Full text: Lübeckische Anzeigen 1911 (1911)

den Ueberlieferungen der diplomatischen Höilichkeit, daß die 
ersönlichkeit des künftigen Botschafters in Tokio erst dann 
nte:ch bekannt gegeben wird, wenn Baron Mumm nach Berlin 
emeidet haben wird, daß er das Agrément erwirkt hat. — 
Im Abrigen glauben wir keine Indiskretion zu begehen, so fügt 
ie RG. C. dieser Meldung hinzu, wenn wir bestätigen, daß 
er Nachfolger des Barons Mumm in der Tat unter den 
urzeit im fernen Osten vätigen Diplomaten zu suchen ist⸗ 
Der Ausschuß des „Reichsverbandes gegen die Sozialdemo⸗ 
kratie“ hielt in Berlin unter außerordentlich starker Beteiligung 
der Ortsgruppenvertreter aus allen Teilen des Deutschen Reiches 
ine Verfammlung ab, die kaft doppelt so stark besucht war, 
wie in früheren Jahren. Der wichtigste Gegenstand der Tagesa 
»rdnung betraf das Verhalten und die Taktik des Reichsvera 
andes bei den nächsten Reichstaaswahlen. Nach den 
Referaten der Reichstagsabgeordneten Generalleutnant z. D 
»on Liebert-Berlin und LVandgerichtsrat Hagemann« 
krfurt und nach gründlicher Aussprache wurde ein sstim mig 
oigende Entschließung gefaht: „Die AUneinigkeit der staatser⸗ 
allenden Parteien und die daraus entspringende politische Ver⸗ 
iterung im deutschen Bürgertum erschwert dem Reichsberband 
Jegen die Sozialdemokratie die Erfüllung seiner im 81 seiner 
Satzungen festgelegten Aufgabe, alle treu zu Kaiser und Reich 
tehenden Deutschen ohne Unterschied ihrer religiösen und poli— 
tischen Stellung zum Kampfe gegen die Sozialdemokratie zu 
inigen. Die sozialdemokratische Gefahr aber wächst zusehends: 
die von Haß gegen die Monarchie und ihre Träger erfüllten 
Aeußerungen auf dem sozialdemokratischen Parteitage in Magdea 
zurg, die von Ledebour von der Tribüne des Reichstags aus er⸗ 
sobene Forderung der Republik, die Gewalttaten einer aufge⸗ 
etzten Bevölkerung in Moabit und am Wedding haben im vera 
flossenen Jahre den antimonarchischen und revolutionären Cha-— 
ralter der Sozialdemokratie aller Welt enthüllt. Diese zu⸗ 
iehmende Erfüllung der Massen mit aufrührerischem Geiste 
zedroht den Bestand des deutschen Reiches und die Zukunft des 
deutschen Volkes. Der Reichsverband gegen die Sozialdemo— 
ratie hält es daher für seine Pflicht, getreu seinem Programm 
iach wie vor gegen die auf den Umsturz der bestehen den Staots- 
ind Gesellschaftsordnung gerichtete Tätigkeit der Sozialdemo⸗ 
ratie anzuknüpfen. In Ausübung dieser Pflicht wird er auch 
zei den kommenden allgemeinen Reichssstagswahlen, trotz der 
zersplitterung der bürgerlichen Parteien, eine nachhaltige und 
infassende Wahlarbeit leisten. Er hofft dabei, daß gemein— 
ames Wirken an der gleichen Aufgabe, das Bewußtsein von 
der festen Geschlossenheit des gemeinsamen Gegners und die 
Erkenntnis, daß ein sozialdemokratischer Sieg unser Vaterland 
)en schwersten Erschütterungen aussetzen würder die heute noch 
zjadernden Brüder wieder zusammenführen wird zu einträch⸗ 
tiger nationaler Tat. Diesem Ziele, aufs innigste zu wünschen, 
wird der Reichsverband wie 1907 mit allen Kräften zustreben. 
fr wird also 1. schon bei der Hauptwahl dieienigen aufs tat— 
rastigste unterstützen, die als einzige bürgerliche Kandidaten 
er Soztialdemokratie gegenüberstehen; 2. ebenfalls schon in 
der Hauptwahl denjenigen Kandidaten seine Unterstützung ge— 
währen. die bereit sind, sich zu verpflichten, ihre Wähler in einer 
inzweideutigen Erklärung zur Wahl des in der Stichwahl ver⸗ 
zdleibenden bürgerlichen Kandidaten aufzufordern; 3. in der 
Ztichwahi zwischen einem bürgerlichen Kandidaten und Sozial-⸗ 
demokraten jenem Wahlhilfe leisten. Sollte eine bürger—⸗ 
iche Partei ein offizielles Wahlhündnis mit der Sozialdemo— 
ratie eingehen, dann wird der Reichsverband 4. den Kandi⸗ 
zaten einer solchen Partei in dem betr. Wahlkreise ebenso be— 
rämpfen wie einen Sozialdemokraten. Der Reichsverband wird 
endlich 35. in geeigneter Weise und in entsprechenden Kund⸗ 
zungen allen vaterländisch gesinnten Wählern ans Herz legen. 
ie Varteiinteressen nicht über das Vaterland zu stellen und der 
Berärgerung nicht durch Wahlenthaltung Ausdrudck zu geben, 
sondern Mann für Mann für die bürgerlichen Kandidaten zu 
fimmen in der Erkenntnis, daßz von dem Ausfall der Wahlen 
hauptsächlich die Entscheidung abhängt über das Glück und 
Wohlergehen unseres Vaterlandes“. 
—A 
rudsachen herausgegebenen und in den letzten Jahren reich 
nit Bildern ausgestatteten amtlichen Denkschriften über die 
Entwickelung der Schutzgebiete in Afrika und der Südsee werden, 
wie die N. G. C. meldet, von diesem Jahre ab in der bisherigen 
Weise nicht mehr erscheinen. Die Herausgabe ist der Verlags⸗ 
zuchhandiung von Mittler u. Sohn übertragen worden. Eine 
testenfreie Verteilung an MReichztag, Behörden und Presse er⸗ 
olgt aus Sparsamkeitsrücksichten nicht mehr. Ueberhaupt wird 
ie kostenfreie Ausgabe von amtlichen Denkschriften eingeschränkt 
verden, da auch der Reichstag das Zuviel in dieser Hinsicht 
erügt haf. 
Neueste Nachrichten und Telegramme. 
W. Berliu, 18. Jan. Bei dem Fest des Schwarzen 
Adlerordens im Schlosse wurden der Reichskanzler 
ind General von Deines investiert. Der Kaiser als 
Irdensgroßmeister hing den vor dem Throne Knieenden die 
Irdenskette um und erteilte die Accolade. 
Berlin, 18. Jan. Prinz Seinrich ist hier einge— 
roffen. Er nahm im königlichen Schloh Wohnung. 
W. Berkin, 18. Jan. Die dies jährige Tagung 
des handelsstatistischen Beirats wurde heute vor⸗ 
nittag im Kaiserlichen Statistischen Amt durch den Präsidenten 
van der Borght er ffnet. Die Verhandlungen bezwecken 
die Ermittelung der handelsstatistischen Einheitswerte für 1910, 
oweit sich die Werte nicht aus den obligatorischen Wertanmel⸗ 
—XD— 
Hhruppen statt, deren Tagung bis einschließlich 2. Februar 
911 dauert. Der handelsstatistische Beirat belteht zurzeit 
rus 162 Mitgliedern. 
Wt Berlin, 18. Jan. Der Reichsanzeiger veröffentlicht 
eine Bekanntmachung, wonach infolge des Erlöschens der Cho⸗ 
lera die Verordnung aufgehoben wird, daß die 
aus dem Hafen von Rig nach deutschen Häfen kommenden 
Schiffe bis auf weiteres ärztlich zu untersuchen lind. 
W. Daesden, 18. Jan. Nach dem vorläuftgen amtlichen 
krgebnis der Volkszählung hat das Königreich Sachsen 
rund 4797700 Einwohner gegen 4508600 im Jahre 
905. Das bedeutet eine Varmehrung um 6,41 Prozent 
W. Minchen, 10. Jan. Die Munchener Neuesten Nach- 
ichten melden: Die vom Prinzregenten anläßlich 
»es 40. Jahrestages der Grandung des Deut⸗ 
Hen Reiches an die höchsten Reichsbeamten verliehenen 
Ardensauszeichnmungen riefen bei dem Kaiser ganz 
esondere Freude hervor. DTas Blatt erfährt: Der 
Zatser ließ den preußischen Gesandten durch den Reichs— 
anzler beauftragen, dem Prinzregenten für dieses neue 
zeichen vaterländischer Empfindung in eisfter Audienz seinen 
därmsten Dank zu übermitteln. 
W. Parxris, 18. Jan. Dem Matin wird durch Funlspruch 
us Casablanca gemeldet: Rittmeister Nancy, der 
ius dem Lager von Boucheron mit 20 eingeborenen Reitern 
ind einer Schwadron eingeborener Kamelreiter aufgebrochen 
war, um den Streit zwischen den Stämmen Medakra und 
Zaer zu schlichten, wurde am 14. Januar von Wusten« 
äubern überfallen. Französischerseits fielen ein Leut— 
zant und ein Wachtmeister. Drei eingeborene Soldaten wur⸗ 
en getötet und fünf verwundet. Zwei andere Stämme kamen 
er fränzösischen Kolonne zu Hilfe. 
Wet. Totio, 18. Jan. Im Anarchistenprozekß gegen 
6 PVersonen, die beschuldigt sind, dem Kaiser und anderen 
Nitgliedern der kaiserlichen Familie nach dem Leben getrach⸗ 
et zu haben, wurden heute 24 Angeklagte zum Tode ver—⸗ 
irteilt und zwei zu 8 bezw. 11 Jahren Gefängnis ver—⸗ 
irteilt. 
m2— 
— 
We Berlin, 18. Jan. In der heutigen Schwurgerichts⸗ 
tzung der Moabiter Krawalke wurde nach etwa vierzehn⸗ 
ägiger Verhandlung die Beweisaufnahme geschlofsen, nachdem 
»er Staatsanwalt und die Verteidiger auf die Vernehmung 
neiterer Zeugen verzichtet hatten. Die Plädoyers beginnen. 
Bremen, 168. Jan. Selma Erdmann-⸗Jesnitzers 
Schauspiel „Was Liebe kann“ fand auch bei der 
Bremiere in Bremen starken Beifall beim Publikum. 
Die Autorin wurde stürmisch gerufen. 
Deutscher Reichstag. 
W. Berlin, 18. Januar. 
Am Bundesratstisch: Wermuth. 
WPiräsident Graf SchwerinLöwin eröffnet um 1345 Uhr 
zie Sitzung mit folgender Ansprache: Meine Herren! Zunächst 
estatten Sie mir, daran zu erinnern, (die Mitglieder des 
zauses und des Bundesrats haben sich von den Plätzen 
rhoben), daß heute vor 40 Jahren im Schlosse zu Versailles 
ie Gründung des neuen Deutschen Reiches er— 
olgte. Leider habe ich gerade an diesem Tage Ihnen zugleich 
ine traurige Mitteilung zu machen. Wie Sie wohl bereits 
estern erfahren haben, ist in der Kieler Bucht das Unter⸗ 
eeboot „U 30 von einem Unfall betroffen worden. Trotz 
er sofort mit der größten Energie eingesetzten Rettungsver⸗ 
uche sind bei diesem Unfall drei Menschenleben zu beklagen, 
vie sich aus einem heute morgen eingegangenen Telegramm 
er Torpedo⸗Inspektion Kiel ergibt. Dieses Telegramm hat 
er Herr Staatssekretär des Reichsmarineamts, da er leider 
ersönlich verhindert ist, zu erscheinen, dem Reichssstag über⸗ 
aitteln lassen. Nachdem der Präsident das Telegramm ver—⸗ 
esen hatte, fuhr er fort: Ich denke, der Deutsche Reichs- 
ag wird ebenso wie das gesamte deutsche Vollk diesen dref 
raven Mannern, die in treuester Pflichterfüllung für das 
Jaterland ihr Leben eingebüßt haben, ein ehrendes Andenken 
ewahren, gerade so gut, als wenn sie vor dem Feinde ge— 
allen wären. Sie haben sich zum Zeichen Ihrer Zustimmung 
on den Sitzen erhoben, ich stelle dies fest. 
Darauf wird die Beratung des ZuUwachssteuer-Ge⸗ 
etzes fortgesetzt. 
Abg. Dr. Zehuter (I3tr.) begründet die Anträge Marx⸗ 
zehnter, die, verschieden redigiert, besagen, daß der Ueber⸗ 
ang von Grundstücken steuerfrei ist, wenn ihr Gesamtwert 
icht mehr als 20000 Mubei bebauten und nicht mehr als 
000 Meubei unbebauten Grundstücken beträgt. Diele Bestim— 
rung würde verhindern, daß die Spekulanten durch Zerlegung 
hres Eigentums in kleine Parzellen die Steuer umgehen. 
Unterlstaatssekretär Kühn: Es würde außerordentlich schwer 
ein, die Anträge einheitlich und im Sinn der Antraasteller 
urchzuführen. 
Abg. Dr. Weber (natlib.): Beide Anträge nebeneinander 
ind unmöglich. Man würde es am besten bei der Kom— 
rijssionsfassung belassen. Die Grenze heraufzusetzen, ist doch 
vohl nicht angängig. Bergwerkeigentum muß seiner Natur 
ach anders behandelt werden als sonstiger Grundbesitz. Wir 
önnen nicht beabsichtigen, die Industrie in ihrer Entwicklung 
ufzuhalten. Darum braucht man ihnen noch lange keine 
horrechte einzuräumen. Mißbräuche würden sich durch die spä⸗ 
eren Bestimmungen des Gesetzes verhindern lassen. 
Damit schliehßt die Debatte über 8 1, 1äa, 16. lc, Die 
dommissionsfassung wird unter Ablehnung aller Anträge an⸗ 
enommen, ebenso 8 2. Der folgende 8 3 wird nach den 
tdommissionsbeschlüssen gestrichen. 84 regelt die Freilassung 
jon der Steuer. 
Nach weiterer Debatte, in deren Verlauf mehrere Redner 
ie Abänderungsanträge ihrer Fraktionen kurz begründeten, 
—— 
eien meist in der Kommission eingehend erörtert und zurück- 
sewiesen worden, sie sollten also abgelehnt werden, wurde 
er 8 4 mit unwesentlichen Aenderungen angenommen, ebenso 
unverändert die 88 5 und 6. 
Paragraph b6s, der die Abzugsfähigkeit des Wertes der 
om Verkäufer übernommenen Lasten, Maschinen und Erzeug⸗ 
risse des Grundstücks, so lange sie mit dem Boden zusammen⸗ 
ängen, vorsieht, wird nach kurzer Debatte angenommen, eben⸗ 
e 88 7 und 8. Beim 8 84 trat Abg. Trimborn (Itr.) fur 
5treichung des zweiten Absatzes ein, wonach es der Landes⸗ 
egierung überlasfen bleiben soll, im Einverständnis mit dem 
keichskanzler zu bestimmen, daß bei der Wertfestsetzung die 
kinheitspreise zugrunde zu legen sind. 
Staatssekretär Wermuthh: Diese Bestimmung liegt nicht 
uur im Interesse der Behörden, sondern auch in dem der Zen⸗ 
iten. Wird diese Frage im Gesetz geregelt, so ist der Zenlit 
yor etwaiger Willkür geschatzt. 
Nach längerer Debatte wird schließlich dem Antrage des 
lbg. Neumann⸗Hofer gemäh der ganze 8 84 gestrichen. Der 
zaragraph 9, der der Staatsbehörde die Befugnisse gibt, die 
Iteuerobjekte abzuschätzen, sofern die gemachten Angaben zum 
zwede der Steuerersparnis unrichtig gemacht sind, wird an⸗ 
enommen. 8 10 regelt die Abzugsfähigkeit von Aufwen⸗ 
„ungen, wozu mehrere Antraͤge vorliegen. 
Staatssekretär Wermuth bat dringend, alle Anträge ab⸗ 
ulehnen, da, sie den Zielen des Gesetzes geradezu wider—⸗ 
prechen. 
Der Paragraph wurde schließlich mit einigen Abände—⸗ 
ungen, darunter solcher, die die Bevorrechtung der Bauhand⸗ 
verker mit 15 Prozent statt 10 Vrozent des abrechnungs⸗ 
ähigen Wertes vorsieht, angenommen. Nachdem noch 88. 
»er die Bevorzugung von Moorkulturen ꝛc. bezwedt, angenom. 
nen wurde, wurde die Weiterberatung auf morgen 1 IUb,. 
gertagt. 
heer und Flotte. 
W. Berlin, 18. Jan. „Neckar“ mit dem Ablssungs⸗ 
kransport für das Kiautschougebiet und das Flußkanonenbest 
„Tsingtau“ sind auf der Ausreise am 17. Jan. in Suez ein 
getroffen und setzt am 17. Jan. die Reise nach Colombo 
fort. Die 5. Balbflottille ist am 16. Jan. in Saßnitz ein— 
getroffen und am 17. Jan. wieder in See gegangen. „Fuchse 
jt am 14. Jan. von Sonderburg nach Kiel, am 16. Jan. nacdh 
Sonderburg zuruck, „Drache“ am 16. Jan. von Sonderbera 
nach Kiel gegangen. 
— BBöæ——— 
die Katastrophe des Ballons „Hhildebrandt“ 
Die Einzelheiten der Todesfahrt sind, ehe das Bordbuch ge— 
unden ist und die Instrumente untersucht sind, natürlich nicht 
estzustellen. Die Tatsache, daß das Gesicht des Toten Ueber— 
aschung und Entletzen ausdrückt, lähßt darauf schließen, daß die 
tatastrophe völlig AWberraschend kam. 
Die Fahrt hat 824 Stunden gedauert; denn der Aufsftieg er—⸗ 
olgte in Schmargendorf um 5 Uhr nachmittags, während die 
Ahr des Toten, die vermutlich gleich nach der Katastrophe 
tehen geblieben ist, BG240 Uhr zeigte. Das entspricht der Ent— 
ernung von 120 Kilometern, die der Ballon zurückgelegt 
jat. Daß eine Landung beabsichtigt war, beweist die aufge— 
issene Reißbahn und die Tatsache, daß noch sechs Sandsäcde 
vorhanden waren, deren Entleerung den Ballon sofort hochge— 
ührt hatte. 
Wit. Wildenbruch, 16. Jan. Nachmittags um 4 Uhr wurde 
zie Leiche des Prokuristen Keidel geborgen. Die Fund— 
telle war etwa 50 Meter von der Unsallstelle entfernt. Die 
Bergung geschah durch zwei Filcher, die von morgens an 
mit einer mit Widerhaken versehenen Leine das Wasser zm 
uchten. Außerdem wurde ein Pelzmantel, eine Pelerine u 
einige Karten und Apparate gefunden und geborgen. 
zum Untergang des Unterseeboots „U III“ 
Kiel, 18. Januar. 
Noch Dienstag abend bestand die zudersichliche Hoffnung, 
dah es möglich sein werde, das Leben der letzeen drei im Turme 
pes Unterseebootes Eingeschlossenen zu retten. Diese Hoffuung 
erfüllte die an der Rettung in leitender und ausübender Tätigtet 
betfeiligten Kräfte zu immer neuen Anstrengungen. Es ist anders 
ekommen. Gegen 214 Uhr war es gelungen, das Hebe'chiff 
Vulkan“ über das zum Teil gehobene Boot zu verholen und um 
Uhr morgens konnte der Turm endlich geössnet werden. Man 
'and drei leblos daliegende Menschen. Der Turm 
var voll verbrauchter Cuft. Als die drei aus dem Turm ins 
Freie und in Sicherheit gebracht waren, begannen sofort die 
Wiederbelebungsversuche. Dienstag mittag waren von der 
Marine die neuesten und modernsten Wiederbelebungsapparate 
elegraphisch requiriert worden und um 10 Uhr abends lag 
illes bereit, so daß sie sofort benutzt werden konnten. Aber den 
zrei Armen, die 17 Stunden lang im Turnie eingeschlossen ge— 
vesen, war nicht zu helfen. Um 9 Uhr vormittags sesten die 
m Hafen liegenden Kriegsschiffe die Flagge auf halbitock. 
Der Kommandant des „Vulkan“ und Leiter der Untersee⸗ 
„oornschulen, Korvettenkapitän Heuberer, sagt in einem den Ver⸗ 
torbenen gewidmeten Nachruf: Sie gaben uns Kameraden 
yon der Unterseebootswaffe ein vorbildliches Beispiel der Treue 
ind Pflichterfüllung. An schwerer und verantwortungsvoller 
Stelle verharrten sie bis zum letzten Atemzuge auf ihrem Polten.“ 
Die Frage, vb es den drei Eingeschlossenen nicht möglich ge⸗ 
vesen wäre, vom Turm aus einen anderen Raum des Bootes 
u erreichen und sich von dort aus zu retten, muß leider verneint 
verden. Der Turm war gewissermaben vollständig vom Wasser 
mgeben. Der Ausgang nach oben war unmöglich, weil die 
zelmspitze geschlossen war und nach unten konnten die drei nicht 
ommen, weil das in das Boot eingelaufene Walser den Aus— 
zang versperrte. 
Der Schilderung der geretteten Mannschaft, unter der sich 
ruch der Torpedo⸗Maschinistenmaat FEunst Schnauer,Lübeck, 
efindet, entnehmen wir nachstehendes: Wir befanden uns Diens— 
ag vormittag in der Höhe der Heikendorfer Bucht auf einer 
lebungsfahrt und wollten gerade eine Tauchübung unter⸗ 
sehmen, als plötzlich der Ruf eischoll: „Wasser im Schiff!“ 
das Wasser drang ins Achterschiff ein und sogleich wurde das 
dommando: „Die Schotten dicht!“ gegeben und das Achter— 
chiff zu verlassen. Das Boot senkte sich dann hinten, und 
bir begaben uns, die Schotten hinter uns schließend, in den vor⸗ 
eren Raum des Bootes, das mit der Spitze schräg aus dem 
Wasser lag. Der Kommandant, Kapitänleutnant Fischer, 
jatte sich inzwischen in den Turm begeben, wo sich auch der Wach— 
ffizier Leutnant zur See Kalbe und der Matrose Rieper 
efanden. Da das Wasser auch den Turm unterspülte, 
daren wir von dem Kommandanten abgeschlossen. 
Wir standen mit dret Offizieren, dem diensttuenden Ingenieur 
ind 26 Mann dichtgedrängt in dem engen Vorderraum. Das 
Licht mußten wir ausschalten, um an Sauerstoff zu sparen, 
vas zu sparen war. Dam und wann beleuchteten wir den Raum 
nit der als Notbeleuchtung vorgeschriebenen elektrischen Taschen⸗ 
aterne. In größter Ruhe und bester Disziplin waren alle Befehle 
zefolgt und wir harrten run zuversichtlich auf baldige 
Arlösung aus unserer Lage, die uns nicht weiter beun— 
uhigte. Wir hatten gleich nach dem Sinken eine Telephonboie 
rufgelassen und nach nicht langer Zeit wurde uns denn auch schon 
„urch Klopfen an der Schiffswand mittelst Morsezeichen die 
Meldung gemacht, daß unser Unfall bemerlkt und die Rettungs⸗ 
iktion bereits ins Werk gesetzt sei. Fortlaufend wurden wir 
o über den Verlauf der Arbeiten unterrichtet. Die Stimmung 
n umserem Gefängnis war anfangs sogar heiter zu nennen; 
Almählich wurde man aber abgespannt und matt. Da wir seit 
em Frühstüch um 7 Uhr vormittaas nichts zu essen bekommen 
‚atten, so machte sich auch teilweise Hunger bemerkbar, doch 
sun dies wohl den wenigsten zum Bewußtsein gekommen, da der 
krnjid er Lage uns doch bewußt war. Endlich kam uns die Nach— 
icht, daß es gelungen sei, die Trossen unter dem Boot durchzu— 
rxingen und die Hebung zu vollziehen. Die Klappe des Tor— 
edolanzierrohres wurde auf Anweisung dann geöffnet, und an 
inem Tau, das man zu uns herunterließ, wurde einer nach dem 
indern herausgezogen. Der Luftwechsel griff uns fast alle der— 
nahßen an, daß wir Schwächeanfälle erlitten, doch erholten wi 
ins bald wieder. Wir wurden von der Staltionsjacht „Schnee
	        
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