Full text: Lübeckische Anzeigen 1911 (1911)

den Londoner Festlichkeiten nicht erwünscht sei. 
Der Schritt wird damit begründet, daß die Grausamkeiten, die 
die scherifische Mahalla — namentlich bei den letzten Aus— 
fällen — gegen Weiber und Kinder begangen habe, aͤls ent⸗ 
ehrend für die Regierung des Sultans angesehen würden. Es 
sei zu befürchten, daß die öffentliche Meinung Englands den 
Vertretern Mulan Hafids einen unfreundlichen Empfang bereite, 
vas man aus Courtoisie vermeiden möchte. 
W. Paris, 3. Juni. Aus Tanger wird gerüchtweise ge— 
meldet, der bisherige Minister des Aeußern, El Mokri, werdé 
zum Großwesir, El Gebbas zum Minister des Aeußern und 
Mohammed Tasi zum Stellvertreter des Sultans in Tanger er— 
nannt. 
O, 
Beherzigenswerte Worte eines Detaillisten. 
Ein Mitglied des Hansabundes aus dem Kaufmannsstande 
rendet uns folgende beherzigenswerten Ausführungen: 
„Die Tatsache, daß ein Teil der heranwachsenden Jugend 
ich scheut, „hinter dem Ladentisch“ zu stehen, hat zur Folge, 
daßz besonders die kaufmännischen Spezialbranchen unter Ver— 
sonalmaängel leiden, und daß auf der anderen Seite das gebil— 
dete wissenschaftliche Proletariat sich vermehrt. Wer es nur 
eben durchsetzen kann, läßt seinen Sohn studieren. Auch die 
subalterne Beamtenlaufbahn nimmt einen großen Teil junger 
Leute auf, deren Fähigkeiten sie besser geeignet machen würden, 
im freien Wettbewerb eine geachtete Stellung sich zu ver⸗ 
schaffen. Gerade diejenigen, die mit guten Schulkenntnissen aus— 
gerüstet sind und eine gute häusliche Erziehung genossen haben 
finden im praktischen Leben ein weites Feld der Betätigung. 
Der Kaufmannsstand braucht nicht nur junge Leute, die ledig⸗ 
lich die fertige Ware verlaufen können, sondern er braucht 
Menschen, die selbst bei der Saie!lung der verschiedensten Ver— 
kaufsprodukte tätig sein tönnen und dabei Gelegenheit finden, 
ihre Talente zu verwerten, weit hesser als es im engen Raume 
der Beamtenlaufbahn möglich ist. 
Unsere ganze Zeit durchzieht das Wehen eines Geistes, der 
den Kaufmann antreibt, die Stellung wieder zu erreichen, die 
er einit zur Zeit der alten Hansa, der Fugger usw. inne gehabf 
iat. Freilich muß er sich seine Stellung im Volks- und Staats— 
leben erst wieder erkämpfen, um sich das Ansehen zu erringen, 
das teiweise verloren ging, und das den Kaufmannsberuf für 
die heutige Jugend wieder als erstrebenswert erscheinen läst. 
Dann wird auch das „Stehen hinter dem Laden— 
kisch“ nicht als eine Entwertung für den gebil— 
deten Menschen angesehen werden, sondern als 
eine gute Schule des Lebens. Dann wird das ge— 
bildete Proletariat ebenso verschwinden wie dasjenige Personal, 
das sich jetzt dem Kaufmannsstande zwar widmet, aber für ihn 
seiner Schulbildung und häuslichen Erziehung wegen ungeeignet 
ist. Dem Hansabund aber dürfte sich hier eine beachtenswerte 
Aufgabe erschliezen, eicht nur dem Kaufmanne seine Stellung 
im politischen Leben wieder zu verschaffen, sondern auch für 
seine Kräftigung und Gesundung im wirtschaftlichen Kampf zu 
streben. Dieses Ziel aber kann nur erreicht werden durch Her⸗ 
rnziehund eines auften und geeinmneten Nochmiichses 
Neueste Nachrichten und Telegraͤmme. 
Kaiserliche Auszeichnumg Ballins. 
W. Hamburg,. 3. Juni Der Kaiser hat Herrn General⸗ 
direktor Ballin anläßlich nes 285jährigen Jubiläums mit 
einem in wärmsten Worten dehaltenen Handschreiben die Bril— 
lanten zum Kronenorden 1. Klasse verliehen. 
Der Sessions absctiet des Reichstages. 
Wt. Berlin, 3. Juni. Die Nordd. Allg. Zig. schreibt: 
Das Gesamtergebnis der Tagung ist ein beredtes Zeugnis 
für die Arbeitsfähigkeit und Arbeitswilligkeit dieses Reichs- 
tages, dessen vorzeitige Auflöfung während der letzten zwei 
Jahre vielfach gefordert wurde. Ein Beweisgrund zugunsten 
dieser Forderung ist aus der positiven Leistung des Reichstages 
nicht herzuleiten. Se!tst in solchen Blättern, die an den von 
der Regierung eingebrac,n Entwürfen oder an der endgültigen 
Gestalt der Gesetze Kriei? übten, wird beim Vergleich der 
parlamentarischen Lage vom Herbst 1909 mit der heutigen 
Situation anerkannt, daß der Reichskanzler mit seiner Hoff 
nung, der Zwang zum Schaffen werde sich über alle Partei— 
virren hinweg geltend machen, Recht behalten habe. 
Pfingsistreik der Pariser Straßenbahner und Chauffeure. 
W. Paris, 3. Juni. Die Angestellten der Straßenbahnen 
im Norden der Stadt beschlossen in der vergangenen Nacht 
in einer in Asnieres abgehaltenen Versammlung, heute morgen 
in den Ausstand zu treten. Die Führer der Kraftdroschken 
beschlossen, den Streik wieder aufzunehmen, da der Gemeinde—⸗ 
rat sich für die Aufrechterhaltung der Benzinsteuer bis zum 
31. Dezember ausgesprochen hat und wird der Ausfstand wahr— 
icheinlich über Pfingsten dauern. 
10 Millionen für die französische Luftschiffahrt bewilligt. 
W. Paris, 3. Juni. Die Liga für Luftschiffahrt ersuchte 
den Senat, für die Einrichtung von Flugstationen an der Grenze 
10 Millionen Frs. zu bewilligen. Die Senatsgruppe für Flug⸗ 
technik beschloß, das Gesuch zu befürworten. 
Die Wahl des neuen mexikanischen Präsidenten. 
W. Newnork, 3. Juni. Wie aus Mexiko gemeldet wird, 
wurde dort ein Dekret veröffentlicht, das die Präsidentenwahl 
anordnet. Am 1. Oktober sollen in jedem Staat sechs Wähler 
zewählt werden und diese sollen ihrerseits am 15. Oktober den 
Machfolger von Diaz wäblen. 
Der Champagnerstreit vor der Entscheidung. 
W. Paris, 3. Juni. Unter Hinweis auf die bevorstehende 
Entscheidung des Staatsrats über die Abgrenzung des Cham— 
pagnegebietes erließ der Winzerverband der Champagne einen 
Aufruf, in dem er vor Gewalttätigkeiten warnt und den Win⸗ 
zern rät, die Entscheidung mit der Würde hinzunehmen, die 
Männern zieme, die sich ihres Rechtes bewußt seien. 
Luftfahrt. 
Wt. Samburg, 3. Juni. Wie der Bansa⸗Luftverkehr 
mitteilt, wird „P. L. 6* morgen nicht hier eintreffen. 
Berlin, 3. Juni. Morgen, am Pfingstsonntag, nimint 
auf dem Flugplatz Johannisthal die erste nationale Flugwoche 
ihren Anfang. Sie ist die fünfte flugsportliche Veranstaltung, 
die auf dem Berliner Flugplatz zum Austrag kommt und ge— 
winnt dadurch an Bedeutung, daß sie als Prüfung zu dem 
deutschen Rundflug anzusehen ist, der am Endtage der Flug⸗ 
woche, am 11. Juni beginnt. Gemeldet haben sich 28 Flieger, 
von denen allerdings einige ausscheiden. An Preisen stehen 
ins gesamt 30 800 Mezur Verfügung. von denen 18 000 M 
Dosit Kriegasminliterium gestiftet sind 
Wt. Chemnitz, 3. Juni. Die Preisrichter sür die Sachsen— 
Flugwoche haben in einer heute nachmittag abgehaltenen Sitzung 
die Preise für den Sachsen-Rundflug wie folgt verteilt: 
. Laitsch 30000 M', außerdem Preis des preußischen 
Kriegsministeriums, bestehend in 5000 Muund Auftragerteilung 
auf ein Flugzeug nach dem System des vom Sieger benutzten 
Albatros-Doppeldecker in Söhe von 28 000 M. 2. Büchner 
15 000 M, 3. Lindpaintner 10000 M.. Lindpaintner 
wurden außerdem 11500 MeTeilstreckenpreise zuerkannt. 
Wt. Rom, 3. Juni. Frey ist auf dem Flug Paris —Rom 
heute vormittag 10 Uhr infolge Nebels bei Maccarese gelandet 
und gedenkt heute nachmittag den Weiterflug nach Rom an— 
zutreten. 
W. Polsdam, 3. Juni. Beim Prinzen Joacim 
vurde heute morgen der Bluterguß ins Knie durch Punktion ent— 
ernt. Sierdurch erhoffen die Aerzte eine Linderung 
der Schmerzen. 
W. Magdebura, 3. Juni. Der Kaiser sprach in einem 
Telegramm an den Oberpräsidenten v. Hegel sein Beileid zum 
zinscheiden des um die Industrie hochverdienten Kommerzienrats 
Polte aus. 
Wt. Oldenburg, 3. Juni. Die vom Landtage in län— 
zeren Verhandlungen festgestellte Novelle zu dem oldenbur—⸗ 
zischen Einkommen⸗- und Vermögenssteuergesetz wird von der 
sRegierung nicht sanktioniert werden, weil die Regie— 
ung, wie sie heute bekanntgiebt, mit einzelnen vom Land— 
age vorgenommenen Aenderungen der Vorlage nicht einver⸗ 
tanden ist. 
W. Düsseldorf, 3. Juni. Alfred Fürst zu Hatzfeldt- 
Wildenbruch, erbliches Mitglied des Herrenhauses, ist in 
vergangener Nacht gestorben. 
We. Rom, 3. Juni. Handelsminister Nitti legte der Kam— 
mer ein Projekt zur Durchführung der Lebensversicherungen 
ourch ein nationales Institut vor. Das Versicherungsproiekt 
setzt fest, daß nach Inkrafttreten des Gesetzes die Lebensversiche— 
rungen unter dem Monopol eines nationalen Instituts durchge— 
führt werden sollen, das mit dem Sitz in Rom begründef 
werden soll. 
Wt. Paris, 3. Juni. Präsident Fablieres besuchte 
heute nachmittag den Ministerpräsidenten Monis im Ministerium 
des Innern. 
Wt. Paris, 3. Juni. Die Agence Havas meldet aus 
Algier: General Toutée begann, nachdem er den Befehl er— 
yalten, die Operationen am Mulusja einzustellen, mit der Ein— 
ichtung der Posten, die zurückbleiben sollen, um in der Ge— 
gend die Sicherheit aufrechtzuerhalten. Der Hauptteil der Trup⸗ 
pen wird in die Garnisonen zurückehren. 
London, 3. Juni. Heute feiert Rönig Georg V. inr 
Kreise seiner Familie den 4a6. Geburtstag. Die offizielle 
Feier fand bereits vor einer Woche statt. Zahlreiche Geschenke 
varen im Birminghampalast eingelaufen, darunter auch eine 
große Kiste vom deutschen Kaiserpaare. 
Wt. Kopenhagen, 3. Juni. Da das Ackerbauministerium 
erfahren hat, daß in der Quarantäneanstalt in Rostock Fälle 
von Maul⸗ und Klauenseuche unter dem aus Falster ausgeführten 
Vieh vorgekommen sind, ver bot das Ministerium durch Be— 
kanntmachung vom 3. Juni jegliche Rusfuhr von Rin— 
dern, Schafen, Ziegen, Schweinen sowie Heu und 
Stroh aus Laaland, Falster sowohl nach anderen Teilen des 
Inlandes wie dem Auslande. 
W. Petersburg, 3. Juni. Ssasonow ist heute mittag 
ins Ausland abgereist. 
Wt. Bekgrad, 3. Juni. König Peter wird seinen 
Besuch in Paris Ende Januar abtjstatten. 
Wt. Sofia, 3. Juni. Die vorläufige seitens Bulgçc— 
riens geführte Untersuchung ergab, daß der am 27. Mai in 
Devebair getötete Offizier von türkischen Soldaten, die auf 
die Bulgaren feuerten, erschossen und nicht von Bulgaren getötet 
wurde. Da das Ergebnis der von der Türkei geführten Un— 
tersuchung mit dem bulgarischen nicht übereinstimmt, schlug 
die bulgarische Regierung eine neuerliche Untersuchung vor. 
W. Konstantinopel, 3. Juni. Der Thronfolger be— 
giebt sich morgen über Varis, wo er sich einige Tage auf⸗— 
hält, zu den Krönungsfeierlichkeiten nach London und dann 
nach Turin. 
W. Athen, 3. Juni. Die Kammer beendete die Debatte 
uber die Revision der Verfassung. 
Oldesloe, 3. Juni. Wie verlautet, ereignete sich heute 
nachmittag auf der Hamburger Chaussee ein Automobil— 
unfall, wobei von den Insassen eine Dame schwer ver 
letzt wurde. Näheres fehlt. 
W. Oberstein a. d. Nahe, 3. Juni.‘ Die von hier am 
31. Mai verbreitete Nachricht, derr Tod des Bürger— 
meisters Klingelhöfer von Sien hänge mit Unter—⸗ 
chlagungen zusammen, deren sich der Verstorbene schuldig ge— 
macht habe, ist durchaus unbegründet. Klingelhöfer ist einem 
herzschlage erlegen. Seine Geschäftsführung war bis zu seinem 
Ableben völlig tadellos, die anderslautenden Angaben sind 
»öllig unwahr und beruhen auf böswilliger Erfindung. 
Wt. Graz, 3. Juni. Die Frau des an Cholera verstor— 
benen Postbeanmten Franzki, seine beiden Söhn und die Wärterin 
Franzkis wurden aus dem Isolierhause entlassen. Die übrigen 
ilf beobachteten Personen befinden sich wohlauf. Das Be— 
inden der an Cholera erkrankten Schwägerin Franzkis. Frau 
Lebinger, hat sich gebessert. 
W. Triesft, 3. Juni. Vor einigen Tagen war unter den 
Arbeitern des Stabilimento Tecnico Triestino eine Lohn— 
hewegung ausgebrochen, die sich in passiver Resistenz do 
kumentierte. Nunmehr ist die Lohnbewegung beigelegt. Die Ar 
beiter beschlossen die unveränderte Wiederaufnahme der Arbeit 
W. Paris, 3. Juni. Der Justizpalast von Evreux wurde 
jestern abend vom Blitz getroffen und geriet in Brand 
Die Feuersbrunft zerstörte einen Teil des Gebäudes, darunten 
den Schwurgerichtssaal und die Könzlei des Handelsgerichts 
Wt. Brüssek. 3. Juni. Gestern wurden in der Gegend 
»on Charleroi starke Erdstöße verspürt, die sich heute 
rachmittag mit solcher Heftigkeit wiederholten, daß Häuser 
ind Fabrikschornsteine beschädigt wurden. Namentlich in Gosse- 
ries ist die Bevölkerung sehr erregt. 
London, 3. Juni. Aus Kalkutta wird telegraphiert: 
Froße Aufregung herrscht hier über das gegen die Prinzessin 
Suderani Kaur, genannt Rani Sahiba, erlassene Todesur— 
reil. Die Rani Sahiba, Witwe des Sirdar Dyal Sing, 
eines Fürsten des Pundschab, war überführt worden, ihren Ge— 
liebten mit Arsenik vergiftet zu haben. Der englische Richter 
verurteilte sie zum Tode durch den Strang. 
Wt. Paltawa, 3. Juni. In dem Kirchdorfe Poleshny 
vurden drei Räuber, »die das Haus des Geistlichen über— 
fielen und mehrere Bauern verwundeten, von den ergrimmter 
Dorfbewobnern in einen Suüumnft wetant üund erschlongen 
heer und Flotte. 
W. Berlin, 3. Juni. R.P.D. „Windhuk“ mit dem Ah, 
lösungstransport für „Seeadler“ ist am 1. Juni in Aden 
eingetroffen und hat am 2. Juni die Reise nach Kilindin— 
kortgesezt. Abgegangen ist Emden“ am 2. Juni von Tsing 
tau. Das 1. Geschwader ist am 81. Mai in Wilhelmshavep 
eingetroffen. „Grille“ ist am 2. Juni in Kiel eingetroffen. 
Torpedoboot „V 1919 ist am 2. Juni vom Stapel gelaufen 
Poststation für das 1. Geschwader, mit Ausnahme von „Nassau« 
und „Stettin“, bis zum 6. Juni abends Wilhelmshaven, vom 
7. bis 8. Juni Helgoland, vom 9. bis 16. Juni vormittag« 
Wilhelmshaven, dann Kiel, dann nach eigener Postregelung 
zum hundertjährigen Geburtstage des 
Chemikers hermann Chriftian von Fehling. 
Am 9. Juni 1811 wurde in Lübeck H. Chr. Fehling ge 
boren, dessen Name in der Welt fast cbenso bekannt geworden 
ist, wie der seines vier Jahre jüngeren Landsmanns Em 
Geibel; denn wo gibi es wohl einen studierten Arzt, der nich 
dis blaue Fehlingsche Lösung zur Vestimmung von Zucer in 
Harn benutzt hätte, wo einen piraltischen Chemiker, der sid 
nicht aus Fehlings „Neuem Handwörterbuche der Chemie 
Rat geholt hätte. 
Darum ist es gewiß angebracht, sein Andenken auch in 
der Vaterstadt durch eine Slizze seines Lebensganges aufzu— 
frischen, die der Hauptsache nach der allgemeinen deutschen 
Biographie entnommen ist. 
Da der Knabe schon eine Vorliebe für angewandie Chemie 
zeigte. gab ihn sein Vater, der Kaufmann H. CEhr. Fehling, 
nach dem Besuche des Katharineums »a seinem 16. Lebensijahre 
bei dem aͤn Lübeck noch heute in gutem Andenken stehenden 
Apoiheker Kindt in die Lehre. Nach fünflähriger Lehrzei— 
irbeitele Fehling noch drei Jahre in Bremen bei dem Bruder 
seines Lehrherrn, um sich dann ganz dem Sludium der Chemi— 
zu widmen. 
Er zog nach Heidelberg, um dort der Blum, Vischoff, 
v. Leonhard, Bronn und anderen Naiturwissenschafelichen Kol— 
legien zu hören und sich namentlich unter Gmelins Leitung, 
dessen Assistent er wurde, in den praktischen Arbeiten des 
Laboratoriums auszubilden. Nach seiner Doktorpromotion 
wandte er sich 1837 nach Gießen. um bei viebig weiter zu 
arbeiten. 
1838 ging er nach Paris, wo er bei Dumas, zum Teil 
auch an der Münze arbeitete. Bald darauf wurde er daur 
auf besondere Empfehlung Liebigs als Lehrer der Chemie 
und Technologie an die damalige Gewerbeschule in Siuttgart 
berufen. An dieser Anstalt, die unter se'ner lebhaften Mit— 
wirkung zu einer technischen Hochschule ausgebildet wurde, wirlte 
er 44 Jahre lang ads Lehrer und Berater, bis ein Schlag— 
anfall ihn zwang, sich 1883 in den Ruhestand zurückzuziehen. 
DTurch Klarheit seines Vortrages und eine bedeutende 
Lehrbegabung wußte er seine Zuhörer zu fesseln und anzu— 
regen. Peinliche Gewissenhaftigkeit und strenge VPf.ichterfüllung, 
die er wie von sich auch von seinen Schülern und Prakti— 
kanten verlangte, bildeten den Grundzug seines Charalters. 
FEin Feind jeglicher Heuchelei sagte er jedem, der es hören 
wollie, freimürig die Wahrheit, weil er Uberzeugt war, daß 
so jedem am besten gedient sei. Außer seiner Lehrtätigreit 
hatte Fehling als Mitglied des Medizinalkollegiums, der phar—⸗ 
madeulischen Prüfungskommäission, der Zentra'stelle für Handel 
und Gewerbe, womit die Aufsicht über ein anacytisch-techn sches 
Untersuchungslaboratorium, sowee die Ausgatbeitung zahlreichet 
rechnischer Gutachten, die Prüfung und Schlichtung von Patent- 
ansprüchen verbunden war, cin grokes Wirkunasfeld in Würt— 
temberg gefunden. 
Von seinen rielen wissenschaftlichen Publikarionen, die größ— 
enteils in Liebigs Annalen der Chemie erschienen sind, seien er⸗ 
vähnt: Tarstellung der Knallsäure, zwei dem Aldetyd isomere 
VBerbindungen, Bernsteinsäure und ihre Verbindungen, und 
»or allem die von ihm in Vorschlag gebraächte quantitative 
Bestimmung des Zuders miättelst der nach ihm benannten Feh 
lingschen Lösung. Als Mätarbeiter witkte er an der Heraus 
zabe des großen Gtaham-Ottoschen Lehrbuches der Chemie 
uind an dem von Liebig, Poggendorff und Wöhler heraus— 
zegebenen „Handwörterbuche der Chena:“. Nachdem er als 
Redaktieur der letzten Bände dieses aroße Werk zum Abschluß 
gebracht hatte, unternahm er in Verbindung mit Freunden 
und Fachgenossen 1871 die Herausgahe des „Neuen Hand— 
wörterbuches der Chemie“, weil die ersten Bände des vorer—⸗ 
wähnten Werkes in;wischen schon veraltet waren. 
Dieses neue Handwörterbuch wird nach Fehlings Tode 
(1. Juli 1885) fortgeführt. Die hohen Verdienste Fehling⸗? 
um die Wissenschaft und Technik fanden die ihnen gebührende 
Anerkennung. Akademien und gelehrte Vercinigungen wäbl'en 
ihn zum Ehrenmitgliede, die deutsche chemische Gesell'chaft zu 
ihrem Vizepräsidenten. Vom König von Würitemberg erhl'elt 
er das Ritterkreuz des Kronenordens, mit dem der perfönlich— 
Adel verbunden war— Brof. Dr. Qñsĩte⸗rmann. 
Sprechfaal. 
(Gär den Inhalt dieser Rubrik übernimmt die Redaltiet 
keine Verantwortung.) 
Eingesandt.) 
Straßenbahnwünsche. 
Der Bau von Wartehallen macht sich dringend auf 
dem Hauptbahnhofsplatz und aus dem Lindenplatz notwendigs, 
da das wartende Publikum den Unbilden der Witterung be— 
sonders stark ausgesetzt ist. Auf dem Hauptbahnhofsplatz ist 
an windreichen Tagen der Aufenthalt fast ganz unmöglich, eben 
falls auf dem Lindenplatze. Die dort früher vorhanden ge 
wesene, allerdings recht unschöne Holzbude, ist ja s. It. be— 
der Anlage der Bahnhofstraße beseitigt worden; leider aber 
hat man es bisher verabsäumt, einen Ersatzban auf der Insel, 
auf dem der Kandelaber steht, aufzuführen. Auch am Burg— 
tor, Kreuzung der Israelsdorfer Allee und Roedhstraße, wäre 
eine Wartehalle ebenso wünschenswert, wie eine solche ir 
Israelsdorf bei der Endstation. 
Ferner wäre jetzt nach Verlegung der Weiche in der König— 
stratze von Alten Schrangen vor das Steuergebäude die An— 
iage einer Haltestelle der Marli —Bahnhof-Linie an der Ecke der 
zundestraße und Königstraße sehr nötig. Die Einrichtung 
»iner Halteste lLe bei der Hundestraße ist schon in früheren 
Jahren von den verschiedensten Seiten gefordert worden. Ihre 
Berechtigung hat diese Forderung dadurch, daß gerade an der 
Hundestrahße folgende öffentliche Gebäude vorhanden sind, die 
»om Publikum stark frequentiert werden: Die Reichsbanul, 
die Bank für Handel und Gewerbe, die Stadt— 
bibliothek, das Katharineum und das Adreß 
hauis. Man darf wohl erwarten, daß die verehrliche Straßen 
bahnbehörde dieser Anregung Gehör schenken und baldiagst dieseir 
Munsche Folaoe leisten mirn Ein häufiger Fahraast
	        
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