbrand in der Lüneburger Heide 
M. Lüneburg, 1. Aug. Seit heute früh wütet in Gifken⸗ 
dorf, Vastorf und Wendisch-Evern ein gewaltiger Heide- und 
Waldbrand, der das Dorf Wendisch-Evern ernstlich bedroht. 
Es sind bereits umfangreiche Strecen Wald und Heide abge— 
brannt. Seit dem Morgen sind drei Eskadrons der 16. Dra— 
goner und die Feuerwehren der Umgegend zur Hilfeleistung am 
Brandplatze. Mittags gegen 2 Uhr rückte auch ein großer Teil 
der Lüneburger Feuerwehr zur Löschhilfe nach Wendisch-Evern 
1b. Es erscheint nicht ausgeschlossen, daß der Brand auch auf 
Ddeutsch-ECvern übergreift. Es besteht noch keine Aussicht, daß 
dem Brande Einhalt getan wird. 
Wt. Berlin, 1. Aug. Der Reichsanzeiger veröffentlicht 
heute das Zwedverbandsgesetz vom 19. Juli 10911. 
Wit. Berliun, 1. Aug. Zum Rektor der Universität 
Berlin für das Studienjahr 1911,12 wurde der Historiker Ge— 
jeimrat Professor Max Lenz gewählt. 
Wt. München, 1. Aug. In Anwesenheit des Prinzen 
rranz als Vertreter des Prinzregenten fand heute vormittag 
zie feierlihe Eröffnung des großen zoologischen 
ßartens statt, der den Namen Tierpark Hellabrunn führt. 
Der Prinzregent stiftete 250000 Mufür den Tierpark. 
Wit. London, 1. Aug. Wie das Reutersche Bureau er— 
fährt, finden jetzt in London Besprechungen statt, in denen 
Reformen desschinesischen Währungssystems ge— 
mähß den Bestimmungen für die kürzlich abgeschlossene Anleihe 
don 10 Millionen Pfund erwogen werden. In Anbetracht der 
Wichtigkeit der zur Beratung gelangenden Fragen sind alle 
Teilnehmer an der Konferenz zur Geheimhaltung verpflichtet. 
Unter den Teilnehmern befinden sich der frühere Staatssekre— 
tär Dernburg sowie englische, amerikanische und chinesische Ver—⸗ 
treter 
Wt. Königsberg i. Pr. 1. Aug. Unterschlagungen 
in Höhe von 28 000 Muverübte der etwa achtzehnjährige Lehr— 
sing Horstmann bei der Norddeutschen Kreditanstalt in Gemein— 
chaft mit dem Buchhalter Bödece einer hiesigen Firma, der 
»ortselbst tausend Mark veruntreute, dadurch, daß Bödede auf 
inen mit der gefälschten Unterschrift versehenen, auf 42000 M 
autenden Kreditbrief gestern bei der Stettiner Filiale der 
Norddeutschen Kreditanstalt 28 000 Muäabhob. Beide sind 
üchtig. 
Wt. Samburag. 1. Aug. Nach einem hier aus Cowes 
eingegangenen Telegramm gewann bei der heutigen königlichen 
Regatta die Jacht „Paula II, Besitzer Herr Ludwig San— 
)ers, den ersten Preis. 
Wi. Göttingen, 1. Aug. Der alademisch-landwirtschaftliche 
Verein Agronomia wurde wegen schwerer wörtlicher und tät— 
icher Beleidigung von Ausschußmitgliedern der freien Stu⸗ 
Aentenschaft auf ein Semester suspendiert. Der erste Char⸗ 
nierte der Agronomia wurde von der Universität verwiesen. 
Ws. Molde, 1. Aug. Der Torpedomatrose Rudolf Niedel 
don S. M. S. „Nassau“ ist gestern nachmittag beim Baden 
ertrunken. Die Beerdigung fand heute statt, 
heer und Flotte. 
W. Berlin, 1. Aug. Angekommen: „Scharnhorst“ mit vemn 
Chef des Kreuzergeschwaders, „Gneisenau“, „Leipzig“, „Nürn. 
berg“ und „S 90“ am 30. Juli in Castries Bay (Insel Sacha 
lin), Flußkanonenboot „Vaterland“ am 30. Juli in Liling 
(Provinz Hunan), „Tiger“ am 31. Juli in Schanghai, „Em— 
den“ am 1. Aug. in Tsingtau, „Friedrich Carl“ am 31. Juli 
in Hieltefiord. In Dienst gestellt: „Wörth“ am 31. Juli 
in Wilhelmshaven. Postregelung: „Pelikan“ vom 3. bis 5. Aug. 
Cuxhaven, vom 6. bis 7. Aug. Wilhelmshaven, vom 8. bis 
9. Aug. Borkum, vom 10. bis 13. Aug. Cuxhaven, vom 14. Aug 
ab bis auf weiteres Kiel. 
Güter für Schiff „Berlin“. Die Woermann-Linie hat sich 
zereit erklärt, mit dem am 9. August von Hamburg abgehenden 
Ddampfer „Lucie Woermann“ der Kamerun-Hauptlinie außer 
Versonen auch Güter für „Berlin“ nach Teneriffa mitzunehmen, 
oforn es sich nicht um Sprengstoffe oder andere Güter han— 
delt, deren Beförderung mit Passagierdampfern ausgeschlossen 
ist. Die Linie hat um rechtzeitige Aufgabe des benötigten 
Schiffsraumes und Anlieferung der Güter durch die Firma 
Matthias Rohde & Co. in Hamburg gebeten. 
Privatpakete an die Besatzung des auf der australischen 
Station befindlichen Vermessungsschiffes „Planet“ können zu 
den belannten Versendungsvorschriften im Marineverordnungs— 
blatt von 1909 Seite 205 koltenfrei geschickt werden, wenn sie 
his spätestens zum 7. Aug. 1911 bei der Speditionsfirma Mat— 
thias Rohde C Jörgens, Bremen, porto- und bestellgeldfre 
eintreffen. Für Verpackungs- und Ladegebühr im Seehafen sind 
außerdem 30 Pfennig zu entrichten. 
W. Wilhesmshaven, 1. Aug. Das Linienschiff „Ostfries⸗ 
land“ hat in Dienst gestellt unter dem Kommando dés 
Kapitäns Engelhardt. Die Herbstmanöver der Hochseeflotte 
beginnen am 20. Augurft 
Buntes Allerlei. 
ue. Die kronprinzliche Famtlie in England. Bei Gelegen⸗ 
Jeit der Königskrönung hat sich das Interesse der Engländer und in 
erster Linie der Londoner für die Familie des deutschen Kronprinzen 
noch um vieles vermehrt. Zeitungen wetteiferten in allerhand No— 
izen und längeren Berichten, um über die hohen deutschen Gäite etwas 
steues sagen zu können und haben mit Sympatdiebezeigungen nicht 
egeizt. Sogar die ersten Zeitschriften bemühten sich, die einzelnen 
Hlieder der kronprinzlichen Familie — voran natürlich den Kronvrinzen 
elbst — ihren Lesern bildlich vorzuführen. Ein entzückend schönes, 
arbiges Kunstbild im großen Forniat unserer, Jilustr. Zta.“ brachte 
The Illustradet London News“ in Nr. 3766 und ein ganz reizendes 
benso großes Seitenbild vom „ältesten Sohn“ des Kronprinzen (nach 
iner plastischen Darstellung der Nationalgalerie Berlin) brachte in 
str. 2165 „The Graphie“, die Ueberschrift lautete: A life like Statne 
„f the Crovnn Princes eldest son. Diesen vollendet ausgeführten Repro⸗ 
zuktionen könnten wir noch verschiedene andere anreiden, die alle ein 
Beweis dafür sind. welches große Interesse der Engländer unserem 
laiserlichen Hause und der jetzt durch die Krönungsfeierlichkeiten im 
Vordergrunde stehenden kronvrinzlichen Familie entgegenbringt. 
nge. Ein Jaurmarkt anf der Pfaueninsel. Der Geburtstag 
der Erbprinzessin Charlotie von Meiningen, der ältesten Schwester 
Wilhelms II. der am Montag dem 24. Juli wiederkehrte, ruft die Er— 
innerung wach an ein merkwürdiges Fest, das in Gestalt eines Volks 
und Jahrmarktstrubels auf der königlichen Pfaueninsel bei Potsdam 
om Kronprinzen, späteren Kaiser Friedrich, veranstaltet worden ist 
Am 24. Juli 1883, also zum 23. Geburtstage der Prinzeß Charlotte 
zing die übermütigste und lustigste aller Festlichkeiten, die auf dem 
tillen Eiland jemals erlebt ist, in Szene. Der Kammerherr der Kron⸗ 
zrinzessin Viktoria. Graf von Seckendorff, halte die ganze Festregie 
ibernommen. vom Kronprinzen selber aber stammle die Idee, einen 
cht märkischen Jahrmarkt aus der guten alten Zeit mit all seinem 
Possenreißer⸗ und Budenzauber heraufzubeschwören. Die Mitglieder 
zer Hofgesellichaft fanden sich mit guter Laune in drastischen Jahr⸗ 
narktsrollen und als Zuschauer figurierten die Potsdamer Bürger— 
amilien mit Kind und Kegel. So aber wurde der Charakter eines 
Bolksfestes vollendet. Als der Kronprinz in der fünsten Nachmittags— 
tunde mit der Kronprinzessin und seinen beiden jüngsten Töchtern 
)en Prinzessinnen Sophie und Margarethe, am Feltplatz vor Anker 
sing, waren die erlauchten Seiltänzer, Degenschluder, Feuerfresser— 
Schlangenbändiger, Marltschreier, Hökerinnen, Limonadenjungfrauen. 
Pfefferkuchenonkels und Kunstreiter sron in voller Tätigleit, Gekreisch 
rtönte von den Schaukeln, Rutschbahnen und Karussells. Der Kron⸗ 
Arinz nun mitten hinein in den Trubel. „Kinder, immer feste 
rängeln!“ das war die Varole, die er ausgab und nah Kräften 
efolgte. Echt berlinisch. wie immer, rief er hier und dort bei den 
Zauptbuden mit dieser und jener Moritat: „Hier münsen wir rin, 
tzinder, hier jibt's 'n Hauptulk! Is ja freilich 'n bißchen viel für'n 
Familienvater, 50 Psennige Entree. Aber Lotte hat ja heute Geburts⸗ 
ag in Meiningen und da darf man nicht jnitschig sein. Aiso immer 
rin ins Vergnügen!“ Hochkomisch war die Szene in einem Zelt, wo 
zier Paare auf Holzpferden Quadrille ritten. Der Kronprinz meinte? 
Das is ja einfach zum Quitschen. Vicky, sieh doch bloß, wie schneidig 
Hraf H. auf seiner Rosinante sitzt, und Leutnant v. R. macht auf seiner 
englischen Fuchsstute Vater Renzen unheimliche Konkurrenz!'“ Um 
Vorhang einer kunstvoll aufgeschlagenen Bühne spielte der Kronprint 
elber den Logenschließer und nötigte zum Niedersitzen. Es stieg der 
ausgelassene Schwank des Herzogs Elimor von Oldenburg „In Hemds« 
irmeln“, unter förmlichen Lachsalven, dargestellt von Herrn von Arnim, 
Frau von Petersdorff, Baron Bodenhausen und Herrn und Frau vor 
Keszicky. Georg Engels hatte auf hohen Wunsch die Einstudierunt 
zeleitet und der Kronprinz quittierte mit einer brillantsunkelnden 
Busennadel. Schließlich wurde an langen Tafeln gespeist, Fackelr 
und Lampions erjfüllten die Insel mit einem Zauberlicht und das 
Ende aller Dinge war ein großartiges Feuerwerk. Erst in der drilten 
Morgenstunde zerstreute sich die Festgesellschaft. 
Das Befinden des Bezirksheustmannz von Kamrrun, Frei 
herrn von Lüdinghausen, der, wie gemeldet, bei einem Auto— 
mobilunfall eine schwere Gehirnerschütterung erlitt, üt jetz 
oauernd bei Bewußtsein. Eine unmittelbare Lebensgefahr ist, 
wenn nicht besondere Komplikationen eintreten, vorüber. 
Ein strafrechtliches Kuriosum. Vor der Strafkammer in 
Potsdam hatte sich am Mittwoch der am 11. April 1882 
gebodene Stanislaus Weyeuther zu verantworten. Er hat in 
dezug auf feine Vorstrafen jeden Resord geschlagen und stand 
etzt zum 75. Male vor einer Strafkammer. Der Angeklagt( 
st ein gewohnheitsmäßigçger Zed presler und Logiedieb. In 353 
deutschen Städten war er angeklagt, und insgesamt wurde gegen 
ihn wegen Sachbeschädizung, Vetruas, Bettelns, Urkunden— 
älschung und schweren Diebstahls eine Strafe in Höhe von 
03 Jahren verhängt, davon allein 320 Jahre und 10 Monate 
Zuchthaus. Augenblicklich verbüßt der Angeklagte eine Stra'e 
in Celle. Vor Eintritt in die Verhandlung weigerte sich der Au— 
zeklagte, sich ohne ärztlichen Sachverständigen vernehmen zu 
assen. Die Straffammer kam deshalb zu einer Vertagung 
und beschloßz, den Wunsch des Angeklagten zu berücsichtigen
	        
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