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Ver Famtlier. eund.
161. Jahrgang
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Drud und Verlag: Gebrüder Borchers G. m. b. S. in Lñahed. — Geschäftsstelle Adretß haus (Kö
(Große Ausgabe) Dienstag, den I. Juli 1911. Abend⸗Blatt Ur. 345.
Beilagen: Vaͤterstädtische Blätter. —
Amtsblatt der freien und Hhansestadt Lübes
veiblatt: Gesetz⸗ und verordnungsblatt⸗ —
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Ausgabo
Erstes Blatt. hierzu 2. Blat
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Amfang der heutigen Nummer 6 Seiten.
—EXERyXXAM—üüìZZtZsEDPTöAß——————— ——— —
Nichtamtlicher Teil.
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trafgesetzreform und Streikpostenstehen.
Von unserem juristischen Mitarbeiter.
J Berlin, 11. Juli.
»Der Zentralverband Deutscher Indu—
sttrieller hat seit längerer Zeit Material gesammelt über
Streikausschreitungen, um es der Reichsregierung vorzu—
egen und diese zu veranlassen, in das neue Strafgesetz-
vuch eine Bestimmung gegen das Streikposten«
tehen aufzunehmen. Als vor einiger Zeit das ge—
ammelte Material an die Reichsregierung gelangte und von
dieser an die Kommission zur Ausarbeitung des neuen
Strafgesetzbuches weitergegeben wurde, verlautete alsbald in
)»er sozialdemokratischen Presse, eine neue Auflage des sog.
zuchthausgesetzes steht bevor. In seiner Ausgabe vom 9. Juli
macht nun der Vorwärts nähere Mitteilungen über die Wünsche
des Zentralverbandes, und er überschreibt auch diese Mit—
eilungen mit dem Satz: „Der Zentralverband Deutscher In—
»ustrieller wünscht ein neues Zuchthausgesetz.“
Danach beantragt der Zentralverband, dem 8 241 des
Entwurfs des neuen Strafgesetzbuches folgende Fassung zu
Jeben:
„Wer durch gefährliche Drohung einen anderen in seinem
yrieden stört, wird mit Gefängnis oder Haft bis zu einem
Jahre oder mit Geldstrafe bis zu 1000 M bestraft.
Einer gefährlichen Drohung im Sinne des ersten Ab—
atzes macht sich auch derjenige schuldig, der es unternimmt,
Arbeitgeber, Arbeitnehmer, Arbeitsstätten, Wege, Straßen,
Plätze, Bahnhöfe, Wasserstraßen, Häfen oder sonstige Verkehrs⸗
anlagen planmäßig zu überwachen.“
Zur Begründung führt der Zentralverband aus: Seine
Umfrage bei 274 Industriellen und Arbeitgeberverbänden, Han⸗
delskammern und Berufsgenossenschaften habe ergeben, daß
seit dem Jahre 1904 in 120 „bestreikten“ Betrieben die
Arbeitswilligen durch die Streikposten in der rigorosesten Weise
terrorisiert und in ihrer freien Willensbestimmung behindert
vorden seien. Es seien von den Streikposten nicht nur in
‚ahlreichen Fällen die Arbeitswilligen mit Revolvern und
Messern bedroht und bis in ihre Wohnungen verfolgt, son⸗
bern oft direkt überfallen und bis zur Arbeitsunfähigkeit miß⸗
handelt worden. In einem nachgewiesenen Falle sei der Ar—
beitswillige erschlagen worden und in 39 Fällen seien die
Arbeitswilligen derart eingeschüchtert worden, daß eine voll—
tommene Stillegung des Betriebes habe eintreten müssen, zumal
zie Arbeitswilligen keinen genügenden Schutz bei der Polizei
efunden hätten. Diese Anmaßung der Sozialdemokraten und
ie in den letzten Jahren andauernd gewachsene Verschärfung
»es Kampfes zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern legten
zie Befürchtung nahe, daß, wenn nicht die Mittel gefun—
»en werden, einer solchen Bewegung Einhalt zu tun, das
virtschaftliche Leben in Deutschland in der ernstesten Weise
efährdet werde. Um dieser den Bestand des Staates selbst
n Frage stellenden Gefahr wirksam zu begegnen, müsse daher
er Freiheit der Arbeit durch gesetzliche Vorschrift der erfor⸗
erliche Schutz gegeben werden, und es müsse vor allem dem
Sztreilpostenstehen ein Ende gesetzt werden.
Die Kommission, die den Vorentwurffertig—
ellte und auch schon von dem Vorsitzenden der jetzigen
tommission geleitet wurde, hat den bisherigen 8241
isofern verschärft, als sie das Strafmaß erhöht
at, andererseits aber gemildert, indem sie auch Haftstrafe
ir zulässig erklärte. Im übrigen hat sie als Voraussetzung
er Strafbarkeit ausgesprochen, daß der Bedrohte durch die
zedrohung beunruhigt, in seinem Frieden gestört sein muß,
.h. in die Besorgnis vor der Verwirklichung der Be—
rohung versetzt sein muß, während bisher auch viele unter
lngebildeten vorkommende Redensarten bestraft werden konnten.
sin dem ersten Absatz des neuen 8 241 will der Zentralverband
ichts ändern, er wilk nur die Bestrafung des Streikposten-
ehens hinzufügen. Die jetzige Kommission für Aufstellung
es endgültigen Entwurfs hat nun zwar eine andere Zu—
immensetzung unter demselben Vorsitzenden, dem Ministerial⸗—
irektor a. D. Luxas, aber ihre bisherigen im Reichsanzeiger
eröffentlichten Beschlüsse haben zu berechtigten Einwänden in
er Presse und auch in Fachkreisen keinen Anlaß gegeben.
Ran wird also wohl hoffen dürfen, daß sie auch bei der
rortsetzung ihrer Arbeit und insbesondere bei der Formu⸗—
jerung des 8241 das Richtige treffen wird. Im übrigen
it, wie uns auf Erkundigung an zuständiger amtlicher Stelle
nitgeteilt wird, eine baldige Entscheidung über die Wünsche
»es Zentralverbandes Har nicht in Aussicht, die Kommission
leht erst beim 857 und wird bei ihrer gründlichen Erörte—
ung aller einschlägigen juristischen Fragen und bei der sorg⸗
amen Formulierung ihrer Beschlüsse voraussichtlich erst übers
zahr beim 8 241 angelangt sein. d.)
F —
da ja in Afrika selbst einige heikle Probleme die Interessen
Deutschlands und Englands, berühren. Man mache sich auf eine
iemlich lang andauernde Aussprache zwischen Deutschland und
Frankreich gefaßt. Von einer Hineinziehung Spaniens sei einst-
wveilen nicht die Rede, woxaus geschlossen werde, daß Spanien
i der Frag: der Kompensationen keine Rolle zugedacht sei.
——
die Fortschritte der deutschen Sprache in der Türkei.
Die deutsche Sprache hat in den letzten Jahren auf türki—
schem Boden erheblich an Ausbreitung. gewonnen. Zu den
chon bestehenden deutschen Schulen von Konstantinopel, Jedikule,
Karagatsch bei Adrianopel und Salonik, sowie den kleinasiati—
chen von Heidarpascha, Eski Chehir, Smyrna, Beirut, Haifa,
Zarona, Jaffa und Jerusalem wird in nächster Zeit noch die
zchule von Aleppo treten. In Bagdad hat ein deutscher
rehrer abendliche Unterrichtskurse cingerichtet, die von Ein⸗
eimischen stark besucht werden. Unentgeltliche Unterrichtskurse
ur Erwachsene wurden in den deutschen Schulen von Pera und
zeidarpascha mit großem Erfolg abgehalten. Der Besuch über—
ieg die Zahl 200. Unter den Teilnehmern befanden lich
teben Offizikren Kommunalbeamte, Staatsbeamte, Kaufleute,
chriftsteller und Lehrer. Unter den Türken selbst macht
ch nach den Mitteilkungen des Vereins für das
eutschtum im Ausland eine Strömung für Ein—
ührung der deutschen Sprache als obligatori—
cher Lehrgegenstand an den höheren und mittleren
Staatsschulen der Türkei immer stärker geltend. Dieser Be—
oegung sollte deutscherseits durch Vermittlung und Beschaffung
zeeigneter deutscher Lehrkräfte für diese türkischen Schulen ent—
zegengekommen werden. Von größter Bedeutung für die Stei—
jerung des deutschen wirtschaftlichen und kulturellen Einflusses
n der Türkei wäre die Errichtung einer Hochschule mit deutscher
Interrichtssprache auf kleinasiatischem Boden, ähnlich wie sie
ür Ostasien in Tsingtau kürzlich geichaffen worden ist
Stimmungsbild vom Johannisthaler Flugplatz.
Nachdem in Johannisthal der gestrige Nachmittag in leb—
hafter Erwartung vergangen war, steigerte sich diese, so oft
ine Meldung von der Strecke eintraf. Gegen 82/2 Uhr tauchte
im Horizont der Doppeldecker Königs auf und hoch darüber
in den Lüften sah man gleich darauf die beiden Tauben Voll⸗
möllers und des Oberingenieurs Hirth, der den Fliegern ent—
jegengeflogen war. Um 8 Uhr 38 Min. landete König mit
einem Begleiter, Leutnant Koch, auf dem Flugplatz, und nur
ine Minute später, 8 Uhr 39 Min., Vollmöller mit Ober⸗
eutnant z. S. Bertram. Die Herren vom Verein Deutscher
Flugtechniker und vom Verlag Ullstein waren sofort zur
S;telle und begrüßten die Angekommenen stürmisch. Ober—⸗
ieutnant Bertram wurde auch von leinen Eltern erwartet.
— σααααεεαι αααιαιαναα
konnte, ohne die Befürchtung haben zu müssen, daß sein
Brief gelesen würde. Nun hört:
„Lieber Wilhelm! Seit kurzer Zeit weile ich hier. Wenn
ruch der Heimat ziemlich fern, bin ich zufrieden mit dem
Tausch. Anstatt das sanft klingende Säuseln des Bergwindes,
»er um unsere alte Feste hochoben rauschte, und der mir
»ft ein Schlummerlied gesungen, hört man hier das nicht
illzu ferne Meer branden. Der Skturm, wenn er in unserem
ernen Bergland haust, ist eine Kraft, der der Mensch nicht
tandhalten kann. Aber was ist er im Vergleich zum Meer!
Schon beim Anblichk dieser unendlichen Wasserfläche, Wilhelm,
ommt es einem zum Bewußtsein, wie klein, wie machtlos
ꝛer Mensch ist. Doch ich will mich nicht weiter in Reflexionen
rgehen. Du willst über mich hören. Mir geht es gut,
virklich besser als gut. Ich habe famose Leidensgefährten
ind einen verehrungswürdigen Kommandanten. Gute Bücher,
richt und Luft werden uns reichlich zuteil, auch Zerstreuung.
Mir wird täglich ein besonders briginelles Vergnügen be—
eitet. Die Pflegetochter des Kommandanten liebt so sehr
zühner. Sie besitzt einen ganzen, bunten Hühnerhof. Nun
ommt's! Ein Zwerghuhn hat sich meine Kasematte, nebenbei
in freundlicher Raum, als Legenest ausgesucht und fliegt täglich
dährend unseres Spazierganges durch das niedere Fenster, um
in Ei auf meine Bettdecke zu legen. Das erstemal wurde
nir gestattet, der jungen Dame das Ei selbst zu über—
eichen. Von dieser Erlaubnis habe ich nun schon mehrmals
ßebrauch gemacht. Wir haben jetzt Zutritt in der Familie
es Kommandanten erhalten. Den gestrigen Abend waren
vir dort. Fräulein Bertha Ellen, die Pflegetochter des Grafen,
st eine Dame von hohem, geistigem Flug. Sie hat, wie der
Franzose sagt, Esprit. Ihre Untechaltung ist ein fesselndes,
eizvolles Spiel. Die Zeit fliegt dabei! O, Zwerghuhn, sei
»edankt, du hast uns zusammengeführt. Wie geht es Euch
en, den teuren Eltern in der geliebten Mühle?“
„Er ahnt noch nichts,“ sagte die Frau Stadtmüller leise.
„Er wird's früh genug hören, liebe Mutter. Soll ich
den Schluß lesen?“
Sie nickte.
„Wie geht's Halmers? Wenn Theodor vom Schichal er—
reicht wird, soll er sein Vermögen gleich auf seine Frau über—
Weiteres zur Aussprache über Marokko.
In unterrichteten Pariser Kreisen rechnet man mit der
Möglichkeit, daß sich die Verhandlungen zwischen Paris und
zZerlin sehr lang hinziehen und etwas schwierig gestalten
rürften. Möglicherweise würden sie durch ein deutsch-
ranzösisches Abkommen, vielleicht auch durch ein Ergänzungs—
ibkommen wischen Deuischland und Fnaland abgescsossen werden.
Aus gärender Zeit.
Roman von Hedwig Kabozh.
(20. Fortsetzung.) Machdruch verboten.)
„Mit Verlaub, Schwägerin, mit dir will ich nicht reden.
Deine Zunge geht dir leicht durch, und ich bin hihig,“ sagte
vothard mit etwas schwerer Zunge, während er wütende
Blicke auf sie schoß.
„Freilich, der rote Kirschen geht ins Blut und macht
zitzig,.“ sagte Johanna spitz.
„Was geht's dich an, Schwägerin! Laß mich in Ruhe. Es
ist genug, daß daheim deine Zunge Mann und Gesinde sticht.“
„Meinem Mann bin ich recht, wie ich bin, und mit den
Leuten muß man streng sein. Dir fanns nicht schaden, wenn
»u einmal die Wahrheit hörst.“
„Von dir will ich sie nicht! Fegt vor eurer Tür, ich
oächt', da gäb's genug zu säubern!“
„Das müßt wohl erst sein, seit wir dich in der Familie
‚aben, oder meinst etwa, wir sollten uns was darauf zugute
iun, daß du so ein Trinker bist?“
Diese Worte hatten Gothards mühsam unterdrückten Zorn
um Ausbruch gebracht, Mit der Faust schlug er auf den
Tisch.
„Meinst, ich soll mir was zugute tun auf die Familie
neiner Frau? Geld haben sie kein's, aber dafür einen Bru—
der, der sitzt! Und der Mann von der Maria Burgevis
itzt auch! Eine feine Familie! Was passiert, sind die
Mäuler bei euch!“
Dabei spie er in die Stube.
Da erhob sich Wilhelm in seiner stattlichen Größe und sah
den Schwager ruhig an.
„Lieber Friedrich, heut' haben wir unsern guten Vater,
den auch du so verehrtest, zur letzten Ruhe gebettet. Laß uns
in seinem Andenken Frieden hallen. Urteile aber auch ni
üͤber Sachen, die dir so ganz fern liegen. Es wird das für
ich tatsamer sein. Aber auch du, liebe Schwester, zanke heut'“
ꝛicht. Unserer armen Mutter muß ja jedes Wort weh tun.“
Die Frau Stadtmüller reichte ihrem Sohn über den Tisch
ie Hand und sagte einfach: „Ich danke, dir, mein Wilhelm.“
Eine leichte Röte stieg in Johannas Gesicht, und auch
Friedrich Gothard sah verlegen zur Erde.
Dann stand er auf. — Er wollte gehen, meinte er —
hmusei nicht extra zu Mute.
Johanna Veil sah ihn verächtlich an. Sie komte sich
vohl denken, wie ihm nach dem vielen Kirschen war.
Die Frau Stadtmüller reichte ihm die Hand und sagte:
Wenn du bei uns essen willst, Friedrich, so lange die
zränze fort ist, mir soll's recht sein. Schlag 12 Uhr steht
sier das Essen auf dem Tisch.“
„Schon recht, Frau Schwiegermutter!“ F
Dann ging er unsicheren Schrittes nach der Tür.
„Jetzt legt sich der Trinker, wie er geht und steht, mit
den nassen Stiefeln aufs Bett und schnarcht bis morgen früh,“
agte Johanna.
„Aber Johanna,“ tadelte Wilhelm seine Schwester, „wie
annst du dich so ausdrücden.“
„Ach was, ich spreche wie ich denke. Ich bin nun mal
o! Die arme Fränze! Es ist zum Erbarmen! Sie ist nur
ioch ihr Schatten.“
Da seufzte die Frau Stadtmüller tief auf und begann
itterlich zu weinen. Die Tränen liefen ihr unaufhörlich über
ie blassen Wangen. b
„Liebe Mutter, fassen Sie sich doch,“ sagte Wilhelm und
ätschelte ihre Hand. „Wir wollen nicht verzagen, es werden
uuch wieder bessere. Zeiten kommen.“
Und als Frau Burgevis müde den Kopf schüttelte, fuhr
r fort: „Gewiß, Mutter, nur Gottvertrauen! Eine gute Nach—
icht bringe ich Ihnen. Erhard ist gesund und frisch. Man
hat ihn auf eine andere Festung gebracht.“
Als bei dieser Nachricht die Frau Stadtmüller erschredt
uffuhr — eine andere Festung für ihn als Aufenthalt er—
chien ihr nicht als gute Nachricht — zog Wilhelm einen
zrief aus der Tasche.
„Von Erhard,“ sagte er. „Er ist mir durch den Komman⸗
anten, Graf Hülsen, an den ich mich gewandt, zugegangen.
zr selbst hat einige freundliche Worte dazugefügt. Das muß
in charmanter Mensch und ein groß angelegter Charakter
ein! Erhards Brief zeugt davon, daß er frei heraus schreiben
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