Inland und Ausland.
—AD
Der Reichskanzler ar den Bund der Industriekllen. Dem
Bunde der Industriellen ging laut einer uns zuge—
gangenen Zuschrift anläßlich des Ablebens seines 1. Vor-
fitzenden Geheimrat Wirth vom Reichskanzler folgen;
des Telegramm zu: „Zu dem Sinscheiden seines langiährigen
ersten Vorsitzenden, des um die deutsche Industrie hochver⸗
dienten Geheimen Kommerzienrates Wirth, spreche ich dem
Bunde der Industriellen meine aufrichtige Teilnahme aus.
Reichskanzler von Bethmann⸗Hollweg.“ Außerdem sandten
herzlich gehaltene Beileidsschreiben der Minister für Handel
und Gewerbe Sydow und der Staatssekretaär des Reichs⸗
kolonialamtes, von Lindequist.
Engere statiftische Konferenz im Reichsamt des Inuern.
Nachdem am 15. und 16. Februar im Reichsamt des Innern
Verhandlungen mit den Landes- und Städtestatistikern statt-
gefunden haben, wird, wie der Inf. mitgeteilt wird, an
7. und 8. Juni eine engere statistische Köommission
in diesem Reichsamte unter dem Vorsitz des Geheimen Ober⸗
regierungsrats Koch zusammentreten. Es handelt sich um
die Vereinheitlichung und Zusammenlegung
der großen Zählungen. Insbesondere soll die Frage
geprüft werden, ob die im Dezember stattfindende Volks—
Jählung und die Berufszählung, die im Sommer abgehalten
wird, zusammengelegt werden könnten.
Aerztliche Wünfche zum neuen Strafgeseübuch. Auf Grund
des Ergebnisses der Kommissionsberatungen schlägt der Vor—
tand der Aerztekammer für die Provinz Brandenburg in
einer Eingabe an das Reichsjustizamt eins Aenderung in
der Fassung des 8 67 des Vorentwurfs vor, um den Arzt
in gewissen Fällen vor der Gefahr der Bestrafung wegen
Körperverletzung zu schützen. Bedenken, die gegen andere
Paragraphen des Vorentwurfs erhoben waren, hat die
Kommission nicht als vorliegend oder durchschlagend an⸗
erkannt. Der 8 67 lautet: „Nicht strafbar ist, wer eine Hand—
lung zur Rettung der Person oder des Eigentumes seiner
selbst oder eines anderen aus einer gegenwärtigen, auf sach—
gemähere Weise nicht zu beseitigenden unverschuldeten Ge—
fahr vornimmt, es sei denn, daß die Ge⸗
fahr nur gering ist oder, soweit es sich nur um die Rettung
von Eigentum handelt, der von der Handlung zu erwar⸗
tende Schaden unverhältnismähßig größer ist als die Gefahr.
Nicht strafbar ist, wer eine Handlung zur Rettung einer
Person aus einer gegenwärtigen, auf sachgemäßere Weise
nicht zu beseitigenden Gefahr an ihr selbst vornimmt, es
sei denn, daß die Gefahr nur gering ist.“
Das Schiffahrtsabgabengesetz hofft die Regierung noch
mit dem jetzigen Reichstag machen zu können. Wenigstens
schreibt eine offiziöse Korrespondenz, daß die Zeit bis zur
Vertagung des Reichstages aller Wahrscheinlichkeit nach noch
ausreichen werde, um den Kommissionsbericht zu erstatten.
So werde dann der Reichstag bei seinem Wiederzusammen⸗
tritt am 10. Oktober die Vorlage fertig zur zweiten Lesung
vorfinden. Ueber alle wesentlichen Fragen sei zwischen der
Reichstagsmehrheit und der Regierung eine Verstän digung
erzielt. Lediglich über die obligatorischen Aufgaben, die
den Stromverbänden durch das Gesetz zugewiesen werden
sollen, beständen gegenwärtig noch Meinungsverschiedenheiten
Indessen könne man annehmen, daß es auch hierüber zu
einer Verständigung kommen werde, indem der Reichstag nur
solche Aufgaben in das Gesetz aufnehmen werde, die nach
ihrer finanziellen Bedeutung im Rahmen der Möglichkeit
ägen. — Uns scheint diese offiziöse Rechnung mehr als ein
Loch zu haben.
Eine Folge des neunm deu sch:schwed ischen Sandeksvertrages.
Im Reichsiage ist von allen bürgerlichen Parteien beantragt
worden, die Posttionen 719 und 720 des Zolltarifs infolge
des deuisch⸗schwedischen Handelsvertrages in Zukunft zu erhöhen.
So soll der Zolisatz für Röhren aus Ton, unglasiert oder
glasiert, mit Ausnahme von Drainröhren statt 40 Pfg. auf
1 Mifür den Doppelzentner erhöht werden. Ferner sollen
die Zollsätze für Waren aus gemeinem Steinzeug (Röhren,
Röhrenformstücke, Sohlsteine, Senksteine, Ausgüsse, Krippen,
Viehtröge sowie Steine und Platten aller Art zu technischen
Zwecken von 40 Pfg. auf 1 Mupro Dovppelzentner erhöht
werden.
Die Reichsversicherumgs komm ss on erledigte gestern die
eite Lesung des Einführungsgesetzes. Die Uebergangsbe—⸗
⏑—— αααααααuαα αιααιαααR) DmXXJαꝭ ¶ α!ꝰαααXααJX4
an dem die Edelleute auf Ilow versammelt waren, erfolgte
die Exekution.
Nackend war die Alte auf einem mit Pferden bespannten
Wagen festgebunden. Man fuhr sie inmitten der johlenden
Menge durch die Straßen. An jcder Edee wurde Halt gemacht
und die unglückliche Frau mit glühenden Zangen gezwickt.
Zuletzt brachte man sie auf den Marktplatz und ver—⸗
brannte sie dort in den Flammen eines Scheiterhaufens.
Atemlos hatten zuletzt Ritter und Knappen im Ilower
Burghof gelauscht. Tann erhob sich lautes Stimmengewirr.
Aber Baum verschaffte sich noch einmal Ruhe.
„Ich bin noch nicht zu Ende,“ sagte er; „hört mich
weiter an! Als man in das Hospital stürmte, um die Alte
herauszuholen, da fand man — bleich und zu Tode erschrocken
— bei ihr — — Beate, des Bürgermeisters Fritze Töchterlein.
Auch sie wurde nach der Stadt gebracht, und viele beschuldigten
sie, sie stünde mit der Alten im Bunde. Man hat sie ge—⸗
fangen gesetzt im runden Turm am Steintor; Sans Glützer
verwahrt sie in verschlossener Turmstube. Morgen will man sie
vor Gericht ziehen. Wenn ihr nicht wollt, daß es ihr
ergehe wie der alten Winding, ihr Ritter und Knappen, dann
besteigt ohne Säumen eure Rosse und befreit sie: ia. be—
freit sie!“
Er hatte die letzten Worte mit laäuter Stimme gerufen.
Wendelin erbleichte, ihm drohten die Sinne zu schwinden.
Bei den anderen lösten die Schlußworte des Garnmeisters
ein unbeschreibliches Halloh aus.
In unglaublich kurzer Zeit saßen sie alle zu Pferde
und trabten auf Müncheberg los. Wahrlich, hätten die Münche—
berger das alles erfunden, was Baum erzählte, sie hätten
keine bessere List ersinnen können, alle Mann aus der JIlower
Burg zu locen. *
3 Das kam Frau Hildegard samt den weiblichen Insassen
zum Bewußtsein, als die anderen alle davongeritten waren.
Sie durchlebten viele Stunden der Angst und die Burgherrin
hatte mit den Frauen und Mägden einen vollständigen Wacht⸗
und Verteidigungasdienst eingerichtet. — V
Bis guf eine halbe Stunde itten die Reiter —. kiwa
wlereia ad der Zant egen MüncheberF beroin. Dann machten
—
stinmungen wurden nicht wesentlich geändert. Die Sozial—
demokraten beantragten eine rückwirkende Kraft der Hinter—
bliebenenversicherung auf den 1. Januar 1910, während nach
dem Entwurfe der Anspruch auf die Hinterbliebenenrente am
L. Januar 1912 beginni. Da die beantragte rückwirkende Kraft
eine Mehrbelastung des Reichs um 48 Millionen und der Ver—
icherungsträger um rund 90 Millionen bedeuten würde, für
welche keine Deckung vorhanden ist, wurde der Antrag ab—
gelehnt. Heute (Mittwoch) wird der Bericht festgestellt.
Nachklang von der Stuttgarter Vürgermeisterwahl. Bei
der Beratung des Etats des Innern wandte sich gestern in
der württembergischen Kammer der Abg. Hezmann (oz.)
scharf gegen den Artikel des Staatsanzeigers über das Er—
zebnis der Stadtschultheißenwahl in Stuttgart und die darin
nthaltene Behandlung der Sozialdemokraten. Der Minister
des Innern erwiderte, daß der Artikel von der Regierung
weder verfaßt noch betinflußt gewesen ist, sodaß die Annahme
entfalle, daß die Regierung mit dem Artikel einen Angriff
gegen die Sozialdemokratie unternommen habe.
Oesterreich⸗ Ungarn.
Die Heeresriferm in Oesterreiche Ungarn. Aus Budapest
wird vom Dienstag gemeldet: Die Regierung hat dem Abge—
ordnetenhaus vier die gemeinsame Armee sowie die ungarischen
Landwehr⸗(Honved⸗)Truppen betreffende Gesetzentwürfe vor—
zelegt. Durch diese Gesetzentwürfe wird das Rekrutenkontingent
der gemeinsamen Armee von 103 000 auf 159 000 Mann und
odas Rekrutenkoniingent der Honvedtruppen von 12500 auf
25 000 Mann erhöht. Die Dienstzeit wird von drei auf zwei
Jahrs herabgesetzt. Die Kavallerie und die reilende Artillerie
behält die dreijährige Dienstzeit bei. Gleichzeitig wird ein
neues Militärstrafverfahren eingeführt. Das Verfahren ist
zffentlich und mündlich. Ziviladvokaten können als Verteidiger
tätig sein. Die Verhandlungssprache der in Ungarn fungieren—
dem Militärgerichte ist ungarisch mit Ausnahme des Falles, daß
der Angeklagte nicht ungarisch versteht, aber der deutschen
Sprache mächtig ist. — In Oesterreich ist zurzeit das Parlament
nicht versammelt. Nach den Juniwahlen wird auch das öster—
reichische Abgeordnetenhaus sich mit entsprechenden Vorlagen
zu beschäftigen haben. Der Wehrgesetzentwurf enthält be—
züglich der österreichischen Landwehr nachstehende Bestimmungen:
Das Kontingent wird von 19970 auf 28000 Mann, also
um 8030 Mann erhöht. Die Erhöhung erfolgt allmählich
durch jährliche Mehreinstellung von durch'schnittlich 1360 Mann
durch sechs Jahre. Für die sorilaufenden Ausgaben ist eine
allmähliche Steigerung innerhalb der nächsten sicben Jahre
his ungefähr 20700 000 Kronen vorgesehen. Die einmaligen
Ausgaben werden mit 12700 000 Kronen veranschlaat
Geoßbritannien.
Intetpellation im englischen Parlamunt über das Vor⸗
üchen der Franzofen in Marokto. Im Unterhause fragte gestern
Dillon an, ob die britische Regierung die französische gedrängt
zabe, das Vorrücken der französischen Truppen auf Fez zu be
chleunigen, und ob sie der französischen Regierung erklärt habe
daß sie sich gezwungen gefühlt hätte, die französische Re—
zierung zur Entsendung einer Expedition nach Fez aufzufordern
vwenn diese nicht ohnedies schon erfolgt wäre; endlich ob Gren
alle Mitteilungen veröffentlichen wolle, die zwischen Frank
ceich und Großbritannien über die Expedition ausgetausch
worden seien. Staatssekretär Grey erwiderte: Die bri
lische Regierung hat die fransösische zu irgendwelchen aktiven
Schritien nicht gedrüngt; aber ich drücke in allen Unterhal—
rungen über den Gegenstand meine Meinung dahin aus, daf
ich ohne die von der französischen Regierung ergriffenen Mak—
regeln nicht imstande gewesen wäre, auf die an mich gestellten
Fragen über die Sicherheit briischer Untertanen zu antworten,
uind dak die franzbsische Regierung keine andere Wahl gehabt
hat, als Fez mit möglichster Beschleunigung zu entsetzen. Den
ietzien Teil der Frage muß ich veencinen. Dillon fragte weiter,
ob das Unterhaus nicht berechtiat sei, zu erfahren, ob Eng⸗
and mit der grausamen Expedition eiwas zu tun habe. Grey
antworleie England habe nichts mit der Expediĩtion zu tun.
Rußland.
4 Mill. Kilogr. Kohlen fortgeweht. Der mit der Revision
der Petersburger Stadtverwaltung betraute Senator Neid⸗
hardt stellte den Stadtrat Generalmaior Medwedijew unter An—
flage, der scit vielen Jahren seiner grohen Zugänglichkeit für
Geschenke“ wegen bekannt war. Von den Kohlenvorräten
waren nicht weniger als vier Millionen Kilogramm Stein—⸗
r*hls verschwunden, und Medwediew verstand es, nachzuweisen,
— — Gctgt , eoe
sie In sde und warteten dort den Einbruch der
Nacht ab.
Wie sollte man in die wohlverwahrte Stadt eindringen?
Auch die mutigsten Kampfhähne unter den Edelleuten mußten
zugeben, daß mit Gewalt hier nichts ausgerichtet werden
konnte, und daß jedes unbesonnene Traufgehen eher alles
verschütten konnte.
Wendelin hatte sich unterwegs wieder erholt. Er hatte
nur einen Gedanken: Beate retten um jeden Preis, selbst
mit Einsetzen des eigenen Lebens.
Seine Vorschläge fanden schlieblich die Zustimmung aller.
Man wollte in weiter Entfernung die Stadt umreiten. Der
ganze Haufe sollte sich bis an das Hospitol heranschleichen
und sich dort verstecken.
Wendelin, in Begleitung von zwei Rittern oder Knappen,
follte versuchen, Hans Glützer anzurufen und sich Einlaß zu
rerschaffen. Brächte er's nicht zussande. Beate zu befreien, so
follte er die anderen durch ein retabredetes Signal bherbei⸗
rufen und ihnen das Tor öffnen. —
Es war eine wundervolle Maiennacht. Der Vollmond siand
am Himmel, aber über den ganzen Himmel zog sich ein dünner
Wolkenschleier. In den Gräben und Sümpfen um die Stadt
her gaben die Frösche ihr Frühlingskonzert.
VRaortsetzuna foiat.)
Theater. Kunst und Wissenschait.
Perücke und Zopf, ein Novellenbuch von Julius Have⸗
mann-⸗Lübeck. Im Eckhart, dem bekannten Literaturblatt,
hat Prof. Dr. Ed. Heyd ein Novellenbuch von unserem
Lübeckker QDandsmann Julius Havemann,
„Perucke und Zopf“, einer ausführlichen, warm an—
zrkennenden Betrachtung unterzogen. Havemanns bei Meyer
E Jessen in Berlin erschienenes Buch enthält drei Novellen aus
den Jahren 1698 bis 1796. Eduard Heyd, der berühmte
Kunstschriftsteller, nennt Havemann einen wirklichen Dichter
und bezeichnet seine Novellen als „ein Gericht für Anspruchs⸗
volle, im nicht zu sagen sür Feinschmecker. die einschätzen
was sie zu kosten bekommen“
baß die on Potersbilrg herrschenden starken Winde allmaãhlich
diese kleine Kohlenmine fortgeweht hatten. Senator Neid,
hardt hat jest festgestellt, daß dieses damals von der Stadi.
vertretung geglaubte Märlein sich sehr natürlich erklärt: Med—
wedjew hat die Steinkohlen verkauft
Taaesbericht
aadesbericht.
Lubeck, 24. Mai.
Rinderhilfstag.
Der große Tag brach trübe, aber nicht hoffnungslos an,
das Barometer lächelte freundlicher als der Himmel. (Oh!)
Unternehmende Bezirksdamen hatten ihre jungen Mädchen schon
bald nach 6 Uhr um sich versammelt und gaben ihnen
raffinierte Instruktionen für den großen Feldzug wider die
Geldbsörsen
Die Stadt im Festschmud.
Zur äußerlichen Verschönerung des heutigen, der höchsten
und schönsten Tugend des Christentums, der barmherzigen
Nächstenliebe gewidmeten Tages trägt die Stadt überall fest
lichen Schmucd. Fast alle Häuser sind beflaggt und ihre
Fenster und Läden vielfach hübsch mit Margueriten geschmückt
Ueberall, wohin man blickt, erkennt man das Bestreben, den
Tag so schön und festlich zu gestalten, wie nur möglich. Und
in den Straßen bewegt sich eine sehr zahlreiche, festlich ge—
lleidete und festlich gestimmte Menschenmenge mit Margueriten
ruf der Brust, im Knopfloch, am Hut und in der Hand
ind immer zu neuen Griffen in die Geldtasche bereit, um
sich noch mit weiteren Blumen zu schmücken. Doch nicht au
die Menschen, Häuser und Läden beschränkt sich die Aus
schmücung, auch die Straßenbahnwagen, Geschäftswagen
Droschken, Kraftwagen, Fahrräder, Milch- und Gemüsewagen
Pferde und Karren, alles ist mit weißen Blumen und Tannen
arün geschmückt, so daß die Stadt nichts weniger als der
kindruck eines Werktags macht. In den Hauptstraßen der
Stadt haben die Geschäftsleute möeist recht geschmackvolle und
sinnige Dekorationen ihrer Häuser und Läden vorgenommen
an denen sich das Publikum aufrichtigst freute. Wi
iemmen hier nur das reich geschmückte Haus der
Besellschaft zur Beförderung gemeinnütziger Tätigkeit
der Lebensversicherungsgesellschaft, des Gesellschaftshauses
Bürgerverein“., das Restaurant „Zur Rose“ in der
Hroßen Burgstr, das Haus der Schiffergesellschaft, de
Firma Carl Ritter, die Schaufenster der Firma Gebrüde
Zirschfeld, das Haus Breite Straße Nr. 56, die Schau
fenster der Firma Rudolph Karstadt, Ecke Breite- und Jo
hannisstraße, in denen vor einem reichen dekorativen Hinter
grund von Margareten und einer Engelstatue die von Puppe
umgebenen Figuren barmherziger Schwestern Aufstellung ge
funden haben, das Schaufenster der Firma G. Schwartzkopf
die kostbare silberne Prunkschalen, -Vasen usw. geschmachol
nit Margareten geschmückt hat, die Schaufenster der Firmen
zermann Behn, Ferdinand Kayser und L. Wendt, das Cafe
Köpf, die Läden der Firmen Heinrich Pagels, Castelli und
J. H. Evers. Sehr hübsche und daher viel beachtete Garten—
zenen hatten die Firmen August Haerder, Gebrüder Heick und
Spille K von Lühmann in ihren Schaufenstern zur Dar—
tellung gebracht. Endlich seien noch erwähnt die recht be—
ichtenswerten Dekorationen des Portals des Hotels „Stadt
Hamburg“, des Hauses der Firma Karl Dettmann und des
zulmbacher Bierhauses; denn dlles aufzuzählen iss
schiet unmöglich. Gern aber heben wir hervor, daß
allüberal das Besireben erkennbar war, einen Beitrag zum
Helingen des Festtages zu bieten. Noch heute in den ersten
Morgenstunden wurden von Geschäftsleuten Margareten vow
Ausschuß grosweise zur Ausschmücung verlangt. Andere Ge
schäftsinhaber teilten dem Ausschutz mit, daß sie diesem ihr⸗
zanze heutige Einnahme oder einen namhaften Teil derselber
zur Verfügung stellen würden; das Café Hodermann über⸗
wies dem Ausschuß 100 Gutscheine für die Bezirksdamen zuu
Besuch des Ende Juni eröffnet werdenden Cafés. So nahn
der Tag einen recht viel versprechenden Anfang.
Das Leben in den Straßemn.
Weihevoll eingeleitet wurde der Margaretentag durch den
Wedruf, den die Kapelle des Herrn Oldenburg vor dem
Febäude der gemeinnützigen Gesellschaft mit dem Choral „Wie
schön leucht' uns der Morgenstern“ eröffnete. Dann ging
der Zug, begleitet von fröhlich marschierenden Massen, durd
die Breite. und Mühlenstraße zum Hause des Ausschuß
vorsitzenden, Geheimrats Bielefeldt, und zur Vorsitzenden des
Ddamenkomitees, Frau Boldemann, Ecke der Brehmerstraße
Weiter zog die Musik durch die Hürtertor-Allee bis zum
Bahnhof und schlieblich zum Markt, wo der Zug sich auflöste
Die Blumendamen aber hatten den Wedruf nicht nötig.
sie waren rüstig zum Streit. Auf dem Bahnhof wurden
furchtbare Sturmangriffe auf die einlaufenden Frühzüge unter—
nommen. Die Reisenden konnten glauben, in Wild⸗West zur
Zeit der durchgeführten Frauenemanzipation zu weilen, so
schneidig wurde attackiert. Besternt, wie hohe Herren, ver⸗
iehen die Reisenden den Lübeder Bahnhof. Auch ‚auf den
Straßen tummelten sich liebenswürdig zudringlich die Blumen⸗
damen, und jung und alt, arm und reich sah sie gern kommen
ind reichte lächelnd sein Scherflein und zeigte stolz die weißen
Blumensterne. Nicht nur Postkarten und einzelne Blumen,
nein, große Buketts zu 50 Pf. und 1 M wurden im Hand⸗
umdrehen ausberkauft, so daß die Damen fortwährend aus
ihren Bezirkslagern neue Vorräte herbeischaffen mußten.
Am frühen Morgen gingen natürlich die verschiedenen Kate⸗
jorien der Arbeiter an ihren Beruf. Ta sah man besonders am
Zafen lustige Gruppen. Unter die düstere Tracht der Kohlen⸗
saimmer müschten fich schimmernde weiße Kleider, graubärtige
Träger wurden von sechzehnjährigen Mädchen umschmeichelt, See⸗
eute, mit dem Priem im Winkel, lieben sich das Knopfloch bester⸗
nen. Aber diese Ritterinnen des Margaretenordens richteten auch
ganze Verkehrsstörungen an. Sie zwangen dee Bierwagen. die
Hlilchwagen, die Transportfuhren, Petroleumhändler und Heu⸗
wagen, Troschken und Karren, alle, alle zum Halten, und unter
zutmütigem Lachen berappten die Lenker der Gespanne unter⸗
schiedliche Nickel, um nicht nur ihre breite Brust und ihren Hut,
sondern auch das Geschirr ihrer wehr oder weniger edlen Rosse
mit Blumen schmüden zu lassen. Zum Schluß wurde dem Kutscher
noch eine Blume in den Miund zeitedt, um seinen Protest gegen
allzu strupellose Ausmutzung seiner Mildtätigkeit zu ersticen —
und wenn er sich den Schaden besah, prangten sogar an den un⸗
möglichsten Stellen seines Gefährtes die weiß und gelben Blumen,
sein Gaul sah aus wie ein Stierfechterroß und er selbit —
nun — wie ein gewisses Pfingsttier.
Auch die Schüler und Sgülerinnen, die eitrig den Quellen
der Wissenschaft zustrebten, mußten natürlich daran aglauben.
auch die jungen Kaufleute, die sich eigentlich auf den Weg ge—⸗
macht hatften. um zu nerkaufen. niußten nun lelhit Kunden spieles