Full text: Lübeckische Anzeigen 1911 (1911)

Der Fall Jatho. Aus kirchlich-liberalen Kreisen des Rhein⸗ 
sandes erhalten wir folgende Zuschrift: Der bekannte 
iberale Pfarrer Jatho in Koln, dessen Gottes- 
ienste uüͤberfüllt sind, zu dem aus allen Teilen der Stadt 
ie Konfirmanden kommen, den' eine schwärmerische dank⸗ 
are Liebe zahlloser Gemeindeglieder umgibt, unter denen 
zunderte sind, die erst durch ihn zum Christentum zu⸗ 
Adgefunden haben — dieser Mann soll wegen Irrlehre durch 
Wort und Schrift vor das Spruchkollegium kommen. Der 
zvangelische Oberkirchenrat hat dem Drängen der 
ftirchlichen Orthodoxie nachgegeben und das Ermitte“ 
ungsverfahren gegen ihn eingeleitet. Je nach 
dem Ausfall dieses Verfahrens entscheidet sich erst, ob 
Pfarrer Jatho vor den neuen Irrlehre⸗Gerichtshof kommt, 
der sich aus 3 Vertretern des evangelischen Oberkirchenrats, 
2 Professoren der Theologie und aus je 3 Vertretern 
der Generalsynode sowie der betreffenden Provinzialsynode 
usammenfetzt, oder ob der Beschuldigte frei ausgeht. In 
irchlich⸗ liberalen Kreisen gibt man sich der Hoffnung hin, 
zaß uns 3 Wochen nach der allgemeinen Bewegung gegen 
en Modernisteneid der katholischen Priester das Schauspiel 
eines evangelischen Ketzergerichtes erspart bleibe. 
Deste rreich⸗ Ungarn. 
DTas Abgeordnetenhaus ist am Wiittwoch nach den Ferien zum 
»rstenmal zusammengetreten, um die Vorstellung der 
reuen Regierung entgegenzunehmen. In seiner Programm⸗ 
ede, die zunächst durch lärmende Zurufe der Achechisch⸗Radi⸗ 
alen gestört wurde, erbat der Ministerpräsident Bienerth die 
Unterstütznng des Hauses. Die Regierung halte unerschütterlich 
an dem Ausgleichsgedanken in Böhmen fest. Die Verständi⸗ 
zungsversuche sollen nach Ansicht der Regierung baldigst erneuert 
werden. Der Ministerpräsident süzzierte sodann die wichtig⸗ 
ten Aufgaben des Parlaments, hob insbesondere auch 
die Notwendigkeit der Grledigung der italienischen 
Fakultätsfrage hervor und verwies auf die Notwen⸗- 
digkeit einer Reform des Staatseisenbahnbe⸗ 
triebs und einer zeitgemähen Revision des Wasserstraßen⸗ 
zesetzes vom Jahre 1901 sowie auf die Aufstellung eines ein⸗ 
heitlichen Programms für die Sicherstellung einer ra⸗ 
ionellen Wasserwirtschaft in allen Ländern. 
Abg. Wolf (deutscheradikal) erklärte, seine Partei habe im Ka⸗ 
hzinett Bienerth niemals eine Stütze erblickt, durch die Rekon⸗ 
trultion des Kabinetts aber, durch welche den Slawen dafür, 
daß sie den Ausgleich zum Scheitern brachten, zwei der vachtig⸗ 
ten Ressorts eingeräumt wurden, sowie durch pBie Grnennung 
des Grafen Thun zum Statthalter von Böhmen 
deieine Verschiebungder Kräfte zuungunsten der 
Ddeutschen eingetreten, welche seine Partei zwinge, sich 
»ollständig freie Hand gegenüber der neuen Regierung vorzu⸗ 
Jehalten. 
W. Im ungarischen Abgeordnetenhause erklärte 3boray, er 
zedauere freiwillig und bedingungslos die gestrigen beleidigen- 
den Ausdrücke gegen Minister Hieronymi, da er Üüberzeugt sei, 
»ann der Minister die verlangte Antwort nur scherzweise ver⸗ 
veigerte. Hieronymi antwortete, er wolle Zboray nicht belei⸗ 
igen; er freue sich, dah die peinliche Angelegenheit durch die 
ẽrtlärung beigelegt sei. — Der Präseent stellte fest, daß infolge 
»er Abbitte Zborays ein geschästsordnungsmäßiges Vorgehen 
unnötig sei. (Tel.) 
Holland. 
Auf der Haager Konferenz von 1910, an der 832 Staaten, 
zarunter auch Deutschland, teilnahmen, wurde der Vorentwurf 
eines Abkommens zur Vereinheitlichung des Wechselrechtes und 
der Vorentwurf eines Gesetzes über den gezogenen und den 
eigenen Wechsel aufgestellt. Die niederländische Re— 
dierung ersuchte die Staaten, ihr bis zum 
. Februar mitzuteilen, ob sie den Entwürfen 
rustimmen oder Abänderungen beantragen werden. Sie 
deabsichtigt, im laufenden Jahre eine neue Konferenz 
einzuberufen, die die genannten Entwürfe endgaültig 
festzustellen hätte, damit dann die internationale Ueber⸗ 
inkunft unterzeichnet werden kann. 
Velgien. 
Das Ende des Bergarbeiterstreils im Bezirk von Lüttich 
vurde in der Ausschußsitzung der Vereinigung der Bergarbeiter 
nit 21 gegen 2 Stimmen bei 6 Stimmenthaltungen beschlossen. 
der Arbeitsminister Hubert hat in einem an die Streikleitung 
erichteten Schreiben ausdrücklich erklärt, dah die Regierung 
zafür sorgen werde, daß die „droits acquis“ der Berg⸗ 
rbeiter und die Versprechungen der Grubenbesitzer unter allen 
Amständen geachtet werden. 
Nach den neuesten Nachrichten ist jedoch jeßt wieder ein 
ieuer Zwist ausgebrochen. 
Frankreich. 
Die Pariser Blätter neigen in ihrer großen Mehrzahl der 
Ansicht zu, daß der ehemalige Gerichtsschreiber Gicolme 
die Absicht hatte, auf den Ministerpräsidenten 
zu schiehen. Gicolme hat zwar seine Aussagen, er habe 
inen Abgeordneten oder einen Minister, gleichviel welchen, 
treffen wollen, nicht geändert. Auch steht seine geistige 
Anzurechnungsfähigkeit außer Frage. Gicolme 
ist der Bruder des zweiten Kabinettchefs im Arbeitsministerium. 
Dieser befand sich ebenfalls in der Kammer und hatte keine 
Ahnung, daß sein Bruder das Attentat verübt hatte, als er 
s nach dem Ministerium meldete. Der getroffene Direltor der 
zffentlichen Hygiene, Mirman, befindet sich nicht in Gefahr. 
die Verletzung ist aber schwerer, als man im erjten Augen— 
lick annahm. Der rechte Schenkel ist von der Kugel voll— 
ommen durchschlagen. Die Kugel hatte noch die Kraft, die 
inke Wade aufzureiten und fiel dann zu Boden. Glücklicher- 
weise ist weder ein Knochen noch ein großes Gefäß ange— 
chlagen. Mirman war früher Abgeordneter. Im Jahre 1893 
tieg er in dem Augenblick von der Redner-Tribüne herunter, 
ils der Anarchist Vaillant die Bombe in den Saal warf. 
damals wurde er nicht verletzt. 
Zu dem Weinkrieg in der Champaane wird neuer⸗ 
dings berichtet: Der Händler Perier stand im Ruf, von aus⸗ 
wärts minderwertige Weine zu beziehen und sie von Damery 
zus unter bekannten Etiketten zu verschicken. 200 Weinbauern 
bon Damery, Fleury la Riviere und anderen Ortschaften der 
Umgebung versammelten sich daher und stürmten unter dem 
Geläute der Kirchenglocken und dem Tuten mehrerer Hörner 
»as Anwesen des Händlers. Eine rote Flagge wurde dem an⸗ 
cheinend wohlvorbereiteten Ansturm vorweggetragen. Die im 
Keller lagernden Flaschen wurden zerschlagen, die Spundlöcher 
der Fässer geöffnet, so daß der Wein herausflok. 70000 
zlaschen Champagner und 80 Hektoliter Faßwein dürften ver⸗ 
soren sein. Das Anwesen Periers grenzt an die Marne. Au 
»er Anlegemole lägen wwei Weinkahne. Auch hier wur den 
ie Fässer zerschlagen, so daß der Wein in den Fluß strömte. 
WOoo in einem Schuppen aufgestapelte Flaschen fielen gleichfalls 
den Eindringlingen zum Opfer. Die Gendarmerie war voll— 
ommen machtlos, und erst als Truppen erschienen, konnten 
»ie Gebäude des Händlers vor weiterem Zerstören geschützt 
verden. Man befürchtete gestern erneute Ausschreitungen im 
ßebiet von Damern. 
W. Aus Gpernany wird gemeldet: Am 18. Jan. abends 
anden Lärmkundgebungen in Veuteil statt, wo der Staatsan⸗ 
valt auf dem Bürgermeisteramt mehrere Zeugen über die Plün⸗ 
erungen der Winzer in Damarny wernahm. Als sich das Gerücht 
erbreitete, zwei Winzer würden verhaftet werden, schlug die 
Vlenge die Fenster des Saales ein, in dem das Verhör statt⸗ 
sand und schoß Böller ab, um die Winzer der Umgegend zu 
alarmieren. Erst als der Staaisanwalt sich entfernte, ohne 
Verhaftungen vorgenommen zu haben, zog die Menge ab. 
(Tel.) 
Mortugal 
WV. Der portugiesische Minisser des Aeußern 
erllärte einem Berichterstatter, die gegenwärtigen, sehr freun d⸗ 
schaftlhichen Verhandlungen mit Frankreich, die 
demnächst zu einem handelspolitischen Modus vi— 
vendt führen würden, sowie die gleichfalls ihrem Abschluß 
ugehenden Verhandlungen mit Italien würden der Welt zeigen 
zah alle gegen das portugiesische Volk ausgestreuten Verleum—⸗ 
ungen, insbesondere auch der Vorwurf fremdenfeindlicher Ge— 
innungen vollständig unbegründet seien. (Tel.) 
— 
Neueste Nachrichten und Telegramme. 
Wit. Berlin, 19. Jan. Zwischen nationalliberalef 
ind fortschrittlichen Reichssstagsabgeordneten 
anden im Beisein von Mitgliedern der Lokalausschüsse der 
Provinz Hannover Verhandlungen statt, die zweifelsohne zu 
iner Einigung über die beiderseitigen Kandi— 
daturen in der Provinz Hamover führen werden. 
Berlin, 19. Jan. Im Reichstage ist jetzt auch von der 
Fortschrittlichen Volkspartei ein Antrag eingebracht worden, 
inen Gesetzentwurf zur Revision des Impfgesetzes 
orzulegen, der die jetzt bestehenden rechtlichen Unklarheiten 
»es Impfgesetzes beseitigt sowie eine Denkschrift, in der die 
kinwendungen der Impfgegner berüchsichtigt werden. 
W. Gleiwitz, 19. Jan. Bei der im 4. Wahlbezirk des 
— 
nsgefamt 367 Stimmen abgeben, die sämtlich auf Peter 
bfarrer⸗Gleiwitz (Itr.) entfielen. 
M* Bremerhaven, 19. Jan. Mehrere türkische Offi 
zie re waren heute vormittag in Begleitung eines Direktions— 
nitgliedes des Norddeutschen Lloyd hier anwesend, um cinige 
aäͤltere Dampfer des Norddeutschen Lloyds zwecks eventuellen 
Ankaufs zu besichtigen. 
Köln, 19. Jan. Wegen eines Wahlkompromisses 
für das ganze Rheinland sind zwischen den Nationalliberalen 
und der Fortschrittlichen Vereinigung Verhandlungen einge— 
eitet. 
W. Temesvar, 19. Jan. Dem alldeutschen Redakteur 
Wilhelm Orendi, den die Geschworenen wegen Aufreizung 
zu zwei Monaten Staatsgesängnis und 400 Kronen Geld— 
trafs verurteilt hatten, wurde die Gefängnisstrafe im 
sßnadenwege nachgesehen. 
W. Paris, 19. Jan. Die am 15. Jan. hier eingetroffene 
Abordnung des Wiener Gemeinderates mit Bür— 
rermeister Neumayer an der Spitze hat heute vor— 
nittag die Rückre ise nach Wien angetreten. 
W. Paris, 19. Jan. Aus Tanger wird gemeldet: Ein 
Franzose, der ein Grundstüch beanspruchte, von dem ein Holländer 
ereits Besitz ergriffen hatte, bemächtigte sich des Grundstückes 
sewaltsam. Der Holländer tand sich am Tage darauf in 
gegleitung von 25 Bewaffneten ein, verjagte den Franzosen 
und hißte seine Nationalflagge. Der Franzose beschwerte sich 
bei den beteiligten Gesandtschaften. 
W. Petersburg, 19. Jan. Der Kaiser wohnte der Wasser⸗ 
we?'he vor dem Winterpalais bei. 
W. Konstantinopetl, 19. Jan. Wie die Blätter melden, 
ollen im Februar 60000 Redifs des 1., 2. 3. und 5. 
Armeekortps zu einer sechswöchigen Uebung einberufen wer—⸗ 
»en; nach sthrer Entlassung werden weitere 60 000 Mann 
enberufen. 
W. Wafshington, 19. Jan. Die republikanischen Mit- 
zlieder des Komitees für Mittel und Wege sprachen sich 
nit 8 gegen 4 Stimmen zugunsten des dauernden Tarif- 
amts aus. 
W. Samburqg, 19. Jan. Dem Sbg. Frobl. zufolge wählte 
die Stadttheatergesellschaft gestern abend Dr. Hans Löwen- 
fold, bisher Oberregisseur an der Leipziger Oper, zu m 
Direktor des Hamburger Stadttheaters. Dr. 
Löwenfeld nahm die Wahlan. 
W. Samburg, 19. Jan. Der zu Klassifikationsarbeiten 
uuf der Werft von Blohm & Voß liegende Hamburger Dampfer 
Patagonia“ hat sich in letzter Nacht auf die Seite ge— 
legt und ist voll Wasser gelaufen. Die Ursache des Unfalles 
ist noch unbekannt. 
We Hamburg, 10. Jan. An Bord des von Buenos Mires 
hier eingetroffenen Dampfers „Alexandria“ sind pestver däch-— 
ige Ratten gefunden. Das Schiff wird einer Ausgasung 
nit dem Rattentötungsapparat, Desinfektor“ unterworfen. Die 
Weiterlöschung des Schiffes wird unter den üblichen Vorsichts— 
maßregeln gestattet werden. Menschen sind nicht erkrankt. 
W. Hannover, 19. Jan. Wegen Ablehnung des 
ßesuches des Lehrkörpers der hiesigen tierärztlichen Hoch— 
chule um Einführung des Rektorats anstatt des bisherigen 
direktorats durch den Landwirtschaftsminister beschloß die Stu— 
»entenschaft gestern, den Besuch sämtlicher Vorlesungen und 
Uebungen von heute ab als Protest gegen den Bescheid ein— 
uustellen. 
W. Braumischweig, 19. Jan. Wie die Braunschw. Landes⸗ 
eitung meldet, wurde anstelle des in den Ruhestand ge— 
retenen Hofintendanten v. Wangenheim der koburg⸗gothaische 
dofintendant von Frankenberg-Ludwigsdorf 
um Intendanten des Braunschweiger Hof— 
heaters berufen. 
W Saalfeld, 19. Jan. Bei einem Stubenbrande 
n der Schulstraße er sst ichten heute vormittag 4 Kinder des 
Fabrikarbeiters Solbrig, Zwillinge von 8 Jahren, ein Kind 
»on 3 umd ein Kind von einem Jahr. 
M* Barcelona. 19. Jan. Die ausstaͤndigen Fuhr— 
leute, etwa 8000, beschlohsen, die Arbeit am Montag wieder 
zufzunehmen. 
W. Mexito, 19. Jan. Amerikanische und eingeborene 
dokomotivführer der südlichen PackficEifenbahn in 
Mexiko traten auf einer Strece von tausend Meilen wegen 
Lohndifferenzon in den Ausstand 
Deutscher Reichstag. 
W. Berlin, 19. Januar 
Am Bundes ratstisch: Wermuth. 
Due zweite Lesung des Reichs-Zuwachssteuer-G 
letizes wird bei 8 104 fortgesetzt. 
Aba. Graf Carmer⸗Zieserwitz und Genossen (kons.) o. 
antragen die Einfügung eines Zusatzes zu 8 12, in den 
jesagt wird, dah dem Erwerbspreis Aufwendungen für Baute, 
isw. (ß 10, Ziffer 3) auch dann hinzuzurechnen sind, wenn si 
an sich der laufenden Unterhaltung dienen und durch Vernach 
lässigung des Vorbesitzes notwendig geworden sind. 
Abg. Graf Westarp (kons.) begründet den Antra« 
und bittet um seine Annahme. 
Abag. Dr. Weber (natlib.) und Dr. Potthoff (fortsch 
Vpt.) erklären diesen Antrag für überflüssig, da es sich ü 
einem derartigen Falle nicht um dauernde Unterhaltungskolte 
handle. 
Der Antrag wird zurückgezogen. 
s 10b sieht die Abzugsfähigkeit von Enteignungs-Entscho 
digungen für Bergschäden vor. 
Abg. Serosd (3Itr.) beantragt die Streichung des Para 
graphen. Dr. Weber (natlib. beantragt dagegen, den Ab— 
iatz so zu fassen, daß Abzugsfähigkeit eintritt, soweit di 
Entschädigungen nicht nachweislich zur Beseitigung der Berg 
schäden verwandt worden sind. Mit dieser Aenderung wir 
5 10b angenommen. 
8 106 sieht eine weitere Abzugsfähigkeit für Weinbera 
sowie für sonstige Grundstücke vor. 
Abg. Trimborn (Itr.) wünscht eine weitere Begünstigun— 
der Weinberge. 
Abg. Dr. Weber (natlib.): Auch die übrigen, namentli« 
städtischen Grundstücke, mögen dann bevorrechtet werden. 
Abg. Cuno (fortschr. Vpt.)!: Wenn das Gesetz die Ten— 
denz bekunden soll, daß für landwirtschaftliche Grundstücke nichts 
getan werden soll, dann wollen wir die städtischen Grund— 
stücke ebenfalls mit Vorrechten versorgen, damit das Geset 
so schlecht wird, daß überhaupt nichts dabei herauskommt. 
Abg. Graf Wesiarp (kons.): Diese letzten Ausführung⸗ 
schießben übers Ziel hinaus. 
Abg. Dr. Potthoff (fortschr. Vpt.: Die Bedcutung bd 
Gesetzes ist tatsächlich durch diese Vorrechte auf den Mul— 
punkt hinabgedrückt worden. 
8 11 sieht rückwirkende Kraft der Steuer vor. 
Abg. Arendt (Rpt.): An diesem Paragraphen wäre beinah— 
die ganze Vorlage gescheitert. Es wird niemals möglich sein 
über den Wert eines Grundstückes, den es vor 40 Jahren 
hatte, ohne Streit zwischen Steuerpflichtigen und Fiskus sid 
zu etinigen. Eine Norm kann sich dabei gar nicht herausbilde. 
und es wird eine dauernde absolute Unsicherheit herrschen. 
Auf Antrag Weber (natlib.) wurden die Absätze zwei, 
vier und fünf des Varagraphen 11 bis zur Beratung des 
Paragraphen 20 (Skala) zurückgestellt. Nach kurzer Debatt 
wurden die Absätze eins und drei angenommen, welche lauten: 
Beruht der Erwerb eines Grundstücks auf steuerfreiem Rechts— 
borgange, so ist für die Bemessung des Wertzuwachses zur! 
Zeit des letzten steuerpflichtigen Rechtsvorganges auszugehen 
Fener, wenn der letzte steuerpflichtige Rechtsvorgang mehtt 
ils vierzig Jahre vor Eintritt der Stieuerpflicht liegt, üt al⸗ 
krwerbspreis der Wert anzusehen, den der Gegenstand vierzig 
Jahre vor Eintritt der Steuerpflicht hatte, sofern der Steuer 
„flichtige nicht nachweist, daß er vor jener Zeit bei steuer— 
reiem oder steuerpflichtigem Erwerb einen höheren Erwerbs 
preis zahlte. 
8 12, der von der Kommission gestrichen ist, wird von 
Plenunm gleichfalls abgelehnt. 8 13, enthaltend die Bestim 
nung über die Berechnung des Erwerbspreises bei Flurver 
einigung oder Umlegung wird unverändert angenommen. 8 140 
berückfichtigt die unentgeltliche dauernde Grundstüdsüberlasiung 
rür Verkehrszwecke, öffentliche oder gemeinnützige Zwecke sowie 
die Steuererstattung für den Verlust einzelner Teile bei Ver 
ãäußerung des Grundstücks. 
Der Regierungsvertreter bat, den letzten Teil des Para 
garaphen zu streichen. Dieser erhielt schließlich auf Antrad 
TFuno (Vpt.) folgende Fassung: Werden Teile eines örtlich 
und wirischaftlich zusammenhängenden Grundbesitzes durch ver 
chiedene Rechtsvorgänge von demselben Veräußerer oder von 
zesjsen Erben innerhalb dreier (nach der Kommissionsfassung 
weier) Jahre übertragen, so kann vom Wertzuwachs des einen 
Brundstücksteils ein beim Verkauf anderer Grundstücksteile ein 
getretener Verlust abgezogen werden. 
8 15, der die vom Verkaufspreise abzugssähigen Kosten 
und Béeträge enthält, wurde, nachdem Staatssekretär Wermuth 
zebeten hatte,d ie dazu vorliegenden Abanderungsanträge ab 
zulehnen, um nicht jeden Effekt der Steuer illusorisch zu machen, 
mit geringfügigen Aenderungen angenommen. Unveränder! 
blieben die Paragraphen 16 bis 19. 
8 20 enthält die Steuerskala sowie folgende Bestimmung 
Die Steuer ermäßigt sich für jedes vollendete Jahr des für 
die Steuerberechnung maßgebenden Zeitraumes, längstens fö— 
30 Jahre, um 1 Prozent ihres Betrages. 
Abg. Marx (Ztr.) befürwortete einen Antrag, wonach diese 
Frmäßigung zwei Prozent betragen soll, so wie der für die 
Steuerberechnung maßgebende Zeitraum vor dem 1. Janua 
1911 liegt, von da ab 1 Prozent. 
Abg. Weber (natlib.) befürwortete einen beim 8 1. 
zurückgestellten Antrag, für die Steuerberechnung die Zeit sei 
dem 1. Januar 1888 festzusetzen. 
Staatssekretär Mermuth: Der finanzielle Effekt dieses An 
trages ist ein außerordentlicher. Es handelt sich da um 
50 Prozent Ausfall. Mit so tiefgehenden Aenderungen kanr 
ich mich nicht einverstanden erklären. In erster Linie müfser 
wir den finanziellen Effekt des Gesetzes im Auge behalten 
Nach weiterer Debatte wird der Zentrumsantrag abge 
elhnt, dagegen ein Antrag Weber, statt 1 Prozent 192 Prozen 
fsrmäfigung vorzusehen, angenommen. Der Antrag Weber zi 
11 wird zurückgezogen und der betreffende Teil dieses Para 
zraphen unveräudert angenommen. — 8 20 wird mit dem Ab 
inderungsantrag Weber gleichfalls angenommen, ebenso 8 21 
Lein8 221 der die Steuerbefreiung für Reich und Bundes 
taaten enthält, beantragen die Konservativen, die Regierungs 
vorlage, wonach Landesfürst und Landesfürstin von der Steuer 
befreit sind, wiederherzustellen. 
Nachdem sodann noch Abg. Korfantii (Pole) einen An— 
trag begründete, die Steuerfreiheit für din Ansiedelungskom— 
mission aufzuheben, wurde die Weiterberatung bis morgen 
11 Uhr vertagt. 
heer und Flotte. 
„Freya“ ist am 10. Jan. dvon Port of Spaln (Trinidade 
nach Fort de France auf Martinique (Kleine Antillen) in Se— 
jegangen. Die 12. Halbflottille isß am 17. Jan., die 7. 
16. Jan, in Riel einacratee 
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