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Veilagen: Vaterst?⸗ttcche Blätter. — Der Fawilienfreund.
Amisblalt der freien und Hansestadt Lübed 16. Jahrgang Nachrichten für das Herzogtum Lauenburg, die
Beiblatt: Gesetz⸗ und verordnungsblatt EVeede ex Fürstentümer Ratzeburg, Lübeck und das angren⸗
262 ααιισεσσεσενσενειν Lrdis der veriecca ,,eee zende medlenburgische und holsteinische Gebiet.
Druck und Verlag: Gebrüder Bor⸗-4 . m. b. 8. in Lübecd. — Geschäftsstelle Adreb haus (Koniastr. 46). Fernisrecher —2 — u. 9001.
.0 Große Ansgabe) Freitag, den 26. Mai 19.
Ausgabe
Abend⸗Blatt Ur. 268.
— VXEEO
Erstes Blatt. hierzu 2. Blatft,.
sowie
Gesetze und Verordnungsblatt U—
der freien und Hansestadt Lübeck, Nr. 24,
enthaltend:
Maͤchtrag zu der Verordnung vom 8. August 1868, die Er⸗
hebung eines Zuschlags zur Braumalzsteuer des Nord-
deutschen Bundes und einer entsprechenden Abgabe von
vereinsländischem Biere betreffend.
—BXA— —iinijú,e,’-9s'mi i3I ii ASe—⏑— ⏑ ——
Amfang der heutigen Nummer 6 Seiten.
Nichtamtlicher Teil.
Die rusfische Note an die Türkei.
Lubech, 26. Mai.
Milt unverhohlenem Erstaunen muß man die russische Note
n die Türkei lesen, mit deren Uebergabe der russische Bot—⸗
schafter in Konstantinopel, Tscharykow an den Großwesir be⸗
raut worden st und deren Inhaltsangabe Mittwoch der offizidse
Draht aus Petersburg verbreitet hat. Auch wer nicht mit
den Höflichkeitsformeln der internationalen diplomatischen
Sprache genau vertraut ist, der muß beim Lesen der Wiedergebe
der Note die Empfindung gehabt haben, daß der Kommandoton,
in dem die russische Regierung gegenüber der Türkei zu sprechen
beliebt, in einem argen Mißverhältnis zu der Stellung steht,
die das Osmanenreich seit dem Sturze Abdul Hamids unter
den europäischen Mächten einnimmt. Gleichzeitig aber muß
man glauben, daß, wenn die russische Regierung einen solchen
Ton anschlägt, sie die feste Absicht hegt, ihre Forderung durch-
zusetzen, mithin also auch die Macht besitzt, sie zu verwirklichen.
Ist weder das eine noch das andere der Fall, so prallt der
Pfeil gegen den Schützen zurück, und die Regierung, die sich
jetzt so energisch für die Erhaltung des Friedens auf dem
Balkan einsetzt, zieht sich zum mindesten eine empfindliche diplo—
malische Nederlage zu. Erst die Weiterentwicklung der Dinge
ann lehren, welcher der genannten Fälle eintreten wird.
Zum Glück jedoch braucht man für die Bewertung dieser
Note nicht so lange zu warten, bis der Großwesir den Inhalt
eines Antwortschreibens in der europäischen Pre'se veröffent—
iicht. Es gehört keine allzu große Kenntnis des Kräfteverhält-
nisses der beiden Staaten dazu, um zu erkennen, daß die
eussische Note ein arger, diplomatischer Miß—
zriff ist, ein unvermuteter Rückfall in Ton und Gebärde,
»er vielleicht in den siebziger Jahren des vergangenen Jahr⸗
hunderts statthaft war, heute iedoch völlig verfehlt scin muß.
Denn das Reformwerk des Freiherrn von der Goltz Pascha
st bereits soweit gediehen, daß die türkischen Truppen einen
kriegerischen Zusammenstoß mit den durch die Japaner heute
noch stark geschwächten Russen nicht zu scheuen brauchten. Bei
der inneren Unzufriedenheit, die in der Türkei herrscht, ist es
zudem nicht ausgeschlossen, daß manche litende türkische Staats-
männer die Gelegenheit eines auswäriigen Konflikts gern be—
rutzen würden, um den innerpolitischen Zusammenschluß aller
harteien herbeizuführen, und dem hochgespannten türkischen
stationalgefühl eine Befriedigung durch einen Sieg über den
krbfeind zu gewähren. Würde es somit zu einem Konflikte
ommen, so würde Rußland nicht nur die Verantwortung dafür
ragen, sondern auch alle Kräfte anspannen müssen, um eine
drohende Niederlage abzuwenden.
Das aber kann nicht die Absicht der russischen Regierung
zewesen sein, als sie die Note nach Konstantinopel sandte. Sucht
nan somit nach einem anderen Grunde, so lann
man ihn nur in dem russischen Wunsche finden, wie früher,
»in Wörtlein auf dem Balkan mitreden
u dürfen, ohne dabei Gefahr zu laufen, für sprachliche
kntgleisnungen gleich zur Verantwortung gezogen zu werden
zei dem großrussischen Chauvinismus, der heute die Mehr
heit der Reichsduma kennzeichnet, ist es leicht verständlich,
ahz der Ministerpräsident Stolypin, dessen Lage ohnehin
chwankend ist, den Versuch gemacht hat, unblutige Lorbeeren
is europäischer Friedenswächter zu ernten, um so wenigstens
ßon einem Teile der russischen Bevölkerung wieder einmal
Beifall zu ernten. Ein anderer Grund wird sich schwerlich
ür die Note angeben lassen, denn in Wirklichkeit
ind die Beziehungen zwischen der Türkei und
HMontenegro durchaus nicht so gespannt, daß der
Frieden auf dem Balkan ernsthaft bedroht erscheint. Man
arf auch nicht vergessen, daß das Häuflein Soldaten unter
Tönig Nikitas Führung kaum es riskieren würde, zum offenen
Kampfe gegen die Türkei vorzugehen; ebensawenig aber kann
bei der Türkei die Absicht bestehen, einen Angriff auf
Montenegro zu unternehmen, da man es kin RVonstantinopel
ehr wohl weiß, daß solch ein Krieg schwerlich auf seine
anfänglichen Teilnehmer begrenzt bleiben könnte.
Was wird nun geschehen? Wird die russische Note von
der Türkei in dem gleichen Sinne gelesen werden, wie sie
eder unbefangene Politiker lesen muß, oder wird Haktki Pascha
nehr aus Liebenswürdigkeit als aus politischer Notwendigkeit
den Russen eine höfliche Antwort erteilen und ihre Forderung
befriedigen? Wird es einen längeren Notenwechsel geben,
üder wird bereits die nächste türkische Antwort den herauf-
beschwrenen Konflikt endgültig beilegen? Fragen, die man
wohl stellen kann. deren Beantwortung jedoch auch im
ifiziellen Berlin bis jetzt noch nicht versucht wird, denn es
st selbstverständlich, daß die russische Note auf eigene Ber—
intwortung der russischen Regierung obne vorhergehende Ver⸗
tändigung der übrigen europäischen Kabinette geschrieben wor—
»en ist, die sich vielleicht heimlich oder gar offen freuen
werden. wenn man in Petersburg einen dipslomatischen Nosen—
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stüber erhält. Eine Warnung wäre es, die berechtigt wäre.
denn nichts vergessen und nichts zulernen wollen, kennzeichnet
nur die Reaktion.
Der deutsche Unterricht in Schweden.
Von dem schwedischen Reichstag ist soeben ein neues Schul—
zesetz angenommen worden, das vor allen anderen Sprachen
»em Deutschen den ersten Platz einräumt, und
war mit folgender Begründung: „Der Einfluß Frankreichs
nmmt in demselben Grade ab, wie andere Staaten. besonders
die germanischen. mehr und mehr darauf hinarbeiten, ihre
Bildung auf heimatlicher Grundlage aufzubauen. Mit Hin—
sich auf die geographische Lage, soziale und religiöse An—
chauung steht auch Schweden Deutschland viel näher
ils Frankreich. D'ie rasch aufblühende deuische Industrie
zat in viedlen Fällen alle anderen von den schwedischen Märkten
erdrängt, und in den letzten Jahren sind die Handels—
»erbindungen besonders mit Frankreich sehr
urückgegang en, während sie mat Deutschland
sedeutend zugenommen haben. Außerdem ist all—
emein bekannt, welche Bedeutung die deutsche wissenschaftliche
Ziteratur für die ganze höhere Bildung in Schweden hat. In—
solge aller dieser Umstände ist der neue Unterrichtsplan,
der ein Ausdruck für die Kultur der Zeit sein
folldieser angepaßt.“
Der deutsch⸗japanische Hhandelsvertrag.
Zu der am Mittwoch vom Bundesrat angenommenen
Borlage zur Regelung unserer Handelsbeziehungen mit Japan
chreibt uns unser Berliner Korrespondent: Die zwischen Deutsch—
and und Japan schwebenden Verhandlungen über den
Ibschluß eines neuen Handels- und Schiffahrtsvertrages haben
»is jetzt zu keinem Ergebnis geführt. Und nach
em Stande der Verhandlungen ist es auch ausgeschlossen,
)aß ein Vertrag frühzeitig genug zustande kommt, um noch
die Zustimmung des Reichstages vor seiner Vertagung zu
finden. Unter diesen Umständen müssen besondere Maß—
nahmen getroffen werden, die einem vertragslosen Zustand
»orbeugen, wenn der gegenwärtige Vertrag mit Ablauf
des 16. Juli außer Kraft tritt. Daher soll der Bundesrat
durch Gesetz ermächtigt werden, den etwa abzuschließenden
neuen Vertrag vorläufig in Kraft zu setzen. Der Vertrag
soll dann dem Reichstag bei seinem nächsten Zusammentritt
zur Genehmigung vorgelegt werden. Für den Fall, daß
dem Vertrag die Zustimmung des Reichstags nicht erteilt
vird, würde er wieder null und nichtig werden. Hierfür
st naturgemäß eine längere Frist vorgesehen, weil bei der
langen Dauer der Transporte, die den Abschluß der Ge—
ichäfte auf lange Zeit hinaus erfordert, dem Handel aus—
J —— —— —
Auf alle Fragen aber gab Bliudo lkeinerlei- Antwort,
sondern grinste nur und deutete mit der Hand gen Himmel.
So kam es, daß bei weitem der größte Teil der Bürger—
chaft der festen Meinung war, Beate wäre ohne Zweifel eine
dexe, die durch die Luft verschwunden wäre und den armen
Torwächter mitgenommen hätte.
Dietrich Fritze aber wußte nicht, ob er sich freuen oder
traurig sein sollte. Es gab aber doch Stunden, wo er zur
Muhme sagte: „Wenn nur die alte Winding nicht doch
mein Kind behext hat.“
Dann erschrak die Muhme jedesmal und schlug geschwind
drei Kreuze.
Am andern Morgen hielt der Garnmeister wieder mit
einem Fischwagen vor Fritzes Hause. Er ließ sich von der
Muhme die Neuigkeit von Beatens Verschwinden erzählen.
Dann machte er gewichtig: „Eine Hexe ist sie wohl nicht.
Aber ich habe doch so meine Eedanken.“
„Welche?“ fragte die Muhme, und sie bat den Garn—
meister inständigst, seine Ansichten über die Sache kundzu—
geben.
„Ei,“ sagte der gewichtig und mit verschmitztem Augen⸗
winkern, „die Sache ist doch klar genug. Die Jungfer hat
ver alten Winding so viel Gutes getan, und nun hat die sie
zum Dank dafür gerettet.“
„Aber die Alte ist doch verbrannt?“ fragte die Muhme
ungläubig.
„Ha,“ lachte der Garnmeister, „hast du eine Ahnung, was
eine richtige Hexe ist! Die könnt ihr zehnmal verbrennen,
deswegen ist sie noch lange nicht tot.“
Die Muhme schauerte zusammen, schlug drei Kreuze und
ging mit ihren Fischen in das Haus hinein.
Es dauerte nur wenige Stunden, da hatte die Meinung
des Garnmeisters durch die ganze Stadt die Runde gemacht,
und die meisten, die sie hörten, nickten und sagten:
„So ist es! Der Garnmeister hat recht, er versteht sich
auf solche Sachen besser als unsereiner.“ —
Aber schließlich sickerte doch die Wahrheit durch.
Wie um andere Dörfer und Städte, so lagen auch um
Muncheberg eine Anzahl einzelner Gehöfte, sogenannter Aus—
Wendelin.
Eine Erzählung aus dem vrierzehnten Jahrhundert
von C. Kohlweyer.
16. Fortsetzung.) Machdrud verboten.)
Hans Glützer saß auf seinem Ausguck. Aber er vergab,
veshalb er dort saß. Wie geistesabwesend starrte er vor
ich hin.
„Ich habe es längst kommen ehen,“ murmelte er düster
jor sich hin, „das Unglüch. Nun liegt das junge Blut drin
ruf Stein und Stroh.“
Und nach einer Weile fuhr er ebenso fort:
„Morgen wollen sie Gericht über sie halten. Ich weiß
wohl, wie's kommen wird. Sie werden sie foltern, bis sie
alles auf sich nimmt, und dann — und dann, —. Aber sie
dürfen das Mädchen nicht verbrennen, ich leid's nicht; ich,
dans Glützer.“
Und ingrimmig faßte er nach seinem Schwert.
Wieder brütete er eine Weile vor sich hin. Dann nickte
er traurig mit dem Kopf und sagte: „Ja, wie soll ich
ꝛs aber anstellen, alles das zu verhüten? Ach, wenn ich
Flügel hätte, ich wüßte wohl einen, der sie retten könnte.
Ach, ach! Gott, erbarme dich über das junge Blut; sie
ist doch keine Hexe.“
„Kie—witt,“ schallte es da ron der Zugbrücke her, und
ioch einmal langgezogen: „Kie—witt.“
„Der Leichenogel,“ fagte Hans und schrak zusammen;
„auch das noch; so soll sie doch schon morgen sterben?“
Als eben zum drittenmal der Ruf ertönte, da sprang der
Torwächter auf. Wie ein Blitz leuchtete der Ruf in seine
Seele hinein und ließ eine Erinnerung in seinem Geist auf—⸗
leben; hatte nicht Wendelin bei seinem Abschied das sonderbare
Wort gesprochen:
„Wenn ich zu nächtlicher Stunde einmal Einlaß begehre,
io will ich dich anrufen mit dem Schrei des Käuzchens?“ —
Wie der Wind war er hin an das Lugloch am Brücken⸗
urmchen.
„Bist du'ss, Windelin?“ flusterte er der Gestalt zu, die
er draußen erblickte. Aber er hatte ihn schon erkannt, ehe
jener antwortete.
„Ja, ich bin's, Hans,“ sagte Wendelin, „kannst du er—
raten, weshalb ich komme?“
„Gewiß,“ erwiderte Hans leise und ließ die Brücke herunter,
—„Ja,“ sagte Wendelin, „wenn du sie aber entkommen läßt,
so geht's dir morgen an den Kragen.“
„Meinetwegen,“ brummte Hans, „dann sage ich, sie war
an exe und ist zum Dach hinausgeritten auf der Ofen⸗
gabel.“
„Sie werden's dir nicht glauben, Hans,“ sagte Wendelin,
‚weißt du was? Komm mit, Hans, dich hält nichts hier;:
oenn du spielst doch ein gewagtes Spiel. Oder willst du, daß
sie das Mädchen foltern und rerbrennen sollen?“
„Junker, ich verbitte mir solche Späße,“ sagte Hans
zornig.
Während dieses Gesprächs waren sie an das obere Turm⸗
zimmer gekommen. Hans schloß auf. Sie traten ein.
Beate stand verwundert vor ihnen.
„Komm schnell, Beate.“ flüsterte Wendelin, „das Tor
ist offen.“
Sie antwortete nichts. Wie im wachen Traume ließ sie
sich die Turmtreppe hinunterführen.
Als aber die drei sich dem Ausgange näherten, da ge—
wahrten sie, wie jemand die Brücke hochzog.
Sie eilten herzu. Wer war's? Bludo!
„Geschwind mach auf,“ sagte Wendelin zu ihm.
Der Blöde stutzte einen Augenblick. Als er aber Wen⸗
belin erkannte, stieß er ein lautes Freudengeheul aus.
Indessen hatte Hans Glützer die Brüce schnell herunter⸗
gzelassen.
„Wem wir hinaus sind,“ sagte er zu Bludo, „so ziehsi
du schnell wieder hoch, schließt das Tor und gehst auf den
Turm, bis ich wiederkomme.“
Bludo nickte mit vergnüglichem Grinsen und tat, wie
hm geheißen war.
Am andern Morgen verbreitete sich wie ein Lauffeuer
ble wunderbare Mär, daß Beate und Hans Glützer verschwun⸗
den wären, dagegen Bludo auf dem Wächterposten sitze.