Full text: Lübeckische Anzeigen 1911 (1911)

tages, in der Voss. Z3tg. eine Lanze zu seinem Gunsten. Er 
chreibt u. a.: 
„Da aller Kulturfortschritt die Aufnahme und innerliche 
Verabeitung vorhergegangener Kultur zur Voraussetzung hat, 
väre es ein bedauerlicher Rückschritt, wenn unseren 
— 
hellenischen Geistesarbeit entzogen würde, der 
höchsten, die das Altertum geschaffen hat. Dem humanistischen 
sßymnasium wäre damit die Seele ausgeblasen. Denn es hätte 
dann aufgehört, Stätte klassisher Bildung zu sein. Eine 
rebende Sprache als Ersatz für das Griechische 
in den Lehrplan einzustellen, würde nicht zur Vertiefung, 
'ondern zur Verflachung des Unterrichtsführen. 
Die Uebung im Gebrauch einer lebenden Sprache hat ja für 
die Turchbildung der Persönlichkeit verhältnismäßig geringen 
Wert. 
Die Zuführung neuen Lehrstoffs halte ich für bedenklich. 
zm ollgemeinen wird bereits zu vielerlei gelehrt. Wer in 
der Jugend auch nur ein Fach gründlich gelernt hat, ist den 
Ansorderungen des künftigen Berufes in aller Regel besser 
zewachsen als derjenige, der eine vielseitige, aber oberfläch- 
iche Bildung genossen hat. Unbegründet ist sodann der 
Vormurf, daß das humanistische Gymnasium seinen Anlagen 
dach zur Weltfremdheit erziehe. Er wird widerlegt durch die 
dielsach bezeugte Wahrnehmung, daß der humanistisch Gebildete 
tich in praklischer Betätigung gewöhnlich zur Ueberlegenheit 
iber denjenigen emporarbeitet, der bei gleicher Begabung 
nur in Realschulfächern geschult worden ist. 
Wenn ich nun auch dem humanistischen Gymnasium das 
Wort rede, so will ich selbstyerständlich die Sünden nicht 
derteidigen, die etwa einseitig grammätikalischer Betrieb der 
lafsischen Sprachen in abschreckender Geistlosigkeit begangen 
naben sollte.“ 
eueste Nachrichten und Telegramme. 
Die Nordlandreise des Kaisers. 
W. Berlin, 6. Juli. Ein vormittags aus Norddeich ein— 
jsegangenesTelegramm besagt: DieFahrt der „Hohenzollern“ von 
ziel war in bezug auf Temperatur und Wetter höchst angenehm. 
Nur an der Südwestecke Norwegens trat mehrfacher Nebel ein, 
der eine Verspätung von mehreren Stunden zur Folge hatte. Die 
nkunft in Stavanger wird ungefähr nachmittags zwischen 2 
uind 3 Uhr erfolgen. An Bord ist alles wohl. 
Wt. Stavanger, 6. Juli. Der Kaiser ist bei schönstem 
Wetter um 2 Uhr nachmittags eingetroffen. 
Die Marollofrage. 
Wt. London, 6. Juli. Unterhaus. Mason wieder— 
jolte seine vorgestrige Anfrage betreffend die Pflicht des Gene— 
ralinspekteurs, an das diplomatische Korps zu berichten, und 
das Beschwerderecht, Artilel 8 und 9 der Algecirasakte, und 
fragte, ob Deutschland irgend eine derartige Bescherde erhob. 
Hrey erwiderte, er habe nicht gehört, daß eine solche Beschwerde 
erhoben sei. Mason fragte weiter: Wenn keine Beschwerde 
erhoben ist, welche Rechtfertigung gibt es dann für Deutschlands 
Vorgehen in Marokko? Sir Edward Grey erwiderte: Die 
Janze Frage ist viel zu ernst, um sie hier in Frage und Antwort 
zu behandeln und auf besondere Punkte zu antworten, die sich 
zus den Antworten ergeben. 
Premierminister Asquith erklärte folgendes über die 
Marokkofrage: Die kürzlichen Ereignisse veranlaßten eine Dis— 
ussion zwischen Marokko und den meistinteressierten Mäch— 
en. Ich kann in diesem Stadium nur wenig über die Verhand⸗ 
ungen sagen, die zwischen ihnen stattfinden. Ich wünsche, daß 
klar verstanden werde, daß die britische Regierung der Ansicht 
ei, in Marokko sei eine neue Situation entstanden, wo es möglich 
ist, daß künftige Entwicklungen die britischen Interessen direkter 
berühren, als es bisher der Fall gewesen. Wir haben das Ver— 
rauen, daß die diplomatische Diskussion ihre Lösung finden 
vird. In dem Anteil, den wir an ihr nehmen, werden wir ge— 
bührende Rücksicht nehmen auf den Schutz jener Interessen 
und auf die Erfüllung unserer Vertragsverhandlungen gegen— 
er Frankreich, die dem Hause wohl bekannt sind. (Lauter 
Beifall.) 
Mt. Paris, 6. Juli. Anläßlich der Entsendung des Kreu—⸗ 
zers „Berlin“ nach Agadir bespricht der Temps die seit 1909 
geführten Verhandlungen über verschiedene deutsch-französische 
Unternehmungen und Projekte in Marokko und den afrikanischen 
Kolonien. Ferner wird auf die Verhandlungen über den Bau 
der Kamerun-Kongobahn hingewiesen, die von Kamerun nach 
Französisch-Kongo führen, unmöglich nach dem belgischen Kongo— 
taate verlängert werden sollte. Obgleich bereits die Gründung 
einer mit den Vorarbeiten zu betrauenden Gesellschaft geplant 
und eine Kilometergarantie seitens der französischen und der 
deutschen Regierung ins Auge gefaßt war, gerieten die Verhand⸗ 
ungen, die im April 1911 angeknüpft wurden, im Juni ins 
Stocken. Ebenso sind die über die deutsche Beteiligung an 
den marokkanischen Bahnbauten geführten Verhandlungen seit 
dem Rücktritt des Kabinetts Briand ins Stocken geraten. 
Dder Temps bemerkt weiter: Die Verhandlungen zeigten, daß 
ruf beiden Seiten der gleiche Wunsch nach Verständigung be— 
tand. Leider haben innerpolitische Streitigkeiten Frankreichs 
nternationale Angelegenheiten in bedauerlicher Weise beeinflußt. 
Wie dem aber auch sei, Frankreich und Deutschland könnten un— 
schwer in Besprechungen eintreten. Sie brauchten zu diesem 
Zweche nur die seit langem begonnenen Verhandlungen mit 
artßerem Eifer wieder aufzunehmen. 
Wt. London, 6. Juli. Wie Daily Mail aus Tanger aus 
guter Quelle erfährt, befinden sich mehrere Deutsche im Sus— 
distriltt, darunter von der Firma Mannesmann angestellte 
Mineningenieure und andere, die nach Handelsgelegenheiten 
suchen. Die Eingeborenen verhalten sich sehr freundlich den 
Deutschen gegenüber, die ungeheure Vorräte an Lebensmitteln 
nitbrachten und dadurch den Ausbruch einer Hungersnot vor⸗— 
veugen. Die Deutschen lieferten auch Saataut zur Belstellung 
der Felder. 
Die poriugissischen Monarchisten. 
W. Paris, 6. Juli. In hiesigen, der Regierung nahe— 
tehenden Kreisen mißt man der Nachricht von dem Ausbruch 
einer monarchistischen Gegenrevolution in Portugal vor der 
Zand keinen großen Glauben bei, da derartige Gerüchte während 
der letzten Monate schon mehrfach aufgetaucht sind. Immerhin 
»erhehlt man sich nicht, daß die Lage der Republifk 
Portugalernst ist. 
W. London, 6. Juli. Mehreren Blättern wird im Zusam— 
nenhang mit den Meldungen über Straßenunruhen in Lissa— 
don gemeldet: Die portugie ische Regierung hat die Nachricht 
erhalten, daß die Mosnnarchistenführeraus Brasilien 
2u2 Millionen Frs. zur Unterstützung der Sache 
der Königstreuen erhalten haben. Der Telegraphenverkehr 
wird aufs strenaste überwacht. 
Wt. Lissabon, 6. Juli. Die Nachricht der englischen Blätter, 
„ie Marinesoldaten der löniglichen Kaserne hätten einen be— 
vaffneten Aufstand versucht, ist vollkommen unrichtig. In 
bortugal herrscht Ordnung. 
Wt. Berlin, 6. Juli. Die hiesige portugiesische Gesandt⸗ 
chaft erhielt vom portugiesischen Minister des Aeußern fol⸗ 
zende Depesche: Die Nachricht von einer Meuterei in der Marine 
ntbehrt jeder Begründung. Die militärische Disziplin ist voll— 
ommen. Die zu den Fahnen einberufenen Reservisten sind 
voller Begeisterung. Im ganzen Lande herrscht Ruhe. 
(gez.) Bernardino Machado. 
Vorlage über die Annexion Bosnliens. 
W. Budapest, 6. Juli. Der Ministerpräsident unterbrei— 
lete dem Abgeordnetenhause eine Vorlage über die 
Annexion Bosniens und der Berzegowina, der Finanz⸗ 
ninister eine Vorlage betreffend die Einführung des Saccharin— 
nonopols. 
Krilische Lage in Persien. 
W. Petersburg, 6. Juli. Die kritische Lage in Persien 
uft hier große Beunruhigung hervor. Die dortigen russi— 
hen diplomatischen Vertreter berichten von Ruhestiörungen in 
aͤmtlichen Provinzen. Ueberall soll Unordnung herrschen; die 
zentralgewalt werde nicht anerkannt. Die Gerüchte von der 
ẽntsendung neuer russischer Truppen nach Persien sind jedoch 
erfrüht. 
Erfolgreicher Versuch mit dem ersten Fernlenk-Voot. 
W. Wanmmsee, 6. Juli. Einem zahlreichen, von der Präsi— 
dial-Geschäftsstelle des Deutschen Flottenvereins geladenen Pu— 
„likum, in dem Militär und Marine stark überwogen, wurde 
ruuf dem Wannsee das besatzungslose Fernlenk-Boot 
»es Lehrers Christian Wirth-Nürnberg vorgeführt. 
tachdem das Boot weit in den See hinausgeschleppt worden 
var und man sich davon überzeugt hatte, daß niemand darauf 
urückgeblieben, gelang es dem persönlich anwesenden Erfinder 
ehr bald, die funkentelegraphische Verbindung in vollkommener 
Veise herzustellen. Das Boot folgte den Befehlen des Sende— 
ipparats auf den erhöhten Terrassen am Seeufer, die auch 
)»en Zuschauern als Beobachtungsstation dienten, mit Sicherheit. 
Ddas Boot führte mehrere seemännische Manöver aus. Die 
studer legten sich bacbord und steuerbord; das Schiff hielt die 
erade Fahrtrichtung ein und wand sich sicher auch in scharfen 
urven zwischen den anderen Booten hindurch. 
Streikausschreitungen in Amsterdam. 
W. Amsterdam, 6. Juli. Als sich vergangene Nacht ein 
30otsmann in Begleitung von Schutzmannschaft zur Arbeit 
ꝛegab, kam es zu schweren Ausschreitungen im Hafen-— 
iertel. Ausständige bewarfen die Schutzleute mit Stei— 
en, so daß ihnen Infanterie und Schutzmannschaft zu Pferde zu 
zilfe eilen mußten. Die Truppen jseuerten auf die Menge, 
yobei dret Personen verwundet wurden. Als Kavallerie ein— 
raf, erwiderten die Ausständigen die Schüsse und verwundeten 
inen Schutzmann. Die Laternen wurden ausgedreht, selbst 
ius den Häusern wurde geschossen. Gegen 5 Uhr morgens 
örte das Schießen auf. Im ganzen gab es acht Verwundete. 
)rei Personen sind verhaftet worden. Die Truppen, die 
herren der Lage sind, bewachen in starken Abteilungen die 
Straßen. 
Wet. Brüsfsel, 6. Juli. Der Ausstand im Hafen von Ant— 
werpen ist beendet. Die Vereinigung der Reeder, einschließlich 
der Red Star Line, nahmen die Bedingungen der Seeleute, 
oie künftige Lohnzahlung nach der Hamburger Lohnskala, an. 
Zur Entführung Richters. 
Wt. Saloniki, 6. Juli. Generalstabsmajor Servel Bei 
zegab sich von Korana ins Olympgebiet, um die Leitung 
der militärischen Operationen bei der Verfolgung der Ent— 
führer des Richter zu übernehmen. Zurzeit sind an 1000 
Fußsoldaten, Gendarmen und 100 Reiter in der Olympgegend 
»erwendet, um die Spur der Räuber ausfindig zu machen. 
Man geht gleichzeitig nach den Richtungen von Kokinople, 
Livadia und Serfia. 
Vrinz⸗ Heinrich⸗ Fahrt. 
W. Köln, 6. Juli. Die Abfahrt für die zweite Tages— 
trecke der Prinz-Heinrich-Fahrt, Köln— Münster, begann bei 
rächtigem Wetter heute vormittag 7 Uhr 40 Min. Es star— 
eten 64 Wagen, als erster der des Prinzen Heinrich, als letzter 
im 9 Uhr 36 Min. der der Oberleitung. Gestern waren 64 
Vagen am Ziel angekommen. 
Wt. Münster (Westfalen), 6. Juli. Die Wagen der Prinz⸗ 
Zeinrich-Fahrt sind, von Nordkirchen kommend, wo der Herzog 
»on Arenberg heute mittag zu Ehren der Teilnehmer an der 
Fahrt ein Volksfest veranstaltete. zwischen 3Z und 5 Uhr hier 
ingetroffen. 
Luftfahrt. 
W. München, 6. Juli. Die vom Bayrischen Automobil—⸗ 
lub, dem Protektor des Wettbewerbs um den Kathreiner⸗ 
ßreis, ernannte Sportkommission erkannte gestern dem Ober— 
ngenieur Helmuth Hirth für seinen Flug München —Nürn⸗ 
zerg —Leipzig — Berlin den Kathreiner-Preis von 50 000 Mizu. 
W. Calais, 6. Juli. Westeuropäischer Rundflug. 
Die acht in Dover aufgestiegenen Flieger sind bier zwischen 
zund 524 Uhr gelandet. 
Die Newnorker Hitzwelle nimmt ab. 
W. Newyork, 6. Juli. Das nationale Wetterbureau— 
neldet: Die Hitzwelle ist im Abnehmen begriffen und stellt eine 
liedrigere Temreratur für Freitag in Aussicht. Aus Chikago 
zurden gestern 37, aus Newyork-Stadt 36, Philadelphia 29, 
zoston 18 und New England 57 Todesfälle an Hitzschlag ge— 
neldet, ferner hunderte von Todesfällen infolge der Hitze. Der 
Saatenstand ist durch die Hitze schwer geschädigt 
W. Berlin, 6. Juli. Die Reichsbank setzte heute den Dis⸗ 
'ont von 452 à 5 auf 4d2à 432 90 herab. 
Wit. Augsburg, 6. Juli. Wie die Augsb. Abendztg. mit— 
eilt, sind Geh. Kommerzienrat Semmlinger, Direktor der 
zpinnerei Bamberg, und Geh. Baurat v. Rieppel, Direktor der 
Maschinenfabrik Augsburg-Nürnberg, aus dem Hansa— 
»und ausgetreten. 
Wit. Amsterdam, 6. Juli. Bei dem Frühstück an Bord 
des „Edgar Quinet“, an dem die Königin, die Königin-Mutter 
und Prinz Heinrich der Niederlande teilnahmen, trank Präsident 
ralliéres auf die Gesundheit der königlichen Familie und 
»as Gedeihen Hollands. Die Königin trank auf die Gesund⸗ 
jeit des Präsidenten Falliöces und das Wohl Frankreichs. 
Fallieres nahm an Bord des „Jacob Heemskard“ Ab'chied 
yon der königlichen Familie. — 
W. Petersburg, 6. Juli. Großfürstin Alexandra Jo— 
erkowna, geborene Prinzessin von Sachsen-Altenburg, die 
Witwe des Großfürsten Constantin Nilolajewitsch, ist heute früß— 
estonrben.“ — 
Wt. Newyork, 6. Juli. Die Regierung stellte in vier 
Fällen beim Gericht den Antrag, eingeführte Messerschmiede— 
varen im Werte von 34555 000 Dollars als dem Staate 
verfallen zu erklären. 
W. Berlin, 6. Juli. Zu der Meldung, daß die berühmte 
Mühle von Rembrandt eine Fälschung sei, erklärte Geheimrat 
Bode, der Generaldirektor der königlichen Museen, daß nach 
einem Dafürhalten die Echtheit der Mühle über jeden Zweifel! 
thaben sei. 
W. Berlin, 6. Juli. Vor dem Amätsgericht begann die 
ßerhandlung in 183 Prozessen; die der Verleger der Wahr⸗ 
zeit, Bruhn, gegen die Redakteure hiesiger und 
rzuswärtiger Zeitungen wegen Beleidigung ange— 
lrengt hat. 
Wt. Stettin, 6. Juli. Die von ihrem Mann getrennt 
ebende Formersfrau Neubauer in der Sophienstraße, Vorstadt 
zredow, wohnhaft, wurde heute früh von ihrem zurückkehrenden 
Mann durch einen Messerstich in den Rücken getötet. Ein 
jerbeigerufener Schutzmann hatte mit dem Mörder einen hef— 
igen Kampf zu bestehen; er wurde schwer verletzt. Es gelang 
ihm jedoch, den Täter festzunehmen. 
Dresden, 6. Juli. Der Fabrikbesitzer Kommerzienrat Otto 
Jedicke hat der Stadt Dresden 250 000 Mä zu wohltätigen 
Zwecken hinterlassen. 
Weinberge (Böhmen), 6. Juli. Eine furchtbate Ehe⸗ 
ragödie hat sich hier abgespielt. Der Buchbinder Lukas 
erschoß auf offener Straße seine Frau, einen Mann und eine 
andere Frau. 
Kaiserslautern,. 6. Juli. Der 49jährige Fuhrknecht Hof— 
nann ver giftete hier heute früh seine 46jährige Ehefrau 
und seine 13 Jahre alte Tochter mit Gas. Er machte dann 
elbst einen Vergiftungsversuch, konnte aber wieder ins Leben 
urückgerufen werden. 
Nüruberg, 6. Juli. Seit dem 19. Juni wird der Land- 
zerichtsdirektor a. D. Frhr. v. Hars dorf aus Nürnberg ver— 
mißt, der in Bad Kissingen Kuraufenthalt genommen hatte. 
Auf seine Ermittlung haben seine Angehörigen eine Belohnung 
non 500 Maausgesetzt. 
Heilbronn, 6. Juli. Der Lolomotivheizer Schluchter, der 
im 24. April von den Geschworenen wegen Ermordung seiner 
Frau zum Tode verurteilt wurde, ist zu JLebenslänglicher 
Zuchthausstrafe begnadigt worden. 
Innsbruck, 6. Juli. In der Ortschaft Sora wurden 22 
zäuser ein Raub der Flammen. Viele ECinwohner sind 
»bdachlos. Der Schaden wird ouf mehr als 100000 Mge⸗— 
chätzt. Der Brand soll durch Kinder, die mit Zündhölzchen 
pielten. entstanden Jein. 
Paris, 6. Juli. Bei der Belforter Filiale der Allgemeinen 
dreditbank für Industrie sin Unterschlagungen in Höhe 
son 410 000 Frs. aufgedeckt worden. Der Direktor Menace 
ind der Leiter der Belforter Filiale, Bigey, werfen sich gegen— 
eitiz die Schuld vor. Der Fall erregt in Börsenkreisen großes 
Aufsehen. 
Paris, 6. Juli. In der vergangenen Nacht wurden auf 
der Nordbahn-Linie beim Bahnhof Nesle zwischen Amiens und 
Tergnier die Drähte einer Signalscheibe zerschnit— 
ten und die Scheibe auf freie Fahrt gestellt. Der Sabotage— 
akt wurde erst bemerkt, als der Zug aus Amiens eintreffen 
ollte. 
W. Vetersburg, 6. Juli. Die Villa der Familie 
Ludwig Nobel bei Wiborg ist niedergebrannt. Die 
lQsjäthrige Tochter und der 7jährige Sohn sind verbrannt. Die 
houvernante wurde vor Schreck wahnsinnig. Herr Nobel be— 
fand sich in Petersburg. Sämtliche Familienmitglieder schliefen« 
Us das Feuer ausbrach. 
heer und Slotte. 
WV'. Berlin, 6. Juli. Angekommen: Reichspostdampfer „Ad- 
mital“ mit der von „Seeadler“ abgelösten Besatzung am 4. Juli 
in Neapel, „Tsingtau“ am 4. Juli in Hongkong, „Luchs“ am 
b. Juli in Kobe (Japan). In See gegangen: „Hohenzollern“ 
und „Kolberg“ am 5. Juli von Kiel, „München“ am 3. Juli 
yon Kiel nach Christiania und am 4. Juli dort eingetroffen, 
„Köln“ am 5. Juli von Kiel nach Neufahrwasser, „Grille“ 
am 4. Juli von Husum am 6. Juli in Wilhelmshaven einge— 
troffen. Postregelung für „Pelikan“ nom 12. his 22. Juli 
dutch das — Rerlin. 
der deutsche Rundflug 1911. 
Die Schauflüge in Nordhausen. 
Nordhausen, 6. Juli. 
Die lokalen Wettbewerbe in Nordhausen wurden gestern 
vom Wetter außerordentlich begünstigt. Es war während des 
gaßzen Nachmittags fast windstill; nur in den ersten Stunden 
machten sich leichte Sonnenbösen bemerkbar, die aber den Fliegern 
nur wenig Beschwerden verursachten. Es wurde dem äußerst zahl⸗ 
leichen Publikum, das auf 20000 Personen geschätzt wurde, 
ehr guter Sport geboten. Fast alie Flieger, die für die Wett⸗ 
bewerbe gemeldet haben, waren am Start erschienen. Die größte 
Hesamtflugzeit erreichte der Pilot der Luftverkehrsgesellschaft 
Felit Laitsscch auf Albatroszweidecker, der mit Passagier ins- 
Jesamt 63 Minuten flog. Laitsch sowohl wie Büchner, der 
n diei Flügen, davon zwei mit Passagier, insgesamt 52 Min. 
nder Luft weilte, machten Ueberlandflüge nach dem Gebirge, 
ie als Training für den Ueberharzflug angesehen werden können. 
die größte Höhe des Tages erreichte der Etrich-Rumpler-Pilot 
Zollmöller, der bei einem 22 Minuten währenden Fluge 
ine Höhe von 1110 Metern erreichte. Die Gradepiloten 
doelle, Roever und Schwandt sowie Heidenreich 
ind Schulze mit Eindeckeern eigener Konstrultion führten gleich— 
alis längere Flüge aus. Kurz ror Dunkelwerden dam Emil 
zeannin mit seinem neuen Ariatik-Eindecker guf die Bahn 
ind vollführle zwei glänzende Flüge. Die Schnelligkeit und 
zicherheil der Maschine erregte allgemeine Bewunderung. Jean— 
tin landete beide Male vollkommen glatt. 
Bisberige Resultate der Flüge in 
Nordhausen. 
Bei den örtlichen Wettbewerben am 3. und 4. Juli gewannen 
ie Flieger folgende Preise: Roever (Grade-Eindeder) 1256,82 
Rart, Noelle (Grade-Eindecker) 1182,82 M, Heidenreich (eig. 
Konstr.) 968,65 M, Laitsch (Albatcos⸗-Doppeldecker) 494,00 M, 
decomte (Abiatik-Doppeldecker) 440,20 M, Jeannin (Aviatik⸗ 
Doppeldecker) 47,75 M. 
W. Kassel, 6. Juli. Dr. Wittenstein verzichtete auf die 
veitere Beteiliaung am Rundflug, da es ihm unmöglich ist, den 
weiten Kieler Apparat bis zum Start in Balberstadt fertig 
u machen.
	        
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