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ARusgcee
(Große Ausgabe)
Donnerstag, den 22. Juni 191.
Morgen⸗Blatt NUr. 309.
Erstes Blatt. Hierzu 2. Blatt.
Umfang ver heutigen Nummer —
nichtamtlicher Teil.
Die Rönigskrönung in England.
Lübechk 22. Juni.
Heute wird der feierliche Krönungsakt in London vor sich
zjehen. In seiner Gesamtheit gehört er zu der ältesten
lebendigen Ueberlieferung der englischen Geschichte. Er bildet
zugleich ein ehrwürdiges Symbol des englischen Königtums,
das trotz des Wechsels der Dynastien eine ebenso geschlossene
Einheit darstellt, wie die Geschichte der englischen Nation
elbst, die seit der Normannenzeit keinen Feind auf ihren
Boden gesehen hat und sich daher ungestörter durch fremde
Finflüsse, als die Völker des Festlandes, hat entwickeln
rönnen.
Aber nicht nur die Kontinuität der englischen
Geschichte, sondern auch die Einheit des heutigen
britischen Reiches kommt in den Krönungs⸗
feierlichkesiten zum Ausdruck. Der König umgibt
siich heute mit den Vertretern seiner überseeischen
Kolonien und Besitzungen. Obwohl die Reichskonferenz
eine selbständige Institution geworden ist, so ist doch ihre
viesjährige Tagung absichtlich in die Krönungszeit ver—
legt worden. Auch Indien ist vertreten durch indische Fürsten
und indische Truppen. Die grotze Flottenrevue von
Spithead wird die Macht des britischen Reiches greifbar
ovor Augen führen. Der Prunk der Feier, die Zahl der
tremden Fürstlichkeiten und Staatsvereter,
ie zu dem großen Tage herbeiströmen, die Feststimmung und
das steigende Gefühl des Nationalstolzes, all
zas wird ebenso wie in dem Vereinigten Königreich selbst so
ruch in den jungen kolonialen. Demokratien und unter den
Völkern alter orientalischer Kultur empfunden werden.
Ueber den englischen Krönungseid, den der König
heute ablegen wird, ist zu sagen, daß er in der Tat in
der Form bestimmter Verpflichtungen gehalten ist. Ehe der
Erzbischof von Canterbury die Salbung voll⸗
zieht, nimmt er dem König einen feierlichen
id ab. Der König erklärt auf die drei Fragen, die der
Erzbischof an ihn richtet: er verspreche feierlich, jene Ver—
oflichtungen zu übernehmen, und darnach leistet er den Schwur
ruf die Bibel und unterzeichnet die Eidesurkunde. Die beiden
ꝛrsten Punkte des Krönungseides besagen in altertümlicher
Sprache, daß der König nach den Landesgesetzen regieren
ind Gerechtigkeit üben werde, der dritte betrifft die protestan—
ische Religion und die englische Staatskirche; dieser letzte
Satz des Eides ist. wie erinnerlich. im vorigen Jabre durch
ein Gesetz so abgeändert worden, daß jetzt die Formeln, die 1
für die Katholiken anstößig waren, daraus entfernt sind.
Das ganze englische Krönungszeremoniell
eicht tief ins Mittelalter zurück, ebenso die Verpflichtungen
u gesetzlicher und gerechter Regierung, die in der Vergangen—
eit natürlich etwas anderes bedeuteten als heute. Diese
Berpflichtungen stammen aus ciner Zeit, wo die Erbmonarchie
ioch nicht feststand und wo die Großen des Reiches dem
dönig vor der Krönung ihre Bedingungen stellten. Inzwischen
at das Krönungszeremoniell sich allmählich entwickelt. Fast
des Jahrhundert hat etwas davon entfernt und neues hinzu—⸗
sefügt. Aber es läßt sich nicht leugnen, daß diese politisch⸗
eligiöse Feier noch heute einen imposanten Akt darstellt,
er einen tiefen Eindruck auf die Teilnehmer dieser Handlung
ervorzurufen vermag
——
Gewinn und ebenso sei das Erscheinen von Verschiebungen nner⸗
halb der slawischen oppositionellen Parteien für die Regierung
nicht ungünstig.
Aeußerungen der Presse.
Die liberalen Blätter bezeichnen den Ausfall der Wahlen
in Wien als eine Nemesis für die Sünden der Christlich⸗
Zozialen. Die Wirkung der Katastrophe werde weit über
Pien und die Gegenwart hinausreichen. Durch die
zerschmetterung der Christlich-Sozialen sei eine
Tatsache geschaffen, die für die weitere Politik der
Monarchie und die Verwaltung des Staates und Landes
rundlegend werden mässe. Vorgestern habe
die wirtschaftliche Parole und das freisinnige
Bürgertum gesiegt. Das Organ der Christlich⸗Sozialen,
die Reichspost, und das klerikale Vaterland geben R Saupt·
schuld den Deutschnationalen, die den Christlich-Sozialen mii
en Sozialdemokraten verbunden in den Rücken gefallen seien.
die Reichspost gibt die Sache der Christlich-Sozialen auch
ernerhin nicht verloren. Das Fremdenblatt sagt: Heute er—
brigt sich nur die Tatsache festzustekllen, daß für den Aus⸗
ang der Wiexr Wahlen nicht die allgemeinen politischen
hesichtspunkte entscheidend gewesen sind, von denen die
ßarlamentspolitik geleitet wird, sondern die spez ellen Wiener
zerhältnisse, die sonst nur bei städtischen Wahlen die Ent—
heidung herbeiführen und herbeiführen sollen. Das Blatt
vofft, daß sich die staatserhaltenden VParteien nach der Hitze
»es Wahlkampfes daran machen werden, das Problem der
Arbeitssähigkeit des Hauses zu lösen, was nur durch ihren
Zusammenschluß zu erreichen sei.
Die Gefährdung des Kabinetts Bienerth.
W. Wien, 21. Juni. Das Kabinett Bienerth ist durch den
Ausfall der Stichwahlen ernstlich gefährdet. Daß Weiskirchner
iach verlorener Schlacht seinen Abschied einreichte, erscheint nur
elbstverständlich. Wie verlautet, wird der Kaiser das Rück
rittsgesuch vorläufig nicht genehmigen. Doch läßt sich Weis—
tirchner auf die Dauer nicht halten, da er als geschlagener
reldherr für die Regierung ein Hindernis sein würde. Auch
'onst hat der Ausfall der Wahlen nicht die Hoffnungen erfüllt,
zie Baron Bienerth auf die Auflösung setzte. Es ist kein Wun⸗
er, daß Stimmen laut werden, die versichern, Baron Bienerth
derde im Herbst nicht mehr vor dem Abgeordnetenhause er—
cheinen und werde sich in das niederösterreichische Statthalter—
alais flüchten.
W. Wien, 21. Juni. Es bestätigt sich, daß der Handels—
minister Weiskirchner demissionierte.
die günstigen Kechnungsergebnisse der Reichshaupt
kasse.
CTelegramm.)
W. Berlin, 21. Juni. Wie die Norddeutsche Allgemeine
zeitung meldet, ergab der gestrige Jahresabschluß der Reichs—
yjauptkasse für das Rechnungsjahr 1910 einen Ueberschuß
TCC — —
im Senat verteilt wurde, enthält einige Angaben, die auch
rußerhalb Frankreichs interessieren dürften. Der Berichter—
tatter behauptet, daß das Defizit der Pariser Oper unbe—
„eutend ist, wenn man es mit dem Defizit der Mailänder
S5kala — 300 000 Lire —, mit dem der Wiener Hofoper —
Mill. Kronen — und mit dem des Metropolitanopernhauses
n Newyork — rund 1 Mill. M— vergleicht. — Die höchsten
Tosten verursachte die Auffühkung der Oper „Hippolyte und
Uricie“, die fast 115 000 Frks. verschlang. An zweiter Stelle
'ommt die „Götterdämmerung“ von Wagner mit mehr als
O o00 Frks. Die größten Einnahmen hatte die Oper mit Richard
5trauß' „Salome“, deren Eintrittsgelder in Höhe von
40 000 Frks., die den durch die vorjährige Ueberschwemmung
n Paris verursachten Einnahmenausfall von 140 000 Frks
inigermaßen wieder wettmachten. Die 7000 elektrischen Lampen
»erschlingen täglich oder vielmehr nächtlich 950 Fr. während
ür die Reinigung alle Tage 130 Mibezahlt werden
Künstlernachrichen. Als Oberregisseur für das Hefshrater
n Woimar und Nachfolger des Intendanzrates Hans Gellina
zurde Direktor Paul Linsemann-Berlin verpflichtet. —
der bisherige Kapellmeister des Brüsseler Monnaietheaters,
zylvain Dupuis, ist als Nachfolger des kürzlich verstorbenen
sadourx zum Direktor des Konservatoriums in Lüttich er—
iannt und am Donnerstag in se'n neues Amt feierlich ein—
geführt worden.
Von den Bühnen. Die beiden Aufführungen des „KRosen-
avaliers“, denen schon eine gleichfalls ausverkaufse Gene—
alprobe vorangegangen war, errangen in Köln gelegentlich
„er Festspiele im Opernhaus einen begeisterten Erfolg. Die
lusstattung nach Prof. Rollers Entwürfen ist wundervoll.
Zrof. Fuchs-München führte die Negie. Die Mitwirkenden
ind Strauß wurden an beiden Abenden sehr oft gerufen.
— Die kürzlich eröffneie „Vunte Bühne“ in München ist in
Zonburs geraten. Die Schuldenlast beträgt 30000 M. Das
Brotloswerden der Künstler ist durch Uebernahme des Theaters
»om bekannien Humoristen Hans Hauser, auf eigene Rechnung,
»is auf weiteres verhindert
Der Ausfall der österreichischen Wahlen.
Telegramme.)
Die Bilanz der bisherigen Wahlen ergibi folgendes Resultat:
Die Deutsch-Freiheitlichen gewinnen 31 und ver—
ieren 6, die Christlich-Sozialen gewinnen 4 und
erlieren 24, die zentralistischen Sorioaldemokraten gewinnen
jisher 15 und verlieren 22, die tschechischen Sozialdemokraten
gewinnen 8 und verlieren 5, die bürgerlichen Tschechen gewinnen
Nund verlieren 8 und die Volen gewinnen bisher 4 und ver⸗
ieren drei Mandate. Bei den Eñdslawen ist bisher keine Ver⸗
inderung eingetreten. Die galizischen Ruthenen verlieren einen
zitz. Die Bukowiner Ruthenen und die Rumänen halten ihren
üheren Besitzstand von 5 Mandaten aufreht. Die Italiener
ewinnen einen Sitz, die Alldeutschen ginnen einen, die
schechisch⸗Nationalen verlieren 2, die Var liosen gewinnen 2.
»er Deutschnationale Verband hatte frühee 79 und jetzt 104
zitze. Diese teilen sich in 56 Deutschfreiheitliche einschliehlich
»es Abg. Kuranda, 21 Radikale, 24 Agrarier und 3 Abgeord⸗
nete der neuen deutschen Arbeitecpartei.
Die Auffassung der Regierungsreise.
In den Regierungskreisen in man der Ansicht, daß
ich in den Majoritätsverhältnissen des neuen
Zgarlaments nicht viel ändere, womit man auch vor—⸗
er gerechnet habe. Was sich äudern könnte, habe sich tatsäch—
ich zugunsten der Regierung verschoben, da die Regierungs—
arteien (die ChristlichSozialen und der Deutschnationale Ver—
and) jetzt 1830 Mandate inne haben, während sie früher zusammen
ur 175 besaßen. Allerdings würden hier die Majoritätsverhält-
isse für die Regierung noch günstiger gewesen sein, wenn die
ristlichsozialen Verluste in Wien nich— eingetreten wären. Auch
»er Polenklub werde voraussichtlich in unverminderter Stärke
trückkehren, wobei hervorzuheben ist, dah die polnischen Kon—⸗
rvativen durch den Gewinn mehrecer Mandate späterhin eine
influßreichere Stellung einnehmen dürften. zudem sei der Ver—
isft den die Sozialdemokraten gehasbt, für die Regierung ein
J
m Jahre 1914 bei den Kölner Festspielen der „Parsifal“
eine erste Aufführung in der rhri ischen Kunstmeiropole feiern
hird; wobei man es dann immerhin noch mit Genugtuung
egrühen kann, daß die reichen nusikalischen und dekorativen
MNittel, die der idealistisch gesinnte, von Erwerbsrüchsichten gänz—
ich unbeeinflußte Kölner Festspielverein aufzubringen plegt,
ine würdige Wiedergabe des Bühnenweihefestspfels am Rhein
arantierten.
Mit dem Verbot der Jesus⸗-Festspiele soll, wie man der
Joss. Ztg. aus Weimar meldet, die weimarische Landessynode
icht mehr befaßt werden. Diese Synode wurde am Sonn⸗
ag durch den Präsidenlen, Universitätsprofessor Geh. Kirchen⸗
at Dr. Wendt-Jena, eröffnet. Als „bedeutsamstes Ereig—
is“ der letzten Zeit auf kirchlichem Gebiet bezeichnete der
zräsident das Verbot der Jesus-Festspiele durch die weimarische
ztaatsregierung und betonte, daß der verstärkte Synodal—
usschuß sich lediglich auf Ersuchen des Staatsministeriums
»es Innern mit der Angelegenheit beschäfligt habe. Die Ent—
heidung sei völlig im Sinne der Synode und im Interesse
er Landeskirche erfolgt. Die Angelegenheit sei definitiv er—
edigt. Aus den Darlegungen des Präsidenten ist zu entnehmen,
»aß sich die Smode wider Erwarten auf ihrer gegenwärtigen
Tagung nicht mit der Angelegenheit beschäftigen wird.
Die Parifer Festaufführumgen der Wagterschen „Nibelun—
sen“. In der „Großen Oper“ in Paris schloß Sonntag
nit einer sehr würdigen Aufführung der „Götterdämmerung“
er erste „Nibelungen“⸗Zyklus, den die Leitung der Oper für
sie ernsteren französischen Musilfreunde veranstaltete. An Stelle
Felit Mottls, der ursprünglich diesen Zyklus leiten sollte,
prang in letzter Stunde, da Nikisch durch Verpflichtungen
ioch in England festgehalten wurde, Felire Weingartner
in. Diese Festaufführungen des „Nibelungenringes“ sind für
ie Pariser Musikkenner ein besonderes Ereignis, da zum ersten
Male die Wagnersche Tetralogie in Paris gänzlich ungestrichen
egeben wird. Der zweite Festspielzyklus unter Nikisch'
eitung beginnt am 24. Juni mit dem „Rheingold“.
Von der Pariser Grohen Oper. Aus Paris wird dem
3. T. geschrieben: Der Bericht über das Budget der Schönen
dünste, der von dem Senator Rivet verfaßt worden ist und
Cheater, Kunst und Wissenschaft.
Der Verein Hamburgischer Musitfreumde gibt in seinem
Jahresbericht über das 15. Geschäftsjahr folgende Mitteilungen:
Das Interesse für unsere 72 vollstümlichen Konzerte an den
Sonntags- und Mittwochsabenden hat in unvermindertem Maße
ingehalten; die dadurch erzielten Ueberschüsse haben wir ver⸗
vandt, um die im vorigen Jahr beschlossene Gehaltsaufbesse—
ung unserer Orchestermitglieder durchzuführen. Die populären
Sinfonie-Konzerte haben einen großen Zuspruch gefun—
den, der Fich in diesem Jahre hoffentlich noch lebhafter ge—
talten wird; der pekuniäre Erfolg war indessen noch nicht
zanz befriedigend; ein mäßiger Verlust ist zur Abschreibung
zelangt. Von der Lustbarkeitssteuer wird unser vom
Staat subventionierter Verein hoffentlich nicht betroffen wer⸗
den. Der Verein Hamburgischer Musikfreunde ist keine Er⸗—
verbsgesellschaft; er verwendet seinee Gesamtein—
rahmen für musikalische Zwecke und für die Be—
soldung der Orchestermitglieder, die unter einer
notwendig werdenden Beschränkung unserer Ausgaben in erster
Linie leiden würden. Auf eine Vermehrung unserer Einnahmen
ohne Erhöhung der Eintrittspreise, die in Rücksicht auf die
veniger bemittelten Besucher unserer Konzerte nicht zu emp⸗
ehlen ist, kann nicht gerechnet werden. Das Vereinsver—⸗
nögen schließt am 30. April mit einem Betrage von
36 380.79 Mäab, das der Pensionskasse mit 188 101.28 M,
das der Pensions- und Unterstützungskasse der Witwen und
Waisen mit 10353.14 Mund der Newmann-Kretschmer⸗
Stiftung mit 11059.73 M.
Die Richard-⸗Wagner⸗Zentet a feier. Schon jetzt beginnen
n Dresden die Vorbereitungen zur Feier des 100. Geburts—⸗
ages Richard Wagners im Frühjahr 1913. Ein Komitee
inter dem Vorsitze des Oberbürgermeisters und des General—
niendanten Grafen Seebach wird demnächst zusammentreten.
VKorgesehen sind Festaussührungen in der Hofoper, ein histori—
ches, ein Orchester-Chor⸗Konzert und ein populäres Konzert,
ine Gedenkfeier sowie eine Ausstellung im Stadtmuseum. Gleich—
eitig tauchen auch schon die ersten positiven Meldungen über
eplanse „Parsifal“Aufführungen außerhalb
8ayreuths auf. So ist als ziemlich sicher auzunehmen, daß
ZäwWE—2—æ———