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— 3344
Abend⸗Blatt Kr. 3
a r. 340.
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Ausgabe A4.
Sonnabend. den 8. Juli 1911.
E — ———
Frau D. und Frau W. in Pansdorf, welche beim Wirt
Schramm ein Huhn gestohlen, erhalten je 2 Tage Gefängnis.
Schleswig⸗ Holstein.
Kiel, 8. Juli. Begnadiagung. Marine⸗Assistenzarzt
Dr. St. war wegen Zweikampfes zu drei Monaten Festungs⸗
haft verurteilt. Der Kaiser hat im Wege der Gnade die Strafe
auf sieben Tage Festungshaft herabgesetzt.
Preetz, 8. Juli. Die Diebstähle mehren sich in unserer
Hegend in unheimlicher Weise. In der letzten Nacht sind in
Postfeld mehrere Einbrüche verübt worden, und zwar bei
»em Hufner A. Hingst, dem Schmiedemeister Böhll und dem
Böltcher Böhlk.
Blanke nese, 8. Juli. Selbstword. Von dem
deuchtturmwärter in Wittenbergen wurde Domerstag eine
Frauenleiche geborgen. Die Tote ist etwa 20 bis 26 Jahre
ailt. In der Nähe der Leiche fand man am Strande ein grau⸗
grün gestreiftes Jackett und einen großen weißen Hut sowie
eine grüne Handtasche, die außer Schreibutensilien nur einen
zettel mit den Worten „Savoy. Friedrichsruh 21. 6.“ enthielt
Wahrscheinlich hat die Tote von der Wittenbergener Landungs—⸗
brücke aus Selbstmord verübt.
Glücksburg, 8. Juli. Explosion. Beim Füllen von
Patronen wurde durch eine explodierende Patrone dem Bäcker
Nikolaus Matthiesen aus Glüchsburg das linke Auge aus—⸗
gebrannt.
Jevenstedt, 8. Juli. Deichbruch. Bei Schachtholm
ist der Deich der Ablagerung auf einer Strecke von 100m
duich den Druck der Schlammassen gerissen. Es waren gerade
vier Arbeiter auf dem Deich beschäftigt. Während zwei sich
in Sicherheit bringen konnten und einer gerettet wurde, ist der
Arbeiter Wulff ertrunken. Seine Leiche wurde nach mehreren
Stunden gefunden.
Meldorf, 8. Juli. Folgendes wahres Ge—
schichtchen passierte einem Bewohner der Marsch. Nach einer
Festlichkeit, die sich ziemlich in die „Länge“ gezogen hatte,
rabt ein einsamer müder Wanderer auf der menschenleeren
Klinkerstraße dem entfernten Nachbardorfe zu. Er ist von dem
einzigen Gedanken beseelt, so schnell wie möglich das heimat
iche Gehöft zu erreichen und den vom Disputieren über die
Maul⸗ und Klauenseuche, den vom Tanz und Trinken ange—
zriffenen Körper in die weichen Daunen fallen zu lassen, um
neugestärkt zum Rübenpflanzen zu erwachen. Schon winken
don ferne die Giebel seiner Behausung, als ein Radfahrer ihn
einholt. Als dieser den einsam Dahinwallenden erblickt, staunt
er nicht wenig. in demselben seinen Nachbar zu erkennen und
»richt in die Worte aus: „Minsch, Jann, wo hest du denn
dien Perd und Wogen loten?!“ „Dunnerslag“, meint Jann,
sowat ook to vergeeten!“ — Nach einigem Hin- und Her—
reden eilt Jann auf dem Rade des Nachbarn nach dem
Hasthofe zurück, wo ihn ein freudiges Wiehern seiner ge—
duldigen Rosinante empfängt und ein schallendes Gelächter
einiger nech zechender Gäste ihm verrät, daß der, der den
Schaden hat, für den Spott nicht zu sorgen braucht.
Pinneberg, 8. Juli. Der Umfang der Vieh—
terblichkeit infolge der Maul- und Klauen—
euche ist größer, als angenommen wird. Ein ziemlich zu—
treffendes Bild erhält mwan von ihm, wenn man die Eingänge
auf einem größeren Gebiet in Betracht zieht, wie sie
heispielsweise sich aus den Anmeldungen bei der Kadaver—
Aus den Nachbargebieten.
Sanjestãdte.
Bremen, 8. Juni. Die Finanzdeputation ver⸗
bffentlichtdas Budgetfüraußerordentliche Ver—
wendungenfür 1911, das alle die großen Staats-
unternehmungen umfaßt, die als Aufwendungen werbenden
Kapitals anzusehen sind, wie die Häfen, Eisenbahnen, Fluß—
korrektionen, Schiffahrtskanäle, Erleuchtungs- und Wasser⸗
werke, Ratskeller, Ankäufe von Grund und Boden usw.
Gespeist wird dieses Budget neben Betriebseinnahmen und
Einnahmen aus Verläufen und dergleichen hauptsächlich aus
Anleihen. Während für 1911 das ordentliche Budget Bre—
mens 40,9 Mill. Mubeträgt, lautet das der außeror dent⸗
lichen Verwendungen auf einen Bedarf von 44,2 Mill. M.
so daß sich das bremische Gesamtbudget auf 88,1 Mill. M
beläuft. Die Einnahmen werden veranschlagt auf 54618 843
Mark (3 656 184 Mei. V.), die Ausgaben auf 44 167 348 M
(33 450 000 Mei. V.). Die erwähnten Einnahmen enthalten
sdie neue 40 Millionen-Anleihe. Von den Ausgaben ent—
ffallen 11243 Mill. Meauf Erweiterung und Betrieb der Erleuch
ttungs- und Wasserwerke, 83 Mill. Meauf den Rhein⸗-Weser—
Kanal, 770000 Muauf die Korrektion der Außenweser,
8300000 M auf Häfen und Eisenbahnen in Bremen, 4800 000
Mark auf Hafenbauten in Bremerhaven, 2700 000 Muauf
Regulierung der Baulinien und Grunderwerb. Die Unter—
weserkorrektion hat jetzt eine Gesamtschuld von rund 44
Mill. (M. Von der 324prozentigen Verzinsung in Höhe von
1539 785,M sind 1910 durch die Schiffahrtsabgabe 1371 461
Mark gedeckt worden. Für 1911 wird veranschlagt, daß
428 602 Muungedeckt bleiben und anderweitig bestritten wer—⸗
den müssen. — Einer, der sich nicht um seine Fer—
kelkämmert. Von Passanten der Schwachhauser Chaussee
wurden an einer Polizeiwache zwei Ferkel als gefunden
eingeliefert. Nach Angabe der Einlieferer waren die Tiere
von einem in schneller Fahrt in der Richtung nach Horn
fahrenden Wagen, dessen hintere Klapptür offen stand, ge⸗
fallen. Außer diesen beiden Tieren waren von demselben
Wagen noch vier Ferkel gefallen, die bei einem Anwohner
der Uhlandstraße untergebracht wurden. Trotz Zurufs hat
sich der Wagenführer nicht um die verlorenen Schweine ge—
kümmert. Er soll vielmehr einem Landmann entgegnet haben,
daß es auf ein paar Schweine nicht ankomme.
Großherzogtum Oudnenag, Jürstentum Lübed.
ESScqchwartau, 8. Juli. Schöffengericht. Die
sozialdemokratische Agitatorin Frau Leu⸗Schwartau hatte sich
wegen groben Unfugs zu verantworten. Sie soll in ärgernis—
erregender Weise an den Belästigungen und Verfolgungen
Arbeitswilliger anläßlich der Entlassungen infolge der Mas—
feier bei der Fabrik von Villeroy & Boch, Dänischburg, teil—
genommen haben. Die Angeklagte will lediglich als einfluß⸗
reiche Person Ausschreitungen der Streikenden haben ver—
hindern wollen. Da nicht bewiesen werden konnte, daß sie
Anführerin gewesen war, kam die Angeklagte mit 25 M
Geldstrafe davon. — Frau B. und Frau Fr. in Schwartau—
welche sich gegenseitig verprügelt hatten, erhalten ie 5 M—
Geldstrafe. — Butterhändler B. in Lübed klagt gegen Frau
J. in Arfrade wegen Beleidiaung. Urteil ß MüGurstrafe
Souc
b
—
verwertungsanstalt zu Tornesch für den Kreis Pinneberg er—⸗
geben. Dort gehen täglich Anzeigen von gefallenem Großviel
in gröhßerer Zahl ein, die an einem Tage dieser Woche sogat
Aber die Zahl 50 hinausgingen.
Rendsburg, 8. Juli. Eine Hündin als Pflege—
mutter. Eine Sau des Landmanmns Kühl in Schülldorf
warf vor einigen Tagen 18 Ferkel. Da sie aber nur 12 der
Tiere nähren konnte. mußten ihr 3 Ferkel abgenommen werden.
Was nun aber admit anfangen? Töten war doch schade,
zumal die Tierchen alle gesund und kräftig entwidelt waren.
Kühl kam auf den Gedanken, diese der HUndin des Hauses
die auch an demselben Tage geworfen hatte, zu geben und
die jungen Hunde besseite zu schaffen. Die Hündin hat die
jungen Ferkel sofort angenommen, nährt diese vorzüglich un
ist sehr besorgt um sie.
Lauenburg.
R. Rätßeburg, 8. Juli. Maul und Klauenseuche.
Mit wahrhaft unheimlicher Schnelligkeit hat sich diese Seuche,
der Schreden des Landwirts, über unsern Kreis verbreitet.
Bis jetzt sind davon 57 Gehöfte in 17 Gemeinden des Herzog⸗
tums Lauenburg ergriffen.
Schwarzenbek, 8. Juli. Shlangenbiß. Beim Bicd—
beerenpflucen im Sachsenwald wurde gestern die Arbeiterfrau
Fromm hierselbst von einer Kreuzotter ins Bein gebissen. Trotz—
dem die Frau schnell per Rad nach Hause fuhr und ärztliche
Hilfe sofort zur Stelle war, schwoll das Bein stark an, so daß
sie schwerkrank daniederliegt.
Kollow, 8. Juli. Eine unerwartete erfreu—
liche Vermehrung seines Borstenviehs erlebte der
Hufner Rüter hierselbst. Seit längerer Zeit fehlte ihm eine
Sau, die auf der Weide ausgebrochen war. Bei einem
Gang durchs Feld fand der Besitzer das Tier in einem Graben,
umgeben von 10 kräftigen Ferkein, für die das Muttertier
aus Reisern und Gras eine warme Lagerstätte bereitet hatte.
Mit großer Mühe gelang es, die „Wildschweine“ wieder
einzufangen.
Talkau, 8. Jili. Die Jagdnutzung derhiesigen
Gemeindefeldmark wurde an Kaufmann Ahlandt-Lübed
für sein Höchstgebot von 16560 Meverpachtet, während bisher
für das 400 Hektar große Revier mit den Kreisforsten Kief⸗
holz und Horstwiede 2300 M Jahrespacht gezahlt wurde.
Der starke Rückgang der Jagdhöhe ist auf die Bildung einer
Eigenjagd innerhalb der Gemeindeferdmark zurückzuführen.
Großherzegtimer Medlenburg.
—Schönberg, 8. Juli. Die Maul-und Klauen⸗
seuche ist in Thandorf unter den Rindviehbeständen des
Hauswirtes Langhans und des Maurers Schultz ausgebrochen.
— Schwerer Unglücksfall. Als Donnerstag der
Schlachtermeister Bremer mit seiner Ehefrau auf einem Fuhr⸗
werk aus der Stadt nach Hause fuhr, stieg der Mann bei
Rieps ab, wo er noch geschäftlich zu tun hatte, und ließ die
Frau allein weiterfahren. Plötzlich schlug das Pferd der Frau
die Leine aus der Hand, und diese sprang in ihrer Angst
vom Wagen. Ssierbei kam sie so unglüdcklich zu Fall, daß sie
einen Fuß oberhalb des Knöchels brach und zwar so, daß das
ine Ende des Knochens die Haut aufriß und auf der einen
Seite hervorstand. Die Verunglückte mußte sofort ins Kranken-⸗
haus gebracht werden
Ernst Curtius und Kurd von Schlözer.
Von Dr. Paul Curtius.
Es ist eigentlich auffallend, daß Ernst Curtius und Kurd
Schlözer, zumal in unserer heutigen Zeit, die an Memoiren⸗
werken und Biographien so überaus reich ist, noch immer
nicht ihren Biographen gefunden haben. Um so willkommener
dürften einige Mitteilungen sein über den Freundschaftsbund
den die Genannten in den 40oer Jahren des vorigen Jahr—
hunderts als junge Gelehrte in Berlin miteinander geschlossen
hatten; aus den nachfolgenden Ausführungen wird sich vot
allem entnehmen lassen, wie unter Ernst Curtius“ Einfluß
Schlözers wissenschaftliche Entwidelung sich nicht nur gestaltet,
sondern wie auch Curtius setnem Freunde zu seiner durchaus
außergewöhnlichen Karriere indirekt verholfen hai.
Beide Männer, Söhne der freien und Hansestadt Lübeck
haben Zeit ihres Lebens einer liberalen Weltanschauung ge—
huldigt. und es läht sich verstehen. dan zu jener Zeit, als
Einst Curtius zum Erzieher des nachherigen Kaisers Friedrich
in Aussicht genommen war, manche Kreise, zumal die höfischen,
an dieser Wahl deshalb glaubten Anstoß nehmen zu sollen,
weil Ernst Curtius ein geborener Republikaner war. Indes
die treue Anhänglichkeit und die aufrichtige Verehrung, die
Curtius bis an das Ende seiner Tage dem Hohenzollernhause
bewahrt hat, und die andererseits von dem hochseligen Kaiser
Wilhelm, der Kaiserin Augusta und ganz besonders vom Kaiser
Friedrich und seiner erlauchten Schwester, der verwitweten
Frau Großherzogin Louise von Baden denm großen Gelehrten
gegenüber im reichsten Maßze erwidert worden ist, legen be—
tedtes Zeugnis dafür ab, daß Curtius“ damalige Wahl eine
durchaus glückliche und richtige gewesen ist. Auch in den
Kreisen, die ihm anfänglich nicht günstig gesinnt waren, hat
Turtius schließlich volle Anerkennung gefunden, da es ihm
Jelungen ist, im richtigen Verständnis für preußisches Wesen
und preußische Eigenart die Erziehung seines prinzlichen Zög⸗
lings zu leiten.
Ungefähr um die Zeit, als Ernst Curtius in die verant—
wortungsvolle Steflung berufen wurde, beginnen die freund⸗
schaftlichen Beziehungen zwischen ihm und Kurd Schlözer einen
intimeren Charakter anzunehmen, zumal beide auch durch die
Heirat von Curtius' alterem Bruder Theodor in Lübeck mit
Schlözers Schwester Cecilie in ein nahes verwandtischaftliches
Verhaͤltnis getreten waren. Der Freundschaftsbund dieser beiden
ervoꝛragenden Miänner hat ane run erfahren; die
Empfindungen, die Schlözer für seinen Freund von Anfang an
geheat hat. ind immer nleit hecng⸗ geblieben, wenn auch
Raum und Beruf bene n Laufe der Jahre in denen
Slozer bel alier dieb⸗ heimischen Boden fein Schiff
luhn in die Ferne hat gleiten lassen, Außerlich mehr und
mehr von etnander getremt haben mogen. Kam Schlozer
Wer aus Amerika oder vom italienischen Boden im Sommer
auf Urlaub nach Berlin, so war sein erster Gang in die
Matthäikirchstr. 4 zu seinem alten Freunde Curlius, dem er
o viel verdankte. Letzterer hat mir häufig, noch kurz vor
seinem eigenen Ende, gestanden, wie ihn diese Anhänglichkeil
don Schlözer stets tief gerührt habe. Geradezu ergreifend
st der Inhalt des Briefes, den Schlözer nach bestandenem
Doktorexamen 1845 von Lübeck aus an Ernst Curtius richtete,
lIus dem nachfolgende Zeilen hier Erwähnung verdienen, schon
um deswillen, weil sie uns beweisen, mit welcher Liebe und
derzlichkeit Schlözer an dem bewährten Freunde hing.
„Ich lann es nicht unterlassen, Dir schriftlich auszusprechen,
vie mich der Umgang mit Dir beglüct, wie er mir ein
Spoin zu allem Guten und Tüchtigen geworden ist. Noch nie
jabe ich mich um die Freundschaft eines Menschen so sehr
zeworben, wie um die Deine, und noch nie habe ich mich
'o vertrauensvoll won jemandem leiten lassen, wie von Dir.
Mögen wir beide, wenn auch getrennt, doch immer in der⸗
elben Innigkeit miteinander fortleben, wie es diese schöne
Zeit in Berlin hindurch geschah.“
Schlözers Vater, der russische Generalkonsulk in Lübeck, war
auch über diesen Freundschaftsbund hochbeglückt., und zwar
‚auptsächlich deshalb, weil er in Ernst Curtius einen sparsamen
Menschen kennen gelernt hatte. Während sein Kürdchen mehr
ils 800 Taler jährlich verbrauchte, lebte Ernst Curtius als
Professor in Berlin von 600 Talern! Nach bestandenem Examen
erhielt Schlözer von seinem Vater die Erlaubnis zu einer
ängeten Studienreise nach Paris. Ernst Curtius gab ihm
Empfehlungen an dortige Gelehrte und Bekannte mit, immer
nn dem festen Glauben, daß Schlözer die Gelehrtenlaufbahn
inschlagen würde, was auch seines Vaters sehnlichster Wunsch
var. Curtius verfolgte Schlözers Leben und Treiben in Paris
nit besonderem Interesse und bat ihn wiederholt um Nach⸗
icht. „Laß mich an Deinem Leben in Paris teilnehmen“ —
chreibt er —, „laß es recht ersprieklich für Dich werden, hast
du etst das Ganze auf Dich wirlen lassen — Du weißt, wie
ch allseitige Empfänglichkeit ehre —, so suche Dir Dein Fach
us, denn aus einer bestimmten gründlichen Richtung ent—
pringt doch erst eine dauernde Zufriedenheit.“ Trotz der
viederholten Ermahnungen war Curtius um so erstaunter,
ils Schlözer, der noch in Paris eine kleine Arbeit „Loes
»remiers habitants de la Russie“ veröoffentlicht hatte, nach
Berlin zurückkehrte, ohne etwas Bestimmtes ins Auge gefaßl
u haben. Curtius war es nicht entgangen. doß Schlözer
in einer gewissen Unentschlossenheit krantte. Dtie Wahl eines
rigentlichen Lebensberufes machte ihm viel Kopfzerbrechen. ohne
daß er sich darüber zu Dritten, nicht einmal seinem Freunde
Turtius gegenüber, äußerte. Schlözer widmete sich zunächst
vieder der Schriftstellerei; 1847 erschlten seine Arbeit: „Ruß
ands alteste Beziehungen zu Skandinavien und Konstanth
nopel“; auch beschäͤftiate er sich dier und eingehend mit de
4
volitik und den Tagesfragen, ohne sich aber, wiewohl i hm
besonders von Ernst und Georg Curtius dazu geraten wurde.
dirett durch Schrift und Wort an den politischen Kämpfen,
den Vorläufern des Revolutionsjahres 1848, teilzunehmen. Viel—
leicht war es für Schlözer kein Glück, daß ihm sein Vater
immer das nötige Kleingeld sandte. Dazu kam, daß sein
iebenswürdiges, stets gleichmäßiges heiteres Wesen, sein
Streben, anderen gefällig zu sein — was Ernst Curtius nicht
genug rühmen konnte —, ihm den Zutritt zu vielen maß—
gebenden Kreisen und Persönlichkeiten in Berlin sehr er—
leichterte.
Dab Curtius seinen Freund in Babelsberg einzuführen
in der Lage war, wo Schlözer nicht allein das Herz des
Prinzen Friedrich Wilhelm gewonnen, sondern auch die Gunst
der Prinzessin Augusta sich erobert hatte, war ein Ereignis,
das für ihn von weittragendster Bedeutung slein sollte, was
auch Schlözer wohl von vornherein erkannt und durchschaut
haben wird. Am 1. September 1848 schrieb er an Curtius
von Frankfurt a. M. aus, wohin er sich mit Genehmigung
seines Vaters für einige Zeit begeben hatte: „Zu spät! Ich
glaubte, den alten Luis Philipp hat dieses Schreckenswort auf
einer Ueberfahrt nach England nicht ärger gequält, als es mich
den ganzen Tag niedergedrückt hat. Morgen ist der Geburts
tag meines geliebten Schwagers, und vor Montag wird dieser
Brief, der Dir meine herzlichsten Glückwünsche bringen solk,
nicht in Deine Hände kommen. Und doch, mein teurer Freund,
wieviel habe ich in dieser ganzen Zeit Deiner, wie unend—
lich viel der unvergleichlichen Frau Prinzessin gedacht, die,
wioe nun auch immer die Verhältnisse sich gestalten mögen,
doch noch einmal als Kaiserin unseres großen schönen Deutsch⸗
lands ihren feierlichen Einzug durch das Allerheiligentor
halten muß.“ —,Die Preußischen Trurpen entzücken hier alle
Welt, sie gelten als die feinsten Gebildetsten und zeichnen
sich durch ihre adrette Haltung und Uniform vor den Bayern
und Oesterreichern sehr vorteilhaft aus. Sie helfen hier
wie in Holstein ihren Philistern bei ihren häuslichen Arbeiten
und bei der Kinderpflege, was natürlich auf die Hausfrauen,
wie auf das ganze dienende weibliche Gefchlecht einen sehr
auten Eindrud macht. Vor 14 Tagen hießen sie noch die
„Mißliebigen“ und jetzt „reißt“ man sich darum „Preißen“
ins Quartier zu bekommen.“ — „Ueber die Berliner Er—
eignifse vergißt man übrigens fast die hiesigen. Man ist
ungemein gespannt auf die weiteren Schritte des Ministerium
Pfuel. Wenn des Abends ein Mitgliet der preußischen Ge⸗
sandtschaft im englischen Hof erscheint, so sind die fragenden
Blicke aller auf dasselbe gerichtet. Dort wünschte ich Dich wohl
einmal bei mir zu haben, um mit Dir beim Schoppen nach
alter Weise die Weltereignisse zu besprechen und an vns die
Motabilitaͤten des Reichstager vorbeipassieren zu lafssen.“
¶Schluß folat.)