Full text: Lübeckische Anzeigen 1911 (1911)

uf und Betrieb berühren, sind mehrfachen Mißver— 
täudnissen begegnet. Zu ihrer Beseitigung durften 
die nachfolgenden Klarstellungen beitragen: Bei den Volkszäh— 
ungen, wie sie vom Bundesrat alle fünf Jahre angeordnet 
verden. und bei den Berufs⸗ und Betriebszählungen, wie sie 
n längeren Zeitabständen auf Grund besonderer Reichsgesetze 
»us Reichsmitteln durchgeführt werden, erfolgt die Erhe«4 
»ung und Vrüfung des Zählstoffes durch örtliché 
Ztellen. Die Verarbeitung zu Landesüuber— 
sichten und zu den fsonstigen Uebersichten für bundesstaat— 
iche Zwecke sowie die textliche Bearbeitung fur die meist sehr 
ingehenden bundesstaatlichen Veröffentlichungen werden dursch 
die statistischen Zentralstellen der einzelnen 
undesstaaten vorgenommen. Erst auf Grund der von 
ꝛen bundesstaatlichen statistischen Zentralstellen gelieferten 
zahlentafeln kann das Kaiserliche Statistische Amt die vom 
zundesrate vorgeschriebenen, von Reichswegen zu veröffent- 
icheliden Reichsübersichten zusammenstellen und verarbeiten. Bei 
»iesem Verfahren leiden die Arbeiten für die vom Bun⸗ 
»esrat vorgeschriebenen Reichsveröffentlichungen an drei 
Mängeln. Sie entbehren zunächst der vollen Gleich-— 
näßigkeit der Bearbeitung, sie werden ferner durch ihre 
Verteilung auf eine größere Zahl aufbereitender Stellen ver⸗— 
reuert, und endlich führt das jetzige Verfahren weiter zu 
einer ssarken Verzögerung bei der Fertigstellung der 
Reich⸗veröffentlichungen. Um den erwähnten Mängeln bei künf— 
igen großen Reichszählungen vorzubeugen, kann der Teil 
der Arbeiten, der für die vom Bundesrat vor⸗ 
zeschriebenen Reichsveröffentlichungen nöti— 
it, behufs einheitlicher, schnellerer und billigerer Erledigung 
mit Hilfe wirksamer technischer Hilfsmittel im Kaiserlichen 
Statistischen Amte vereinigt werden. Bei der 
etzten Berufs⸗ und Betriebszählung haben bereits 14 deutsche 
Staaten die Aufbereitung dem Kaiserlichen Statistischen Amte 
ibertragen. Für die von der Reichsverwaltung wahrzuneh— 
nenden Bedürfnisse kommt nur der eben erwähnte Teil der 
Aufbereitungsarbeiten in Frage. Alle anderen Teile 
ꝛer Aufbereitung würden unter allen Umständen den 
bundesstaaten verbleiben, falls sie es nicht selbst 
»orziehen. diese Arbeiten dem Kaiserlichen Statistischen Amte zu 
übertragen. 
Frankreich. 
BNachdem Jaurös in der Kammer rühmend eines im Temps 
rschienenen Artikels von Tardien gedacht hat, erklärt sich der 
Temps mit seinem intimsten Feinde Jaurös halb und halb soli— 
arisch, und zwar bei seiner Rüge der diplomatischen 
zurückhaltung Frankreichs in den Fragen der Ori— 
eutpolitik. Der Schluß des langen Artikels, in dem 
ioch einmal eine größere Aktivität auf diesem Gebiete ange— 
raten wird, ist ein Hymnmnus auf den Minister Pichon, der 
den ruhigen Weg schon finden werde, wenn er nur seiner eigenen 
Ansicht folgt und sich nicht anderer Meinung anbequemt. In 
dieser Lobrede zieht ein kEleiner Satz die Aufmerksam⸗ 
keit auf sich: „Es ist zu wünschen“, sagt der Temps, „dah 
Pichons Dienste dem Lande noch lange erhalten 
vleiben“. Wer den diplomatischen Stil kennt, der weiß, daß 
einiges nur dann ausgesprochen wird, wenn an die Gefahr einer 
Zcheidestunde zu denken ist. Sollte es richtig sein, daß in der 
evorstehenden Debat‘e über die Ngoko-Sangha-Entschädigung 
ein Verstoß gegen Pichon geplant wird, der dessen Stellung 
erschüttern könnte? Es ist zwar wenig wahrscheinlich, aber 
der Temps ist meistens sehr gut unterrichtet? 
er macht nur selten Redensarten, die nichts bedengß« 
ren, und der Temps nimmt an dem Schicksal der Ngoko— 
Sangha⸗Gesellschaft einen überaus lebhaften Anteil, weil sein 
Lusiandsredakteur zu den Schiedsrichtern in der Entscheidungs⸗ 
rage gehörte. Deshalb gibt diese Bemerkung des Temps 
zu denken. 
heer und Flotte. 
W. Berlin, 16. Jan. Der Ablösungsdampfer „Neckar“ 
nit dem Ablösungstransport für das Kiautschougebiet und 
das Flußkanonenboot„Tsingtau“ sind auf der Ausreise am 
1i6. Jan. in Vort Said eingetroffen und setzen am 16. Jan. 
die Reise über Colombo (Ceylon) fort. R.P.⸗D. „Derff⸗ 
inger“ mit dem Rekrutentransport för die Marinefeldbatterie 
Tsingtau ist auf der Ausreise am 16. Jan. in Shanghai 
ingetroffen und setzt am 17. Jan. die Reise nach Tsingtau 
fort. „Gneisenau“ ist am 14. Jan. in Cochin (Vorder⸗In⸗ 
dien) eingetroffen und geht am 18. Jan. von dort nach 
CLolembo (Ceylon.) Flußkanonenboot „Vaterland“ ist am 14. 
in Tschingkiang am Yangtse eingetroffen und geht am 25. Zan. 
von dort nach Nanking. Flußkanonenboot „Tsingtau“ ist am 
4. Jan. in Hongkong eingetroffen und geht am 23. Jan. von 
rt nach Canton. 
leueste Nachrichten und Telegramme. 
Wt. Berlin, 16. Jan. Beim Reichsskanzler und Ge— 
nahlin findet heute abend ein Diner für das Präsidium des 
deichsftags und die Fraktionsvorsitzenden statt. 
We Berlin, 16. Jan. Der Reichsanzeiger veröffentlicht 
den Entwurf des Versicherungsgesetzes für Angestellte. 
W. Berkin, 16. Jan. Das Abgeordnetenhaus 
vählte das Präsidium wieder und setzta die Etatsberatung 
iort. 
W* Braumschaveig, I6. Jan. Die Braunschweiger Neuest. 
stachrichten melden: Der Herzogregent lehnte das Ent— 
assungsgesuch des Hoftheaterdirektors Frederiks ab. 
W. TDoesden, 16. Jan. Das Dresdner Journal ver⸗ 
zffentlicht eine ministerielle Verordnung über die Ein fuhr 
ovon Schlachtrindern aus Frankreich nach Sachsen. Es 
dürfen wöchentlich eingeführt werden auf dem Schlachthof in 
Dresden bis zu 500 Rinder, in Leipzig bis zu 500, inChem⸗ 
ritz bis zu 300, in Zwichkau bis zu 200 und in Plauen bis 
u 200. 
W. Stuttgart, 16. Jan. Der französische Haupt⸗ 
nann Lux, der vor mehreren Wochen in Friedrichshafen 
inter dem Verdacht der Spionage von einem früheren 
Straßburger Volizeibeamten verhaftet wurde und sich seither 
n Haft befindet, wird dieser Tage von zwei Polizeibeamten 
iach Straßburg gebracht, wo die Untersuchung weitergeführt 
vird. 
W. Kepenhagen. 16. Jan. Das Landwirtschafts⸗ 
ministerium hebt die wegen der Maul- und Klauen⸗ 
enuche über Teile des Amtsbezirks Aarhus und Skander— 
zurg verhängte Sperre morgen auf, da die Seuche 
röllia erloschen ist. 
Wet. Wildenbruchh, 16. Jan. Daͤe Fundstelle des ver⸗ 
jeintlichen Ballons „Sildebrandt“ ist abgesperrt. Der 
zallon und die toten Insassen bleiben unberührt, bis eine 
lntersuchung durch Sachverständige stattgefunden hat, die mor—⸗ 
en vorgenommen werden soll. 
Wt. Lissabon, 16. Jan. Der Eifenbahntunnel von 
chella ist durch die EEplosion einer Bombe beschädigt 
orden. Die Züge auf der Lissaboner Gürtelbahn werden 
nfolgedessen umgeleitet. 
Wt. London, 16. Jan. Ben Tillett, der Sekretär der 
dock- und Werftarbeiter Großbritanniens sagte in 
inem Interview, es werde zweifels ohne zu einem Aus⸗- 
band kommen. Man müsse jedoch nicht denken, daß die Krö⸗ 
ungzeit gewählt werde. Es sei reiner Zufall, daß die Krö⸗ 
ung in dieser Zeit liege. Der Ausstand sei unter den 
egenwärtigen Umständen un vermeidlich. Die Pläne müß— 
en geheim gehalten werden. Der Ausstand werde, wenn er 
tattfände, innerhalb 24 Stunden in den britischen, deutschen 
nnd amerikanischen Häfen begonnen. Die Leute würden unter 
en obwaltenden Bedingungen in den Ausstand getrieben. 
deutscher Reichstag. 
W. Berlin, 16. Januar. 
Nach debatteloser Erledigung der Petitionen tritt das 
ius in die zweite Beratung des Zuwachssteuer- 
esetzes ein. 
Abg. Graf Westarp (kons.): Wir stimmen dem Grundgedanken 
es Gesetzes, wie es sich in der Kommission gestaltet hat, zu. 
dicht nur fiskalische, sondern auch sozialpolitische Momente 
ind bei dieser Steuer zu berüchsichtigen, damit der Grund 
nd Boden nicht übermähig verteuert wird. Das bewegliche 
tapital dieser Steuer zu unterwerfen, erscheint zurzeit un— 
urchführbar, trotzdem halten wir diesen Gedanken für gut. 
der Zweck der Steuer ist, einen richtigen Ersatz für den Um— 
atzstempel zu erreichen. Dieser Zweck wird durch die Vorlage 
rreicht. Das Erträgnis sollte wenigstens zum Teil den Vete— 
anen zugute kommen. 
Staatssekretär Wermuth: Die Entscheidung fällt in der 
zorlage auch über den Gedanken, ob die Zuwachssteuer auch 
ür die Gemeinden einzuführen ist. Der Zentralverband der 
zrundbesitzer sagt von seinem Standpunkt aus mit Recht, 
aß diese Steuer keinesfalls dem Reich gehöre. Es ist rich— 
ig, daß, wenn sie für das Reich fällt, sie auch nur in ganz 
venigen Gemeinden gehalten werden könnte. Don beweist 
ie Bewegung in den Berliner Vororten und im Westen. 
Insofern geht das Interesse von Reich und Gemeinden Hand 
n Hand. Das Recht des Reiches geht aber voran. Von mehr 
ils dreihundert Gemeinden, die die Wertzuwachssteuer haben, 
aben 97 Prozent keine Steigerung der Grundstückspreise und 
Nieten und keine Einschränkung der Bautätigkeit zu ver—⸗ 
eichnen. Der Prozentsatz der Fälle, in denen überhaupt Folge⸗ 
ischeinungen dieser Art beobachtet wurden, ist also ganz gering. 
er Mietertrag erklärt ausdrüdlich, daß die Mieler von der 
uwachssteuer nichts zu befürchten haben. Die Landwirtschaft 
eht in der Zuwachsteuer eine Einschränkung des unsoliden 
üterhandels. Selbst die Hausbesstzer und die Grundbesitzer 
»weit sie die Einzelheiten des Gesetzes ausreichend würdi— 
en, halten die Vorlage für gut. Der Mittelstand und der 
eine Mann sind die überzeugenbdsten Freunde der Zuwachs⸗ 
euer. Ich versichere aufs bestimmteste, daß die Regierung 
lle Härten und Ungleichheiten vermeiden wird. Allerdings 
rauchen wir eine längere Uebergangszeit. Deshalb müssen 
pir den sicheren Ertrag des Umsatzstempels behalten, bis die 
Zuwachssteuer sich entwickelt hat. Dann kommen die An— 
orderungen des Etats auch für die späteren Jahre, nament⸗ 
ich für unsere Wehrkraft und Sozialpolitik, die wir voraus— 
ehen, vor. Gört, hört!) Unsere Schätzungen der Erträg⸗ 
lisse find durchaus brauchbar. Gewiß soll der Ertrag teils 
en Veteranen zugute kommen. Die Sanierung unserer Finan—⸗ 
en darf nicht auf halbem Wege stehen bleiben. Für wirk— 
iche Bedürfnisse auch wirkliche, keine Scheinmittel, da gibt es 
ein Wanken, kein Weichen! 
Abg. Marx (Itr.): Wir sind grundsätzlich für eine Wert⸗ 
uwachssteuer, die dem Reiche zugute kommt. Eine neue Be— 
astung des Nationalvermögens wollen wir vermeiden, des—⸗ 
zalb fordern wir. die Beseitigung des Umsatzstempels. 
Staatssekretär Wermuth: Die Auffassung, als ob das 
keichsschatzamt die Steuergesetze ohne Berücksichtigung der 
dechte und Interessen des Volkes ausgearbeitet hat, trifft 
icht zu. Angesichts der Abschwächungsanträge wird es mir 
llerdings zweifelhaft, in welcher Weise für die Veteranen ge— 
orgt werden soll. (Hört! Sört!) Unsere Berechnungen sind 
lsicht derart angelegt, daß günstige Beispiele herauskommen 
nußten. 
Abg. Göhre (Soz.):, Wir beantragen die Wiederher—⸗ 
ellung des Paragraphen 1 der ursprünglichen Regierungs⸗ 
»orlage. Wir werden an dem Zustandekommen des Gesetzes 
n allem Ernst mitarbeiten. 
Abg. Weber (natlib.) Wir stehen nach wie vor auf dem 
ztandpunkt, daß die Wertzuwachssteuer trotz mancher Bedenken 
mzustreben unvermeidlich ist, und daß die Steuer schließlich 
»och dem Erwerber des Grundstücks zugeschoben wird. Be— 
onders schwer ist es, für das ganze Reich allgemeine Grund⸗ 
ätze zu schaffen. Der Anteil der Gemeinden an dem Steuer—⸗ 
rtrage sollte erhöht und der Anteil der Bundesstaaten redu⸗ 
iert werden. Wird die Steuer eingeführt, muh der ganze 
zrundbesitz herangezogen werden, auch die landesfürstlichen 
zäuser. Dagegen sind wir nicht dafür zu haben, daß der 
chwer verdiente Zuwachs unter die Steuer failt. 
Abg. Cuno (Fortschrittsparteij: Zu einer an sich wun—⸗ 
chenswerten Verbilligung des Bodens wird das Gesetz nicht 
ühren. Die Beibehaltung des Umsatzstempels erscheint nicht 
ünschenswert. 
Die Weiterberatung wird auf morgen 1 Uhr vertagt. 
Sprechsaal. 
Für den Inhalt dieser Rubrik übernimmt die Redaktion 
keine Verantwortung.) 
Eingesandt.) 
Wettersäule in der Vorstadt St. Gertrud. 
Wir werden um Aufnahme folgender Ausführungen er— 
ucht: Die Vorstadt St, Gertrud besitzt seit einigen Jahren 
ine vom St.Gertrud-Verein aufgestellte Uhr in der Nähe der 
Zurgtorbrücke, deren Gang seit der Einführung elektrischer 
zeleuchtung der Zifferblätter anstatt des bisher benutzten Gas— 
ichtes nichts mehr zu wünschen übrig läht, und deren Ziffer— 
sätter auch bei Dunkelheit nach allen vier Seiten hin deutlich 
dithar sind. Gerade durch diesen Umstand unterscheidet lie 
ich vorteilhaft von der vor dem Mühlentor ausgestellten Uh. 
ẽentspricht die Uhr somit den praktischen Anforderungen, so wir 
ie ästhetisch nicht befriedigend, da der Uhrkasten auf einer ve— 
ältniemäßig zu dünnen Säule ruht. Eine Abänderung dieses 
tehlers ist nicht ohne weileres möglich, es sei denn, daß 
in Umbau stattfindet, der zugleich einem weiteren Mange'l 
ibhelfen könnte. Es besitzt nämlich die Vorstadt St. Gen 
rud bisher noch keine öffentlich ausgestellten meteorologi— 
hen Instrumente, insbesondere kein selbstregistrierendes Thermo— 
neter und Barometer, wie sie die Wetterhäuschen vor dem 
MNühlentor und vor dem Holstentor haben. Schon lange 
var es ein vom St. Gertrud-Verein vertretener Gedanke, 
olche Instrumente — und zwar zunächst getrennt von der 
Ihr — in einem Säuschen oder Kasten öffentlich aufzu— 
tellen. Der Plan scheiterte aber an der Platzfrage. Neuer— 
ings ist nun der Gedanke aufgetaucht, beide Proiekte, die 
zerschönerung der Uhr und die Aufstellung der genannten 
instrumente, zu verbinden und zwar mittels eines Umbaues 
er Uhr durch eine Ummantelung, so daß das Aeußere 
en Wetterhäuschen vor den anderen Toren einigermaßen 
ihnlich wird. Auf einem Betonunterbau soll sich zunächst ein 
vürfelartiger Aufbau aus Eisen erheben, hierauf dann etwa 
n Augenhöhe ein sich nach oben veriüngender weiterer Aufbau, 
»er nach allen vier Seiten Glasfenster bekommt. zur Auf— 
iahme meteorologischer Instrumente, Wetternachrichten, eines 
Blanes der Vorstadt und eventuell einiger geeigneterKeklame— 
childer. Hierauf wird dann die Uhr, wie sie jeztt ist, sich 
rheben, welche durch eine kupferne Haube mit Wetterfahne 
ekrönt werden soll. 
Der St. Gertrud-Verein hat in seiner Versammlung vom 
2. Januar dem Plane im allgemeinen seine Zustimmung 
rteiit. Ueber die Aufbringung der Mittel — es werden 
twa 1000 Meunötig sein — soll eine spätere Versammlung 
Beschluß fassen, doch steht schon jetzt fest, daß aus vorhan— 
enen Vereinsmitteln die Unkosten nicht gedeckt werden können, 
»aß vielmehr die Vorstadtbewohner ihr Interesse on dem 
blane dadurch bekunden müssen, daß sie zu einer einzu— 
eitenden Sammlung beisteuern. Erst wenn hierdurch der Be— 
deis erbracht ist, daß die Bewohner der Vorstadt, die doch 
„hne Ausnahme an dem Plan interessiert find, ein gewisses 
Rpfer bringen wollen, ist zu hoffen, daß die Verschöne— 
ungsabteilung des St. Gertrud-Vereins einen erheblichen 
zeitrag zur Verfügung stellen wird. 
Der Zweck dieser Zeilen ist, die Bewohner der Vor— 
ladt, die bisher von dem Plane noch nichts wissen sollten, 
arauf hinzuweisen und ihre Hilfe zu erbitlen. Was die Ve— 
zohner der Vorstadt St. Jürgen in verhältnismäßig kurzer 
zeit zustande gebracht haben, sollte die Vorstadt St. Ger— 
rud auch bewerkstelligen können. Es darf bemerkt werden, 
aßß die Gesamtunkosten der Uhr nebst dem Umbnu sich 
ler Wahrscheinlichkeit nach nicht höher stellen werden, als 
die die Gesamtkosten der Uhr mit Wetterhäuschen vor dem 
N]uhlentore. Es wird also nicht zu befürchten sein, daß durch 
‚en Umbau der Uhr Geld verbraucht wird, welches man bei 
leichzeitiger Errichtung der Uhr und des Wetterhäuschens 
ätte sparen können. Fülr ein gutes Gelingen des Werkes 
uͤrfte der Umstand wesentlich beitragen, daß das Bau—⸗ 
imt sich freundlich bereit erklärt hat, den St. Gertrud-Verein 
m dieser Angelegenheit mit seinem Rate zu unterstützen. — 
Dar Prozeß gegen den Bildergrafen d'Aulby hat jetzt vor 
»eni Gericht in Tours sein Ende erreicht. Der falsche Graf 
»urde zu einem Monat Gefängnis verurteilt, seine 
ßattin wurde freigesprochen. Das Urteil erfolgte, weil 
Aulby ein Gemälde, das er selbst als ein Werk „nach 
er Art Corots“ gekauft hatte, an seine amerikanischen 
freunde als einen echten Corot weitergegeben hatte. Das 
Irteil, das weit hinter dem Antrag des Staatsanwalts 
urücbblieb, wurde vom Publikum mit Beifall begrüßt. 
Wahnfinnefzene in einem Zirkus. Bei einer Zirkusvor⸗ 
tellung im Teatro Adriano zu Rom wurde plötlich ein 
unger Mensch mit Namen Jonotti irrsinnig und zer— 
chnitt einer neben ihm sitzenden Dame das Gesicht. 
im Zirkus entstand eine große Panik. Die Dame wurde 
chwerverletzt und, für immer verunstaltet, in ein Hospital 
ebracht. Der Wahnsinnige wurde verhaftet. 
Ein Brief der Tarnowska. Der Mailänder Secolo ver— 
ffentlicht einen Brief der Gräfin Tarnowska an ihren 
zerteidiger, woraus die schwere seelische Verfassung der 
ranken Verbrecherin hervorgeht. Sie schreibt: „Ich weiß 
sicht mehr, was ich denke und tue. Fast bin ich schon voll— 
ändig erblindet. Ich will nichts mehr um mich haben, 
lichts um mich sehen. Von Zeit zu Zeit erscheint mir alles 
litzernd weiß wie Schnee. — Erblinden ist ein grausames 
zchicksal. — Mein Kind möchte ich noch einmal sehen. Und 
ann meinen Vater, der aus Europa fortfuhr, um in der 
Zeiten Welt Zeugen für mich zu suchen. Ich habe erst heute 
vieder einen neuen Anfall gehabt. Wahrscheinlich werde ich 
vahnsinnig; vielleicht bin ich es schon. Die Angst vor diesem 
Zchichsal will mich erwürgen. Könnte ich mit meinen eigenen 
dägeln doch mir das Herz aus dem Leibe reißen.“ 
Volkszählung in Norwegen. Nach der am Schluß des 
origen Jahres unternommenen Volkszählung in Norwegen 
eträgt die Einwohnerzahl des Landes 2390000 ((1900: 
240 000. 1891: 2000917). Danach stieg im Jahrzehnt 
890 bis 1900 die Volkszahl um zirka 113 00, während die 
zunahme im folgenden Jahrzehnt nur zirka 62 600 beträgt. 
.K. Lebendig begraben. Im Oktober des vergangenen 
zahres sollte in Mailand eine junge Frau bestattet werden, 
er Sara war bereits im Hause und die Totengräber waren 
ereits eingetroffen, um den Sarz zu schließen. Der Gatte, 
er weinend neben der Bahre sat, verweigerte den Männern 
en Eintritt, und diese Regung eines verzweifelten Schmerzes, 
ie man kopfschüttelnd sür ein Zeichen beginnenden Wahn— 
inns ansah, gab den Ereignissen eine unerwartete Wendung: 
luter den Tränen des Mannes schlug die vermeintlich Tote 
hre Augen auf, sie lebte, und ein Zaudern von wenigen Mi— 
iuten entriß sie der Gefahr, lebendig begraben zu werden. Die 
iberta erzählt hieran anknüpfeid einige Fälle, die weniger 
lücklich verlaufen sind. Im Herbit des vorigen Jahres öffnete 
nan in Youngstown in Amerika das Grab eines jungen 
Nädchens, das vor einigen Tagen beerdigt worden war; als 
»er Sargdeckel abgenommen wurde, stand man der grausigen 
krkenntnis gegenüber, daß die Unglückliche erst wenige Minuten 
or der Ausgrabung gestorben sein muß. Die Lippen waren 
m Schmerz verzerrt, die Nägel der Hände bluteten und man 
ah die Spuren der Anstrengungen, unter denen die Aermste 
n ihrer Verzweiflung den Sargdedel zu sprengen suchte. Das— 
elbe ereignete sich mit der Gattin des bekannten römischen 
Vermischtes.
	        
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