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Freitag, den 28. Juli 1911.
KAusgabe .
Abend⸗Blatt Ur. 377.
—— —
Aus den Nachbargebieten.
Hamburg, 28. Juli. Das Gewitter am Mittwoch
abend ist über den Elbgemeinden mit außerordentlicher, selten
beobachteter Stärke niedergegangen. Wolkenbruch und Hagel⸗
schlag, dessen Eisstücke die Größe von Taubeneiern bis zu
Fauststärke hatten, haben gewaltigen Schaden in den Gärtne—
reien, an den Obstbäumen sowie auf den Feldern angerichtet.
Zahlreiche Personen sind von den herabfallenden Eisstücken
verletzt worden. Die abschüssigen Straßen glichen Sturzbächen,
in denen Baumäste, Laubwerk und herausgerissenes Straben⸗
pflaster, vermischt mit Erdmassen, mitgerisser wurden. Viele
Keller standen unter Wasser, in zahlreichen Häusern wurde die
Telephon⸗ und Lichtleitung zerstört. In der Bahnhofstraße in
Blankenese wurde u. a. der Turm eines Hauses vom Blitz
getroffen und ein großes Loch ins Mauerwerk gerissen. Ganz
besonders hatte das Bahnhofsgebäude in Blankenese zu leiden.
Sämtliche Scheiben des Einfallichtes wurden zertrümmert.
Eine Panik entstand, als ein Blitzschlag die Fahnenstange des
Bahnhofs traf, wodurch der Fahnenknopf zertrüummert wurde.
Der Blitz lief an einem Draht an der Außenseite des Bahn⸗
hofs bis zur hölzernen Vorhalle hinaus, durchschlug mit ge⸗
waltigem Krachen das Außengesims und schlängelte sich in
der Bahnhofsvorhalle an der Gipsdede entlang, zundete aber
nicht. Das Gesims und die Decke wurden stark beschädigt.
Auch in Klein⸗Flottbek und Umgegend hat das Unwetter
arg gehaust. Viele Fensterscheiben wurden von dem Hagel—⸗
schlag demoliert, besonders hat das Parkhotel in Teufelsbrücke
zu leiden gehabt. Ein Blitzschlag zertrümmerte sämtliche
Scheiben des Lichteinfallschachtes im Hotel und einige tausend
Scheiben der Gewächshäuser. Das Unwetter dauerte mit
unveränderter Gewalt bis gegen 93 Uhr.
Cuxhaven, 28. Juli. FEineigenartiges Geschenk
für die Helgoländer Kirche hat der hier ansässige Helgoländer
Bootbauer und Logierhausbesitzer P. A. Jaspers gestiftet. Er
hat aus Eichenholz ein kleines Kunstwerk hergestellt, ein großes
Modell einer echten Helgoländer Schaluppe, volkstüm—
lich Schlup genannt, wie sie früher vor den Zeiten der Dampfer⸗
verbindungen zum Verkehr mit dem Festland und für den Fisch⸗
fang ausschließlich dienten. Heute gibt es nur noch 2 oder dre
dieser eigentümlichen, breitgebauten und gut segelnden Schaluppen.
Das Modell weist auch die kleinsten Einzelheiten des charak—
teristisjchen Fahrzeuges auf, von den breiten schweren Segeln
mit Hunderten von kleinen Bändern zum Reffen am Groß⸗ und
Fockmast und Klüverbaum, der bis mittschiffs reicht, und dem
eigentümlichen sehr langen, schmalen Schwert bis zu den Ka—
jüten und Luken für die Fische. Das Modell ist in der Mittwoch
eröffneten Ausstellung der Modellsegeliachten ausgestellt.
Uetersen, 28. Sun. win Einbrecherpaar, ein
„Arbeiter“ und eine mit ihm in wilder Ehe lebende Frauens-⸗
person, logierten sich in der Catharinenstraße hierselbsth bei
einer Zimmervermieterin ein. Als die Logiswirtin abwesend
war, erbrach das saubere Paar die Wohnung der Frau und
aubte dort an Kleidungsstücken, Wäsche und dergl, was nur
rgendwie zu erreichen war. Mit der Beute verdufteten die
beiden Aber Itzehoe nach Neumünster, wo sie verhaftet werden
lonnten.
Neumünster, 28. Juli. Milchpreiserhöhung.
Dder von der Einwohnerschaft aufgenommene Kampf gegen
die in Aussicht gestellte Milchpreiserhöhung ist insofern in ein
ieues Stadium getreten, als nun von den Molkereien die
Preiserhöhung durchgeführt wird. — Verpachtet hat zum
4. August Hotelbesitzer Franz Rievers das Bahnhofs⸗Hotel für
ährlich 22000 M an Oberkellner Auer und Geschäftsführer
Thurow, beide aus Kiel.
Glüdstadt, 28. Juli. Durch Blitzschlag einge
ischert. Bei dem vorgestrigen schweren Gewitter wurde durch
einen Blitzstrahl das Gewese des Holbesitzers Möller zu Schleuer
bei Glückstadt vollständig eingeäschert. Es sollen ungefähr
10 bis 50 Schweine, sowie einiges Rindvieh in den Flammen
imgekommen sein. Auch sonst hat laut Itz. Nachr. das Un—⸗
wetter viel Schaden auf den Feldern und in den Gärten
angerichtet.
Reinfeld, 28. Juli. Verkauft. Vor dem Amts—⸗
jericht kam vorgestern der Gasthof Lindenhof, Bahnhofstraße,
um öffentlichen Verkauf. Meistbietender blieb der Hypotheken⸗
ßläubiger Rentner Krütz, Ahrensburg, mit 30800 M. Als
Bertreter desselben wird der als lehzter Besitzer in das Grund⸗
buch eingetragene Gwirt Holdorf bleiben und den Betrieb
wie bisher weiterführen.
war die Spur gleich verschwunden. VDie gemachte Beute
hat einen Wert von 5300 bis 600 M. — Bei dem Ge—
witter in der vorletzten Nacht traf ein Blitz den Kirch—⸗
turm und ein anderer das Wohnhaus des Kaufmanns Holz.
In beiden Fällen zündete der Blitz nicht — Ein Wunder—
doktor ist in unserer Gegend aufgetaucht, der vorgab, die
Maul⸗ und Klauenfeuche heilen zu können. Er kocht
aus Efsig, Eichenlohe und Pferdedung eine Medizin gu—
jammen. womit die erkrankten Teile der von der Seuche be—
failenen Tiere bestrichen werden. Das Mittel foll schon viel
angewandt fein, aber nicht geholfen haben.
Großherzogtümer Vdedlenburg. J
Schwerin, 28. Jull. Ein ungetreuer Postbote.
Die hiefige Staatsanwaltschaft erläht hinter den flüchtigen Post-
boten Paul Kuhrt aus Neu⸗Lübstorf wegen Verbrechens im
Amt einen Stedbrief. — Auftlärung der geheimnis—
vollen Liebestragödie bei Kristiania. Die Lei—
hen des Selbstmörderpaares, die, wie berichtet, im Walde
dolmenkollen bei Kristiania aufgefunden wurden, konnten
als Minna Schmidt. Tochter eines Tischlermeisters in Maren
i. M. und des Konditors Edwin Grieschel identifiziert werden.
Rostock, 28. Juli. Unglüdlicher Sturz. Der in
weiten Kreisen bekannte Oekonom Wildfang aus Ganzin
stürzte vorige Woche so unglücklich vom Pferde, daß er ins
hiesige Krankenhaus überführt werden mußte. Hier ist er
am Mittwoch seinen Verletzungen erlegen.
Güstrow, 28. Juli. Der Bürgerausschuß Leschloß
den Verkauf des in der Nähe der Stadt gelegenen Aus—
lugsortes Brunnen an Gutsbesitzer Glantz in Vitischow für
46 000 M.
Waren, 28. Juli. Die älteste Einwohnerin
Mecklenburgs, Frau Völsch, ist in dem zwischen Waren
ind Penzlin gelegenen Orte Wendorf gestorben. Sie wurde
im 11. Mai 1809 in Lissow bei Güstrow geboren, ist also
iber 102 Jahre alt geworden.
Heiligendamm; 28. Juli. Unfallbei der Rüd—
kehr von einer Segelpartie. Badegäste aus Nien⸗
hegen, zwei Herren aus Hamburg, sowie ein Herr und eine
Dame aus Leipzig, unternahmen am Montag bei ruhiger
See eine Fahrt mit einem dortigen Segelboot. Gegen
mittag kam starker Wind auf, wobei ein böiger Windstoß
das Boot in der Nähe der hiesigen Herrenbadeanstalt, etwa
1000m von Land, beim Umlegen der Segel zum Kentern
brachte. Ein schwimmkundiger Teilnehmer an der Fahrt kam
zunächst unter das Boot und nahm viel Wasser über;
jedoch gelang es ihm, sich vom Boote freisumachen und dem
Lande zuzuschwimmen, wo er besinnungslos von Kurgästen
cufs Trockene gezogen und in die Herrenbadeanstalt gebracht
wurde. Der dortige Bademeister Krufe stellte sofort Wieder⸗
zelebungsverfuche an, die bald Erfolg hatten. Die übrigen
Insassen, die an das kielobentreibende Segelboot sich ceslammert
hatten, wurden vom Bademeister Becker, der in größter Eile
nit dem Boote z.Herrenbad“ zur Seelle ruderte, in dieses
zjerettet und in Sicherheit gebracht. Die Verunglückten er—
holten sich nach einiger Zeit und dehrten mittelst Wagens rach
Nienhagen zu üch. Der Besitzer des Segelbooles, der mittler⸗
veile hinzukam, barg dieses ab, machte es wieder segel⸗
ertig und steuerte es bei ruhiger gewordenem Wasser nach
Nienhagen zurück.
88 Grevesmühlen, 28. Juli. Verkauft hat Schuh—
machermeister Rachow sein Wohnhaus, Sedanplatz, für 4200 M
an Zimmermann Wilh. Tretow. — Die Maul- und
Klauenseuche greift in hiesiger Gegend immer weiter um
sich, trotz der umfassendsten Schutzwaßregeln. Jetzt ist sie
auch ausgebrochen guf dem Gehöft des Erbpächters Eichholz zu
Tatnewitz und auf dem Kammergut Gantenbeckk — Die
»orgestrigen Gewitter haben nur wenig Niederschläge
und fast gar keine Abkühlung gebracht
Großherzogtum Oldenburg. Fürstentum Lüsed.
Oldenburg, 28. Juli. Arbeiterentlafsun g.
Das Eisenwerk August Fiehn entließ 100 organisierté
Arbeiter.
Lauenburg.
Lauenburg, 28. Juli. Ein hübscher Ernte—
brauch wird heute noch in den Geestdörfern Börnsen und
Escheburg und auch in anderen Orten geübt. Geht an dem
Felde, auf dem das geschnittene Korn zu Garben gebunden
wird, ein Herr vorüber, so werfen ihm Mädchen ein Strohseil
über den Kopf, wobei sie folgende hübsche Verse sprechen.
Nun soll der Verr gebunden sein
Mit diesem gold'nen Kränzelein. peeum
Und schenkt er mir ein Silberlein,
So soll er wieder erlöset sein.
Nachdem der Gefangene ein Nickel- oder Silberstück als Löse—⸗
geld bezahlt hat, wird er wieder freigelassen.
2 Mölln; 28. JZuli. Ein äüuberst frecher Ein—
hzruüchsdiebstahl wurde in der Nacht auf Donners—
ag in dem Karstadtfchen Warenhause ausgesührt. Die Diebe
ind über eine Pforte an der Hinterseite des Hau'ses in den
dof gestiegen, haben im Erdgeschoß ein Fenster angebohrt,
s geöffnet und haben dann zunächst der Ladenkasse einen
Besuch gemacht, wo sie etwa 30 MuWeechselgeld erbeutet
zaben. Dann haben sie im ersten Stock die Abteilung Damen⸗
'onfektion einer gründlichen Revision unterzogen und 50 bis
30 gute Blußen mitgehen heißen. Auch einige Herrenanzüge
owie verschiedene Schuhe fielen den Einbrechern in die Hände
Ihren Rücknug nahmen sie wieder über den Hof durch die
Seestraße über den Murjahnschen Nerbau an den See, wo
sie die geraubten Waren in ein dort lie zendes Boot schafften
und über den See fuhren. Jedenfalls hat ein Fuhrwerl
oder ein Auto bereitgestanden, die Einbrecher und ihren Raub
ausgenommen und in Sicherheit gebsacht. Ein aus Lübed
requirierter Polizeihund nahm die Spur der Diebe sofort
auf und verfolgte sie bis ins Boot; jenseits des Sees aber
Schles wig⸗ Holstein.
Altona, 28. Juli. Todesfall. Sanitätsrat Dr.
Greve ist im 71. Lebensiahr gestorben. Im Jahre 1881 zum
Stadtverordneten gewählt, bekleidete er dieses Amt wãhrend
mehrerer Wahlperioden. Hervorragende Verdienste hat er sich
um den Tierschutz erworben. Eine lange Reihe von Jahren
bekleidete er das Amt eines ersten Vorsitzenden des Altonaer
Tierschutzvereins, der ihn am 18. Januar d. J. einstimmig
sunt Ehrenvorsitzenden ernannte.
Kiel, 28. Juli. Erschossen hat sich hier gestern in
seiner Wohnung der langjährige Leiter der hiesigen
Straßenbahn, Direktor Atterling, der seit Jahren
an schwerer Nervosität litt. In einem solchen Anfall griff
Atterling, ein geborener Schwede, gestern nachmittag zur Waffe
und schoß sich in die Schläfe. Noch lebend wurde er der
Sirurgischen Klinik zugeführt, wo er jedoch alsbald verstarb.
Atterling hat sich um die Entwidlung des hiesigen Verkehrs—
wesens achtunaswerte Verdienste erworben
rür unsere Frauen.
Die große Toilette des Fußes.
Die wichtige Frage der Fußbekleidung ist eine Reihe von
Jahren in der Mode arg vernachlässigt worden; die langen,
schieppenden Kleider verhüllten mehr oder weniger die Schönheit
des Fußes unter ihren Falten, die Tamen legten deshalb
auf Schuhe und Strümpfe weniger Wert, und so war der
Geschmack einer eleganten und raffinierten Fußbekleidung, die
Kunst, die schlanke Schönheit des Fußes zu heben, falt völlig
in Verfall geraten. Das ist nun anders geworden. Die
kutzen, fußfreien Röcke legen auf Schuhe und Strumpfe einen
besonderen Atzent, und so tauchen jetzt unter Spitzen und
feinen Geweben so feine Gebilde auf, wie sie selbst der
Märchenprinz an Aschenbrödel nicht schöner bewundern konnte.
Es gibt heute eine „große Toilette“ des Fuhes, wie es eine
große Toilette für die ganze Kleidung gibt. Braune Schuhe
nd streng vperpönt. Sie werden höchstens noch bei weiten
Spaziergängen über Land oder auf Bergbesteigungen getragen.
In eleganten Seebädern, die ein Miniaturbild des vornehnen
Paris in diesen Sommermonaten dartbieten, erscheint zum ge⸗
wöhnlichen Strand. und Promenadenkostüm weiher Schuh und
weiber Strumpf, die aber nach dem pikanten Kontrastgefühl
der jetzigen Mode eine schwarze Nuance haben müssen, entweder
breite schwarze Spitze oder an den Strümpfen schwarze Ver—
zierungen. Die Seidenstrümpfe, die aus zartestem, duftigstem
Gewebe sind, schmiegen sich wie ein dünner Hauch um den Fuß
und betonen in ihren gestickten Ornamenten den Bau des
Fußes, so daß ein feiner Spann, ein zarter Ansatz des Knöchels
schön zut Geltung kommt. Die seltenen Farbentöne, in denen
diese durchbrochenen Hüllen prangen, sind so mannigfaltig
und so fein, daß die Damen sich ihre Strümpfe extra färben
lassen müssen. Die Mode befiehlt nämlich, während sie in
der Toilette Schwarz und Weiß herorzugt, eine starke, bunte
Koloristik der Fußbekleidung. Tie entzückendsten Farben
wattierungen erscheinen in dem weichen Leder und Rehfell der
Schuhe, in der Seide der Strümpfe, da sie in ihrem Farbenton
renau zu Sut oder Scharpe passen müssen. So trägt man
B. zu einem Koftuüm aus weißen —— — — uber weiß⸗
etdenem Unterkleidd Schuhe und Strumpfe. die auf das feinst
mit dem Petunienviolett der Schärpe harmonisieren. Rattier—
blaue Schuhe und Strümpfe findet man sehr häufig zu gleich—
zefätbten Hüten. Am praktischsten ist die graue Fußbeklei—
dung, sie macht den Fuß schlank. ist unauffällig, kann aber
bei grohzer Toilette nicht verwendet werden. Zur Abendtoilette
waren früher Seidenschuhe in Gond- und Silbertönen am be—
liebtesten. Sie gelten heute als vulgär. Eine helle Farben—
reude herrscht heute auch in L.eesen feinen und lostbaren
Schuhen; auf buntem Grunde prangen Stidereien aus Gold—
»der Stahlperlen, prunkende Schnalien und reicher Schmud.
Zu der kostbaren, farbenfrohen Note, die die „große Toilette“
des Fußes anschlägt, passen die Handtaschen, die heute für
ꝛeine elegante Dame unentbehrlicher denn je sind. Die Leder—
casche, selbst die teuerste, ist verpöͤnt. Sie darf höchstens
am Morgen zu einem Schneiderkleid getragen werden und ist
»ann mit Monogramm und Ornamenten in feiner Silberarbeit
oerziert. Beim Seidenkleid am Nachmittag wird eine sehr
lleine und flache Tasche getragen, die aus demselben Stoff
vie das Kleid sein muß und ein Monogramm aus Diamanten
trägt. Besonders erlesene Werke des Geschmacks sind die reich⸗
bestickten weißseidenen Taschen mit Beschlägen im Renaissancestil,
die von einer kleinen Franse umrahmt sind und an langen,
weihen, seidenen Schnüren getragen werden. K.C.
—5
nch bei der Nachmittagsfahrt im Bois de Boulogne mit enem
ichwarzen, weißen oder beigefarbenen Pudel zu zeigen. Man
verschaffte ihn sich für 50 bis 100 Frs. und erwarb damit
den Ruf einer Person, die das Geld mit vollen Händen zum
Fenster hinauswirft. Die Fahrt im Bois endete mit einem
Spaziergang auf dem Boulevard, wo beim Kondiior eine
„Charlotte“ für 40 Centimes und ein Glas Malaga für 60 Cen⸗
times eingenommen wurden. An Größenwahn streifte der
Ankauf von zwei Sechsfranken-Fauteuils für das „Alcazar“
m Faubourg⸗Poifssonnidre, wo Theréssa sang. Die Pariserin,
zie im Straßenkleid dahingina, nurde als extravagant ung
hren Mann ruinierend verschtien. — Und heute? Im Jahre
1911 ist ein Morgenkleid aus Baitist und echten Spitzen billig,
wenn man es fulr 1000 bis 1200 Frs. etsteht, denn bei den
droßen Schneidern der Rue de la Paix und Place Vendôme
ostet es 3000 Frs. Für das allereinfachste Schneiderkleid
verden 300 Frs. bezahlt, für ein Straßentleid 600 Frs. Der
Preis einer netten Besuchstoilette schwankt zwischen 800 und
1000 Frs. Für ihren Hut bezahlt die moderne Pariserin
durchschnittlich 200 Frs. und sür mit Federn und Aigretten
geschmülte Kopfbedeckungen ist ein Preis von 1500 Frs.
durchaus nichts Seltenes. Pelte für 100 000 Frs. sind keing
Ausstellungsobiekte mehr, der Besitz eines Automobils erscheint
nichts Besonderes, und man wird für arm gehalten, wenn
man fich mit einem Tari-Auto begnügt, das den Nachmitkag
50 Frs. kostet. Modehund ist der große russische Windhund;
der 1000 Irs. kostet. Der Tee zwischen 5 und 6 Uhr ist der
Pariserin zum Bedürfnis geworden, und es ist üblich, ihn in
bekannten Restaurants einzunehmen, wo die Tasse mit 2 bis
2 IFrs. bezahlt wird. Und die Abende endlich würden der
Pariserin von heute fade erscheinen, brächte sie sie nicht
n irgend einem kleinen Theater zu. wo die Loge 80 bis
100 Frs. kostet und wo sie sich diamanten⸗- und perlenge⸗
chmuctt zeidt, um die neuesten Gassenhauer zu hören. Will
nan den Luxus von heute und den vor dreißig Jahren
ennzeichnen, so kann das in den Worten geschehen: 1880
zenügten 20 000 Frs. Rente, um ein elegantes muüßiges Parise⸗
deben zu führen, heute, 1911, sind jährlich 100 000 Frs
jerade genuge um für 200 000 Schulden zu machen. nge.
4
Die Ausgaben einer Pariserin jetzt und vor dreitzig Jahren.
Um sich vorzustellen, wie sich das Leben einer Pariserin
in dreißig Jahren verteuert hat, muß man den Luxus von
880 mit dem heutigen vergleichen. Der Morgenrocd einer
leganten Hausfrau von 1880 war aus Wollmousseline, der
nit einer Fülle kleiner Bandschleifen und einem Spitzenkragen
jarniett war. Die teuersten Modelle schwankten zwischen 60
ind 80 Frs. Em Hut zu 100 Frs. war etwas ganz außer⸗
»rdentliches und fast unbekanntes, die teuersten Hüte stellten
ich auf 25 bis 40 Frs. Eine elegante Schöne, die eine Miet—
droschke für den ganzen Nachmittag nahm und die Stunde mit
EGFrs. zahlte, galt fur verschwenderisch, der für den ganzen
Monat gemietete Wagen war das Zeichen eines großen Ver—⸗
nögens und Equipage hielten sich nur Millionäre. Eine Mode,
ie damals als sehr kostspielig angesehen wurde, bestand darin