Full text: Lübeckische Anzeigen 1911 (1911)

und Freudigkeit weiteren Wirlens zum Besten von Samburgs 
Handel und Schiffahrt beschieden sein möge. 
Der Großherzog von Oldenburg hat Herrn Ballin 
leichfalls in einem Telegramm seine herzlichsten Glückwünsche 
ausgesprochen. 
Auch von den Reichsbehörden sind Glückwünsche eingelaufen. 
der Reichskanzler telegraphierte wie folgt: 
Zu Ihrem Silberiubiläum als Direktor der Samburg⸗ 
Ametika Linie sende ich Ihnen in aufrichtiger Wertschätzung 
meine herzlichsten Glücwünsche. Wenn Deutschland sich mit 
vollem Recht der Stellung freuen darf. die es sich im Welt⸗ 
handel erkämpft hat, so muß dabei immer dankbar der Ar—⸗ 
beit gedacht werden, die Sie an der Spitze der größten deut— 
ichen Reederei im abgelaufenen Viertelijahrhundert geleistet 
haben Möge es Ihnen vergönnt sein, noch lange Ihre Kraft 
o erfolgreich wie bisher für die großen Aufgaben einzusetzen, die 
Ihe Amt einem Manne Ihrer Art immer neu entgegenbringt. 
Der Staatssekretär des Innern übersandte HSerrn 
Ballin folgendes Schreiben: 
An dem Tage, an welchem Euer Hochwohlgeboren vor 
einem Vierteljahrhundert in die Verwaltung der Hamburg⸗ 
Amerika, Linie eingetreten sind, ist es Ihnen vergönnt, auf 
eine erstaunliche Entwicklung des Schiffsbetriebes dieser Welt— 
reederei zurüdzublicke. Wenn die Samburg⸗-Amerika Linie 
im Laufe der letzten 25 Jahre den Umfang ihrer Flotte aul 
mehr als eine Million Registertons gesteigert hat, wenn sie, 
getreu ihrem Wahlspruch, Mein Feld ist die Welt“, mit ihren 
Schifsslinien in alle Ozeane vorgedrungen ist, wenn sie in 
der Größe und der Einrichtung ihrer Schiffe im Interesse 
der Sicherheit und des Wohlbefindens der Reisenden und 
der Schiffsbesatzungen die höchsten technischen Leistungen auf— 
zuweisen hat, wenn sie schließlich in der sozialen Fürsorge für 
ihr gewaltiges Betriebspersonal dem Geiste der heutigen Zeit 
in vollstem Maße Rechnung trägt, so kann das deutsche Vater⸗ 
land mit Stolz auf solche Leistungen blicken, die dem deutschen 
Ueberseehandel zum Nutzen, der deutschen Seeschiffahrt zur 
höchsten Ehre gereichen. Und an dieser glänzenden Entwick— 
lung gebührt, worüber nur eine Meinung besteht, Ihnen, 
Herr Generaldirektor, das vornehmlichste Verdienst. Nehmen 
Sie daher an Ihrem Ehrentage von dem Vertreter der Reichs⸗ 
berwaltung, der die Fürsorge für die deutsche Handelsschiffahrt 
anvertraut ist, die aufrichtigsten Glückwünsche und den Ausdruck 
der Hoffnung entgegen, daß Sie noch lange zum Nutzen der 
zrotzen Reederei der Hamburg-Amerika Linie erfolgreich wirken 
nögen. 
Ferner lief ein Schreiben ein om Staatssekretärdes 
Reichspostamts folgenden Wortlauts: 
Verehrter Herr Generaldirektor! Bei der Wiederkehr des 
Tages, an dem Sie vor 25 Jahren in das Direktorium der 
Zamburg-Amerika Linie eingetreten sind, möchte auch ich Ihnen 
neben meiner freudigen Bewunderung Ihrer großen Erfolge 
meine herzlichen Glücwünsche aussprechen. Mit Stolz und 
Befriedigung können Sie auf die glänzende Entwicklung der 
Gesellschaft zurüdblicken, deren Weltmachtstellung unter Ihrer 
kraftvollen und umsichtigen Leitung begründet worden ist, 
Mögen Ihnen noch viele Jahre in ungeminderter Schaffens— 
kraft, Gesundheit und Rüstigkeit an der Spitze des mächtigen 
Schiffahrts-Instituts beschieden sein, das wir mit Stolz das 
unsrige nennen! Dies wünscht von Herzen in bekannter Ge— 
sinnung Ihr sehr ergebener Kraetke. 
Von den weiteren Glückwünschen seien noch solche vom Groß- 
admiral v. Tirpitz und vom Fürsten Bülow erwähnt. 
Außerdem gingen in grober Zahl Glückwunsch-Telegramme 
aund ⸗Schreiben von den großen deutschen, mit der Hamburg⸗ 
Amerika Linie in freundschaftlichen Beziehungen stehenden Unter⸗ 
nehmungen ein. 
Inland und Ausland. 
Deutsches Rech. 
Die Frühijahrsparade übver die Berliner Garnison. Der 
Kaiser hielt gestern vormittag auf dem Tempelhofer Feld 
die Frühijahrsparade über die Berliner Garnison ab. Die 
Truppen waren in zwei Treffen, die berittenen in dem zweiten, 
aufgestellt. Kommandierender General von “wenfeld befeh— 
ligte die Parade. Im Gefolge des Kaisers nahmen an der 
Parade die argentinischen Herren Figueira Alcorta und Ge— 
neral Aquirra, der brasilianische Bundessenator Laure Müller 
und der samoanische Oberhäuptlhling Tamasese 
teil. Letzterer wurde geführt vom Gouverneur Dr. Solf. 
Tamasese war barhäuptig, im weißen Gewande und trug ein 
Blumengewinde um Brust und Schultern. Er folgte dem 
militärischen Schauspiel mit großem Interesse. Mit dem Kaiser 
erschienen der Kronprinz, die Prinzen Eitel Friedrich, August 
Wilhelm und Oskar sowie Prinzessin Viktoria Luise in der 
Uniform des Leibhusarenregiments. Die Kaiserin und die 
übrigen Prinzessinnen befanden sich in Galawagen. Der Kaiser 
führte bei beiden Vorbeimärschen das 2. Garderegiment vor. 
Nach der Parade führte der Kaiser die Fahnenkompagnie, 
dom Publikum stürmisch begrüßt, zum Schloß. (Tel.) 
Kaiserliche Auszeichnung des Staatssekretärs Delbrüd. 
Berkin, 1. Juni. Der Kaiser hat, wie die Norddeutsche 
Allgemeine Zeitung mitteilt, dem Staatssekretär des Innern, 
Dr. Delbrück das Großkreuz des Roten Adler— 
ordens mit Eichenlaub und Brillanten, dem Di— 
rektor im Reichsamt des Innern, Caspar, den Wilhelm-Orden 
ind dem Direktor im Reichsamt des Innern, Dr. Lewald, den 
Stern zum Königlichen Kronenorden 2. Klasse verliehen. 
Das Befinden des Prinzen Joachim hat sich gegen gestern 
richt gebessert. Der Prinz verbrachte die Nacht überaus 
chlecht. Erst gegen Morgen stellte sich Schlaf ein. Auch 
im Tage litt der Prinz heftig unter Schmerzen. (Tel.) 
Der Bundesrat stimmte folgenden vom Reichstage ange— 
nommenen Gesetzentwürfen zu: 1. betreffend die Gewährung 
einer aißerordentlichen Entschädigung an die Reichstagsmit— 
glieder, 2. wegen Aenderung des Zündwarensteuergesetzes, 
3. betreffend den Handels- und Schiffahrtsvertrag zwischen 
Deutschland und Schweden, 4. betreffend die vorläufige Rege— 
lung der Handelsbeziehungen zu Japan, 5. betreffend die 
Beseitigung von Tierkadavern, 6. Reichsversicherungsordnung 
und Einführungsgesetz. Tel 
Neueste Nachrichten und Telegraͤmme. 
Zur Entführung de- Ingenieurs Richter. 
Wi. Saloniki, 1. Juni. Der deutsche Kanzlerdragoman 
Dr. Schwörbel ist nach Katerina abgereist und begibt sich von 
dort unter starker Eskorte nach Kokinople, um zu versuchen, 
die Befreiung des Deutschen Richter zu beschleunigen und Maß— 
nahmen und Handlungen der Behörden zu verhüten, durch die 
vas Leben des Gefangenen gefährdet werden könnte. Man 
„ermutet, daß die Räuber sich in der Gegend von Bagien 
Antonios verstedt halten. 
Zur Abfetzung des marollauischen Großzwesirs. 
W. Paris,. 1. Juni. Aus Fez wird unterm 27. Mai 
gemeldet: Den Stämmen wurde im Zusammenhang mit der 
Ubsetzung des Großwesirs el Glavi, der sie ausgesogen hat, 
aund gegen den daher der Aufstand gerichtet ist, bekannt ge— 
geben, sie könnten sich selbst untereinander verständigen, um 
einen ihnen genehmen Kadi namhaft zu machen. 
Zur Jahrhundertfeier von Chile. 
W. Santiago de Chile, 1. Juli. In den Kammern wurde 
eine Botschaft verlesen, in der den Mächten, die anläßlich 
»er Jahrhundertfeier Gesandtschaften geschickt hatten, der Dank 
wusgesprochen wird. Die Botschaft stellt die herzlichsten Be—⸗ 
„iehungen zu allen Nationen, ausgenommen Peru, fest und 
empfiehlt den Kammern die Annahme der Handelsverträge mit 
England; und Italien. 
Großfeiter in den Steitiner Delwerken. 
M. Stettin, 1. Juni. Heute vormittag brach in der 
darre der Stettiner Oelwerke in Züllchow ein großer Brand 
us. Der gesamte rechte Flügel des Gebäudes wurde ein 
daub der Flammen. Große Vorräte von Soiabohnen, für 
twa 350 000 M, sind mitverbrannt. Der Gesamtschaden be— 
uft sich auf eine Million Mark. 
Figenartige Enthüllungen über die Ursache des franuzösischen 
Eisernbahnerstreils. 
W. Paris, 1. Juni. Der ehemalige Sekretär des 
kisenbahnersyndikates, Guerard, veröffentlicht im Ma— 
in Enthüblungen über den Ursprung des letzten Eisen⸗ 
zahnerstreiks, in welchen er behauptet, die eigentlichein: 
Urheber des Ausstandes hätten ver dächtige Be— 
iehungen zu klerikalen und antirepublikani— 
chen Politikern unterhalten; der von ihnen erlassene 
Streitbefehl mit der Unterschrift des Generalsekretärs des Lo⸗ 
omotiofuhrerverbandes, Toffin, sei eine Fälschung. 
Eine Festung in die Luft geflogen. 
M. Mangaßiuna (Nikaragua), 1. Juni. Die Festung La— 
doma ist gestern in die Luft geflogen. Ein Palast und an—⸗ 
»ere Gebäude wurden beschädigt; es sollen viele Personen 
aetötet sein. 
Wi. Washington, 1. Juni. Der amerikanische Gesandte 
in Managua teilte dem Staatsdepartement mit, daß bei der Ex— 
Abosion in Managua 1650 Vetsonen ums Leben gekom— 
men seien— 
Flug Paris Rom. 
Genua, 1. Juni. Der Flieger Vidart ist heute früh 
in Nizza aufgestiegen und kurz vor 8 Uhr hier eingetroffen. 
San Rossore, 1. Juni. Garros ist um 10 Uhr 6 Minuten 
um Fluge nach Rom aufgestiegen. 
WMWi. Rom, 1. Juni. Garros ist heute nachmittag 
; Uhr 14 Min. auf dem Flugfelde eingetroffen. 
Wit. Ron. 1. Juni. Vidart ist auf dem Wege von 
Bisa nach Rom bei Cecina gelandet. 
Paris, 1. Juni. Hiesigen Blättern wird aus Rom ge— 
neldet, der Papst betrachtete von einem Balkon des Vatikans 
us den Flug Beaumonts. Er hatte die Hand erhoben, um den 
Flieger zu segnen und seiner Umgebung gegenüber geäußert, 
er danke Gott, daß es ihm vergönnt gewesen sei, die groß— 
artigste Tat des Jahrhunderts mit anzusehen. 
Wit. Rom, 1. Juni. Von einer Szene, die nach Pariser 
tzlaͤttern sich bei der Ankunft Beaumonts auf einem Balkon 
des Vatikans abgespielt haben sollte, ist hier nichts bekannt 
Wt. Berlkin, 1. Juni. Der Kaiser besuchte heute nach— 
nittag den Reichskanzler. Abends fand im Schlosse Paradediner 
tatt, an dem außer den Mitgliedern des königlichen Hauses 
. a. teilnahmen: der Reichskanzler, der kommandierende Ge— 
eral des Gardekorps, v. Löwenfeld, Kriegsminister v. Hee⸗ 
ingen, der frühere argentinische Präsident Figueira Alcorta, 
zeneralfeldmarschall v. d. Goltz, der brasilianische Gesandte 
Dr. Itibere da Cunha, der argentinische Gesandte Dr. L. 
Molina, der brasilianische Bundessenator Dr. Müller und der 
rühere argentinische Kriegsminister General Aquirre. 
Wit. Berlin, 1. Juni. Staatssekretär v. Lindequist 
erließ Berlin zu mehrwöchigem Urlaub, den er größtenteils in 
züdfrankreich zu verbringen gedenkt. 
Wt. Potsdam, 1. Juni. Nach weiteren Meldungen über 
»as Befinden des Prinzen Joachim verläuft der Heilungs— 
»rozeh tkrotz der immer noch andauernden Schmerzen ganz 
wormab. 
— Wit. Wien, 1. Juni. Der Kaiser traf um 6 Uhr abends 
auf dem Staatsbahnhofe ein. Unter den stürmischen Ova— 
ionen der auf dem Bahnhofsplatze versammelten Menge be— 
tieg der Monarch den Wagen und fuhr nach Schönbrunn. 
Juf dem ganzen Wege dorthin bereitete die Bevdlkerung 
»em Kaiser, dessen Aussehen vorzüglich ist, begeisterte Huldi— 
ungen. 
Wi. Wien, 1. Juni. Im Abgeordnetenhause fand unter 
Teilnahme der österreichischen Juristenwelt anläßlich des 100— 
ährigen Bestehens des österreichischen bürgerlichen Gesetz— 
uches eine Festversammlung statt. Der Obmann des Fest⸗ 
omitees, Grabmeyr, und Hofrat Schley als Festredner sowie 
Justizminister Hochenburger hoben die Bedeutung des Gesetz⸗ 
yuches für die Rechtspflege und für den Staat hervor und 
prachen die Hoffnung aus, daß die unvermeidliche Revision 
des Gesetzes auf der gleichen Höhe stehen möge wie das hundert⸗ 
ährige Gesetz. 
Paris, 1. Juni. Der französische Fähnrich Ro— 
zert, der sich mit Erlaubnis der französischen Regierung im 
klsah zum Besuch von Verwandten befand, wurde dort von den 
)eutschen Behörden ausgewiesen, weil er nicht deren Ge— 
nehmigung zu dem Besuch eingeholt hatte. 
Wt. Brüssel, J1. Juni. Die Königin ist vollständig 
wieder hergestellt. Nachmittags unternahm sie ihre erste Spa— 
zierfahrt durch Brüssel, von einer unzähligen Menge freu—⸗ 
dig begrüßt. 
Vöt. London, 1. Juni. Das Oberhaus vertagte sich nach 
endgültiger Annahme der Luftschiffahrtsbill bis zum 
20. Juni. Die Verhandlung über die Klauseln der Parlaments— 
bill wird nicht vor dem 28. Juni beginnen. 
Wit. London, 1. Juni. Nach einer Meldung des Reuter—⸗ 
schen Bureaus aus Hodeida traf dort eine Botschaft aus 
der Festung Sabysah ein, die besagt, der Prätendent Moham— 
ned Idris, der in der Festung angekommen sei, berichte, die 
Insurgenten hätten Abha, die Hauptstadt von Assyr, einge— 
rommen, wo dreitausend türkische Soldaten mit mehreren schwe— 
ten Geschützen sich befanden. Die Streitkraft des Großsche⸗ 
ifs von Mekka erlitt, als sie uum Entsatz auf Abha marschierte, 
ine Niederlage und habe infolgedessen Abha nicht erreichen 
fkönnen. Andererseits operierte Izzet Pascha erfolgreich im 
dochland von Jemen gegen die Insurgenten unter Imam 
Hahya, von denen sich die meisten ergaben. 
Wit. Stoccholm, 1. Juni. Die Session des Reichstages 
vurde geschlossen. 
W. Hongkona, 1. Juni. Die chinesischen Behörden gehen 
nit aller Strenge gegen die Aufrührer im Süden vor. 110 
Bersonen sind bereits hingerichtet worden. 300 sitzen noch 
im Gefängnis, und nur wenige von diesen werden mit dem 
Leben davonkommen. 
W. Tokio, 1. Juni. Beute erfolgte die Unter⸗ 
zeichnung des zwischen Rußland und Japan ab- 
eschlossenen Auslieferungsvertrages. Dieser 
indet auf politische Verbrecher keine Anwendung, aber auf 
Personen, die Verbrechen gegen die Person des Monarchen 
hegangen haben. 
Wt. Parchim, 1. Juni. Das Feuer in Herzfeld entstand 
arach 12 Uhr nachts beim Schulzen Timm und breitete sich rasch 
aus. Binnen kurzem lagen 24 Gebäude in Asche. Die beiden 
ums Leben gelommenen sind Söhne des Schulzen Timm. 
W. Breslkaat, 1. Juni. Im Eisenbahndirektionsgebäude 
schoß heute vormittas der Eisenbahnsekretärn 
Przynski mit einem Revolver auf den Bureauassisten- 
ten Stern und verwundete ihn hinter dem rechten Ohr. 
Dann erschoß er sich selbst. Stern dürfte mit dem Leben davon—⸗ 
kommen. 
.Wt. Oldenburg. 1J. Juni. Auf der Station Berne der 
oldenburgischen Eisenbahn führen in vergangener Nacht einige 
Leute mit einem sogenannten Bahnmeisterwagen auf die Sta— 
ion, erbrachen ein Fenster und schafften den vier Zentner 
chweren Geldschrank in den Eisenbahnwagen. Sie fuhren da— 
nit auf die freie Strecke hinaus, erbrachen ihn dort, raubten 
1200 Muund ließen den Wagen und den Geldschrank stehen. 
Von den Tätern fehlt bis jetzt jede Spur. 
W. Trier, 1. Juni. Beim Tunnelbau der neuen Eisen— 
zahnstrecke bei Irrel wurden heute morgen vier Arbei— 
rer durch Stickgase betäubt. Einer von ihnen fiel 
im und geriet unter einen vorbeifahrenden Wagen, der ihn 
ötete. Einer erlangte das Bewußtsein wieder, wäh— 
end die übrigen noch bewußtlos sind. Eine Abteilung 
Feuerwehr ist mit Sauerstoffapparaten zu Hilfe geeilt. 
Wit. Mergentheim, 1. Juni. Wie die Tauberzeitung von 
naßgebender Seite erfährt, beläuft sich der durch die Un— 
vetterkatastrophe im badischen Taubergebiet verursachte 
zchaden auf acht Millionen. Zur weiteren Hilfeleistung sind 
Zioniere aus Kehl eingetroffen. Der Großherzog von Baden, 
»er gestern in dem vom Unwetter betroffenen Gebiet einge— 
roffen ist, besuchte Grünsfeld, Grünsfeldhausen, Paimar und 
Tauberbischofsheim und trat von Landau die Heimfahrte im 
Automobil an. 
Wt. Graz, 1. Juni. Das Sanitätsdepartement teilt mit, 
daß bei einer Schwägerin des vor einigen Tagen an der 
holera verstorbenen VPostbecmten Franzki ebenfalls Cho— 
lera bakteriologisch nachgewiesen wurde. Die Frau ist mit 
ihrer Familie im städtischen Isolierhause. 
Wt. Amsterdam, 1. Juni. In der vorigen Woche er— 
eigneten sich auf Java 125 Erkrankungen an der Pest und 
103 Todesfäölle 
Vermischtes. 
nge. Richard Wagner und der dunstverständige Lord. Von 
einem sehr spaßhaften Erlebnisse das Richard Wagner 
einst während eines Aufenthaltes in England hatte, erzählt eine 
»nglische Zeitschrift, die den berühmten Pianisten Alfred 
teisenauer als ihre Quelle angibt. Bei irgend einer 
helegenheit wurde Richard Wagner einem Lord P. vorge— 
tellt, der als gänzlich unmusttkalisch bekannt war, aber großen 
finfluß besaß und dem Komponisten, der nach London ge— 
ommen war, um ein Konzert zu dirigieren, von großem Nutzen 
ein konnie. „Wo wird Ihr Konzert stattfinden?“ fragte seine 
zdordschaft, nachdem er Wagner wohlwollend die Hand ge— 
rückt hatte. „In St. James Hall“, erwiderte Wagner und 
ügte hinzu: „Ich hoffe, daß Eure Lordschaft mir die Ehre 
zhrer Anwesenheit erweisen wird.“ — „Gern, gern!“ ver— 
etzie der Lord. Das Konzert ging programmäßig von statten 
uud ungefähr eine Woche später sah Wagner bei einer Gesell— 
chaft, die ein Freund zu seinen Ehren gab, Lord P. wieder. 
Er schritt auf Wagner zu, drückte ihm kräftig die Rechte, gra— 
ulierte ihm herzlich zu seinem Erfolge und sagte: „Ich war 
in Ihrem Konzert und glaube nicht, daß ich mich jemals in 
meinem Leben vorher so großarlig amüsiert habe. Ich habe 
geschrien vor Lachen. Sie sind furchtbar komisch, Herr 
Wagner!“ Man kann sich denken, daß diese laut gesprochenen 
Worie Wagner und die übrigen Anwesenden in einiges Er— 
kaunen versetzten. Die Gespräche in den einzelnen Gruppen 
jörten auf und alles scharte sich um Lord P. und Richard 
Wagner. „Denken Sie“, so suhr Lord P. jetzt fort, „ich 
zabe beinahe eine Siunde gebraucht, bis ich Sie mit Ihrem 
veißgeschminkten Gesicht und Ihrer Lockenperücke erkannt habe!“ 
dabei lachte Lord P. in der Erinnerung an den lustigen Abend 
recht herzlich, bemerkte aber zu seiner Verwunderung, daß 
riemand seine Heiterkeit teilte, sondern ihn alle mit großen 
Augen ansahen. Nun stutzte er, fragte und schlieklich stellte 
»s sich heraus, daß sich in St. James Hall außer dem Konzert— 
aale, wo Wagner dirigiert hatte, auch noch ein Varietéstheater 
»efindet und daß der ehrenwerte Lord in einem der Clowns, 
zie dort a uftraten, den Schöpfer der „Mieeistersinger“ und der 
„Götterdämmerung“ wiederzuerkennen geglaubt hatte. Auf das 
Zunstverständnis gewisser englischer Kreise wirft diese kleine 
Anekdote ein recht helles Licht. Vorausgesekt natürlich, daß 
io wahr ist. 
nge. Exkönig Manuel wird Reunstallbesitzer. Es scheint, 
»aß König Manuel II. von Portugal sein Schichsal nicht allzu 
chwer trägt. Nicht erst seit Alphonse Daudets Roman „Les 
ois en exil“ stehen die verbannten Fürsten im Rufe, sich 
zanz gut zu amüsieren, und König Manuel bildet anschei— 
iend keine Ausnahme. Bald folgt er der Einladung eines 
Lords zur Garden Party, bald hat man ihn in einem 
Restaurant der französischen Hauptstadt gesehen, er besucht 
Ausstellungen, Kinematographentheater, und jetzt verlautet, 
»aß er einen Rennstall in großem Maßstabe anzulegen be— 
rbsichtigt, um sich als ernst zu nehmender Fachmann zu be— 
ätigen. Er will, so sagt man, die Niederlassung erwerben, 
zie dem kürzlich verstorbenen Sportsmann Mr. Lafone ge— 
»örte. Sie besteht aus einer Trainierbahn, weitläufigen 
Stallungen, einem Haus mit Garten, und ist, in Hanworth 
Park, so nahe bei Richmond, der Residenz des Exkönigs, 
gelegen, daß er der Arbeit seiner Pferde in früher Morgen— 
ttunde wird beiwohnen können. Es ist derselbe Grund und 
Boden, auf dem Königin Elisabeth einen Stall besaß und 
soch zu Roß dem edlen Weidwerke oblag. 
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