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Beilagen: Vaterstädtische Blätter. — Der Familienfreund.
91. Jahrag Nachrichten für das Herzogtum Lauenburg, die
— — Fürstentümer Ratzeburg, Lübed und das angren⸗
ιι jende medlenburgische und holsteinische Gebiet.
Drud und Verlag: G ebrüde: Borchers G. m. b. H. in Nübed. — Geschöftsstelle Adreßßz haus Kdoniastr. 46). Fernivrecher M00 u. MVOI.
Sonnabend, den 22. Juli 1911.
Amtsblatt der freien und Hansestadt Lũbed
Beiblatt: Gesetze und Verordnungsblatt 3
—2968600
Abend⸗Blatt Nr. 366.
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Kultusminister und Pastor Hheydorn.
Auf die Beschwerde des Hauptpastors Heydorn von Burg
auf Fehmarn, der vor einigen Monaten durich seine 100
Thesen in Schleswig-Holstein viel Aufsehen erregt hatte und
afür vom Konsistorium Kiel im Kirchlichen Gesetze und Ver⸗
rdnungsblatt eine Zurechtweisung erhielt, hat der Kult u s⸗
ninister folgenden Bescheid erteilt:
„Auf die Beschwerde vom 24. März d. J., die in Anlage
urücfolgt, eroöffne ich Ew. Hochehrwürden, daß ich nach Prü—
sung der Sache keine Veranlassung gefunden habe, die Ver—⸗
ügung des Königl. Konsistoriums in Kiel vom 8. März d. J.
on Aufsichts wegen zu beanstanden. Was die Veröffentlichung
er Verfügung anlangt, so hätte ich gewünscht, daß hiervon
die Beurteilung Ihrer Predigttätigkeit sowie die Erinnerung
in eine frühere Maßnahme der Aufsichtsbehörde ausgeschlossen
vorden wäre. Im übrigen aber finde ich die Veröffent—
ichung ausreichend gerechtfertigt angesichts der tiefgreifenden
Zeunrzuhigung, in die weite Kreise der Landeslirche infolge
Ihrens Vorgehens versetzt worden sind. Schließlich muß ich
Sw. Hochehrwürden darauf aufmerlsam machen, daß Ton und
Fassung der Beschwerde mehrfach zu ernsten Ausstellunger
Anlaß geben“
Familienmandate im Reichstag.
Herr Charles de Wendel, der im reichsländischen Wahl—⸗
treise Diedenhofen-Bolchen gewählt ist, will nicht mehr kan-
idieren. Er hat sich bereits nach Paris zurückgezogen und
mpfiehlt als seinen Mandatsnachfolger den lothringischen Ab⸗
zestdneten Tr. Grégoire, dessen aucenblicklicher Wahlkreis stark
zefährdet ist. Dagegen hat nun die Familie de Wendel
Widerspruch erhoben, weil sie die Vertretung dieses Wahl⸗
lreises im Reichstage gewissermaßen als Familiensache be—
rachtet, da im Diedenhofener Bezirk der größte Teil des Grund
ind Bodens de Wendelsches Eigentum ist.
Diese Art von Familienmandaten, so schreibt die Neue Ge—
ellschaftliche Correspondenz, finden wir sonst nicht im Reichstage.
stur selten vererbt sich ein Mandat vom Vater auf den Sohn,
wie das von Prenzlau⸗Angermünde, das schon seit Jahrzehnten
»on den Winterfeldt-Menkins vertreten wird. Na—
ürlich haben einige stark verbreitete, altamässige Familien
mmer einen oder mehrere Vertreter im Reichstage, wie die
Fürsten und Grafen Dohna, die Freiherren von Richthofen,
die Grafen von Schwerin, die Fohenlohes und andere.
Auch in manchem Zentrumskreise wird immer derselbe Pfarrer
desselben Ortes nach Berlin geschikt. Aber auch Vater und
Zohn sitzen nebeneinander als Volksvertreter. Da ist im
Zentrum der alte Vizepräsident Dr. Peter Gpahn-Bonn und
ieben ihm sein Sohn. der Straßburger Professor Dr. Martin
Spahn⸗Warburg. Jahrelang saß mit Tr. Ro esicke Kaisers-
iautern sein Bruder Roesicke-Tessau im Wallothaus. Sie
„Auch das ließe sich machen; und nebenbei wäre es mir
iieb, wenn ich den Kindern meines alten Kameraden etwas
Freundliches erweisen kann.“
„Väterchen, du bist goldig!“
Friedel umarmte den Vater stürmisch.
„Denke dir, sie sind noch nie auf dem Lande gewesen,
nur in Pankow im Sommer. Dort muß es greulich sein!
Ich hoffe, sie nehmen an.“
„Schreibe du, Mariechen.“ saate Schorn, „du verstehst es
besser.“
So ging denn noch am selben Abend der Brief durch
den Reitknecht ab vder ihn zur Vost brachte
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Ausqab⸗
I—
Erstes Blatt. Rlatt.
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Amfang der heutiger ——Diiten.
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Nichtamtlicher Teil.
Oesterreichs Stellung zur Marokkofrage.
(Von unserem Auslaudskorrespondenten.)
Vor drei Monaten gab es zwischen Wien und Berlin
anläßlich der Marokkofrage unliebsame Preßerörterungen. Solche
sind diesmal, wo die Marokkofrage doch in ein viel akuteres
Stadium getreten ist, ausgeblieben. Und daran erkennt man
wohl am besten, daß an dem damaligen Zwischenfall in erster
Linie der Umstand die Schuld trug, daß die Leitung des öster⸗
reichischen Ministeriums der äußeren Angelegenheiten in unzu—
länglichen Händen ruhte. Oder besser gesagt: in gar keinen
Händen, denn unter dem Grafen Pallavicini schleiften die
Zügel einfach am Boden.
Man irrt sich nun, wenn man glaubt, daß zwischen der
österreichischen deutschen Botschaft und dem Ballplatz ein, weiß
Gott wie, reger Gedankenaustausch über die Marokkofrage
jttattfinde oder stattgefunden habe. Man markiert auch von
deutscher Seite deutlich daß die Marokkosache zu den
Angelegenheiten gehört, durch die das Bundes—
verhältnis nicht berührt wird. Die Konferenz von
Algeciras hatte ja freilich seinerzeit diese Sachlage etwas
verschleiett. Das lag aber nur daran, daß die Vertretung
der deutschen Interessen nicht sehr glücklich war und Deutsch-
land schließlich froh sein mußte, daß die Anlehnung an Oester⸗
reich seine Vereinsamung etwas milderte. Wenn aber Deutsch-
land sich jetzt mit Frankreich zunächst allein unterhält, was
ija von vornherein das Ziel der Politik Kiderlens war, dann
ist klar, daß jedenfalls nicht der Schreck vor Oesterreich Frank-
reich gefügiger machen wird.
Indes kamm man heute in der Tat am Ballplatz noch
nicht über die letzten Ziele der Aktion Kiderlens unterrichtet
rein, da man es ja in der deutschen Botschaft auch nicht ist.
Nehmen wir aber an, das Ergebnis der deutschefranzösischen
Verhandlungen sei die Beseitigung der Algecirasakte und die
Anerkennung einer deutschen Einflußsphäre mit wirtschaftlicher
Bevorrechtung in Marokko, so wird Oesterreich sich wohl
ichmerzlos damit abfinden. Denn die Lage ist für Oesterreich
doch einfach die: wenn Franfreich auch ganz Marokko ein—
stedte, so könnte Oesterreich es nicht hindern und müßte sich
darein fügen, daß seinem Handel dahin die Türe verschlossen
bliehe. Wenn aber bei einer Aufteilung Marokkos Deutschland
etwa das Sus bekommt, so hat der österreichische Handel
wenigstens dort Zutritt.
Im übrigen hat Graf Aehrenthal zurzeit wichtigere Sorgen,
als Marokko ein für allemal in« Reine zu bringen. Sein
Hauptgespenst heißt Albanien. Er möchte mit der Türkei
ruf gutem Fuße bleiben und wünscht, daß die albanische
Frage nicht zu einer internationalen wird. Die Jungtürken
zesitzen aber zu wenig Eirsicht, um zu begreifen, wie sehr
»as auch ihrem Vorteile entspräche. Andererseits hat vor
illem England ein Interesse daran, den
lbanischen Aufstand so wenig zur Ruhekbommen
u lassen, wie die andern schwärenden Wunden am türkischen
deibe. England kann nur einen kranken Mann am goldenen
Zorn brauchen. Nun gibt es allerlei Dränger, die verlangen,
Desterreich solle dem Vorgehen der Türken gegen die auf—
tändischen Albaner nicht weiter ruhig zusehen. Vor allem wird
as religiöse Moment und das österreichische Protektorat über
ie katholischen Albaner, das freilich in keinem Vertrage ver—
rieft ist und höchstens von der Türkei stillschweigend geduldet
ourde, ins Feld geführt, und derlei Dinge spielen natürlich
n einem Staate wie Oesterreich eine beträchtliche Rolle. Eng⸗
and hofft, daß es auch auf das deutschösterreichische Bündnis
ingünstig zurückwirken werde, wenn die österreichische Balkan—
»olitik sich auf Wegen festlegt, auf denen Deutschland ihm
einesfalls folgen kann.
So wäre es auch vom deutschen Standpunkt sehr wünschens—
vert, wenn Graf Aehrenthal einen Erfolg in dieser Frage
davontrüge, während Herr von Kiderlen sich um einen solchen
üür die deutsche Politik bemüht. Es wäre freilich nur der
krfolg. Verwickelungen vermieden zu haben. Positives ist für
Desterreich in der albanischen Frage nicht zu holen Zum
nindesften heute nicht.
Der Triumph der Deutichen in Gefterreich.
Telegramm unseres Korrespondenten.)
Wien, 21. Juli.
Mit der soeben erfsolgten Wahl des Führens der deu! schen
Volkspartei Dr. Julius Sylvester zum Präsidenten des
zsterreichischhen Abgeordnetenhauses haben die Deutschen in
Desterreich einen großen Erfolg zu rertzeichnen. Es ist die
rste Frucht der Neuwahlen, aus weldem der druishe Na—
ionalverband als die stärkste Partei des neuen Hauses her—
»orging. Dr. Sylvester veortritt stit 1897 im Abgeordneen—⸗
hause die Stadt Saltburg, deren Vizzhbürce:we'ter er gew sin
uind deren Ehrenbürger er vor kurtem wenen seiner Verdienste
im sie geworden. Dr. Sylvester, ein Wiener von Geburt,
st seit Anfang der 80er Jahre in Salzburg ansässig, wo er
eine Advokaturskanzlei besitzt. Er ist in studentischen Kreifen
sehr populär, da er noch vielfache Beziehuncçen zu burschen—
chaftlichen Verbindungen hat und ein eifriser Förderer der
Salzburger Hochschulkurse ist. Als Polititer hat Dr. Syl⸗
zester ebenfalls einen sehr guten Namen. Er gitt mit Recht
ils ein hervorragender Fachman in Eisenbanfraçenr und hat
ich große Verdienste um das Zust midekommen der neuen Alpen—
hahnen erworben
Sonnensehnsucht.
Roman von G. von Schlippenbach.
(6. Fortsetzung.) Machdruck verboten.)
„Wenn Emmy und ihr Bruder einmal im Sommer hier
iein könnten!“
Dieser Gedanke verließ Elfriede erst, als sie vom Pferde
sprang und, auf dem Bahnsteig stehend, den Zug aus P. er—⸗
wartete, der ihren Gustav brachte.
Jetzt pfiff die Lokomotive in der Ferne, und bald darauf
hielten sich Bruder und Schwester umfangen.
Gustav von Schorn war ein ewas blaß aussehender, lang
aufgeschossener Junge von zwölf Jahren.
Hinter ihm war ein Herr ausgestiegen. Seine ernsten,
grauen Augen ruhten einen Moment auf ven Geschwistern;
dann lüftete er den Hut und trat grüßend näher.
„Wollen Sie mich nicht vorstellen, mein junger Freund,“
sagte er, sich an Gustav wendend. „Ich vermute, das ist
Ihre Schwester, von der Sie mir so viel erzählten?“
„Jawohl. Also, Friedel, das ist Graf Rombed, derselbe,
der das Gut Hohnfeld in unserer Nachbarschaft gekauft hat.
— ein famoser Kerl.“
Die drei letzten Worte sprach er nur halblaut.
In ihrer natürlichen, ungezwungenen Art verneigte sich
das junge Mädchen und sagte einige verbindliche Worte. Dann
nahm sie des Bruders Arm und ging mit ihm zum Wagen.
„Aber wie wird der Graf nach Holmfeld kommen, es
ist ja kein Fuhrwerk da? Ich zaufe zurück und biete ihm
einen Platz in unserm Wagen an; der Kutscher kann zu Fuk
urũckgehen.“
Guslav eilte, so schnell er konnte, auf den Bahnsteig.
Graf Rombed stand noch da und blickte den Geschwistern
nach.
Tas freundliche Anerbieten wurde dankend angenommen.
Bald darauf rollte das leichte Fuhrwerk über die Land—
draße.
„Ich fürchte, Sie müssen meinetwegen einen Umweg machen,
Batonesse,“ sagte Rombeck. „Ich begreife nicht, warum mein
teleagtaphisch bestellter Wagen nicht gekommen ilst“
„Wir treffen ihn vielleicht unterwegs. Ich bin froh über
den kleinen Umweg,“ versetzte Elsriede. „Mein Ali und ich
önnen uns nur dessen freuen.“
„Ich schließe daraus, daß Sie gern reiten“
„Ja, sehr gern sogar.“
Eifriede trabte hinter dem Wagen her; die neue Be—
'anntschaft beschäftigte sie. Mie ernst vornehm sah der Graf
aus. Sie dachte an das Wort „Sonnensehnsucht“. Kannte
ruch er es? Lag darum ein schwermütiger Zug über dem
nännlichen Gesicht? Er war nicht eigentlich schön, aber an—
prechend und Vertrauen erweckend. Man gewann gleich die
Ueberzeugung, daß Rombeck ein Fdelmann in des Wortes
zester Bedeutung sein mußte.
Sie waren kaum eine halbe Stunde gefahren, da kam
der Wagen aus Holmfeld ihnen entgegen, ein offener Jagd-
magen mit zwei schweren Adergäulen. Rombeck verabschiedete
sich von den Geschwistern, ihnen nochmals höflich dankend.
„Na, Gusiav, wie ist die Zensur ausgefallen?“ fragte
Elfriede, als sie allein blieben, „bist du fleißig gewesen?“
Der Junge wurde verlegen.
„Ja, aber in Mathematik habe ich eine schlechte Nummer
hekommen; ich soll in den Ferien Nachhilfestunden haben.“
„O weh, was wird der Vater sagen?“
„Er wird schelten. Aber Friedel, die Zahlen sind schrech⸗
ich, ich bin immer der Letzte beim Rechnen.“
Am Abend kam Baron Schorn zurück und begrühte Gustav.
„Junge, Junge, das geht nicht so,“ sagte er verstimmt,
„du mußt vorwärts kommen. Wo in aller Welt bekomme ich
nun jemand her, der dir die Weisheit eintrichtert?“
Auch Baronin Marie wußte leine Hilfe.
„Vater,“ sagte Elfriede, „ich habe eine gute Idee!“
„Nun, heraus damit, Frieder!“
„Herr Ludolff ist ja Buchhalter und gewiß ein tüchtiger
Rechner; frage ihn, ob er nicht kommen kann.“
„Hm, das wäre nicht so übet! Was meinst du, Ma—⸗
liechen?“
Die Baronin war einverstanden.
„Bitte laßt Emmy Ludolff auch kommen,“ sagte Elfriede.
Sie spricht gut englisch und französisch; ich nähme gern bei
be Stunden“
*
In der Kaiser-Wilhelm-Strahße in Berlin merkte man
venig von dem über Schornstätten verschwenderisch ausgestreuten
zauber des Sommers. Grau und verstaubt sahen die Räume
zus, und der „Garten“ Emmys bot einen traurigen Anblick.
die woten Blätter der Geranien, die gelben der Kresse ließen
chlaff und trübselig die Köpfe hängen, trotz täglicher Pflege.
Es war drückend heiß in den Zimmern. über denen das Blech⸗
yvach des Hauses lag. —
Frau Oberlehrer West war seit einigen Tagen mit ihrem
Söhnchen bei der Mutter. Margarete war lklein und zierlich
»on Gestalt; niemand hätte ihr zugetraut, daß sie so viel
eistete. Bei vier Kindern und bei nur einem Dienstmädchen,
nei einem sehr bescheidenen Jahresbudget war es selbstver—
tändlich, daß die Gattin und Mutter oft über ihre Kräfte
n Anspruch genommen wurde. Aber Frau West war eine jener
nutigen Lebenskämpferinnen, die den Kopf immer hoch halten,
nie verzagen und sich dabei frisch und fröhlich erhalten im
Zewußtsein, den Platz voll und ganz auszufüllen, den Gott
hnen angewiesen, im Bewußtsein, den Ihren alles zu sein.
Solche Frauen finden das Suüße in jeder Blume und lassen das
Hittere zurück. Sie blühen lieblich, obgleich sie im Schatten
lehen, und gönnen anderen die Sonne, die sich selten au
hnen verirrt. —
„Mutterchen,“ sagte Frau West, „ich finde, Ernst sieht
chlecht aus, und in der Nacht hörte ich ihn husten. Ist
nicht überarbeitet?“