Full text: Lübeckische Anzeigen 1911 (1911)

it geeignet, den Steuereriragß wesentlichntedriger 
u bringen, als er auch ohne Ungerechtigkeiten und Härten zu 
erzieren gewesen wäre. Die wichtigsten neuen Erleichte rungen 
der Einheimser unverdienter Gewinne beim Grundftücksver⸗ 
aufe betreffen die Aenderungen bei der Berechnung des Er— 
verbspreises und des Veräußerungspreises. Der Regierungs— 
ntwurf zog aus dem Prinzip einer Besteuerung des Zu— 
vachses der Bodenwerte die richtigen Konsequenzrn, daß Ge— 
zäulichkeiten und andere Kapitals- oder Arbeitsveitierungen 
in den Boden vom Veräußerungspreise abzuziehen seien, 
o dah also die Steuern auf den nackten Bodenwert be— 
echnet wurden. Die Kommission hat leider derartige Auf— 
wendungen dem Erwerbspreis zugeschlagen, so daß die Wert— 
teigerung vom Boden und den Baurten, Straßen, Meliorationen 
isw. zusammen berechnet wird, verhältnismäßig kleiner er⸗ 
cheint und deswegen einem niedrigeren Steuersatze unter⸗ 
iegt. Bei der dritten Lesung hat die Kommission noch 
ugesügt die Anrechnung von 4960 Zinsen für Straßenbauten 
ind ähnliche Aufwendungen für die Dauer von 10 Jahren. 
Der Zuschlag für Bauten und dergleichen, der zunächst mit 
509 (als Gewinn) angesetzt war, ist jetzt für Baugewerbe— 
reibende auf 10 0 erhöht worden. Für die Kultidierung 
ßon Moor⸗ und Oedland sowie für Bergwerke sind besondere 
Erleichterungen vorgesehen. Für Veräußerungen, die zwischen 
dem 12. April und dem 30. Nov. 1910 liegen, soll die 
Steuer unerhoben bleiben, wenn der Veräußerungspreis für 
»ehaute Grundstücke nicht mehr als 30000 M, für unbebaute 
ucht mehr als 10000 Mebeträgt. Das Recht der Gemeinden 
uf Erhebung von Zuschlägen ist bei der dritten Lesung 
eschränkt worden. Die Erlaubnis, bei der Berechnung auf 
einen früheren Zeitpunkt als 1885 zurückzugreifen, ist ge— 
trichen. Der Höchstsatz, bis zu dem die Gesamtbesteuerung durch 
die Zuschläge gesteigert werden darf, ist von 36 60 auf 30 6 
des unverdienten Zuwachses ermäßigt. Die in den früheren 
Beratungen vorgenommenen Abschwächungen wie die Abrech— 
nung von Zinsen auf Grundstückee ohne erheblichen Ertrag, 
hie Ermäßigung von 100 der Steuer für jedes volle Jahr 
des Besitzers, der Zuschlag von 125216 00 jährlich für Wert⸗ 
teigerung durch Arbeit und Sinlen des Geldwertes, sind unver⸗ 
ürzt oufrecht erhalten. Dem steht eine einzige Verschärfung— 
zjegenüber den Frühiahrsbeschlüssen gegenüber. Die Steuer⸗ 
ätze beginnen bei einer Wertsteigerung von 10 00 mit 10 o 
und steigen bis zu einer Werterhöhung um 200 0 auf 20 60. 
Das ist geblieben. Während nun aber die frühere Pro— 
zresison langsam weiterging und erst bei 400 0 Wertzuwachs 
den Steuersat von 30 6 erreichte, ist jetzt die Progression be— 
chleunigt. so daß der Höchstsatz von 30 00 schon bei einem 
zuwachse von mehr als 290 66 erreicht wird. Große Be— 
eutung hat das nicht. Denn bei den vielen und hohen An— 
rechnungen werden Steuersätze über 20 90 ganz selten sein. 
Im ganzen bedeutet die dritte Lesung zweifellos eine Ver—⸗ 
ingerung der Besteuerung. 
Vorschlag zur Regelung der Salzgewinnung und des Salz⸗ 
jandels im deuifchen Reiche. Die sozialdemokratische Munchener 
Post verbreitet die Nachricht, daß die von Dr. P. Rocke 
m Auftrage des Vereins deutscher Salinen verfahte Denk⸗ 
scchrift „Vorschlag zur Regelung der Salzgewinnung und 
des Salzhandels im Deutschen Reiche““, worin die Mono⸗ 
»olisierung des Salzhandels durch das Reich 
dorgeschlagen wird, von der „Deutschen Bundesregierung““ 
in Auftrag gegeben sej. Die Annahme ist vollkommen 
inzutreffend. Die verbündeten Regierungen und die 
Neichs⸗Finanzverwaltung stehen dem Vorschlage Rockes 
pöllig fern. 
Zum Streit Soxhlete Wagner. Der Bayerische Landwirt⸗ 
chafts rat hat in lseiner letzten Sitzung sich noch einmal 
nit dem Soxhlet⸗Streit beschäftigt und eine Resolution 
ingenommen, in der es heißt: 1) Der nunmehr aufge— 
sobene Kalivertrag vom 4. Febr. 1910 war für die 
zayerischen Landwirte ungünstiger als der frühere; 2) im 
Anschluß an den bereits in der letzten Plenarfitzung von 
»em Prinzen Ludwig als Vorsitzendem zum Ausdruck ge⸗ 
drachten Gedanken werden die hervorragenden Verdienste, die 
sich Geh. Hofrat Prof. Dr. v. Sorhlet in 31jähr. Tätig⸗ 
eit um die Landwirtschaft erworben hat, voll anerkannt 
ind wird sein Austritt aus dem Landwärtschaftsrat be— 
dauert. Dagegen werden die gegen den Landwirtschaftsrat 
jerichteten Angriffe des Herrn Geh. Hofrats Prof. Dr. 
». Sorxhlet als unbegründet zurücgewiesen. 
Ter Trick bdes Vorwärts. Die Regierungserklärung 
nüder Nordd. Allg. Ztg. über die Festsetzung des Reichs⸗ 
neines Namens und meiner Ehre sein, und meine Dankbarkeit 
wingt Ihnen den Gorlingshof und Südeggarde zurück.“ 
„Als unbeschränktes Eigentum?“ 
Sie fragte es in fiebernder Hast, so daß Reimar ganz be—⸗ 
remdet zu ihr herübersah. 
„Als unbeschränttes Eigentum, Gräsin.“ 
„Ich könnte über alle Eincüniste verfügen? Ich könnte 
damit die letzte große Schuld, die mein Vater nicht mehr 
sür Lutz tilgen konnte, auslöschen? Ich könnte meiner Groß⸗ 
nutter und meines Vaters Frau, die er mir sterbend ans 
derz gelegt, das alte, sorgenlose Dasein erhalten, ich könnte 
neiner kleinen Schwester alles das geben, was sie jetzt ent⸗ 
behren muß ?“ 
„Und ihr einst, wenn Sie nicht anders verfügen wollen, 
das Majorat, das mit meinem Verzicht auf die weibliche 
vinie übergeht, als Erbe hinterlassen.“ 
Eine Weile war es totenstill im Gemach J 
(Fortsetzung folgt.) 
Theater und Musik. 
Läübeck, 17. Jan. 
Stadttheater. 
„Zar und Zimmermann“, 
Oper in 3 Akten von Albert Lortzing. 
Gastspiel des Herrn Dr. Landry. 
Sollte es in der Absicht der Direktion liegen, uns einen 
dorting⸗Zyklus vorzuführen, so dürfte es an der Zeit sein, 
urch Neueinstudierung des „Wildschütz“ einem solchen löb— 
ichen Tun die Krone aufzusetzen. Die Oper steigt oder fällt 
nit dem Verhalten des „Bakulus“, der in den Sänden 
ꝛes Herrn von Schench erheiternd genug zu wirken vermag, 
hne der Uebertreibung zu bedürfen. Auch die übrigen 
Figuren der Oper, abgestimmt' auf den vornehmen Ton der 
zesellschaftlichen Kreise dürften in diesem Sinne Vertreter 
inden. unter der Voraussetzung, daß eine sorgfältige Negie 
as Ensemble überwacht. Es unterliegt keinem Zweifel, daß, 
venn die Charakteristik der musikalisch so sorgfältig ge— 
eichneten Figuren gewahrt bleibt, der „Wildschütz“ sJich zu 
agswahlternttns hat klar genug gesagt, dah „das Volk“ 
iicht im Frühiahr „überrumpelt“ werden wird. Trotzdem 
var es eine trügerische Hoffnung, daß der Vorwärts jetzt 
ufhören werde, die Seinen mit diesem Baubau scharf 
md graulich zu machen. Er kann und will auf dieses 
lgitationsmittelchen nicht verzichten. „Wir möchten raten“, 
o schreibt er zu der Erklärung der „Norddeutschen“, „die se m 
dementi nicht allzu großes Gewicht beizu— 
egen. Ist die Regierung sich auch noch nicht über den 
Vahltermin schlüfsig, so besteht doch in gewissen einfluß— 
eichen Kreisen die Ansicht, daß der Reichstag, falls 
er die Reichswertzuwachssteuer ablehnt, so— 
sort aufgelöst werden und dann unter der Parole, 
zaß der Reichstag die notwendigen Mittel zur Heeres— 
eform, Veteranenfürsorge usw. verweigere, der Wahlkampf 
röffnet werden müsse“. — Dagegen ist natürlich nichts 
u machen. 
Die portugiesische Gefandischaft in Verlin erklärt: Die 
Tatsache, dah der Eisenbahner-Streik dank der Vermittlung 
er Regierung und der feindlichen Haltung der Massen 
jegenüber den Sireikenden so schnell beigelegt worden ist, 
äht hoffen, daß andere Kategorien von Arbeitern davon 
wWbsehen werden, in nächster Zeit die Arbeit einzustellen. 
In ihrer letzten Sitzung hat die Junta des öffent— 
ichen Kredits beschlossen, die für die Zinszahlungen 
»er auswärtigen Schuld für das 2. BSalbjiahr mötigen 
helder durch Zeichnungen zu beschaffen. Statt einer halben 
ind 8 Millionen gezeichnet worden. Das zeugt ohne 
Zweifel für die finanzielle Kraft Vortugals. 
Oesterreich⸗ Ungarn. 
In der in Wien abgehaltenen Obmännerkonferenz 
sprachen sich mehrere Redner für den Vorschlag des Präsidenten 
aus, die Debatte über die heutige Regierungserklärung mit 
der ersten Lesung des Budgets zu vereinigen. Die Vertreter 
ver Tschechen, Deutsch-Kadikalen, Ruthenen und Südslawen 
rklärten namens ihrer Klubs, daß sie sich die Stellungnahme 
yorbehielten. Präsident Pattai und der Ministerpräsident be— 
onten die Notwendigkeit einer rechtzeitigen Erledigung der 
Bankvorlage und bezeichneten die baldige Regelung der Frage 
der italienischen Rechtsfakultät als dringend wünschenswert. 
Schweden. 
Die beiden Kammern des Reichstages sind 
usammengetreten. Die feierliche Eröffnung erfolgt heute. Der 
König ernannte zum Präsidenten der ersten 
dammer Lundeberg, zum Wizepräsidenten Bischof Billing. 
In der zweiten Kammer ist Swartling Vräsident und Calles— 
holm Vizepräsident. 
Frankreich. 
Bei der allgemeinen Berarkung des Budgets des 
Aeubern lenkte Hennesy die Aufmerksamkeit des Ministers 
uuf die Ausfuhr und den Schutb französischer 
Weine und Liköre im Auslande. Pichon versprach, 
en Ausführungen des Redners Rechnung zu tragen. Dela— 
osse wies auf die Folgen hin, welche auf die Ausführung 
»es Planes, Vlissingen zu befestigen, sich ergeben 
vurden und erklärte, Deutschland würde das größte Interesse 
in der Verwirklichung des Planes haben, der von großzem 
trategischen Werte, aber eine Verletzung der Neu— 
ralität Belgiens darstellen würde. Redner ist dafür, 
daß man in dieser Beziehung mit Holland und den 
ßarantiemächten wegen der Neutralität Belgiens in Be— 
prechungen eintrete. Minister Pichon erklärte, der Plan 
»er von 18083 datiere, rief in mehreren Ländern Proteste 
jervor, besonders in Belgien. Er sei ebenfalls der An— 
icht, daß. wenn die Ausführung des Planes ernstlich in 
Frage käme, es geboten wäre, mit den interessierten Mächten 
in Besprechungen einzutreten. Thalamas ging auf die po— 
itische Lage im Orient und in Asien ein und 
rsuchte den Minister, zu versichern. daß Frankreich in 
Isien eine Politik. verfolge, die von dem Wunsche beseelt 
ei, niemandem zu folgen, und von dem Entschluß, mit 
Höflichkeit und Festigkeit die französischen Interessen zu 
verteidigen. Minister Pichon erinnerte an scine Erklärungen 
über die Lage im Orient. Frankreich schloß mit Japan 
ein Uebereinkommen ab, welches wesentlich zum Zustande— 
ommen des russischiapanischen Ucbereinkommens beigetragen 
zabe. Der Minister teilte die von dem Vorredner aus— 
jesprochene Ansicht, daß Frankreich mit China befreundet 
ein müsse. Frankreich befleihigte sich den Stoff für po— 
itische Streitigkeiten, die zwischen den verschiedenen Ländern 
sich erheben könnten, zu beseitigen. Dieselbe Politik be— 
emer Repertoire-Oper gestalten ließe, dem ein zur Lustigteit 
lo leicht angeregtes Publikum dauernd seine Gunst schenken 
vürde. Es gilt den Versuch, da es sich um die musikalisch wert—⸗ 
»ollste der Opern Lortzings handelt. 
Die diesiährigen Vorführungen der Lortzingschen Opern 
zermochten selbst einer wohlwollenden Kritik gegenüber nicht 
echt standzuhalten; sie waren von unzureicheder Vor⸗ 
zereitung und mangelnder Uebereinstimmung zwischen Bühne 
ind Orchester nicht immer freizusprechen. Auch der gestrigen 
Lorstellung hafteten diese Uebelstände an und beeinteächtigten 
ie Gesamtwirkung. Wir lassen das minder Gelungene vor⸗ 
nufgehen, um dem besser Geleisteten bereitwillig Anerkennung 
u zollen. Herr Kapellmeister Blumann haftet immer 
och zu sehr an der Partitur, um den Herrschaften auf 
»er Bühne die doch unerlählichen kleinen Freiheiten ge— 
vähren zu können. Das Orchester, der strafferen Leitung ent— 
zehrend, überschritt des öfteren die Linie, welche die Form 
»er Begleitung vor Aufdringlichleit schützt. Der Gast des 
Ibends, Herr Dr. Landriy aus Kiel, vermochte als Mar— 
mis Chateauneuf nicht sonderlich zu interessieren; die hübsche 
domanze: „Lebe wohl, mein flandrisch Mädchen“, sonst fast 
tets beifallsgekrönt, ging teilnahmlos vorüber. In dem be— 
ühmten Sextett des zweiten Aktes vermochte die Stimme 
johl durchzudringen, nicht aber ohne Anstrengung zu wirken. 
Inser sonst so trefflicher Bassist Herr Vollmer ließ sich 
nuder Partie des englischen Gesandten zu darstellerischen 
dusschreitungen verleiten, die gesellschaftlich in hohem Maße 
u beanstanden waren. Desto fester und gefallwürdiger 
tanden die seßhaften Mitglieder unserer Bühne. Allen voran 
zerr v. Schenck in der Rolle des Bürgermeisters von 
zaandam, wie der Ort geographisch stets bezeichnet wird. 
zein van Bett, musikalisch wie gesanglich unantastbar, blieb 
n den Grenzen gehalten, die die von Lortzing so echeiternd 
ezeschnete Figur nicht der Möglichkeit einer einmaligen 
kxistenz berauben. Herr Fischer sang und spielte den 
daren in seinen weicheren Gefühlen, wie in den mühsam nieder⸗ 
ekämpften Ausbrüchen des Zornes mit bestem Erfolg. Mit 
einem lustigen Peter Iwanoff hatte Herr Haas bald die 
»örer auf seiner Seite. Ihm sekundierte Frl. Stretten 
ils des Bürgermeisters Nichte mit gewinnender Schelmerei in 
olgte Frankreich in Persien, wo das euglisch-russi 
che Uebereinkommen niemals einen anderen Zwee 
zatte, als die Entwickelung Persiens. Ebenso stehe es in 
der Türkei. Der Minister bemerkte noch, er sei bei der 
Erhebung der orientalischen Völker nicht gleichgültig ge— 
blieben. Frankreich begrühte zuerst die Umwälzungen in 
der Türkei und in Persien. — Maurice Colin verbreitete 
ich über die gegenwärtigen Bedingungen des 
Seetrieges. Minister Pfchon erwiderte, es sei eine 
Besprechung zwischen mehreren Mächten im Gange. Man 
hoffe, den Seekrieg menschlicher und gerechter 
zu gestalten. UAebrigens sei ein groher Fortschritt durg 
die Haager Konferenz ins Leben getrelen, indem ein inter 
nationaler Prisengerichtshof geschaffen Fi. Em'le Constant 
sorach über die Annexion Bosniens unb der Herzegowing, 
»ie ungarische Anleihe, die Entrevue in Potsdam 
und die Lage auf Kreta. Minister Pichon kam hierauf 
auf seine früheren Erklärungen zurück. — Auf Anfrage 
Charles Benoist, warum Pichon einem deutschen 
ßause die Veröffentlichung der Dokumenté 
iber die dem Kriege 1870/71 voraufgehen— 
»en Verhandlungen überlassen habe, erwiderte 
»ieser: Ich habe mich in der Budgetkommission darüber 
rusgesprochen! (Zuruf Berteaux: Niemals! Lebhafte Be 
vegung.) Pichon hält fest daran, daß er Erklärungen 
bgegeben hat. Deschanel bemerkt: Der Minister hat sich 
nicht genügend erklärt. Emile Constant brachte darauf einen 
Antrag ein, worin er die Umstände der Veröffentlichung 
»edauert. Nunmehr erklärt Briand unter Stellung der 
Gertrauensfrage, daß die Regierung den Antrag solidarisch 
wlehne. Briand und Pichon bemerken jedoch, es sei be— 
dauerlich, daß die Dienststellen des Ministeriums vor der 
VBeröffentlichung keine genauere Erkundigungen eingezoger 
zaben. Uebrigens sei der Herausgeber, fügte Pichon hinzu— 
rein Deutscher, sondern naturalisierter Franzose. Sodann 
vurde mit 346 gegen 157 Staͤmmen die einfache Tages— 
ordnung angenommen, der die Regierung zustimmte. Die 
Generaldiskufsion wurde hierauf geschlossen und die Sitzung 
aufgehoben. 
In der gestrigen Sitzung der Deputiertenkammer wies 
Minister Pichon auch den von Jaures in der vorhergehenden 
Sitzung erhobenen Vorwurf zurück, daß er sich der englisch— 
russischen Konvention angeschlossen habe, deren Zwech 
aach Jaures die Teilung Persiens gewesen sei. Niemals 
rerfolgte dies Abkommen in unserer Auffassung und ganz 
sicher ebensowenig in der Auffassung der kontrahierenden Mächte 
dieses Ziel. Das Abkommen beendete im Gegenteil den 
Antagonismus, der zu einer Teilung hätte führen können. 
Diese Konvention sei eine der glüdlichsten, die seit langen 
Jahren abgeschlossen seien. Sie sehen wohl ein, wie viele 
Schwierigkeiten entstanden wären, wenn es in dem Augen— 
zlick der Krisis, die sich aus der Annexion Bosniens und der 
hberzegowina ergab, in der persischen Frage zu Verwickelungen 
Jekommen wäre. Was die Türlkei betrifft, strengten wir uns 
m, politische Verwidelungen dadurch zu vermeiden, daß wir 
eine Lösung der Fragen anstreben, die uns auf ökonomischem 
Hebiete trennen könnten, da auf diesem eine Verständigung 
eichter ist. — Emile Constant fragte an, ob die Ansichten 
»er Regierung über die Emission der für die Bag dade 
»ahn erforderlichen Kapitalien dieselben seien, wie im 
Vorfjahre. Pichon antwortete, die französische Regierung werde 
zur dann die Zustimmung zu einer Beteiligung französischen 
Zapitals an diesem Unternehmen geben, wenn sie dieselben 
VBorteile wie das meistbegünstigte Land erhalte. Er bemerkte, 
reine fremde Macht habe das Recht, Eisenbahnkonzessionen in 
»er Türkei zu vergeben. Es stehe einzig der Türkei zu, 
Konzessionen zu bewilligen. Man habe ihn kürzlich über 
die Tragweite der Potsdamer Begegnung befragt, und 
»b es sich dabei um Persien gehandelt habe, worin Rußland 
kisenbahnen zu bauen beabsichtige, von denen eine Linie nach 
der türkischen Grenze gehen solle. Es sei der Hauptgegenstand 
der Potsdamer Besprechung gewesen, und es sei möglich, daß 
»er Verlauf der Besprechung und, ohne daß Rußland Frank— 
eich hätte unterrichten müssen, die Erörterung sich auf den 
twaigen Anschluß der Linien, wenn es zunm Bau käme, 
erstrect habe, und daß Deutschland die Forderung gestellt 
habe, daß man ihm bezüglich des Anschlusses keine Schwierig— 
keiten mache. Warum solle Frankreich opponieren? 
Bei der Beratung des Gesetßzentwurfs über die Ergän—⸗ 
zungskredite für Marokko im Jahre 18910 stellie 
Jaurès fest, daß die Besetzung iährlich 8 Millionen er— 
— — — 
»en Duetten und größeren Ensemblesätzen. Frl. v. Neuen-— 
dorff war als Frau Brown durchaus am Platze. Wie wir 
unser Urtei! zu begründen suchten, trug die Aufführung kaum 
mehr als einen Achtungserfola davon. 
Prof. C. Stiehl. 
Lübeck, 17. Jan. 
Stadthallen-⸗Theater. . 
Gastsprea er,vwariienne“ 
Ameriean⸗french Sketche Companuy. 
Offen gestanden, fühle ich mich nach dem Anschauen von 
aier, durch keinerlei Idee verbundenen Einaktern immer ähnlich, 
vie nach einem gar zu mannigfartigen Souper oder nach einer 
Kinematographenvorführung. Für Schristiteller und Schau— 
pieler ist die andauernde Beschaͤstigung mit diesen dramatischen 
5inbryonen ein sicherer Verderb ihrer Kunst. Das große 
Publikum ist ja an theatralische Gaben in „Stüclen“ schon 
gewöhnt, und der Snob läßt das schöne neue Fremdwort 
„Skeich““ mit Genießerschaft auf der Zunge zergehen. Für 
zchriftsteller, deren Talent nicht zu einem gesunden Einakter 
oder gar zu einem Drama langt, sind diese Einakterchen⸗ 
Ensembies ein bequemer Unterschlupf. 
Aber wenn ein solches mixtum compositum von Vor— 
tellung genießbar bleiben soll, dann muß es flott herunter⸗ 
zespielt werden, und die Pausen dörfen dem Publikum nicht 
Helegenheit geben zur Gründung geselliger Klubs, Abhaltung 
von Pfänderspielen und zu verzweifelten Proben alademischer 
Förscalsitten. Andererseits litten die Schauspieler ganz na— 
fürlich unter der Oede des an sich schon so stimmungslosen 
Theatersaales. 
Im ersten Stückchen, das zur Abwechselung in Amerika 
spielt, wird ein nachgerade totachetzter Trick als Knalleffekt 
an den Schluß gesetzt. Claire Bekker spielte die Tochter 
des Portiers recht hübsch, der von Robert Staerk durch— 
dacht dargestellt wurde. 
Das Boudoir sodann der Schauspielerin Lavalière war 
aAllerliebst ausgestattet; was sich darin zutrug, war weniger 
allerliebst und wurde leider nicht recht glaubhaft gemacht. 
Fräulein Christophs ewiges Gelicher in unalaublich hohen 
——— ———
	        
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